Kapitel 7.1 - Unfälle passieren

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(Bild: Giselle by KareiKite - Der Charakter kommt zwar in diesem Teil nicht weiter vor, aber ich fand sie trotzdem so schön gezeichnet... *_* )


79. Jir'Lore, 2145 n.n.O

Mit einem Seufzten dachte ich an die letzten Stunden mit Zac und bedauerte, dass er zur Arbeit immer an Land musste. Hätte er eine Aufgabe hier im Schwarm, könnten wir wenigstens noch zusammen essen. So musste ich bis in den späten Nachmittag warten, ehe er zurück kam.

Aber ich wollte mich nicht beklagen. Seit wir vor gut drei Zyklen diese Ruine besucht hatten, hatten wir viel Zeit miteinander verbracht und uns auch auf einer persönlichen Ebene wieder angenähert. Obwohl es noch immer viele Dinge gab, die wir kategorisch aus unseren Gesprächsthemen ausschlossen. Ich redete nicht über die Idee, meinem Vater eine Nachricht zu schicken und er wich jeder Frage zu seiner Arbeit und dem Unfall aus, dem er seine Gehirnerschütterung zu verdanken hatte. Irgendwie ärgerte mich das, doch ich traute mich nicht so recht, auf eine Antwort zu beharren. Nicht jetzt, während ich langsam wieder entdeckte, was mich früher immer in seine Nähe gezogen hatte. Damals, vor einer gefühlten Ewigkeit. Zu Hause. Resolut schob ich diesen dunklen Gedanken beiseite und konzentrierte mich lieber auf die nächste Aufgabe direkt vor mir. Das musste ich auch, denn hinter der nächsten Abbiegung schlug mir die Dunkelheit so plötzlich entgegen, als hätte jemand mitten in der Nacht eine Kerze ausgepustet.

Wie immer hielt ich an dieser Stelle des Vorratstunnels an und atmete tief durch, sodass ich die Luftblasen an meinen Kiemen kribbeln fühlen konnte. Eigentlich hatte ich kein Problem mit Dunkelheit. Eigentlich hatte ich auch kein Problem mit Enge. Eigentlich.

Doch der Tunnel machte hier einen so scharfen Knick, dass jegliches vom Eingang einfallendes Licht lediglich eine scharfkantige Felswand beleuchtete. Hinter der Biegung herrschte allumfassende Schwärze. Darüber hinaus verengte sich der Tunnel auch noch, sodass ich beide Seiten problemlos berühren konnte, wenn ich meine Hände nur nach links und rechts ausstreckte. Oder nach oben und unten, denn die Röhre war ungefähr so hoch, wie sie breit war. Wer immer sich das ausgedacht hatte, hatte wirklich nur den minimalen Arbeitsaufwand im Sinn, der notwendig gewesen war, um diese Tunnel in den Felsen zu schlagen. Irgendwo war das verständlich, denn es war mit Sicherheit nicht einfach gewesen, das Gestein unter Wasser Stück für Stück abzutragen. Aber wenigstens ein bisschen mehr Licht hätte nicht geschadet.

Es war nicht zu ändern.

Seufzend und innerlich fluchend machte ich mich daran, langsam weiter zu schwimmen, eine Hand immer an dem rauen Felsen der Tunnelwand. Währenddessen versicherte ich mir selbst, dass die nächste beleuchtete Abbiegung bald kommen musste. Nur noch ein kurzes Stück. Ich wusste das so genau, weil es schließlich nicht das erste Mal war, dass ich irgendwelche Dinge aus dem Vorratstunneln besorgen musste. Das hieß nicht, dass ich mich hier gern aufhielt. Das Tunnelsystem, das der Schwarm verwendete, um alle Arten von Vorräte zu lagern, war so chaotisch wie durchdacht. Varon hatte das während einer unserer Geschichtsabenden erzählt, dass es über Generationen hinweg in die steilen Felswände des westlichen Seeufers gegraben worden war, um das Hab und Gut des Schwarms besser schützen zu können. Der Plan war entstanden, nachdem ein fremder Schwarm angegriffen und fast die gesamten Vorräte geplündert hatte.

Mit Bitterkeit dachte ich daran, wie Els sich mit Gewalt Zugang zu meinen Gedanken und Erinnerungen geschaffen hatte, um alle Informationen über das Tunnelsystem aus mir herauszupressen, die ich damals hatte. Ich hoffte noch immer, dass ihm dieses Wissen nie etwas nützen würde. Trotzdem hatte der Schwarm Vorkehrungen getroffen und die Vorräte umstrukturiert und teilweise umgelagert. Dennoch fühlte es sich so an, als wäre es meine Schuld gewesen. Als hätte ich den Schwarm verraten.

Ich schluckte und schwamm weiter durch die Dunkelheit, während ich mich wieder auf meine Umgebung konzentrierte, anstatt auf meine Gewissensbisse. Wäre es nicht so nervenaufreibend, wäre ich tatsächlich fasziniert von diesem engen, dunklen Tunneln, indem es nur manchmal Löcher zur Oberfläche gab, die mit Hilfe von Spiegeln ein wenig Licht einließen. Einmal an den Orten wo es irgendwelche Abzweigungen gab und einmal an den Lagerstätten an sich. Dazwischen herrschte tiefste Dunkelheit. Denn wozu sollte es auch etwas Helligkeit geben, wenn es in den engen Tunneln immer nur geradeaus ging und man sich genauso gut an den scharfkantigen Felswänden entlangtasten konnte? Flussmenschenlogik, manchmal verstand ich sie nicht.

Da vorn war Licht.

Erleichtert schwamm ich darauf zu, auch wenn ich wusste, dass es nur ein punktueller Schein war, der einen weiteren Kreuzungspunkt markierte. Doch es war die letzte Biegung für mich, denn hinter dieser Abzweigung lag eine kleine, spärlich erleuchtete Kammer, in der alles für die Unterwasser-Schneiderei aufbewahrt wurde.

Rasch begann ich alles in mein Netz zu stopfen, was Lisa mir aufgetragen hatte: Die stabilen Stoffe, die wir für unsere Schwimmkleidung brauchten, ein paar Säckchen voll Perlen für die Deko, ein paar weitere Nadeln aus Fischgräten, etwas Garn von den Seidenspinnen... was noch? Ein Blubbern hinter mir lenkte mich ab. Nanu? War hier noch jemand?

>>Hallo?<<, rief ich. Doch ich bekam keine Antwort. Achselzuckend wandte ich mich wieder um. Wahrscheinlich reagierte ich wegen dieser verflixten Dunkelheit nur überempfindlich auf irgendeinen verirrten Fisch. Also atmete ich noch einmal tief durch, auch wenn ich nicht das Gefühl hatte, dadurch wesentlich mehr Sauerstoff zu kriegen – es war wirklich stickig hier drin, sofern man das über Wasser sagen konnte – und packte mein Netz zu Ende. Dann machte ich mich endlich auf den Rückweg. Es wurde Zeit, dass ich hier wieder rauskam.


Wenig später hatte ich es fast geschafft. Weiter vorn konnte ich schon das Licht der letzten Abbiegung sehen, auf das ich zügig zuschwamm, als mich mit einem Mal ein heftiger Sog ergriff, der schnell stärker wurde. Sehr schnell. Als wäre ich in einen brüllenden Strom gesprungen. Innerhalb weniger Sekunden riss es mich einfach mit sich. Instinktiv versuchte ich Halt an der Tunnelwand zu finden. Doch meine Finger glitten nur an den scharfkantigen Felsen ab, die tiefe Schrammen in meinen Handflächen hinterließen, sodass mich die vorbeirauschenden Wassermassen gnadenlos weiter mit sich zerren konnten.

Ich war so geschockt, ich konnte nicht mal schreien, während ich immer verzweifelter versuchte, in der Dunkelheit Abstand von den plötzlich gefährlich gewordenen Felswänden zu halten. Doch all meine Versuche änderten nichts daran, dass ich hilflos wie ein Stück Treibholz immer wieder an den Felsen entlang schrammte und sich ein scharfer Schmerz an meiner Seite und meinen Armen entlangzog, ehe ich mit Wucht gegen die Tunnelwand der letzten Kurve gepresst wurde. Intuitiv machte ich mich so klein wie möglich, um mich vor den auf mich einpeitschenden Wassermassen zu schützen. Das Schlimmste war, dass der Wasserstrom noch immer stärker wurde, während er mich mahlend wie ein Mühlstein gegen die Felswand presste, und mir jegliche Möglichkeit nahm, mich zu bewegen. Oder richtig zu atmen. Denn das Wasser floss zu schnell, zu gewaltig, als dass es meine schmerzhaft flatternden Kiemen wirklich aufnehmen konnte.

Ein sehr kleiner, sehr rationaler Teil meines Hirns wies mich leise darauf hin, dass ich hier an dieser Wand von dem Wasser wortwörtlich zerquetscht werden würde, wenn ich es nicht bald schaffte, hier weg zu kommen. Dieser Gedanke durchdrang sogar meine Schmerzen und die wachsende Panik. Da vorne war der Ausgang. Kaum hundert Fuß von mir entfernt konnte ich den hellen Lichtschein sehen. Dorthin strömte auch das Wasser, nachdem es von der Felswand abgeprallt war, an die es mich so erbarmungslos drückte. Ich musste es nur irgendwie schaffen in den Sog reinzukommen, der mich nach draußen bringen würde.

Fingerbreite für Fingerbreite zog ich mich an der Wand entlang ohne zu wissen, woher ich die Kraft oder den Willen für die nächste Bewegung nehmen sollte. Doch irgendwoher kam sie doch – und ganz plötzlich ohne Vorwarnung erfasste mich die brutale Strömung nach draußen. Ohne die geringste Kontrolle zu haben, rollte ich mich so eng wie möglich zusammen, die Arme schützend an meinen Kopf gepresst, überließ ich mich den reißenden Wassermassen, die mich wild hin und her schleuderten, während ich die spitzen Kanten der Tunnelwände immer wieder über meinen Körper hinweg schrammen spürte.

>>SENGA!<<

Dann war es vorbei.


Ich spürte, wie das Wasser um mich herum augenblicklich still wurde. Der Sog war verschwunden. Ich war in Sicherheit. Dennoch konnte ich mich nicht dazu überwinden, meine schützende Haltung aufzugeben. Auch nicht, als sich Hände vorsichtig auf meinen Rücken legten. Ich zuckte leise wimmernd zusammen. Es fühlte sich an, als würden weitere Steine auf mich einschlagen.

Die Gedankenverbindung bestand trotz der Schmerzen und ich hörte eine Stimme sanft auf mich einreden. Es dauerte lange, ehe ich den Worten tatsächlich einen Sinn abgewinnen oder den Sprecher irgendwie zuordnen konnte. Doch ganz langsam ebbte die Panik ab und der betäubende Schleier um meine Gedanken löste sich auf.

>>Senga, hörst du mich?<<, fragte Orell, bestimmt schon zum dutzendsten Mal. >>Keine Sorge. Sina und Gropp sind los, um Hilfe zu holen. Es ist gleich jemand da. Alles wird gut.<<

Ich stöhnte und versuchte kläglich einen Muskel zu lockern. Doch sobald ich etwas bewegte, schoss weiterer Schmerz durch meinen Körper. >>Nicht bewegen<<, flüsterte Orell leise. >>Gleich kommt ein Arzt. Was hast du nur in diesen Tunneln gemacht?<< Vage war mir bewusst, dass er mindestens genauso verstört klang, wie ich mich fühlte.

>>Stoffe und Perlen geholt<<, antwortete ich schließlich langsam und spürte, wie durch meinen Körper ein Zittern lief, als sich heiße Tränen ihren Weg aus meinen Augen bahnten. Doch das Wasser um mich herum schwemmte sie sofort beiseite. >>Was habt ihr mit den Tunneln gemacht?<<, fragte ich, verzweifelt darum bemüht, mich irgendwie von dem Schmerz abzulenken und zu begreifen, was da eben passiert war. Denn mittlerweile war ich mir sicher, dass diese sich plötzlich bewegenden Wassermassen keinen natürlichen Ursprung haben konnten.

>>Wir haben die Tunnel durchlüftet.<<

Ich konnte nicht antworten, denn ich hatte mich gerade selbst dazu gezwungen, meine Arme von meinem Körper wegzubewegen, um meine schützende Kugelform aufzugeben.

Fast hätte ich das Bewusstsein verloren. Nur Orells Geist in meinem, hielt mich noch stabil.

>>Gleich kommt Hilfe, Senga<<, murmelte er wieder beruhigend und weil er nicht wusste, was er sonst tun sollte, erklärte er mir, was es mit der Tunnelbelüftung auf sich hatte: >>Das Tunnelsystem ist künstlich angelegt und hat deshalb keine eigene Wasserzirkulation. Und weil es dort überwiegend dunkel ist, verirren sich auch kaum Pflanzen dahin. Daher würde es dort nicht genügend Sauerstoff für Flussmenschen geben, wenn wir nicht regelmäßig die Tunnel durchlüften würden.<<

Ich hatte den Eindruck, dass ich alles nur sehr gedämmt wahrnahm, doch ich nickte trotzdem schwach, damit er einfach weitersprach.

>>Wir brauchen mindestens drei Leute dafür: Zwei schwimmen in den hintersten Winkel und drücken die Wassermassen weg, während einer hier vorn bleibt und sie herzieht. Wenn der Wasserspiegel ein gutes Stück abgesackt ist, lassen wir los und es pegelt sich von allein wieder ein. Die Luft, die dabei durch die Lüftungsschlitze hineinfließt reicht dann für ein paar weitere Wochen.<<

>>Wenn ich also nicht rausgekommen wäre, hätte mich der Rückfluss des Wassers komplett an den Wänden zerschmettert?<<, fragte ich kraftlos und spürte, wie ich bei der Erkenntnis zu zittern anfing.

Orell schwieg, doch ich spürte seine Bestätigung und seine Beklommenheit in meinen Gedanken, auch seine Hand auf meinem Rücken zitterte >>Es war ein Unfall. Eigentlich hätten Sina und Gropp kontrollieren müssen, ob noch jemand drin ist.<<

>>Das haben sie wohl vergessen<<, knurrte ich und ächzte wieder, als ich versuchte, einen Arm zu bewegen. Doch Orell konnte nun auch nichts dafür und so versuchte ich das Gespräch weiter aufrecht zu halten, um uns beide abzulenken. Wann kam nur endlich die versprochene Hilfe? >>Wie funktioniert das eigentlich? Das Wasser herausdrücken?<<

Erleichtert nahm mein Gesprächspartner den Faden wieder auf: >>Wassermagie. Wir Flussmenschen haben ja zweierlei Fähigkeiten: Zum einen können wir Menschen das Leben im Wasser ermöglichen. Zum Anderen können wir das Süßwasser um uns herum im begrenzten Maß beeinflussen. Allein schaffen wir meistens kaum mehr als in einer Teetasse Wellen zu erzeugen. Deshalb sind diese Fähigkeiten für uns im Alltag kaum relevant. Aber wenn wir unsere Kräfte bündeln, kann sich das Ergebnis schon sehen lassen.<<

Besonders, wenn es die Kräfte von „reinen Flussmenschen" sind – ganz dunkel war mir in Erinnerung, dass Varona bei unserem ersten Geschichtsabend etwas davon erzählte, dass Leute wie Varon oder Orell besonders stark ausgeprägte magische Fähigkeiten hatten. >>Was macht ihr denn noch mit eurer Magie?<<

Doch ehe Orell darauf antworten konnte, hörte ich eine andere Stimme, die mich sofort von allem ablenkte: >>Senga!<<

Varona. Endlich war Hilfe da.

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