Kapitel 7.2 - Ein neues Geheimnis

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gewidmet Jay,

weil ich es bewundere, mit wieviel Freundlichkeit und Rücksichtnahme, Du hier durch Wattpad streifst! :D

Und weil ich mich natürlich wie Bolle Freue, dass Du diese Geschichte hier liest! <3

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Ich starrte sie an. Ich vergaß sogar, meine Wand zu ziehen.

>>Nein. Ich bin nicht wahnsinnig!<<

Schnell korrigierte ich meine mentale Mauer wieder, doch die Flussfrau schien es nicht zu stören. >>Ich weiß, wie du dich fühlst. Mir ging es genauso, als Skal damit ankam. Aber: Ich habe Beweise. Er hat sie mir mitgebracht. Bücher. Lexikas. Atlanten. Geschichtsbände. Bilder. Technische... Dinge. Er nannte es Foto... Fotoata – nein, warte. Fotoapparat. Das war 's. Aber der, den ich hier habe, funktioniert leider nicht mehr. Die Batte-dingens sind wohl leer.<<

Ivory war so aufgeregt, dass ich absolut davon überzeugt war, dass zumindest sie felsenfest daran glaubte. Trotzdem fiel es mir schwer, ihre Überzeugung zu teilen. >>Und wie soll das möglich sein? Hat er dir dazu auch etwas gesagt? Denn letztendlich kann man diese ganzen Dinge auch an den Haaren herbeiziehen.<< Obwohl es sicherlich aufwendig war und ich keine Ahnung hatte, warum man so etwas tun sollte.

Aber andererseits: Was wusste ich schon? Letztes Jahr hätte ich es auch nicht für möglich gehalten, dass jemand mich einfach entführte, weil ich keine Ahnung hatte, warum man das tun sollte.

>>Natürlich könnte er es fälschen. Aber warum?<<, verfolgte Ivory genau die gleichen Überlegungen wie ich. >>Und ja. Er hat mir die Stelle gezeigt<< Um ihren Punkt zu unterstreichen, zeigte sie mir in ihrem Geist eine Stelle, die ich durchaus kannte. Abgelegen und kaum benutzt, da es wegen der relativen Ufernähe und dem steinigen Grund dort nichts gab, das man da tun konnte. Außer sich zu konspirativen Treffen verabreden, wie ich es mit meinem Vater an diesem Ort getan hatte.

Ich schluckte und fragte mich, ob Ivory mir nicht doch einen perfiden Streich spielte. Doch das Bild in ihrer Erinnerung sah nicht ganz so aus, wie ich die Stelle erlebt hatte – denn ich hatte nie dieses schwach glitzernde Flimmern zwischen den Steinen gesehen und auch nicht das klirrende Säuseln gehört, das in ihren Gedanken nachhallte.

Sprachlos lauschte ich weiter: >>Skal erklärte, dass an den zwei Tag-und-Nacht-Gleichen im Jahr der Vorhang zwischen den Welten dünn zu sein scheint. Und an manchen Punkte ist ein Übertritt möglich. Woher das kommt, konnte er nicht sagen. Aber dass es so ist, demonstrierte er mir einen Moment später. Er kam erst ein halbes Jahr später zurück. Zum letzten Mal. Um Abschied zu nehmen.<<

Ihre Bewegungen waren so aufgebracht, dass die Muscheln, die sie zuvor eingesammelt hatte, aus dem Netz herausfielen, während die Worte nur so aus Ivory heraussprudelten. Vermutlich hatte sie das alles all die Jahre in sich verschlossen, sodass sie nun – als sie einmal angefangen hatte darüber zu sprechen – nicht mehr aufhören konnte.

Das machte es für mich aber nur bedingt besser. Um Zeit zu schinden, löste ich mich von ihr und unserer Gedankenverbindung und schwamm zum Boden des Wracks. >>Warum erzählst du mir das?<<, versuchte ich schließlich ein bisschen mehr Rationalität in dieses widersinnige Gespräch zu bringen, während ich bemüht beiläufig begann, die heruntergefallenen Muscheln wieder einzusammeln.

>>Weil ich finde, dass du wissen solltest, dass es immer Optionen gibt.<<

Die Muschel in meiner Hand zerbrach und ich hatte plötzlich eine sehr schleimige Masse an den Schwimmhäuten zwischen meinen Fingern kleben. Hastig begann ich mir mit dem Schwämmchen, mit dem ich bis eben noch die Wand geputzt hatte, die Finger abzuwischen und versuchte, dass heiß-kalte-Gefühl zu verdrängen, das man bekommt, wenn fast Fremde, eine mehr als unangenehme Wahrheit auf den Punkt bringen. >>Nur mal angenommen, du hast recht: In ein undefiniertes Nirgendwo zu verschwinden, scheint mir jetzt nicht gerade die beste Möglichkeit zu sein.<<

>>Darum geht es nicht.<<, antwortete Ivory nachdenklich und reichte mir einen neuen, sauberen Schwamm aus ihrem Taschennetz, ehe sie sich augenscheinlich ruhiger wieder daran machte, die Muscheln von der Schiffswand zu lösen.

Es dauerte eine Weile, ehe sie weitersprach und auch ich begann wieder mit meiner Arbeit. Schließlich kamen ihre Worte dann aber doch: >>Ich meinte, dass mein Bruder irgendwann entschieden hat, dass der Schwarm nicht der Dreh- und Angelpunkt seines Lebens ist und-<< Sie unterbrach sich und auf ihrem sonst so unbewegtem Gesicht zeichnete sich die Überraschung einer unverhofften Erkenntnis ab, als sie mit einem Mal zu mir herumfuhr. >>Warte. Ich dachte, du hasst uns. Aber...<<

Sie schwieg vielsagend,beinahe anklagend und wieder fühlte ich mich unglaublich ertappt. Denn das war genau die Frage, mit der ich schon seit längerem kämpfte. Und auch jetzt wusste ich nicht, was ich antworte sollte, während ich vorgab, wieder konzentriert die kleinen Perlmuttstückchen abzuschrubben. Doch als sich das Schweigen der Flussfrau in die Länge zog, konnte ich nicht länger nichts sagen. >>Manchmal. Vielleicht. Den ein oder anderen. Aber dann...<<

Ich blinzelte zu Ivory hinüber. Sie lächelte. Ich war mir sicher, dass sie das nur wegen mir tat, weil wir gerade keine Gedankenverbindung hatten und sie mir trotzdem ein vages Gefühl von Verständnis vermitteln wollte. Allerdings war ich mir nicht so sicher, ob das klappte. >>Dann hat es bei dir also tatsächlich funktioniert?<<

Nein. Es klappte nicht. Denn das, was sie da sagte klang gar nicht gut. >>Was?<<

>>Ach Senga – hast du es nicht verstanden? Das ist genau die Masche, die der Schwarm seit der Einführung des Jelena-Raoren-Vertrages anwendet. Wenn nicht sogar noch länger.<<

Ich starrte sie ratlos an. Mittlerweile hatte ich meine Putzaufgabe komplett vergessen. >>Ich verstehe nicht, was du meinst.<<

Auch Ivory schien nicht mehr sonderlich erpicht auf das Muschelabkratzen zu sein. Zumindest hatte sie schon vor einigen Sätzen damit aufgehört. >>Es ist eigentlich nichts Schlimmes.<< Schon allein, dass ihre Erklärung so anfing, machte mich noch nervöser. >>Ich meine die menschliche Anpassungsfähigkeit. Für Menschen ist es ganz natürlich und vielleicht eine ihrer größten Stärken. Aber manchmal ist es wohl auch ihre größte Schwäche. Schließlich geht sie Hand in Hand mit ihrem Überlebensinstinkt.<<

Einen Moment lang blickte Ivory nachdenklich an die Wand, die den einsamen Flussmann zeigte, während ich darauf wartete, worauf sie eigentlich hinauswollte. Als sie nicht weiter sprach, schwamm ich etwas näher zu ihr heran und tastete mit meiner Hand nach ihren Fingerspitzen bis ich eine Gedankenverbindung zu ihr spürte. Früher wäre es mir nie eingefallen, jemanden, den ich kaum kannte, so nahe zu kommen. Aber ich lebte nicht mehr im Früher. Und im hier und jetzt waren die Verhältnisse einfach andere. >>Was meinst du?<<

>>Was ich eigentlich sagen will<<, fuhr sie daraufhin fort. >>Ich glaube, wenn es nicht zu sehr gegen die grundsätzlichsten Prinzipien eines Menschen läuft, schlägt er oder sie immer den Weg ein, mit dem es sich am einfachsten überleben lässt. Das ist ein uralter völlig rationaler Mechanismus. Und unser Schwarm macht sich das zunutze.<<

Jetzt spürte ich so etwas wie traurige Resignation in ihren Gedanken. >>Was Zac getan hat, ist „aus der Mode gekommen". Aber es ist noch nicht so lange her, dass die Flussmenschen im Zweifel ihre auserwählten Menschen einfach mitgenommen haben. Und dann waren alle so lange nett zu ihnen bis sie sich letztlich eingefügt und angepasst haben<<, ich spürte ein trauriges Lächeln von ihr zu mir herüberschweben, das sich automatisch in meiner Miene widerspiegelte. >>Du bist da nicht die Erste, Senga. Aber ich hoffe, dass du zumindest in diesem Schwarm die Letzte bist.<<

Das zu verarbeiteten dauerte einen Moment. Und so ließ ich Ivory einfach wieder los und kehrte zu meiner Putzarbeit zurück. Die Flussfrau gab mir den Freiraum. Wahrscheinlich hatte sie gespürt, wie sehr mich ihre Worte aufgewühlt hatten. Doch einige Schrubbeinheiten später hatte ich mich wieder gefangen. >>Das heißt<<, begann ich zögernd da Offensichtliche auszusprechen. >>Alle Gefühle, die ich für Zac und auch für den Schwarm hatte, sind das Produkt einer ausgeklügelten Manipulation?<<

Ivory zuckte mit den Achseln, eine Geste, die ich selten bei Flussmenschen sah. >>Naja – ich würde es nicht „ausgeklügelte Manipulation" nennen – den wenigsten wird bewusst sein, was sie da tun. Die meisten wollen sicherlich einfach nur, dass du dich wohlfühlst. Aber wenn man an die ursprünglichen Anfänge zurückgeht... ja. Willige Flussbräute sind die besseren Mütter und damit ein besserer Garant für das Überleben des Schwarms.<<

Die Worte waren wie Schläge in mein Gesicht. >>Und das heißt?<<

Ivory blinzelte. >>Das heißt, dass du das jetzt alles weißt. Ich finde es nicht gut, dass wir dich so lange im Unklaren gelassen haben. Über alles. Und wenn Zac den Mund nicht aufkriegt, wollte wenigstens ich das tun.<<

Ich nickte langsam. >>Danke.<<

Ivory hatte recht. Ich verstand nun einiges besser. Jetzt musste ich nur noch entscheiden, was ich mit diesem Wissen anfing und wie ich zum Schwarm stand. Obwohl das eigentlich keine Frage mehr darstellte. Denn wenn ich ehrlich zu mir selbst war, dann wusste ich es.

So schwer es für mich war, das einzugestehen: Letztendlich hatte die Taktik des Schwarms gewirkt. Ich mochte die Leute, die ich hier kennen gelernt hatte – zumindest die meisten. Sie waren in den letzten Zyklen sowas wie Freunde geworden, vielleicht sogar Familie. Trotz Manipulation. Trotz der fehlenden Hilfen, die ich mir von ihnen gewünscht hätte. Trotz... allem. Es waren nur Menschen, die ihr Leben lebten. Und ich wollte nicht, dass meine Familie verletzt wurde. Weder die eine noch die andere.

Und trotzdem konnte und wollte ich nicht hierbleiben. Wegen allem, was passiert war, war ich mir sicher, dass ich hier niemals wirklichen Frieden finden konnte. Und gleichzeitig konnte ich auch nicht einfach gehen – selbst wenn ich die Möglichkeit dazu hätte. Nicht, solange es bedeutete, dass die, die ich hier zurückließ in Gefahr schwebten.

Wenn ich doch nur wüsste, wie ich Papa überzeugen könnte. Vielleicht könnte ich dann auch endlich das Wasser verlassen.


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Ich glaube ja, dass diese Erkenntnis ja den ein oder anderen hier unglücklich machen wird.  *hüstel*  Aber irgendwie... passt das am Besten zu Senga und was anderes kann ich mir für sie auch nur schwer vorstellen. ^^''

Wegen den nächsten Kapiteln muss ich ehrlich gesagt mal schauen. Ich will die Geschichte eigentlich erst einmal fertig überarbeitet haben, ehe ich sie hier zu Ende hochlade. Aber vielleicht kann ich zwischendurch der Vesuchung auch nicht widerstehen, noch ein paar Kapitel vorzeitig loszuwerden. Also es gilt wie immer: Sicher ist nichts! xD

Habt noch eine schöne Weihnachtszeit!


P.S.: Wenn euch die Zeit bis zum nächstem Kapitel zu lang wird - nun, um an diesem Punkt noch einmal schamlose Eigenwerbung zu machen - können die von euch, die es noch nicht kennen, auch gern in mein kleines Beiwerk "Tropfen im Regen" vorbei schauen. :D

Da steht Zeugs drin, das es nicht ins Hauptwerk geschafft hat. Vor allem sind es kleine Hintergrundkapitel zu einzelnen Nebencharakteren, die ich irgendwann einmal als Übung geschrieben hab. Oder auch um mir über die Charaktere selbst etwas klarer zu werden. (dazu zählen Giselle oder Trell, aber auch Epoh und Sumsa - erinnert sich wer? - hatten da noch einmal einen kleinen Auftrtitt.)

Falls es noch wen dahin verschlägt: Viel Spaß beim Lesen. :D



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