*Kapitel 12*

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Die Tierhaut färbte weniger schnell als erwartet. Ab einem bestimmten Punkt trat eine vollkommene Sättigung ein und der Ton ging nicht mehr über das leichte pink-rötliche hinaus.

„Du solltest sie kurz herausnehmen und etwas eintrocknen lassen, danach kannst du die zweite Lage angehen", bemerkte Mic mit einem Seitenblick.

Vera nickte nur und tat wie ihr gehießen.

Unterbeschäftigt stocherte sie anschließend mit ihrem Stab im gusseisernen Topf herum und ließ die Geräusche und Gespräche des Raumes sie vom Warten ablenken. Sie war nie die geduldigste Person gewesen, hatte es sich auf der Jagd lange antrainieren müssen ihre Arme und Beine davon abzuhalten sich ständig strecken zu wollen. Ihre Gelenke versteiften sich in der langen Hocke und knackten anschließend bei jeder Bewegung. Sie war kein leiser schattenhafter Jäger, sie war laut und ungehemmt und erbeutete durch pure Grobschlächtigkeit und Masse. Sie erlegte nur, wenn sie es mehr wollte, wenn sie es mehr wollte zu töten als ihre Beute zu leben. Ganz besonders war ihre Wut ein Problem, an den Tagen, an denen keine Beute ihren Weg kreuzte. An diesen Tagen hätte sie am liebsten Schreiend den nächsten Felsen zerkratzt, wenn es nicht so sinnlos gewesen wäre.

Doch sie war nicht länger in der Wildnis und um sie herum war es auch nicht bitterkalt, genauso wenig still. Im Gegenteil, der Raum bebte vor Gelächter.

Eine großgewachsene Frau mit Haut, wie die tiefste Nacht lachte volltönend als Delano ihr etwas ins Ohr flüsterte.

Auch ihre eingefallenen Wangen und die rot unterlaufenen Augenhöhlen konnten ihre Schönheit nicht dämpfen. Besonders nicht, wenn sie mit allen Zähnen strahlte. Sie hustete vor Emotion in ihre Armbeuge und Delano tätschelte ihr den Rücken.

Ihr lautes Lachen hatte eine wilde Freiheit, die Vera vom Bergvolk der Nogarden kannte, die in der Felsenweite Voka lebten und ab und an zum Handeln in Zura aufgetaucht waren. Vielleicht lagen die Wurzeln der Frau dort, auch wenn es den Fakt noch unverständlicher machte, dass sie hier gelandet war. Von einem Ende der Hauptinsel ans andere verschleppt, denn die Nogarden liebten ihre Berge und blieben viel zurückgezogen und unter sich. Diese Frau war mit Sicherheit nicht freiwillig gegangen. Was war ihre Geschichte, was war ihr Verbrechen, dass sie hier stand, mit gelber Farbe an den schlanken Händen?

„Was hat er gesagt Hisli, wir wollen mitlachen", tönte es von der blauen Farbe. Zustimmendes Gemurmel schloss sich an.

Hisli grinste und wandte sich an den Raum, gleichzeitig an niemand bestimmten.

„Er meinte nur, dass mir der gelbe Umhang viel besser stehen würde als seiner königlichen Fettheit." Der Schock ließ Vera ihre erste Reaktion im Halse stecken bleiben, derartig feindlich gegenüber der Krone hat sich bisher niemand geäußert, nicht einmal Heron und Tam. Seelenschmerz versuchte sich einen Weg in ihre Gedanken und durch ihren Körper zu fressen, doch sie schloss ihn tief in sich ein. Es half nichts ihre Familie zu vermissen. Es half nichts, dass sie sich wünschte Zuna die vielen Farben zeigen und Bänder aus gefärbtem Leder in ihre Haare flechten zu können. Denn es war nicht mehr real, es gab kein Zurück. Ihre Familie war von Anfang an nie ihre leibliche Familie gewesen und jetzt war sie nicht einmal mehr ihre geistige. Was mit Heron geschehen war, mal ganz außen vor.

Es war unmöglich, dass man seinen Verrat an der Krone ungestraft gelassen hatte. Er hatte tätig dazu beigetragen, dass ein Wächter zu Tode kam.

So geschunden hatte sein starker Körper im Schnee gelegen. Leblos. Sie wollte ihn nicht auf diese Weise in Erinnerung behalten, doch die Bilder blieben.

Blut auf weißem Schnee.

Blut, dass jetzt im Topf vor ihr blubberte. Zum Glück war ihr Magen robust.

Um sie herum achtloses Gelächter, direkt unter den Füßen der Regierung. Diese Menschen mussten verrückt oder todesmutig sein. Fühlten sie sich derartig sicher hier unten, dass sie niemand hörte, hatten sie keine Angst jemand würde es den Herrschern erzählen? Nicht, dass sie nicht zugestimmt hätte, der König war fettleibig und das auf erschreckende Weise. Besonders betont, durch die Gegenwart an prominent herausstehenden Knochen um ihn herum.

Doch kein anderer der Diener im Raum schien ihre Bedenken zu teilen. Heitere Stimmung und Gekicher breitete sich im Raum aus. Es war nicht, wie in den riesigen Hallen der Speisesäle oder den verzweigten Gängen der Küchen, in welchen Gespräche in einzelnen Gruppen geführt wurden. Hier brachten sich alle ein und das anscheinend vorzugsweise gleichzeitig.

„Er braucht schon wieder einen neuen?"

„Ist der alte bereits erneut zu klein?"

„Ich habe von Marko aus der Schneiderei gehört, sie verwendeten bereits die Schwangerschaftsschnittmuster der Königin, nur um seinem Bauch gerecht zu werden."

Jeder spach und trug bei, gleichwertig. Viele hatten Tränen in den Augen.

Allen voran grölte Delano.

„Nur das Beste für die Wampe der Majestät", dabei schwang er die Arme und verbeugte sich so formvollendet, dass es vor Ironie und Verachtung nur so triefte.

Diesmal konnte sie nicht anders als sich von den Wellen an Empfindungen mittragen zu lassen. Ein Kichern entschlüpfte ihrer rauen Kehle und sie räusperte sich schnell. War falsch zu lachen, wenn anderswo Menschen litten? Sie schallte sich selbst für die Frage. Es war falsch. Es war absolut falsch zu lachen, wenn Zuna nicht neben ihr stehen durfte.

Dennoch, ganz ungewollt, fühlten sich ihre Schultern leichter an.

Nun fiel ihr auch eine Frage ein, die sie vorher verdrängt und jetzt die Zeit hatte sie zu stellen.

An Delano gewandt warf sie sie in den Raum. Lenkte dabei die Aufmerksam. Die Blicke der Anderen streiften ihre Haut, ihre Haare, wanderten zu ihren Augen und zurück zu den Töpfen.

„Warum die Aussteiger?" Der Name hatte sie seit der ersten Erwähnung verwirrt.

Delano zuckte nur mit den Schultern, trat auf sie zu und stupste ihr gelbe Farbe auf die Nasenspitze.

„Weil wir hier alle freiwillig beschlossenen haben vorzeitig auszusteigen, lieber als dass wir unsere Zeit unglücklich und in Ketten gelegt fristen. Hier kommt keiner lebend raus und bis dahin, machen wir die Welt ein kleines bisschen bunter."

Viele der Anwesenden nickten ihr zu, wandten sich extra noch einmal um. Manche zwinkerten oder klopften ihr gutmütig bestätigend auf die Schulter.

Hier kommt keiner lebend raus.

Veras Blick fiel auf Hislis Armbeuge, in der sich rote Farbe gesammelt hatte, obwohl sie doch an der Gelb stand. Auch diese warf ihr einen Blick zu, nicht hochmütig, aber auch nicht unterwürfig, sondern voller Überzeugung.

Seltsam. Es lief ihr schauernd über den Rücken. So bekannt kam ihr der Anblick vor, die Bilder verschwammen und sie begriff entsetzt woher.

Keine Farbe, sondern die Grundlage dessen.

Blut.

Heron, der im Schnee lag. Tam, der Sich ein Bein brach, als er auf der Jagt in eine Spalte rutschte. Hislis Ellbogenbeuge, die unteren Kränze der Nasen mancher Anderer im Raum. Frauen und Männer gleichermaßen, obwohl alle genug genährt wurden nicht im Übermaß, aber es reichte und war mehr als ihre Familie zu manchen Zeiten gesehen hatte.

Hisli und die Diener, die an den strahlend bunteren Töpfen standen, wie Vera auffiehl, husteten sich Stück für Stück die Seele aus dem Leib. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Niemand im Raum war älter als dreißig Monde.

Weil sie vorher starben.

Die Realisation dessen, was sich auf ihrer Nasenspitze befand und ihre Sicht in Sonnenschein tunkte, veranlasste Vera dazu sich mit einem Ärmel ruckartig darüber zu wischen.

Ihre Augen fühlten sich bereits nach kurzen Kontakt mit den Dämpfen der Farbe ausgetrocknet an. Sie konnte sich nur vorstellen, wie es Hisli oder Delano ging, dessen Wangen seltsam eingefallen waren und dessen Augen schwere Ringe trugen.

Ein Raum voller suizidaler Diener hätte einem depressiven Trauerspiel gleichkommen müssen. Stattdessen wurde um sie herum mehr gescherzt, gelacht und offen gesprochen als an irgend einem anderen Fleck innerhalb des Königreichs. Zuhause waren Witze selten gesät, das Lachen rau, klein und von kurzer Dauer. Hier bebten die Stimmen, bis sie unter Hustenkrämpfen verendeten.

Die Wände voller Handabdrücke von Toten Dienern waren nicht das einzig Bunte im Raum. Die Herzen der Anwesenden standen dem in nichts nach.

Es machte es um so tragischer, dass diese schönen Seelen, die sich nicht scheuten Freude zu haben, auch wenn die Welt gegen sie Stand. Die so mutig waren für sich selbst zu wählen, wenn ihnen nicht einmal eine offensichtliche Wahl angeboten worden war, lieber starben als in diesem Königreich zu leben.

Ihr stiegen Tränen in die Augen, auch wenn nicht eindeutig zu bestimmen war wovon und Vera drehte sich zu ihrem Topf um. Verwirrt warf, sie die Haut wieder hinein und öffnete vorsichtig Falten mit dem runden Ende des Stabes.

Langsam massierte sie eine neue Schicht Farbe ein und versuchte auszublenden, was sie gerade gelernt hatte.

„Du wusstest es nicht?" Der Junge neben ihr sah nicht einmal auf als er fragte.

„Nein." Antwortete sie mit Blick in den Topf.

Die Farbe verteilte sich sehr gleichmäßig, gut.

„Warum wolltest du dann hier arbeiten? Jeder der Diener weiß, was es heißt, wenn jemand einen Platz hier erfragt."

„Ich wollte wegen der Farben hierher", jetzt schien es ihr ein noch trivialerer Grund als Zuhause. Mic sah erfreut, wenn auch mitlidig auf.

„Eine Künstlerin?"

„Nicht wirklich, eher eine Farbenthusiastin." Mehr als ein paar Kleidungsstücke bemalt hatte sie in Zura für die Familie nie. Meistens kleine Geschenke für Zuna.

„Wenn du etwas eingearbeitet bist und ein Probeexemplar an Delano gibst, kannst du vielleicht von der einheitlichen Färbung auf die Bemalung von Mustern umsteigen."

„Das würde mir gefallen", sie sprach ohne nachzudenken, aber das taten in diesem Raum vermutlich alle und hier, tief unter der Erde, in einer Kammer voller Menschen, die nicht mehr leben wollten, war ohnehin kein Platz für Lügen oder zu viele zweifelnde Überlegungen.

Sie hatten alle nichts mehr zu verlieren, also wieso noch vor der Wahrheit scheuen?

Sie wollte diesen Platz behalten, denn sie fühlte sich hier inmitten dieser Grenzenlosen wohler als in der Stille der oberen Kammern.

Beim zweiten Mal hielt die Farbe bereits besser. Es war befriedigend zu sehen, wie sich die Realität Stück für Stück veränderte. Fakten änderten sich. Wie der Fakt, dass das Leder vor ihr weiß gewesen war, von dem Fakt abgelöst wurde, dass es eine rötlich-pinke Färbung aufwies. Mittlerweile schon fast mehr Rot, als Pink, aber die gewünschte Farbe hatte es noch nicht erreicht.

„Wenn du ihn weiterhin so böse anstarrst wird der Stoff noch von ganz alleine rot." Mic stieß sie sanft in die Seite. Wurde sie hier beobachtet und bewertet?

„Ich habe nicht", die Verteidigung kam ihr wie von selbst über die Lippen. Sie erntete nur einen Seitenblick. In Ordnung vielleicht hatte sie doch die Augenbrauen zusammengezogen und die Stirn in leichte Falten gelegt, aber das war nun einmal ihr gewöhnlicher Blick. Für ihr Gesicht konnte sie schließlich nichts.

„Ich werde mich nicht für mein Gesicht entschuldigen", sie entschuldigte sich grundsätzlich selten. Allem voran nicht für die Wahrheit. Delano überhörte ihren Unmut.

„Entspann dich Frischling, du schaust schon so wie die Wächter", er mimte die verkniffenen Mienen der Männer mit ihren Gegelten Zöpfen erstaunlich treffend. Speziell Seth traf er so gut, dass Vera sich tatsächlich kurz vergaß, es überkam sie und auch sie stimmte laut und hart in das Gelächter der Färber ein.

„Ich habe dich noch nie so ein Geräusch machen hören, was mache ich falsch, dass du es mir noch nie geschenkt hast?"

Hain.

Im Tumult der kleinen Kammer, hatte sie übersehen, dass er im Steinrahmen lehnte. Es war ihr seltsam unangenehm, dass er sie beobachtet hatte. Noch mehr, dass er sie lachen gehört hatte. Als wäre es eine Entblößung, eine Preisgabe, die ihm nicht gebührte.

„Was machst du hier?" Ihr war sehr bewusst, dass mehrere Augen von Färbern und Färberinnen gleichermaßen sehr groß wurden, als sie ihn von oben bis unten musterten und den Fakt bemerkten, dass seine ausschließlich auf ihr lagen. Es wärmte ihren Körper, wie er ihre Kanten ansah.

„Mittagessen, wir wollten es gemeinsam einnehmen, weil wir gleichzeitig Pause haben?" Er stellte es als Frage in den Raum, mehr als ungläubig darüber, dass sie nicht daran gedacht hatte. Er wurde vermutlich nicht oft übersehen, geschweige denn vergessen. Es war mehr als verständlich, wer ihn einmal zu Gesicht bekommen hatte, musste schon lange suchen um einen schöneren Mann zu finden. In dieser Meinung war sie offensichtlich nicht allein. Doch etwas an seiner Schönheit war kalt, seine Augen lachten nie mit, wenn er es tat.

Vorsichtig zog Vera mit dem Knochenstab die Haut aus dem Topf und legte sie über die gespannte Leine darüber zum Trocknen. Um Verluste zu verhindern, troff die überschüssige Farbe wieder in den zugehörigen Topf. Ein sehr effizientes System, an einem Ort, an dem nichts verschwendet werden sollte, auch wenn seine Erbauer verschwenderisch lebten. Sie hatte Hunger und die Zeit vergessen, wie es schien. An Mic gewandt erklärte sie für alle Zuhörenden.

„Ich färbe das nach dem essen fertig, meine anderen Schichten werde ich tauschen." Delano klinkte sich ein.

„Schon geschehen, Schätzchen. Deine Hand ist an der Wand, dein Platz ist jetzt hier." Wärme breitete sich in ihrem Magen aus. Es war schön einen rot zu haben, an dem man zugehörig war und im gesamten Palast stach sie mehr heraus als hier. Zwischen diesen lauten Färben, war sie fast unauffällig. Was ein Witz an sich war.

Hains Blick lag missbilligend auf den Handabdrücken. Kein Freund von Farbe und Ausdruck, wie es schien.

Vorsichtig wischte sie ihre Hände an einem bereithängenden Tuch ab, ihre Schürze würde sich nicht von der Farbe erholen und das wollte sie vermeiden. Außerdem wollte sie nicht riskieren, die Kostbarkeit in ihrer Tasche zu verschandeln. Sie war froh, dass sich das Buch nicht abzeichnete.

Sie hatte nicht vor seine Existenz mit jemandem zu teilen. Auch nicht mit Hain. Es fühlte sich falsch an. Eine innere Stimme riet ihr davon ab.

„Fertig?" er mochte es offensichtlich eben so wenig warten gelassen zu werden, dennoch streckte er ihr eine Hand entgegen. Fordernd, besitzergreifend.

„Fertig." Sie dankte Delano, gab ihm ihre Zeit zum Wiederantritt der Arbeit durch und trat an Hain vorbei in den langen spärlich mit Kerzen beleuchteten Flur. Seine Hand schlug sie aus, sodass er sie ihr sanft auf die schmalste Stelle ihres Rückens legte und hinter ihr her trat.

Ihr eigener privater Wächter.

Sie hätte sich etwas darauf einbilden können, hätte sie nicht bemerkt, dass er mit seiner Schwester ebenfalls so umging und mit einer der Köchinnen.

Hain war einfach nur ein Beschützer, der sie als eine der seinen beschlossen hatte. 


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