Kapitel 8.2 - Seeschlacht

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gewidmet Bluestar,

weil ich es bewundere, wie schnell und intensiv Du gelesen hast! Danke, dass Du Dir die Zeit genommen hast! :D

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Als ich Erings Silhouette nicht mehr von den anderen unterscheiden konnte, zwang ich meine Aufmerksamkeit auf seine Aufgabe, die nun offensichtlich die Meine war: Das Zerschneiden eines Seiles, das mindestens so dick war wie mein eigener Oberarm.

Ering war schon zur Hälfte durchgekommen und dennoch blieb es störrisch weiterhin straff gespannt, schleifte etwas hinter sich her. Fuß um Fuß, Elle um Elle, zog es durch das trübe Wasser. Und obwohl ich nichts deutlich sehen konnte, wusste ich, was am Ende dieses Seiles lauerte: Eine der riesigen Klingen, mit denen sie das Seegras mähten.

Ohne länger zu zögern machte ich mich an die Arbeit.

Strang um Strang zersäbelte ich das Seil weiter, während es die Klinge an seinem Ende immer weiter vorwärts schliff. Und mit jedem zurückgelegten Stückchen wurden weitere Pflanzen aus dem Boden gerissen. Noch während ich verbissen an dem Seil schnitt, spürte ich die Kiemen an meinen Seiten und meinem Hals wild flatterten, sosehr versuchten sie, Luft aus dem Wasser zu ziehen. Doch das Wasser in meinen Lungen fühlte sich schal an, verbraucht. Ganz automatisch atmete ich flacher.

Oder war das Einbildung?

Wie schwerwiegend war der Verlust von ein paar Seegrasfeldern in einem Seitenarm? Für den Schwarm? Für das Gleichgewicht im Fluss? Aber was ich wusste war, dass es eine Katastrophe wäre, wenn dieses Beispiel Schule machte und die Dörfer in den ganzen Flusslanden plötzlich anfingen, Seegrasfelder zu mähen. Das würden die Schwärme nicht hinnehmen, konnten es nicht, durften es nicht, wenn sie nicht ersticken wollten. Schließlich waren die Flussmenschen um einiges größer als irgendwelche Fische und brauchten deshalb auch ungleich mehr Sauerstoff.

Ratsch. Autsch.

Die plötzlich entstandenen Seilenden sprangen auseinander und rutschten durch meine Finger. Intuitiv ballte ich die Hand zur Faust und wartete darauf, dass der zwiebelnde Schmerz nachließ. Dann schwamm ich weiter zu dem anderen Seil, das die lange Klinge noch immer festhielt, sie weiter über den Boden schliff und ihn so weiter verwüstete.

Während ich mein Messer ansetzte, folgte mein Blick dem Seil entlang. Da oben war das Schiff, das die Klingen zog. Da schien auch ein Großteil meines Schwarms zu sein. Was ging da oben nur vor? Ihre Stimmen hallten immer noch wild durch meinen Kopf, ohne, dass ich mir auch nur ansatzweise einen Reim auf die Geschehnisse machen konnte.

>>Koral! Achtung!<<

>>Hast du es bald, Dora?<<

>>Aaaaa! Scheiße!<<

>>Harpunen!<<

Und ganz urplötzlich fiel mir noch etwas anderes auf: Ich hörte nichts von Zac.

Warum nicht? Er musste hier irgendwo sein, an der Seite seines Schwarms, um seine Familie zu verteidigen. Warum hörte ich dann in all dem Gebrüll nicht ein einziges Mal seine Stimme? Noch während ich einmal mehr nach dem Mann lauschte, der mich in diesen ganzen Schlamassel reingezogen hatte, spürte ich es.

Wut. Hilflosigkeit. Frustration. Sorge.

Ich blinzelte. Doch. Da war es. So deutlich, als wären diese Gefühle schon immer da gewesen. Wahrscheinlich waren sie das auch und ich hatte sie nur nicht bemerkt, weil es so sehr meinem eigenen Gefühlschaos glich. Energisch schnitt ich weiter an dem Seil. Vielleicht hatte er ja jetzt auch endlich erkannt, wie tief wir im Sumpf feststeckten. Oder zumindest darüber nachgedacht. Aber vielleicht auch nicht.

Es könnte mir nichts egaler sein.

Und trotzdem kam ich nicht umhin, noch einmal auf mein Gespür für Zac zu lauschen. Da war mehr. Angst. Ich kniff die Lippen zusammen. Wenn er so unsicher war – warum rief er nicht nach Hilfe? Es sollte mir wirklich egal sein.

Ach verdammt.


Ratsch – trennte sich endlich das Seil von der Klinge und das Ungetüm kam auf dem Flussgrund zum Erliegen. Ich verschwendete keinen weiteren Gedanken mehr daran. Noch während das lose Stück Seil ebenfalls in den Sand sank, sah ich mich selbst stromaufwärts paddeln und ließ das Getümmel bei den Booten hinter mir. Ich wusste nicht genau wohin, achtete kaum auf meine Umgebung – zwischen all dem aufgewirbelten Sand und toten Pflanzenresten sah ich sowieso kaum etwas. Ich folgte nur diesen vagen Gefühlen, die hochkochten, wann immer ich mich auf Zac fokussierte.

Überraschenderweise wurde es nach der nächsten Flussbiegung schlagartig hell. Die Strömung hier war weit ruhiger. Aber vor allem waren die Seealgen-Felder noch unangetastet. Sofort fiel mir das Atmen leichter, als-

>>Stopp! Wer ist da?<< Zacs Stimme zuckte scharf durch meine Gedanken. Unwillkürlich sah ich mich nach ihm um. >>Bei den Göttern! Halt still, du Dummkopf!<<

Wütend biss ich die Zähne zusammen, bewegte mich aber nicht weiter. >>Hast du schon mal überlegt, dass es genau dieses Verhalten ist, das dich ständig in Schwierigkeiten bringt?<<, antwortete ich unwirsch und versuchte ihn irgendwo zu entdecken. Doch erfolglos. Wo immer er sich versteckte, er versteckte sich gut.

>>Senga?!<<, bildete ich mir das ein oder klang seine Stimme sogar in meinem Kopf zwei Oktaven höher? >>Lore sei verflucht – was tust du hier?<<

Nein. Ich bildete mir weder seine hohe Stimmenlage, noch die Angst ein, die mich gerade durchflutete, jetzt, wo ich mich voll und ganz auf mein Gespür für Zac konzentrierte. >>Das frage ich mich auch gerade. Wo bist du? Versteckst du dich?<<

Ich wollte wieder losschwimmen, doch Zac gab einen gedanklichen, unartikulierten Laut von sich, der mich wieder zum Stillstand brachte. >>Hast du es noch nicht gesehen? Das ist ein verdammtes Minenfeld!<<


Einige Herzschläge starrte ich nur ins Leere. Solange brauchte es, bis sich die gesamte Tragweite dieses Satzes in meinem Kopf verfestigte.

>>Wie bitte?!<< Nun waren es meine Gedanken, die einige Oktaven höher quietschten als gewöhnlich. Doch ich stellte Zacs Worte nicht in Frage, zu eindeutig war die Bitterkeit, die ich durch mein Gespür für ihn auffing.

>>Na siehst du die Seilnetze nicht?<<

Seilnetze? Was meinte er? Suchend blickte ich mich um. Da sah ich es: Etwas weiter vor mir fiel ein dünnes Seil wie ein gesponnener Faden von der Oberfläche herab. Fasziniert schwamm ich darauf zu. Erst beim genaueren Hinsehen fiel auf, dass es kein Seil war, das da im Wasser hing, sondern ein schmales Netz, das sich träge in der Strömung auffächerten und dann wieder zusammenfiel. Es war viel zu klein und dünn, um ganze Schwärme zu fangen. Nein, viel mehr war es wie eine Spinne, die darauf wartete, dass sich ein einzelnes Tier in ihm verfing, sich wand und zappelte, um-

>>Senga, nimm deine verdammte Hand da weg<<, zischte es scharf in meinem Kopf.

Sofort zuckte meine Hand zurück. Heiße Scham durchfuhr mich und ballte sich zu einem Klumpen in meinem Magen zusammen. Netterweise kommentierte Zac meine Dummheit aber nicht, sondern fuhr mit seiner knappen Erklärung fort: >>An jedem dieser Seilnetze ist eine Seemine befestigt, die auf der Wasseroberfläche schwimmt. Wenn du daran ziehst, löst du einen Mechanismus aus, der sie öffnet.<<

Ich schluckte, straffte mich und stellte die Frage, deren Antwort ich eigentlich gar nicht hören wollte: >>Und was ist in den Seeminen?<<

Zac zögerte. >>Öl.<<

Das war nicht sein ernst. Man musste kein Wasserexperte sein, um zu wissen, was für Schäden nur ein paar Liter Öl in einem Fluss anrichten konnten. Wir hatten das sogar in der Schule gehabt. Automatisch zuckte mein Blick nach oben. Die Wasseroberfläche sollte unverstellt sein, denn die Klingen hatten hier keine Seegrasfelder gemäht. Doch sie war es nicht. Stattdessen sah ich dunkle Schatten, die auf dem Wasser schwammen – Ölschlieren. Von Land aus mussten sie fast schon schön aussehen, wie sie dunkel und trotzdem bunt in der Sonne glänzten. Aber von hier unten wirkten sie so dunkel und tödlich, wie sie in Wirklichkeit waren.

>>Du hast eine Mine ausgelöst<<, hauchte ich entsetzt.

>>Gut geschlussfolgert, Liebes – woher sollte ich sonst wissen, was drin ist?<<

Ich ignorierte den Spott und konzentrierte mich auf das Wesentliche: >>Wie geht es dir? Hast du-? Bist du-? Bei Lore! Wo bist du überhaupt?<<

Verlegen brach ich ab und versuchte wieder, ihn zu erspähen. Denn obwohl ich ahnte, welche Katastrophe Öl für ein Gewässer darstellte, hatte ich keine Vorstellung, was es für einen Flussmenschen bedeutete.

Stille folgte auf meine Fragen. Gerade als ich wieder nachhaken wollte, kam schließlich eine Antwort: >>Noch ein Stück flussaufwärts. Schwimm langsam. Halt dich am Flussgrund und von den Seilnetzen fern.<<

Ich folgte seinen Anweisungen schweigend, hielt nach ihm Ausschau. Doch alles, was ich sah, waren immer mehr dieser Seilnetze über mir, wie sie gemächlich in der kaum vorhandenen Strömung dahintrieben. Ich wollte mir nicht ausmalen, was passierte, wenn die alle ausgelöst wurden.

Schließlich fand ich Zac. Dicht unter der Wasseroberfläche trieb er fast regungslos. Wie hatte er auf diese Entfernung jemanden erkennen können? Einmal mehr beneidete ich die Flussmenschen um ihre gute Unter-Wasser-Sicht. Trotzdem war sein Verhalten merkwürdig. Schon allein wie hektisch die dünnen Flossen an seinen Armen flatterten, verriet seine Nervosität. Aber warum? Jetzt erst ging mir die entscheidende Frage auf: >>Warum bist du überhaupt noch hier?<<

Wieder schwieg Zac.

>>Was-?<<, wollte ich ansetzen, doch da schüttelte er vorsichtig den Kopf.

>>Ich hab mich wieder verheddert<<, antwortete er endlich gepresst. >>Als sich die erste Mine öffnete, hab ich mich so erschrocken, dass ich mich direkt in dem nächsten Seilnetz verfangen habe.<<

Es war nicht witzig. Ganz bestimmt war es nicht witzig. Meine Mundwinkel zuckten.

>>Hör auf zu lachen!<<

>>Ich lache nicht!<<, log ich glatt und zwang meinem Gesicht wieder die ausdruckslose Starre auf, die unter Flussmenschen üblich war. Dann versuchte ich abzulenken: >>Dann schneid doch das verdammte Netz durch. Du hast doch sonst immer ein Messer dabei. Oder einen Speer.<<

>>Und dabei aus versehen so sehr an dem Seil zu ziehen, dass das Ding auch noch aufgeht?<<, giftete er kühl zurück und ignorierte meine Spitze geflissentlich. >>Ich brauche nicht noch mehr Öl im Fluss.<<

Der letzte Satz ließ mich schaudern. Langsam verstand ich, warum er keine Hilfe gerufen hatte: Er wollte andere von diesem Fiasko fernhalten. Es sollten nicht noch mehr Leute sich aus versehen verheddern und Gefahr laufen, unseren Lebensraum oder sogar sich selbst zu vergiften. Aber ich war nun mal da. Langsam schwamm ich näher.

>>Geh weg, Senga. Ich brauch dich hier nicht.<<

>>Doch. Tust du. Und jetzt halt den Mund<<, knurrte ich zurück. Mittlerweile war ich bei ihm angekommen und sah sein Problem jetzt deutlicher: Er hatte sich mit dem Arm verfangen. Um das Seil durchschneiden zu können, müsste er sich drehen und lief dabei Gefahr, zu viel Zug auf das Seilnetz auszuüben.

Er wollte protestieren – ich sah, wie sich alles an ihm anspannte. Doch er schwieg, als ich ihm einen weiteren, wütenden Blick zuwarf. Dann betrachtete ich wieder das Seil. Immerhin schien es nicht zum zerreißen gespannt, sondern recht locker, da Zac klugerweise in einer Höhe blieb, um die Spannung aus dem Seil raus zunehmen. Mehr Höhe wäre gut, anderseits wäre mehr Höhe auch gefährlich nah an den Ölschlieren über uns. Aber so wie es war, musste es mir reichen.

Vorsichtig griff ich nach dem Seil, hob es noch ein Stückchen hoch und setzte dann meinen Dolch an, um die dünnen Fäden des Netzes zu durchtrennen. Wenige Augenblicke später schüttelte Zac die letzten Reste von seinem Arm und ich atmete erleichtert aus, wobei kleine Bläschen aus meinen Kiemen und auch aus meinem Mund aufstiegen. Ich hatte nicht einmal gemerkt, wie sehr ich die Luft angehalten hatte.

>>Danke.<<

Überrascht sah ich Zac an. >>Nicht dafür<<, knurrte ich Riccos Standardantwort, woraufhin sich der Flussmann zu einem Augenrollen herab ließ, ehe sein Blick wieder aufmerksam in die Umgebung streifte.

>>Was hast du vor?<<, fragte ich direkt misstrauisch.

>>Das einzig Sinnvolle: Diese verdammten Minen aus dem Wasser holen.<<


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Jaaaaa - ich dachte, ich könnt mal wieder... ^^''
Da ich die letzten paar Wochen an einer Kurzgeschichte für den Fortuna-Award von der lieben @_MaliaFox_ hing, hab ich alles andere ein bisschen schleifen lassen. ^^**

Ich hoffe trotzdem, dass ihr alle noch gut durch die Woche kommt!

Lasst es euch gut gehen!

:D


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