65. Teil: Gerichtsverhandlung

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

Die letzte Nacht konnte ich schon kaum ein Auge zu machen. Heute war Quentins Gerichtsverhandlung und nach zwei vorbereitenden Gesprächen mit Russells Anwalt fühlte ich mich auch relativ bereit dazu. Trotz allem zitterte mein Körper vor Nervosität und tief in mir brodelte die anhaltende Angst.
Ich wollte nicht mit Quentin zusammen in einem Raum sein. Zwar würden wir nie alleine sein, immerhin waren dort unzählige andere Personen, Polizisten, der Richter und auch mein Anwalt, aber das beruhigte mich nur mäßig.

Dass Russell nicht dabei sein würde, war der ausschlaggebende Faktor, warum ich in erster Linie überhaupt so nervös war. Der Alpha wollte zwar unbedingt dabei sein und mich unterstützen, und ich wollte das eigentlich auch, aber gleichzeitig wollte ich nicht, dass unsere Kinder so schnell nach der Geburt, immerhin war sie gerade mal sechs Wochen alt, jemand Fremden anvertraut wurden. Auch, wenn es nur wenige Stunden waren und selbst, wenn es nur Russells Vater Eric war, der sich extra angeboten hatte.
Ich würde mich katastrophal fühlen, wenn ich mit Russell irgendwo sitzen würde, während wir unsere Kinder einfach zu Opa abgeschoben hatten.

Russells Anwesenheit würde mich dann zwar besser fühlen lassen, aber gleichzeitig würde ich mich dauerhaft unwohl fühlen, weil ich nicht wusste, wie es meinen Welpen ging. Wenn sie bei Russell waren, wusste ich, dass es ihnen gut ging.
Nicht, dass es ihnen bei Eric nicht gut gehen würde, aber ich fühlte mich einfach deutlich besser, wenn Russell bei ihnen war.

Unser Anwalt hatte dafür extra einen Antrag bei Gericht gesellt, da Russell eigentlich auch als Zeuge geladen war. Fürs erste würde die Gerichtsverhandlung ohne ihm stattfinden, sollte man seine Aussage dennoch noch benötigen, müsste er trotz allem vorbei kommen. Für diesen Fall war Eric auf Abruf bereit einzuspringen.
Unser Anwalt war jedoch überzeugt davon, dass Lukes und die anderen zwei Zeugen, die heute aussagen würden, zusammen mit dem Videomaterial ausreichen sein würden.

„Bereit?", fragte Russell und schlang seine Arme fest um meinen Körper und drückte seine Brust gegen meinen Rücken. Ich versuchte gerade meine Haare etwas passabel aussehen zu lassen, starrte dabei jedoch mehr in den Spiegel, als wirklich etwas zu tun. Das war dem Alpha natürlich nicht entgangen.

Zum ersten Mal seit der Geburt unserer Kinder trug ich wieder einen Anzug und fühlte mich darin irgendwie fremd. Sonst hatte ich mich in Hemd und Krawatte immer sicher gefühlt, aber heute war dem nicht so.

„Muss", antwortete ich leise und nickte langsam. Meine Hände fanden Russells und unsere Finger verschränkten sich automatisch miteinander. Der Körperkontakt gab mir etwas Kraft und ließ mich tief durchatmen.

Olsen würde jeden Moment bei uns klingeln. Auch er war zum heutigen Gerichtstermin als Zeuge für den Tag, an dem Quentin in meiner Wohnung aufgetaucht war und mich wild beschimpft hatte, geladen. Meinen Bruder und auch Lukes dort zu haben beruhigt mich ein wenig und ließ auch Russell ein bisschen besser fühlen.

„Du schaffst das, Liebling." Russell drehte mich in seinen Armen um, damit wir uns ansehen konnten und lächelte zu mir hinunter. „Und wenn du wieder nach Hause kommst, wartet ein warmes, köstliches Mittagessen und viele Kuscheleinheiten mit mir und unseren Babys auf dich, ja?"

Diese Aussicht ließ auch mich etwas lächeln und nicken. Russell war einfach der Beste.
Ich lehnte mich zu ihm hinauf, um ihn küssen zu können und seufzte in den Kuss hinein, als Russell mich näher zu sich zog.
„Ich liebe dich, Liebling! Und ich bin so stolz auf dich." Er küsste meine Stirn und strich mir mit dem Daumen sanft über die Wange. Damit ließ er mich gleich besser fühlen.

Im selben Moment klingelte es an der Wohnungstür und meine Nervosität kehrte schlagartig zurück. Auch Russell musste erst tief durchatmen, bevor er sich von mir löste.

Die Fahrt zum Gericht verlief still und nur der Radio brachte leise Geräusche in die Fahrerkabine. Olsen trippelte mit seinem Daumen nervös auf dem Lenkrad, während ich versuchte mich selbst etwas zu beruhigen und dabei vor allem an Russell und unsere Jungen dachte. Die Vorfreude meine Babys später wieder in den Armen halten zu können, hielt mich ein wenig bei Laune.

Ich war noch nie in einem Gerichtsgebäude und auch Olsen wirkte etwas verloren zwischen den Polizisten und Anwälten, die hier rumliefen. Die Eingangskontrolle war schnell passiert und der Verhandlungsraum einfach gefunden. Russells Anwalt wartete davor bereits auf mich und unterhielt sich gerade mit Lukes, der offenbar erst kurz vor uns angekommen war.

„Bereit?", fragte der Alpha und klopfte mir aufmunternd auf die Schulter, als ich zögerlich nickte. Eigentlich war ich jetzt direkt vor dem Verhandlungsraum noch weniger bereit, als noch vorhin zuhause, aber spätestens jetzt konnte ich keinen Rückzieher mehr machen.

Russells Anwalt erklärte uns schnell, dass Lukes und Olsen noch vor der Tür warten mussten, bis sie nacheinander aufgerufen werden würden. Er und ich dagegen würden von Anfang an im Raum sitzen und ich war auch der erste, der seine Aussage abgeben würde, nachdem der Staatsanwalt die Anzeige vorgetragen hatte. Erst danach dürfte sich auch Quentin zu den Vorwürfen äußern und erst dann würden die Zeugen wie Lukes und Olsen dazu geholt werden.

Es dauerte weitere fünfzehn Minuten, bis ich und der Anwalt in den Raum gerufen wurden. Lukes klopfte mir ein weiteres Mal auf die Schulter, ehe Olsen mich in eine enge Umarmung zog und mir damit unglaublich viel Kraft gab und mich sogar ein wenig beruhigte.

Als wir den Raum dann betraten, fiel mein Blick sofort auf Quentin, der bereit auf an einem Tisch auf einer Seite des Verhandlungsraums saß und sich dort aufgeregt mit seinem Anwalt unterhielt. Uns schenkten beide keine Beachtung und auch ich zwang mich dazu, ihn nicht weiter anzusehen. Das würde mich nur weiter stressen und das wollte ich nicht.

Mein Anwalt führte mich mit einer Hand auf meinem Rücken zu einem Tisch gegenüber von Quentin und deutete mir an mich zu setzen, während er direkt neben mir Platz nahm. Es kribbelte mir in den Fingern, meinen Stuhl näher zu meinem Anwalt zu rücken, da ich mich in seiner Nähe etwas wohler fühlte, aber da im selben Moment der Richter den Raum betrat, blieb ich an Ort und Stelle.
Wie auf ein stilles Kommando erhoben sich sämtliche Anwesenden und auch ich folgte einer Handbewegung meines Anwalts. Der Richter wartete einen Moment ab, ließ seinen Blick durch den Raum schweifen und leitete die Verhandlung dann mit einem Nicken ein.
Daraufhin setzte sich der gesamte Raum wieder gleichzeitig.

Nur der Staatsanwalt blieb stehen, der auf Aufforderung des Richters seine Unterlagen aufschlug und die Anklageschrift verlesen wollte. Im selben Moment erhob sich jedoch Quentin energisch, sodass sein Stuhl laut quietschte. Sein Anwalt griff sofort nach dem Arm seines Mandanten und auch ein Polizist, der direkt hinter ihm stand, machte einen Schritt nach vorne.
Erst da fiel mir auf, dass Quentin sogar Handschellen trug.

„Euer Ehren", begann Quentin mit kraftvoller Stimme zu sprechen. „Ich möchte das Ganze hier etwas beschleunigen." Für einen kurzen Moment fiel sein Blick auf mich, doch sein Anwalt, der ebenso energisch aufsprang, wie Quentin kurz vorher, zog Quentins Aufmerksamkeit von mir. Der Rechtsanwalt flüsterte ihm aufgebracht etwas zu und versuchte Quentin zurück auf den Stuhl zu drücken. Doch der Alpha gab nicht nach.

„Euer Ehren, bitte lasst mich sprechen", bat Quentin stattdessen den Richter, der zwar von dieser Unterbrechung weniger begeistert aussah, aber dennoch nickte.

„Ich bin in allen Anklagepunkten schuldig. Ich wollte mich... Mathis gegen seinen Willen aufzwingen und habe diesbezüglich auch eine falsche Aussage bei der Polizei abgegeben. Ich habe den Polizisten bestochen, um ihn auf meine Seite zu ziehen, damit... die Anklage aus Mangel an Beweisen gegen mich... fallen gelassen wird... Ich bin auch... zu Mathis nach Hause gefahren... und habe ihn dort... angegriffen und auch seinen... Bruder verletzt."

Quentin schluckt schwer und löste seinen Blick schwerfällig von dem Richter.
Sein Rechtsanwalt ließ sich daraufhin seufzend und mit einem ungläubigen Kopfschütteln auf seinen Stuhl fallen und zog im nächsten Moment sogar seine Krawatte theatralisch locker. Dass sein Mandant aus dem Nichts alles zugab, war wohl nicht so geplant.

Plötzlich sah Quentin zu mir.
Ich konnte deutlich die Reue in seinen Augen sehen und Schmerz war ihm deutlich aufs Gesicht geschrieben.

„Es tut mir furchtbar leid, Mathis. Ich... ich wollte dir nie weh tun oder dich so... behandeln, dir solche ekelhaften Dinge an den Kopf werfen. Das alles tut mir so leid und ich fühle mich furchtbar deswegen. Ich..." Er schluckte erneut, sah kurz zu seinem Anwalt hinunter, der ihm nur einen warnenden Blick zuwarf, aber nicht nochmal versuchte, ihn von irgendetwas abzuhalten.
„Ich weiß, dass eine Entschuldigung nichts wett macht, aber ich möchte trotzdem, dass du weißt, dass ich es bereue und am liebsten die Zeit zurückdrehen würde."

Ich war sprachlos.

Ich wusste, dass ich Quentin nie verzeihen konnte, was er mir angetan hatte. Dass er sich aber dafür entschuldigte und wirkliche Reue zeigte, ließ mich gleich besser fühlen. Er sah  seine Fehler ein und dass er etwas falsch gemacht hatte.

„Die Anklageschrift wurde noch gar nicht verlesen", kam es nach einem Moment Stille von dem Richter. Er sah kurz zwischen mir und Quentin hin und her und dann zum Staatsanwalt, der sich mit einem zufriedenen Lächeln auf seinem Stuhl zurück gelehnt hatte.
Er hatte immerhin bekommen, was er wollte.

Und ich eigentlich auch. Quentin hatte alles zugegeben.

„Haben Sie noch Fragen?", wandte sich der Richter an den Staatsanwalt, der nur den Kopf schüttelte. Dann sah er zu meinem Anwalt, der ebenfalls den Kopf schüttelte.
Wir hatten ein Geständnis, was wollte man da auch noch groß nachfragen.

„Haben Sie dem Geständnis Ihres Mandanten noch etwas hinzuzufügen?", fragte der Richter Quentins Anwalt, der aber nur fast schon beleidigt den Kopf schüttelte und Quentin erneut einen bösen Blick zuwarf.

„Dann ziehen wir uns zur Urteilsbildung zurück."

Daraufhin forderte mich mein Anwalt gleich auf ihm aus dem Verhandlungsraum zu folgen. Ich war ihm dankbar, dass er mich nicht die Zeit mit Quentin in einem Raum sitzen ließ, der sich in diesem Moment einen Vorwurfshagel von seinem Anwalt anhören durfte.

Olsen und Lukes reagierten überrascht, als wir nur Minuten nachdem wir den Raum betreten hatten, bereits wieder herauskamen. Das breite Lächeln meines Anwalts sagte  anscheinend jedoch sowieso schon alles, denn Lukes begann sich auch gleich zu freuen.
Olsen dagegen hatte eine etwas längere Leitung. Er öffnete seine Arme für mich und ich schmiegte mich gleich an seine Brust, bevor ich die Worte über meine Lippen brachte.
„E-er hat direkt alles gestanden."

„Er hat alles gestanden?", fragte Olsen überrascht nach und sah zu meinem Anwalt, der gleich grinsend nickte. „Alles", bestätigte er dann auch noch einmal und grinste über beide Ohren hinweg.

Schlussendlich bekam Quentin eine einjährige Haftstrafe und drei Jahre auf Bewährung. Dabei spielte jedoch vor allem die Bestechung eines Polizisten und die Körperverletzung meines Bruder eine große Rolle. Die versuchte Vergewaltigung rückte durch sein Geständnis, seine Reue und seine persönliche Entschuldigung ziemlich in den Hintergrund und hatte in seinem Urteil nur eine geringe Gewichtung.

Es sollte mich ärgern, dass er dafür nicht schwerer bestraft wurde, aber ich war froh, dass er überhaupt eine Strafe bekam und trotz seiner Entschuldigung dafür büßen musste, was er mir und auch Olsen angetan hatte. Ich war viel eher froh, dass die Verhandlung schnell vorbei war und mir endlich geglaubt wurde. Dass schreckliche Gefühl, dass mir der Polizist damals vermittelt hatte, dass ich selber Schuld war und mir nicht einmal geglaubt hatte, dass ich einen Anzug getragen hatte, wurde mit diesem Urteil vertrieben. Endlich wurde mir geglaubt.

Quentin wurde gleich abgeführt und aus dem Raum gebracht, bevor mein Anwalt und ich ihm mit etwas Abstand aus dem Verhandlungsraum folgten. Am Flur trafen wir auf Lukes und Olsen, die zur Urteilsverkündung ebenfalls in den Verhandlungsraum durften. Beide waren nicht wirklich zufrieden mit dem Urteil, aber waren wie ich einfach froh, dass er eine Strafe bekommen hatte.

„Russell hat gekocht. Wollt ihr noch mit uns essen?", fragte ich Olsen und Lukes, als wir gemeinsam aus dem Gericht traten.
Olsen nickte gleich energisch und begann direkt davon zu reden, wie sehr er sich freute, seine Nichte und seinen Neffen wieder zu sehen. Lukes dagegen zögerte etwas, bevor auch er zustimmte.

„Und?", fragte Russell gleich. Er hatte uns offenbar schon erwartet, denn er öffnete die Wohnungstür, bevor ich überhaupt meinen Schlüssel hervorkramen konnte.

„Er kommt in den Knast", rief Olsen erfreut aus und drängte sich an Russell vorbei in die Wohnung.

„Wirklich?"

Als ich dann auch nickte, konnte man regelrecht sehen, wie Russell ein Stein vom Herz fiel. Er zog mich sofort in seine Arme und drückte mich fest an sich, während ich mich an ihn klammerte und meine Tränen nicht mehr länger zurückhalten konnte.

Die Erleichterung machte sich auch langsam in mir breit und ich hatte das Gefühl, als würde sämtliche Last endlich von meinen Schultern fallen.

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro