Kapitel 4.2 - Die Schwarmversammlung

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gewidmet Smaragdsee,

weil ich jedes Mal aufs neue bewundere, was für wunderbare, hilfreiche und trotzdem so mega freundliche Kritiken Du schreiben kannst!

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>>Zacery! Koral!<<, fuhr Tianes Stimme plötzlich harsch dazwischen und unterbrach meine Gedanken. >>Denkt ihr eigentlich auch mal an Phia und Senga, wenn ihr euch hier vor allen angiftet?<<

Korals Antwort verstummte abrupt. Doch im Gegensatz zu allen anderen, sah ich weder ihn noch Zac an. Stattdessen fixierte ich die schimmernden, wellenförmigen Perlmutteinlagerungen des Lore-Schreins. Trotzdem war ich mir absolut sicher, dass Zacs Blick auf mir ruhte. Sein Schweigen schien Bände zu mir zu sprechen. Liebende. Am liebsten wäre ich weggeschwommen. Das konnte nicht sein. Denn wenn er mich wirklich lieben sollte - warum hatte er mir das alles angetan?

In die aufkeimende Stille hinein, setzte nun Ivory mit ruhigerer, nichtsdestotrotz resoluter Stimme ein: >>Tiane hat recht. Ihr habt die Regeln der Schwarmversammlung missachtet. Bitte verlasst diesen Kreis.<<

>>Aber-<<, setzte Koral gedanklich an, doch Ivory schüttelte stumm den Kopf. Der Flussmann biss die Zähne so sehr aufeinander, dass seine Kiefermuskeln eindrucksvolle Schatten warfen.

>>Nein, Koral. Du kennst die Regeln. Du hast sie missachtet. Schwimm jetzt.<<

Einen kurzen Moment lang spürte ich deutlich Korals Widerwillen durch den Kreis der Schwarmverbindung flackern und rechnete fest mit Widerworten. Doch dann riss er sich los und schwamm wortlos davon. Ebenso wie Zac, von dessen Gedanken und Gefühlen nun nichts mehr in den Kreis drang.

Als sein schlanker Körper in der Trübe des Sees verschwand, floss von mehreren Seiten her eine zurückhaltende Erleichterung und ich kam nicht umhin, eine gewisse Genugtuung zu spüren. Diese Kröten. Sogar ich kannte die Regeln, sie waren auch denkbar einfach: Egal wie sehr einen ein Thema mitnahm, man störte die Versammlung nicht mit unqualifizierten Zwischenbemerkungen oder gar Beleidigungen anderer. Und vor allem ließ man andere ausreden. Andernfalls wurde man der Versammlung verwiesen und verlor für dieses Mal jegliche Möglichkeit, mitzudiskutieren und mitzuentscheiden. Selbst schuld. Trotzdem bewahrte ich mir nach außen eine würdevolle, steinerne Miene. Soviel hatte ich mir in den letzten Zyklen bei den Flussmenschen abgeschaut.

Dann konzentrierte ich mich wieder auf die Versammlung, die unbeeindruckt von diesem Zwischenfall wieder ihre Diskussionen zum eigentlichen Thema aufnahm. Besonders, da Tiane gerade meinen Namen nannte: >>... Senga noch einmal die Ereignisse von vor zwei Jahren zusammenfassen.<<

Eine Welle verhaltener Zustimmung schwappte durch die Gedankenverbindung, doch weder Sirek noch Tiane noch einer der Älteren meldete sich freiwillig dazu. Gespannt sah ich in die Runde. Bisher waren immer alle diesem Thema ausgewichen, wann immer es irgendwie zur Sprache kam.

>>Nun, Senga<<, übernahm Varona die anscheinend unangenehme Aufgabe schließlich mit einem resignierten Seufzen. >>Du weißt vielleicht, dass wir früher gute Verbindungen zu den umliegenden Dörfern hatten.<<

Ich nickte kaum merklich, sodass sich Varona davon nicht unterbrechen ließ. >>Doch dann sind drei unserer Jüngeren mit anderen Jugendlichen in ein Boot gestiegen und aufs Meer gefahren.<<

Angesichts der aufkeimenden Trauer, die mit einem Mal durch die Gedankenverbindung des Schwarms floss, wurde mir kalt. Das Meer und vor allem dessen hoher Salzgehalt war für Flussmenschen potentiell tödlich, wenn sie dem zu lange ausgesetzt waren.

Varona bemerkte mein Unwohlsein und nickte knapp. >>Um es kurz zu machen: An dem Tag befand sich eine Schule Meermenschen in der Nähe und hat das Boot angegriffen. Dabei sind zwei der unseren gestorben, der Dritte wurde schwer verletzt. Von den Menschen wurden zwei Mädchen, sowie ein Junge verschleppt. Sie sind seitdem nicht mehr gesehen worden und wurden offiziell für tot erklärt. Ihre Eltern und Freunde geben uns nach wie vor die Schuld an diesem Überfall. Sie sagen, es sei unsere Feindschaft mit den Meermenschen, die diese zu einem Angriff provoziert hätte. Seitdem gibt es immer wieder Schwierigkeiten zwischen uns und den umliegenden Dörfern.<<

Ich bewunderte die Earis dafür, wie nüchtern sie das vortragen konnte, während ich die Trauer und die Wut aller in meinem Geist spürte, als wäre es meine eigene. Suriki schien dagegen mehr als aufgebracht zu sein, denn er schwamm regelrecht Kreise um Varona herum, als müsste er sich irgendwie abreagieren.

Da ich den Kloß in meinen Hals nicht runter schlucken und auch den Seemannsknoten in meinen Gedanken nicht aufdröseln konnte, nickte ich einfach wieder, um zu zeigen, dass ich verstanden hatte. Vor allem hatte ich nun auch verstanden, warum die wütenden Reden meines Vaters auf so offene Ohren stießen, wie Hannah es mir erzählt hatte.

>>Diese „Schwierigkeiten" gipfelten kürzlich in dem Angriff auf Cana und Gropp<<, fügte Ivory trocken hinzu. >>Und gestern in dem Fund der Netze voll mit Schwärmen von toten Fischen.<< Um letzteres zu unterstreichen, sandte sie meine Erinnerungen in die Gedankenverbindung über die besagten Netze, damit sich auch jene, die nicht dabei gewesen waren, ein Bild machen konnten. >>Jetzt müssen wir darüber beraten, wie wir weiter vorgehen. Deshalb soll Senga uns noch einmal von ihrem Fund und dem Gespräch mit einer der Verantwortlichen erzählen.<<

Protestierend zog sich alles in mir zusammen. Hannah als „Verantwortliche" zu bezeichnen fühlte sich unglaublich falsch an. Doch diese Wortklauberei würde weder mich noch andere jetzt weiter bringen und so versuchte ich mich auf das Wesentliche zu konzentrieren, als ich wieder das Wort hatte.

Also erzählte ich noch einmal, warum ich in den abgelegenen Teil des Schwarmgebiets geschwommen war, wie ich die Netze gefunden hatte und von meinem Gespräch mit Hannah: die Drohung, die sie eventuell auftauchenden Schwarmmitgliedern ausrichten sollte, die zwei anderen Orte, wo noch mehr Netze hingen, dass offenbar auch andere Menschen der Umgebung mit einer Konfrontation sympathisierten. Nur die unbedeutende Kleinigkeit von Trells übermittelten quasi-Heiratsantrag ließ ich abermals aus.

Als ich fertig war, berichteten noch zwei andere Flussmenschen, wie sie die Netze an den von mir angegebenen Stellen gefunden hatten. Doch im Gegensatz zu mir hatten sie nicht die Möglichkeit gehabt, ein normales Gespräch zu führen. Stattdessen waren sie bedroht und angefeindet worden. Ich schüttelte verständnislos den Kopf. Waren alle in der Umgebung in den letzten Zyklen so abwehrend gegen den Schwarm geworden? Oder waren es nur wenige, die sich nun in den Vordergrund drängten?

War das meine Schuld?

Der Gedanke fraß sich immer tiefer in meinen Kopf, wie ein Holzwurm in einen Dachbalken, während ich der nun aufflammenden Debatte lauschte. Mit wachsender Bestürzung realisierte ich, dass offenbar eine breite Mehrheit durchaus bereit war, sich in irgendeiner Art und Weise „wehren" zu wollen. Wie dieses „Wehren" aussah - darüber gab es sehr unterschiedliche Auffassungen.

>>Wenn sie anfangen, unsere Lebensgrundlagen anzugreifen, dann sollten wir vielleicht einfach Feuer in ihren Feldern und Wäldern legen!<<

>>Das halte ich für ungerecht gegenüber denen, die nicht beteiligt sind und dann Schaden nehmen. Allerdings fände ich es durchaus legitim, die zur Verantwortung zu ziehen, die sich an solchen Taten beteiligen.<<

>>So? Wie willst du sie denn „zur Verantwortung" ziehen?<<

>>Gleiches mit Gleichem vergelten.<<

Ich schloss die Augen, während meine Fantasie mir Bilder zeigte, wie Mitglieder meines Schwarms Lucien festhielten und auf ihn einschlugen bis er so aussah wie Gropp noch vor wenigen Tagen - höchst realistische Bilder. Ein Teil von mir begrüßte diese Idee. Der weitaus größere, rationale Teil war entsetzt. >>Ihr glaubt doch nicht ernsthaft, dass es das besser machen würde?<<, knurrte ich dazwischen, was mir einen mahnenden Blick von Ivory einbrachte.

Doch ehe sie etwas sagen konnte, spürte ich Doras frustrierte Gedanken durch die Verbindung schwappen. >>Du solltest besser Schweigen, Senga. Du bist kein mündiges Schwarmmitglied.<<

Ich blickte sie an. Einen Moment lang war ich sprachlos. Es ging hier immerhin um mich!

Da rauschte eine Art gedankliches Räusperte durch die Verbindung und Varon ergriff das Wort. >>Dora. Es geht hier immerhin um Senga. Sie ist heute hier, um zu berichten. Außerdem ist es ihr Vater, der uns bedroht - nichts für Ungut, Senga.<<

Ich blinzelte Varon verwirrt an. Es waren fast die gleichen Worte, die ich gerade gedacht hatte. Reflexartig überprüfte ich meine mentale Wand. Sie war intakt. Erleichtert atmete ich auf und schob es in die Kategorie „seltsame Zufälle".

Doras ausdrucksloser Blick glitt erst zu Varon und dann zu mir. >>Na wenn es sowieso ihr Vater ist: Warum lassen wir sie nicht zurück an Land gehen? Sie wollte doch eh nie hier sein.<<

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