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21.September 1916

Noch immer bewegt Harry sich nicht von seinem Platz auf dem ehemals frisch geputzten Boden, der nun von Brösel und Staub, abgefallen von seiner Uniform, bedeckt ist. Sein Rucksack, direkt rechts von ihm, sowie sein Erscheinen passt genau gar nicht in das friedlich wirkende Haus. Viele Blumen und Bilder von ihm unbekannten Personen zieren die Einrichtung, die an sich schlicht gehalten ist, als würde Elise keine extravaganten Dinge mögen. Ganz im Gegensatz zu den Häusern, in die der Soldat noch vor gar nicht allzu langer Zeit eingedrungen ist, auf der Suche nach Versorgung und einer Frau, die ihm für eine Nacht Gesellschaft leistet, damit er sich nicht andauernd so einsam fühlt.

Die beige Tapete weist keinerlei Flecken auf und auf die dunkelroten, zugezogenen Vorhänge wirken frisch gewaschen. Harrys Blick wandert herum, über das weich erscheinende Sofa, das ihn förmlich anfleht, dass er sich auf die Kissen legt und wohlverdienten Schlaf abbekommt. Auf dem kleinen Tisch direkt vor der Couch liegen zahlreiche Zeitungen verstreut sowie ein roter Stift, mit dem Elise anscheinend wahllos irgendwelche Sätze auf dem Papier unterstrichen und eingekreist hat.

„Ich hoffe, dass du Kartoffeln und Schweinefleisch magst.", erschreckt eine Stimme den Mann, woraufhin er reflexartig zu seiner kleinen Handwaffe, die in seinem Gürtel steckt, greift. Er zieht die Waffe hervor, bevor er überhaupt zu der Frau vor sich sieht, rein aus Instinkt, wie im Schützengraben damals. Sein Blick hebt sich zu der Person vor sich und Harry sieht sofort Elise, wie sie mit einem Tablett voller Essen nur einige Schritte entfernt von ihm steht. Ihre Augen sind weit aufgerissen, die Pistole in seinen Händen macht sie ängstlich.

Dennoch kniet sie sich vor ihn hin und stellt das Tablett vor seine Füße auf den Boden. „Guten Appetit, du hast dir das Essen wirklich verdient. Wer weiß, wie viel du erleben musstest, bevor du hier angekommen bist.", lächelt die Frau ihn freundlich an und deutet mit dem Zeigefinger auf den gefüllten Teller. Eine weitere Aufforderung zum Essen braucht Harry nicht, sofort stürzt er sich auf die Nahrung vor sich, wobei seine Manieren komplett verloren gehen und er das Besteck auf dem Tablett nicht einmal beachtet.

Erst durch das Kichern, das aus ihrem Mund kommt, sieht der Soldat mit vollem Mund auf, blickt in die eisblauen Augen, deren Blick bereits auf ihm liegt. Elise beugt sich nach vor zu ihm und greift nach der Gabel und dem Messer. „Ich weiß, dass du an der Front nur mit den Händen gegessen hast, aber wir sind ja jetzt wieder in der Zivilisation. Also ich bitte dich, nimm das Besteck zum Essen.", erklärt sie ihm schnell, sodass er den Sinn ihrer Worte nicht versteht, bis sie ihm das Küchenwerkzeug vor die Nase hält.

Harry sieht hinunter zu seinen schmutzigen Fingern und spürt sofort, wie die Röte sich auf seine Wangen schleicht. Während er mit der weißen Serviette seine Hände einigermaßen reinigt, murmelt er leise: „Entschuldigung." Der Soldat entnimmt das Besteck ihrem Griff und fügt hinzu: „Danke."

„Danke wofür? Du verdienst das Essen.", fragt Elise verwirrt, für sie ist es selbstverständlich, Harry zu versorgen. Für Menschen in Not, in diesem Fall für einen Deserteur, steht ihre Tür weit offen. Sie sieht ihm zu, wie er ein Stück von dem Fleisch abschneidet und die Gabel zu seinem Gesicht führt. Ein Lächeln schleicht sich auf ihre vollen Lippen, als der Mann dem Mund weit aufreißt seine Zunge hinausstreckt, um die Nahrung aufzunehmen.

Er schließt für einen Moment die Augen, spürt, wie das Essen seinen Magen langsam füllt und das Gefühl von Hunger schwindet. Nachdem er hinuntergeschluckt hat, legt er das Besteck auf den Teller und hustet gegen seinen dreckigen Ärmel. Harry legt sich die Worte in seinem Gehirn zusammen, bevor er unsicher spricht: „Danke für Tür öffnen und helfen. Und das Essen ist sehr gut."

Anschließend greift er nach dem Glas voller klarem, reinen Wasser und nimmt einige Schlucke, die Flüssigkeit fühlt sich kühl und angenehm in seiner Speiseröhre an. Wäre er noch weitermarschiert, zu den anderen Häusern, hätte er womöglich nicht überlebt. Selbst, wenn ihn ein Menü, wie er es in seiner Heimat zu Thanksgiving von seiner Mutter bekommen hat, aufgetischt werden würde, wäre er aus lauter Erschöpfung zumindest in Ohnmacht gefallen.

Außerdem ist Harry sich nicht sicher, ob eine so schöne Frau in einem der anderen Häuser auf ihn gewartet hätte.

„Ich helfe dir gerne, Harry.", raunt sie, selbst sein Name klingt aus ihrem Mund wie ein Festessen. Elise richtet sich auf und setzt an, aufzustehen, doch wird von dem Mann aufgehalten. Seine Hand greift nach dem weichen Stoff ihres Ärmels und hält sie somit fest. Erschrocken reißt sie ihre eisblauen Augen auf, fixiert ihren Blick auf sein Gesicht.

Obwohl Harry seine Aktion genauestens geplant hat, ist er nun sprachlos, die Wörter bleiben ihm im Hals stecken. Seine Finger krallen sich in den Ärmel ihres schwarzen Kleides, so fest, dass er sich vorstellen kann, den Stoff zu zerreißen. Ob Elise anschließend noch immer so nett zu ihm wäre, wagt er zu bezweifeln.

„Brauchst du noch irgendetwas, Harry?", fragt die Frau nach und sieht auf seine Hand an ihrem Oberarm. Trotz der Baumwolle, die sich an ihre Haut schmiegt, kann sie die Wärme, die von ihm ausgeht, klar und deutlich spüren. Ein wohliges Gefühl breitet sich in ihr aus, welches jedoch viel zu schwach ist, um sie zufrieden zu stellen. „Harry? Hast du Angst oder irgendeinen Wunsch?", fügt sie hinzu, bedacht darauf, seinen Namen noch einmal auszusprechen.

Denn sein Name klingt wie Musik in ihren Ohren. Eine willkommene Abwechslung von all den deutschen Namen. Und auch für Harry fühlt es sich gut an, von ihr so gerufen zu werden, wie seine Eltern ihn getauft haben.

„Waschen? Wie fragt man richtig?", entgegnet er ihr schließlich und lockert seinen Griff um ihren Ärmel. Langsam lässt seine Hand sinken, kommt im Prozess mit seinen Fingerspitzen in Berührung mit ihrer weichen Haut. Als wäre es dem Mann unangenehm, räuspert er sich verlegen und neigt sein Gesicht dem Boden zu, damit sein Gegenüber die Röte auf seinen Wangen nicht sehen kann.

Aber Elise sieht es. Sie sieht amüsiert zu, wie ihm das Blut ins Gesicht steigt, weil er peinlich berührt ist. Ein Schmunzeln schleicht sich auf ihre Lippen und sie legt ihre Hände in ihren Schoß. „Schau mich an und wiederhole meine Worte.", fordert sie den Soldaten vor sich auf, der strenge Ton lässt ihn sofort aufblicken. Harry nickt stumm, abwartend auf den nächsten Satz, der aus ihrem Mund kommt.

„Darf ich mich bitte waschen?", sagt die Frau es ihm vor, langsam und deutlich. Sie öffnet ihren Mund weiter als normalerweise, damit er ihre Artikulation nachahmen kann. Auffordernd lächelt sie ihm zu, ein gewisses Funkeln in ihren Augen kommt zum Vorschein. Weshalb dem so ist, weiß Harry nicht.

Seine Lippen trennen sich von einander, dennoch kommt kein Ton heraus. Er muss zuerst die Worte in seinem Gehirn verarbeiten, bevor er sie sagen kann. Der Soldat gibt einen undefinierbaren Ton von sich und hustet anschließend laut los, um sich nicht wieder damit zu blamieren.

„Du kannst das, Harry. Da bin ich mir sicher.", redet Elise ermutigend auf ihn ein und bevor sie sich selber davon abhalten kann, beugt sie sich zu ihm. Ihre Hand legt sich unwillkürlich auf seinen linken Oberschenkel und sie wiederholt noch einmal: „Darf ich mich bitte waschen?"

„Darf ich mich bitte ...", beginnt Harry, doch driftet mit seinen Gedanken vollkommen ab. Er spürt ihre Handfläche durch den rauen Stoff seiner Hose, spürt die Wärme, die von ihrer Haut ausgeht. Verwirrt schüttelt der Mann den Kopf, um sich innerlich wieder zu sortieren, bevor er fortsetzt: „waschen?"

„Sehr gerne, Harry. Komm mit, ich zeige dir das Badezimmer.", antwortet Elise sofort und steht auf, ihre Hand entfernt sich von seinem Schenkel und hinterlässt eine kalte Stelle. Sie sieht ihn abwartend an, bis er ebenfalls einigermaßen auf einer Augenhöhe ist, falls man dies mit einem Kopf Größenunterschied überhaupt so bezeichnen darf.

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, setzt die Frau sich in Bewegung, geht durch das Haus, das von außen viel kleiner gewirkt hat. „Nimm dir alles, was du brauchst. Wenn ich dir irgendwie helfen soll, rufe einfach nach mir.", teilt sie ihm schließlich mit, als sie vor einer hölzernen Tür angekommen sind. Sie dreht sich zu Harry um und fragt nach: „Hast du mich verstanden?"

„Verstanden, Elise."

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