Kapitel 43

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Ich wusste, dass ich verschwinden musste. Immer noch spürte ich den prüfenden Blick des Kommandanten auf mir. Er ahnte etwas. Noch war er nicht hinter die Ungeheuerlichkeit gekommen, die mir anhaftete, aber die Zeit war noch nie mein Verbündeter gewesen. Eher früher als später würde er es.

Also musste ich desertieren.

Den restlichen Tag tat ich nichts Auffälliges. Da der Heiler mich wegen stark geprellter Rippen freigestellt hatte, konnte ich meine Zeit dazu nutzen, mich umzusehen. Ich wusste, dass die Tore des Nachts geschlossen waren und Wachen über das Gelände patrouillierten. Einige besetzten die hohen Mauern. Trotzdem bot mir die Dunkelheit weitaus bessere Möglichkeiten als der helllichte Tag. Ich hatte beobachtet, dass die Soldaten die Festungsstadt nur mithilfe einer Genehmigung verlassen durften, unterzeichnet vom Kommandanten oder seinen Stellvertretern. Ich bezweifelte jedoch, dass diese gewillt waren, mir eine auszustellen. Somit fiel die einzige realistische Option weg, denn über die Mauern würde ich mich bei Tageslicht nicht wagen.

Während ich herumwanderte, reifte in mir ein waghalsiger Plan. Sollte er scheitern, würde ich vermutlich exekutiert werden, andererseits drohte mir der Tod ohnehin, denn wenn ich nicht entkommen konnte, würde man meine wahre Identität irgendwann entdecken. Somit hatte ich eigentlich nichts zu verlieren.

Niemand schenkte mir besondere Beachtung. Ich kam an der Schmiede vorbei. Dort hämmerte ein großer Mann mit gewaltigem Armumfang energisch auf ein Stück Eisen ein. Zufällig schaute er auf, als ich ihn passierte. Er verzog seine Lippen zu einem freundlichen Lächeln. Es ähnelte eher einem wahnsinnigen Grinsen.

Ich nickte ihm zu. Er sagte etwas und ich verzog gequält das Gesicht und deutete in eine unbestimmte Richtung, dann wandte ich den Blick ab und hetzte weiter. Ich konnte nur hoffen, dass der Mann annahm, ich hätte einen Auftrag. Es fiel mir zunehmend schwerer, alle zu meiden. Noch dachten sie, ich wäre ein Idiot, aber nachdem sie mich heute hatten kämpfen sehen, würden sie dies bestimmt bald in Frage stellen. Schlussendlich hatte ich verloren, aber viel zu spät. Im Nachhinein betrachtet, ärgerte ich mich über mich selbst. Vielleicht würde mich falscher Stolz nun ins Grab bringen. Ich konnte mir nicht erklären, was über mich gekommen war, aber ich hatte die Kontrolle verloren. Nicht mehr nachgedacht, sondern mich nur noch bewegt. Als ich meinen Fehler bemerkte, war es fast schon zu spät gewesen.

Mein Weg führte mich zu den Stallungen. Es waren so viele, dass sie sogar ein eigenes Viertel bildeten. Und das, obwohl sich der Großteil der Pferde längst in Seyl befand. An sich waren die Acerianer kein Reitervolk, aber auch sie wussten die Vorteile berittener Soldaten zu schätzen. In Murista befand sich jedoch eine für acerianische Verhältnisse kleine Einheit, die vielleicht fünftausend Mann ausmachte, die allesamt Fußsoldaten waren. Die Pferde würden die Wagen ziehen.

Ich musste innerlich den Kopf schütteln. Solche eine Verschwendung tierischen und menschlichen Lebens.

Die Soldaten mussten sich um die Pferde kümmern. Es gab keine Stallburschen, denn diese befanden sich längst südlich des Kardgebirges, kämpften und starben für ihr Heimatland. Hier waren nur noch die Privilegierteren, die, die den Krieg finanziert hatten. Von ihnen würde nicht viele sterben, denn bis sie Seyl erreichten, wäre das Land unterworfen. Das wussten die Männer ebenfalls. Für sie bestand der Krieg aus Statistiken, über die in Salons eifrig debattiert wurde.

Dementsprechend entspannt verhielten sich die meisten. Für sie war die Ausbildung ein Abenteuer, mit dem man vor den Frauen angeben konnte. Die Versetzung nach Seyl - eine Studienreise. Sie würden es nicht verstehen, nicht, ehe sie das Leid selbst erleben mussten. Wenn es denn so weit käme.

Der Stall war menschenleer. Ich betrachtete die starken Pferde in den Boxen. Sie standen im Mist. Wer auch immer für den Stalldienst eingeteilt war, schien seine Aufgabe nicht sehr ernst zu nehmen. Die Heuraufen waren leer, so auch die Wassertröge.

Untypischer Zorn ergriff mich. Die Pferde konnten doch nichts dafür! Diese Männer waren Nichtsnutze, reine Taugenichtse. Sie waren genauso schlecht im Saubermachen wie im Kämpfen. Ich ging weiter, blieb dann aber stehen. Ich konnte die Tiere doch nicht so stehen lassen. Auch wenn ich mich inmitten von Feinden befand und diese Pferde einmal gegen meine Leute kämpfen würden, konnte ich nicht.

Also griff ich nach einem Halfter und führte das erste Tier aus seiner Box, damit ich diese reinigen konnte. Bei der ersten Bewegung entkam mir ein leises Stöhnen. Meine Rippen schmerzten, aber der Rest meines Körpers schien die Arbeit zu begrüßen. Anschließend füllte ich die Raufen und schleppte frisches Wasser. Das Pferd stürzte sich begierig darauf und ich musterte sein zottiges Fell. Es war dreckig, aber immerhin stand es nun in einer sauberen Umgebung.

Ich verbrachte Stunden damit, auch die restlichen Boxen auszumisten. Als das letzte Pferd wieder auf seinem gewohnten Platz stand, lehnte ich mich erschöpft an einen Heuballen. Mir tat alles weh.

Im Nachhinein wusste ich nicht einmal mehr, warum ich das getan hatte. Vielleicht weil ich zu lange bei den Skara gelebt hatte, denen Pferde heilig waren. In den weiteren Ställen befanden sich noch andere Tiere, aber niemand allein konnte so viele Boxen ausmisten. Auch nicht ich.

Für einen kurzen Moment schloss ich die Augen.

Als ich sie wieder öffnete, war alles dunkel. Ich schreckte aus meiner zusammengesunkenen Position auf. Ein Zischen entfuhr mir, als meine Rippen diese Bewegung mit einem Stechen quittierten. Deutlich langsamer richtete ich mich auf. Die Pferde schnaubten leise, aber sonst war niemand unterwegs.

Falls jemand den Stall während meines Nickerchens betreten hatte, schien er sich nicht verpflichtet gefühlt zu haben, mich zu wecken. Viel wahrscheinlicher war jedoch, dass sich niemand um die Pferde gesorgt hatte.

Durch die kleinen Fenster fiel nur wenig Licht. Ich konnte die Konturen nur erahnen. Von draußen drang Gelächter an mein Ohr. Also konnte es noch nicht so spät sein.

Ich tastete mich voran, als ich mit dem Fuß gegen einen Eimer stieß. Es schepperte und ich zuckte zusammen. Keines der Pferde reagierte. Sie waren dazu ausgebildet, laute Geräusche zu ignorieren.

Als ich eine Weile gewartet hatte und immer noch keiner gekommen war, um nachzusehen, schlich ich weiter.

Mein Ziel führte mich zu einer abgetrennten Halle. Dort befanden sich nicht nur die Sättel, sondern auch allerlei Gerätschaften.

Die Halle besaß keine Fenster, sodass ich mich zu einer Lampe tasten musste. Als ich mich in den vergangenen Tagen umgesehen hatte, war mir aufgefallen, dass dort gleich neben dem Eingang eine am Haken hing.

Flackernd erwachte das Licht zum Leben und ich ließ den Schein durch den Raum wandern. Bei den Seilen blieb ich stehen. Prüfend ließ ich eine Hand darüber gleiten. Alle waren leicht rau, einige schon etwas ausgefasert. Schließlich entschied ich mich für eines mit mittlerer Länge. Ich hängte es mir schräg über die Schulter, sodass ich die Hände frei hatte. Anschließend packte ich eine der Heugabeln und suchte mir eine Säge. Ich wusste, dass hier auch Unmengen an Werkzeugen gelagert wurden. Fündig geworden, schnitt ich den Schaft in geeigneter Breite entzwei.

Dann verließ ich den Raum wieder.

In meiner Hand befand sich ein Teil der Heugabel.

Da die Stimmen draußen noch nicht verstummt waren, wartete ich ab. Ich konnte nur hoffen, dass meine zahlreichen Zimmergenossen zu betrunken waren, um festzustellen, dass mein Bett leer war. Zum ersten Mal war ich dankbar, dass die Soldaten allesamt verwöhnte Kinder waren. Kein Wunder, dass der Kommandant manchmal schwer an sich halten musste. Er hatte keine leichte Aufgabe.

Irgendwann wurde es selbst in Murista ruhig. Die letzten Betrunkenen torkelten zu ihren Betten. Die Nachtwache übernahm das Ruder.

Während ich noch etwas wartete, fragte ich mich unwillkürlich, warum der Kommandant die regelmäßigen Besäufnisse duldete. Er war ein guter Kämpfer, eine starke Persönlichkeit und obendrein noch mit Magie gesegnet. Ich hatte die Flammen gesehen, als er kurz die Kontrolle verloren hatte. Ein weiterer Grund, warum ich nicht gewonnen hatte. Ob der Feuerball, der unsere Pferde so erschreckt hatte, auch von ihm stammte? Wahrscheinlich.

Vorsichtig öffnete ich die Stalltür einen Spalt und lugte nach draußen. Es war eine finstere Nacht und in jedem Schatten vermutete ich Soldaten, aber nachdem sich auch nach einer Weile nichts rührte, tat ich einen vorsichtigen Schritt nach draußen.

Die Tür ließ ich offen. Sollte es jemand bemerken, würde er feststellen, dass sich noch alle Pferde im Stall befanden und bis jemandem auffiel, dass ein Seil fehlte, wäre ich hoffentlich über alle Berge.

Ich drückte mich an einer Wand entlang und tastete mich so Richtung Mauer.

Unterwegs las ich meinen Rucksack auf. Ich hatte ihn nicht lange nach meiner Ankunft unter einem sehr verstaubten Kistenstapel vergraben. Auch wenn sie jetzt etwas sauberer waren, wurde den Behältern zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt, als dass irgendjemand dahinterkam. Es kostete mich einiges an Mühe, sie so lautlos wie möglich zu bewegen.

Als ich leise meinen Rucksack ausklopfte, kämpfte ich gegen den Hustenreiz an. Meine Augen begannen zu tränen, als ich ihn unterdrückte. Schritte näherten sich, während ich still gegen mich selbst focht. Mit beiden Händen drückte ich gegen meinen Mund, damit ich ihn nicht doch versehentlich öffnete. Denn dann wäre ich in ziemlicher Erklärungsnot.

Wer auch immer dort war, zog jedoch weiter. Kaum waren seine Schritte verklungen, räusperte ich mich kaum vernehmlich. Das tat dem Reiz zwar keinen Abbruch, aber immerhin fiel es mir jetzt etwas leichter, meine Sachen zu packen und die Kisten wieder aufeinanderzustapeln, ohne dabei irgendeine Art von Lärm zu veranstalten.

Leise schlich ich durch die Gassen. Hintern den Fenstern war es dunkel. Die meisten Soldaten schliefen nun den Schlaf der Betrunkenen. Sie würden am nächsten Morgen mit einem Brummschädel aufwachen und keine Ahnung haben, was sich in der Nacht alles zugetragen haben mochte.

Die Offizierskaserne mied ich. Ich war mir sicher, dass sich der Kommandant kaum alkoholische Getränke gönnte.

Versteckt wartete ich an eine Hauswand gedrückt, während auf der nahen Mauer ein Wachposten patrouillierte. Obwohl es eine kalte Nacht war und ich eine Gänsehaut bekam, bewegte ich mich nicht. Stattdessen prägte ich mir aufmerksam seinen Rhythmus ein. Der Soldat schritt gemächlich auf und ab und schien seine Arbeit nicht wirklich ernst zu nehmen. Trotzdem hatte er wohl zu große Angst vor dem Kommandanten, denn obwohl er mehrmals lauthals gähnte, blieb er niemals stehen.

Ich war nicht glücklich über das enge Zeitfenster, das mir blieb. Andererseits hatte ich keine Wahl. Kaum drehte sich der Wachposten wieder ab, sprintete ich los und drückte mich von unten an die Mauer. Ich hatte mir diesen Abschnitt ausgesucht, weil die Patrouillen in der Stadt hier nicht vorbeikamen. Aus welchem Grund auch immer.

Langsam schob ich mich die steinernen Stufen nach oben. Im Gegensatz zu den Mauern seylscher Architektur waren diese nicht immer innerhalb der Wachtürme, sondern auch in regelmäßigen Abschnitten direkt mit der Mauer verwachsen.

Der Wachposten kam nicht auf die Idee gen Murista zu blicken, denn dann hätte er mich höchstwahrscheinlich gesehen.

Stattdessen hörte ich wie das Klacken seiner Schuhe näherkam und sich dann wieder entfernte, als er kehrtmachte. Ich packte das Stück Holz in meinen Händen fester. Das Seil war mit einem unnachgiebigen Knoten darum geschlungen.

Ich kletterte zwischen zwei der Zinnen, sodass ich mit dem Rücken zur Wiese stand, dann klemmte ich das Holzstück dahinter. Durch beständigen Zug meinerseits rutschte es nicht nach unten. Mit beiden Händen hielt ich es fest, dann schwang ich mich in die Tiefe.

Ich lief rückwärts die Mauer nach unten. Sollte der Wachposten ein überaus feines Gehör besitzen, würde er mich vermutlich hören und Alarm geben. Aber das war nicht der Fall. So erreichte ich den Boden, ohne irgendwelche verdächtigen Geräusche zu vernehmen.

Anschließend ruckelte ich kontrolliert an dem Seil. Es war unvermeidlich, dass der Stock leise gegen die Mauer schlug, während er von mir bewegt wurde.

Das war das größte Risiko in meinem waghalsigen Plan.

Zum Glück war er gerade so lang, dass er nur hielt, wenn er sich genau in der Waagrechten befand. Als er sich nun drehte, flog er mir sogleich entgegen.

„W-was?", ertönte die Stimme des Wachmanns.

Leise fing ich mein Fluchtwerkzeug auf, ergriff das Seil und drückte mich so flach an die Mauer wie möglich. Meine Rippen schmerzten von der Anstrengung.

Laute Schritte ertönten über mir. Sollte der Mann sich über die Zinnen beugen, auf denen ich zuvor gekniet hatte und senkrecht nach unten starren, würde er mich unweigerlich sehen.

Wenn er jedoch schludrig war, dann nicht. Es war Neumond und die Nacht aus diesem Grund besonders dunkel.

Ich schaute nicht nach oben, denn mein weißes Gesicht würde wie ein Signalfeuer wirken. Atemlose Augenblicke verstrichen. Die Lampe des Wächters quietschte, als er sie über die Zinnen hielt. Mein Körper spannte sich an, bereit loszulaufen, auch wenn das unsinnig gewesen wäre. Hier gab es weit und breit kein Versteck und wenn der Wachmann einmal Alarm gegeben hatte, würden sie mich mit Pferden verfolgen.

Aber nichts passierte. Stattdessen hörte ich ein Grunzen und dann regelmäßige Schritte, als der Wachmann seine Patrouille wieder aufnahm.

Ich gestattete mir ein leises Aufatmen, dann machte ich mich auf den Weg. Kurz bevor der Soldat stehenblieb, legte ich mich auf den Boden und verharrte dort. Meine dunkle Kleidung schützte mich davor, gesehen zu werden, aber aufrecht hätte er mich vielleicht doch erspäht und eine Bewegung hätte er sicher ausgemacht. Ich zählte leise bis zwanzig, dann erhob ich mich und ging weiter.

Das Ganze wiederholte sich dreißig Mal, dann war ich mir sicher, mich definitiv außer Sichtweite zu befinden.

Da ich den Wachmann nicht niedergeschlagen hatte, blieb mir das größtmögliche Zeitfenster. Ich vermutete, dass niemand vor dem nächsten Nachmittag bemerken würde, dass ich verschwunden war. Die Soldaten mussten zwar allesamt mit der Morgenglocke aus den Federn sein, aber abgesehen vom Kommandanten und seinen drei Stellvertretern schien sich niemand darum zu kümmern.

So blieben die Männer so lange in ihren Betten, bis der Kommandant kurz vor einem ernsthaften Wutanfall stand. Er glich in diesem Moment einem Vulkan, der kurz vor der Explosion stand.

Trotzdem würde niemand bemerken, dass ich verschwunden war. Erst, wenn es darum ging, mich zum Latrineputzen zu verdonnern, würden sie nach mir suchen.

Ich zurrte meinen Rucksack zurecht und schlug ein zügiges Tempo an. Es bestand die Gefahr, dass ich über eine Unebenheit stolperte, aber ich wollte so viel Abstand wie möglich zwischen mich und Murista bringen. Aufgerissene Knie waren ein kleines Opfer.

Nach Gefühl wandte ich mich leicht nach links. Irgendwann müsste ich auf den Weg stoßen, der in die acerianische Hauptstadt führte. Dort würde ich hoffentlich Rosena und Wladi finden.

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