Tomaten- Suppe

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

●▬▬▬▬๑۩۩๑▬▬▬▬▬●
Teil b)
Ritualisierte Magie: Um ein erfolgreiches Ritual
abzuhalten, erfordert Magie unterschiedliche Preise.
Manche Rituale erfordern künstlerisches Geschick
durch Symbole. Manche haben eine so lange Zutatenliste wie
Esylarns Hauptstraße. Wieder andere erfordern 
bestimmte Sternenkonstellationen oder Windrichtungen. 
Ein System lässt sich dahinter nicht erkennen, nur 
die Willkür einer wahrscheinlich amüsierten Gottheit. 
●▬▬▬▬๑۩۩๑▬▬▬▬▬●

✧ 

          Kaar hatte vielleicht eine Regel gegen Gewalt ausgesprochen, aber nichts gegen Beschimpfungen. Das war schon immer Moiras großes Glück gewesen, denn sonst hätte sie niemals ihre Patienten ertragen können.
In nur ein paar Monaten Ausbildung bei ihr hatte ich ein weitschweifendes Vokabular erlernt, das ich in seiner Vollständigkeit auf Yessi verwendete.  

Ich stand in dem Zimmer, das Neya mir zugewiesen hatte und warf Gegenstände in eine winzige Reisetasche. Die Hälfte der Gegenstände prallten von meiner federnden Matratze ab und sprangen fröhlich durch den Raum, während ich ihnen weitere Schimpfwörter hinterherrief.
„Er hat gewusst, dass ich recht habe! Sonst wäre er dageblieben und hätte die Sache mit mir ausdiskutiert, anstatt wie ein Schwerverbrecher mitten in der Nacht abzuhauen."

„Aber ich weiß nicht, ob ihn das zu einem ‚egozentrischen Vernunftbefreiten masochistischen Wunschopfer' macht." Zu seiner Verteidigung klang Kaar sich nicht ganz sicher. Er saß auf einer Fensterbank, die Hände links und rechts von ihm abgestützt und hatte irgendwann im Verlauf unseres Gesprächs aufgehört, mit den Beinen zu schaukeln.

Inzwischen beobachtete er mich aus großen Augen, die Schultern hochgezogen und sein ganzer Körper angespannt.

Ich sandte ihm einen beißenden Blick, der ihn spontan kleiner werden ließ. Er war mein erfundener Verlobter, damit ging auch die Verpflichtung einher, mich in meinem Ärger zu unterstützen. Wenn ich Yessi als Wünschelrute für Katastrophen und schlechte Ideen bezeichnete, sollte er nur nicken und mir beim Packen helfen
„Wenn er glaubt, dass er mich so loswird, wird er eine Überraschung erleben, die sein aufopferungsvolles Ego zwei Köpfe kürzer macht." Ein Tiegel mit Entzündungshemmender Salbe landete in meiner Tasche, hüpfte ohne Deckel wieder in die Höhe und verteilte seinen Inhalt auf Neyas Decke.

Kaar gab einen empfindlichen Laut von sich und rutschte von der Fensterbank, während ich unter weiteren Flüchen die graue Paste mit meinen Händen aus dem Stoff schabte.
„Sobald es Henric besser geht, werde ich ihm folgen und den Dolch unter seiner Nase wegstehlen." Ob ich dann Moiras Vorschlag annehmen wollte, hatte ich mir noch nicht überlegt. Ich war nicht in der Stimmung weitere Selbstaufopferungen zu erlauben.

„Ooooder", zog Kaar das Wort sehr vorsichtig in die Länge, als würde es mich besser auf seinen Vorschlag vorbereiten, „Du wirfst nicht deine Verbindung zu mir bei erster Gelegenheit fort und beginnst mit mir das Ritual der Nevanam?"

Meine Hände voll grauer Masse stoppten mitten in die Luft. Für mehrere Herzschläge starrte ich gerade aus, als erwarte ich, dass mein Verstand mir verspätet besseres Verständnis für seine Worte geben würde.

Als der erste graue Tropfen sich von meinen Fingern löste, quetschte ich die Paste behutsam in den offenen Tiegel-...

... und stoppte erneut. Hatte er gerade...? Mein Ärger nahm sich eine kurze Pause, um für später noch Energie zu haben. Er hatte nicht wirklich vorgeschlagen, dass... Ich schaffte es nicht einmal den Gedanken zu Ende zu bringen oder mich weiterhin zu bewegen, also fragte ich sehr höflich, ohne ihn anzusehen: „Bitte... was?"

Im Augenwinkel sah ich wie Kaar sein Gewicht von links nach rechts verlagerte und seine langen Finger ineinander verknotete. Er sah mich auch nicht an, sondern lieber auf seine Füße, die Zentrum einer Armeisenstraße geworden waren.
„Es wäre sinnvoll. Wenn wir dem Mann im See gegenüber treten wollen, hätte ich lieber eine vollwertige Nevanam an meiner Seite."

Ah. Sorgfältig wischte die ich Cremereste an meiner Schürze ab, ehe ich mich zu ihm umdrehte, als würde ich nicht kaum noch die Vögel vor dem Fenster über meinen Puls hören. Sonnenlicht flutete das Zimmer und erinnerte mich an den Vorsprung, den Yessi inzwischen hatte. Und wie lange es gedauert hatte, bis es Henric endlich besser ging. Deutlich besser.

Ich fixierte Kaar mit meinem Blick, bis er endlich aufhörte, zu zappeln.
„Du solltest das nicht tun, nur weil du niemand anderen hast-..."

„Du bist die Einzige, die ich mir als Moiras Nachfolgerin vorstellen kann." Er fiel mir sanft ins Wort, aber seine Unruhe war zusammen mit seiner Unsicherheit gegangen. Als er meinen zweifelnden Blick sah, räusperte er sich einmal, pustete einen Schmetterling aus seinem Gesicht und sagte dann deutlich fester: „Wenn das noch etwas ist, an dem du Interesse hast."

Ein Leben in Freiheit, das nicht an den Heiratsantrag irgendeines Mannes gebunden war? Ich wollte laut lachen, aber aus irgendeinem Grund kam kein Ton heraus. Ich wischte schon wieder meine Hände an meiner Schürze ab, bis mir einfiel, dass ich das eben schon getan hatte.
„Natürlich."

Ich verbot meinem Verstand zu Henric oder Yessi zu wandern. Zu den Worten, die Yessi in der letzten Nacht nicht gesagt hatte und die mich seither in jeder freien Sekunde, in der ich nicht fluchte, heimsuchten.

Glücklicherweise konnte Kaar in seiner menschlichen Gestalt keine Gedanken lesen. Erleichterung hob seine Augenbrauen und ein breites Lächeln verwandelte sein gesamtes Gesicht zu seiner ursprünglichen Form zurück. Das grüne Leuchten um ihn herum pulsierte einmal und im nächsten Augenblick hafteten zwanzig Schmetterlinge an ihm, die eben noch nicht im Zimmer gewesen waren.

Ich machte einen besorgten Schritt zurück.

Aber Kaar merkte nicht einmal, wie sie sich auf seine Haare und Hände setzten. Stattdessen begann er aufgeregt im Zimmer im Kreis zu laufen, bis die Armeisen nicht mehr wussten, wo sie noch hinrennen sollten.
„Es wird ein paar Tage dauern. Das Ritual benötigt mehrere Komponenten und du wirst dich wahrscheinlich erholen müssen."

Meine Zunge fand ihren Weg zwischen meine Zähne und mein Blick glitt an ihm vorbei hinaus zum Fenster, wo Baumwipfel trügerisch friedlich hin und her wogen. Meine Augenbrauen zogen sich zusammen, als ich mich erinnerte, dass sie Yessi verbargen wie Komplizen.
„Nur so lange sich Henric erholt", fiel ich Kaar ins Wort, der an all seinen Fingern die unterschiedlichen Zutaten des Rituals aufzählte und gerade genauer ins Detail ging, warum die Magie besser funktionierte, wenn er dabei nackt war, „Danach werde ich Yessi finden und ihm die Meinung sagen."

Ich würde vielleicht nicht selbst den Dolch anfassen können, aber ich würde nicht zulassen, dass er sich vielleicht die einzige Hilfe nahm, die er in jeder Not bekommen konnte.

✧ 

Es stellte sich heraus, dass das Ritual in Etappen abgehalten werden konnte, während Kaar und ich abwechselnd immer wieder in den Wald ritten, um Zutaten zu beschaffen. Unter anderem eine erhebliche Menge an Tomaten. Aber dank Neyas Proteste musste niemand dafür nackt sein und die meiste Zeit involvierte es lediglich, dass ich in einem Kreis aus Schildkröten stand.

Es gab mir mehr als genug Zeit, über meine jetzige Situation zu reflektieren. Der Mann im See arbeitete seit Jahren an seinem Ziel, die alten Götter zurückzubringen. Ziemlich genau seitdem irgendein dämlicher Krieg ihn seine Frau gekostet hatte. Sie hatten ihn zu diesem Zweck mit Magie versehen, damit er Königinnen und Könige töten konnte. Warum? Nachdem ich die Zutatenliste für Kaars Ritual gesehen hatte, hatte ich so eine Vermutung.

Ich wusste nicht, was er noch alles benötigte, aber nach der Menge der verstrichenen Zeit und der zunehmenden Häufigkeit von Schwankungen in der Magie, vermutete ich, dass es langsam eng wurde. Irgendjemand musste diesen Dolch finden.

Am besten ich.

Dementsprechend ärgerlich sah ich aus, als ich Henric drei Tage später nicht wie zurückgelassen in seinem Bett wieder fand, sondern am Fenster sitzend. War ich erleichtert, dass er anscheinend endlich wieder bei Bewusstsein war? Klar. Musste er all das aufs Spiel setzen, indem er seinem Körper Zeit gab, sich ausgiebig zu erholen? Klaaaar.

Er drehte sich zu mir um, als ich die Tür hinter mir vorwurfsvoll ins Schloss fallen ließ. Neya hatte ihm ein weites Hemd angezogen, dass Blick auf seinen Oberkörper frei gab, aber zum ersten Mal hatte ich überhaupt kein Interesse daran.

Henric machte Anstalten, sich zu erheben, als ich näher kam. Aber anscheinend hatte ich langsam Moiras Blick perfektioniert oder meine alte Lehrerin geisterte immer noch in diesem Zimmer herum, denn er gab abrupt den Versuch auf und sagte stattdessen: „Ich habe gehört, dass du an meiner Rettung beteiligt warst?"

Und es lag auch genauso in meiner Macht, sie wieder rückgängig zu machen, wenn er sich nicht an meine Anweisungen hielt. Aber er deutete bereits auf den Sessel neben sich und für einen kurzen Moment stockte ich in meinem ärgerlichen Anmarsch. Männer saßen zusammen. Gleichgesinnte und Gleichgestellte. Es war eine dumme Regel in Eslaryn.

Eine dumme Regel, die Henric niemals vergessen würde.

Ich zog eine Augenbraue hoch.
„Wenn du denkst, dass ich dich wegen einer kleinen Messerverletzung aus diesem Abenteuer gehen lasse-..." Aber ich brachte den Satz nicht zu Ende, sondern ließ mich stattdessen auf die Kante der Sitzfläche nieder, in dem Sessel, in dem Moira vor einigen Nächten noch auf mich gewartet hatte. Ich konnte nur hoffen, dass sie heute in der Küche spukte oder so.

Es fühlte sich... komisch an. Die einzigen Male, die ich jemals neben Henric gesessen hatte, waren ausschließlich in Gefangenschaft gewesen. Momente, in denen er gefesselt gewesen war.
Aber ich widerstand dem Instinkt, mich sofort wieder zu erheben.
„Wie geht es dir? Hast du irgendwelche Schmerzen? Wie fühlt sich dein Hals an?"

Henric zu zumindest genauso gequält aus wie ich, aber das konnte auch an seiner heilenden Verletzung liegen. Er fummelte an dem Ausschnitt seines Hemdes herum, machte Knoten in die Kordeln und erwürgte sich schließlich fast.
„Es geht mir gut... beinahe zu gut." Er sah mich an, als könne er ermessen, wie viel von seiner Verletzung ich in mir aufgenommen hatte.

Und es kostete mich all meine Selbstbeherrschung bei der Erinnerung nicht zu schlucken. Es machte keinen Unterschied. Neya hatte die Schmerzen für mich in erträglichen Etappen gestaltet. Nie mehr als zwei Mal am Tag. Nie so weit, bis ich beinahe das Bewusstsein verlor. Nur so viel, dass Henric nicht wieder schlechter wurde und ihre Medikamente wirken konnten.

An einem Tag hatte ich selbst keine Stimme mehr gehabt. Ich hatte keinen Ton mehr herausbekommen, bis Neya mich mit unterschiedlichen Tees und widerwärtigen Tränken wieder aufgepäppelt hatte. Aber das würde ich ihm bestimmt nicht sagen.

Henric sah in dem Sessel kleiner aus als sonst. Als hätte ich ihm einen vitalen Teil seines Lebens mit meiner Rettung genommen. Als läge meine Hilfe wie ein Gewicht auf seinen breiten Schultern, sodass er nicht einmal versuchte, den Knoten aus seinen Kordeln zu bekommen, der ihn langsam erstickte.
„Es ist dir nicht einmal in den Sinn gekommen, mich zurückzulassen."

Ich starrte ihn an.
Was war das für eine dumme Idee? Hatte er sich zuletzt zu viel mit Yessi unterhalten? Musste ich ein allgemeines Aufopferungsverbot aussprechen? Mit einem Augenrollen griff ich an seinem Kragen und machte mich daran, ihn auch vor dieser Todesart zu retten.

Ich wusste, dass es nicht an seinem Ego kratzte, dass ihn eine Frau gerettet hatte. Henric tickte anders. Sein ganz spezielles Problem war, dass ich womöglich Schaden wegen ihm genommen hatte. Und ich wollte wirklich gerne seinen Kragen fester packen und ihn schütteln, bis sein leerer Kopf vielleicht per Zufall einen Funken Verstand einsammelte.

Aber Henric hob nur den Kopf, damit ich besser ankam und sagte zur Decke: „Weißt du, warum Isabellas Vater sich niemals gegen ihre Heirat mit Jac ausgesprochen hat, obwohl er weder Einfluss noch Reichtum oder Erfahrung dem Land bieten konnte?"

„Weil wir alle wissen, dass es verdammt schwer ist, Isabella zu widersprechen?"

„Korrekt", sein Adamsapfel arbeitete und seine frische Narbe tanzte. Seine sah ein wenig besser aus als meine, aber ich würde lügen, wenn es mich nicht mit Stolz erfüllt hätte. Mich hatte Boltier zusammengeflickt und ich sah aus, als hätte ein Kind bei seiner Puppe den gesamten Kopf abgetrennt und Papa hatte ihn wieder annähen müssen.

Als ich zu lange Henrics Hals anstarrte, schob er mich mit sanfter Gewalt wieder zurück. Soweit, bis er mir wieder in die Augen sehen konnte, als wolle er sichergehen, dass ich ihn auch hörte.
„Und weil sie eine gute Entscheidung getroffen hat. Jac bringt viele Qualitäten für einen ausgezeichneten König mit. Qualitäten, die du teilst."

Mein kleiner zufriedener Moment, das ich besser nähen konnte, platzte.
„Wenn du jetzt wieder anfängst, mir zu erklären, warum ich nicht hier draußen sein soll, weil ich die Schwester des Königs-..."

Seine Hand lag noch immer auf meiner Schulter. Noch so eine Regel, die er niemals vergessen würde. Dank Jac war ich eine Prinzessin. Berührungen mit mir waren allerhöchstens beim Tanz erlaubt. Oder wenn ich die Männer durch meine Untersuchungen dazu zwang.

Aber ich hatte die Geste schon dutzende Male aus einem der vielen Fenster in Eslaryn beobachtet. Wenn einer seiner Männer ein Training verloren hatte, vom Pferd gefallen war oder aus der Hauptstadt beordert wurde. Henric, der vor ihnen stand, umrandet vom Licht, oder im Staub vor ihnen hockte, eine Hand auf ihren Schultern und ein Blick, als wolle er ihnen auf die Seele sehen.
„Ich will dir sagen, dass falls du deinen König aus Gican heiraten willst, du eine gute Königin abgeben würdest."

Ohhhh dieses Gespräch wollte ich nicht mit ihm führen. 
„Ich habe seine Grafschaft in einen unnötigen Krieg gestürzt."

Henrics Augenbrauen schossen nach oben und erinnerten mich daran, dass ich ihm erschreckend wenig aus meiner Zeit in Tacia erzählt hatte. Aber er fing sich, in dem Moment als die Hitze meine Ohrspitzen erreichte.
„Du würdest dazu lernen", sagte er mit ruhiger Selbstsicherheit, dir nur ein ganz klein wenig wackelig klang, wenn man ihn sehr gut kannte.

Zugegeben, die Wahrscheinlichkeit, dass mir das noch einmal passieren würde, war eher gering. Aber eher, weil Yessis Grafschaft quasi nicht mehr seine Grafschaft war.
Nein. Einer der vielen Gründe, warum ich Yessi ganz bestimmt nicht heiraten würde, diskutierte gerade in der Küche mit Neya, wieso er Magie nackt bevorzugte.

Der andere war eigentlich die andere:
„Er ist bereits verheiratet und-...", ich stoppte Henrics Widerspruch mit erhobener Hand, „Es gibt vielleicht einen Weg, wie ich zu einer vollständigen Nevanam werden könnte." Etwas, das ich seit meiner Zeit im Palast angestrebt hatte. Ein Wunsch, den ich mit Moiras Tod eigentlich schon begraben hatte. Und Kaar wollte ihn mir erfüllen.

Henrics Blick wich keine Sekunde von meinem Gesicht.
„Wünscht du dir das?"

„Natürlich." Das Wort kam mit der häufigeren Wiederholung viel schneller über meine Lippen. Mein Blick wanderte wieder nach draußen über die Wipfel der Bäume hinweg. „Ich wäre an niemanden mehr gebunden. Könnte frei durch das Land reisen... Menschen helfen..."

„Niemand könnte dich mehr zu einer Hochzeit zwingen", führte Henric meine Liste sanft weiter, den Kopf zur Seite gelehnt, sodass ihm seine blonden Haare in die Stirn fielen.

Meine Mundwinkel zuckten, obwohl mir nicht wirklich zum Lachen zu Mute war.
„Interessanterweise ist diese Sorge in den letzten Wochen verstärkt in den Hintergrund gerückt."

Henric lächelte und er lehnte sich auf seinem Stuhl wieder zurück.
„Vielleicht ist es besser so. Als Königin müsstest du dich fürchten, dass dieser Priester dir nach dem Leben trachtet. Er braucht nur noch sehr wenige Opfer und dann-..."

„Wie bitte?"

Ich fuhr so ruckartig zu ihm herum, dass Henric selber zusammenzuckte. Kurzer Schmerz bei der abrupten Bewegung flammte in seinen Zügen auf, doch er war viel zu gut darin, ihn sofort wieder zu verbergen. Ohne mich aus den Augen zu lassen, griff er neben sich und zog ein Buch im bekannten roten Umschlag hervor. Yessis Buch.
„Dein Verlobter hat es mir gebracht und ich habe ein wenig nachgelesen. Das Ritual zur Befreiung der alten Götter braucht acht königliche Opfer. Und wenn wir alle bisher bekannten durchgehen-..."

In meinem Kopf begann ich nachzuzählen: Yessis Eltern, Isabellas Vater, die Königin und der König Fells... Das machte gerade einmal fünf. Warum hatte ich bisher noch nie nachgezählt? Da waren mit Kaars Tomaten doch lieber. 

„Technisch gesehen müssen es keine Könige und Königinnen sein. Magisches Blut, das einen Teil von Kaar in sich trägt, reicht vollkommen", fuhr Henric fort, als würde die Mathematik für ein komplett Sinn ergeben, „Er scheint nur einfach königliches Blut zu bevorzugen."

Weil sie den Tod seiner Frau verursacht hatten.

„Aber damit haben wir immer noch drei Könige oder Königinnen Puffer, bevor es wirklich-..." Henric stoppte von alleine, als er meinen alarmierten Blick sah.

„Moira!" Der Name fiel wie ein Stein aus meinem Mund und schoss in die Höhe. Moira hatte magisches Blut gehabt und war durch Marus Hand und indirekt damit auch durch den Mann im See gestorben. Damit waren wir bei sieben. 

Und sofort folgte ein weiterer furchtbarer Gedanke. Weil die nie auf sich warten ließen. 
Ohne eine weitere Erklärung stürzte ich aus den Raum.

Ich stürzte auch beinahe Neyas ungleichmäßige Treppe hinunter, fing mich allerdings gerade noch so ab und gelangte wenige Atemzüge unfallfrei in die Küche. Ich platzte durch die Tür, sodass sie gegen die Wand krachte und mehrere Tassen in einem Schrank klirren ließ.

Neya stand vor dem Herd und hatte drohend eine Kelle erhoben, von der roter Tomatensaft auf den Boden tropfte. Ihr gegenüber stand Kaar, beide Hände erhoben und einen großen Fleck auf der Brust. Aber beide starrten sie mich an, als hätte ich den Verstand verloren.

„IstBachargläubig?" Ich sprach so schnell, dass es als ein einziges Wort herauskam.

Kaars Mund öffnete sich in Zeitlupe, während seine Augen im gleichen Moment enger wurden.
„Was?" Er wechselte einen Blick mit Neya, als brauche er die Bestätigung der Kräuterfrau, dass ich wirklich in der Tür hing. 

„Lionas Onkel", erklärte ich ein klein wenig langsamer, aber anscheinend nicht dringend verständlicher. Ich hing noch immer im Türrahmen, eine Hand auf der Klinke und eine an der Wand abgestützt, „Kannst du ihn orten durch dein...", ich fuchtelte mit der Stützhand durch die Luft und fiel beinahe auf die Nase, „...magisches Verbindungsding?"

Neya ließ sehr langsam die Kelle sinken, als bräuchte sie vielleicht eine neue Portion Suppe als Munition, falls ich sie im nächsten Moment womöglich noch anfallen könnte. 

Kaars Augenbrauen hoben sich. Doch als sein Blick im nächsten Moment leer wurde, wusste ich, dass er es zumindest versuchte. Versuchte war dabei das Stichwort. 

Zuerst bildete sich eine Falte auf seiner Stirn, die mit den verstreichenden Pulsschlägen tiefer wurde. Und mein Puls war keine gute Maßeinheit, denn ich hatte das Gefühl vor Anspannung zu vibrieren. Irgendwo in meiner Aufregung erinnerte ich mich an Yessis Atemübungen, aber zählen wurde schwierig, wenn der Rest meines Körpers unter Strom stand.

Dann schloss Kaar die Augen. Zwei Finger an seine Stirn gepresst, suchte er angestrengter nach seiner Verbindung.

Neya tauchte die Kelle wieder in den Topf auf ihrem Herd. Eine neue Anspannung machte sich in dem Raum breit, die auch nicht durch Henrics langsam und schwere Schritte auf der Treppe gebrochen wurde.

Es fühlte sich an, als würde sich die Luft um uns herum aufladen. Als würden die Farben der getrockneten Kräuter, in kleinen Bündeln über Neyas Küchentisch hängend, plötzlich wieder lebendig werden. Als würde die verwelkten Blätter praller und saftiger und-...

„Lass das", herrschte Neya Kaar an und holte ihn mit einer weiteren geworfenen Kelle Tomatensuppe aus seiner Konzentration wieder raus, „Wenn du ihn nicht finden kannst, ist er tot. Kein Grund meine ganze Arbeit wieder rückgängig zu machen." Sie warf den Kräuterbündeln einen kritischen Blick zu, ehe diese wieder ihre trockene Substanz annahmen.

Ich sackte ein klein wenig mehr in mir zusammen. Damit waren es schon acht Opfer.

Kaar sah missmutig zu Henric hinüber, als wäre es dessen Schuld, wie er wackelig hinter mir auftauchte. Er hatte offensichtlich nicht mitbekommen, dass ein weiterer seiner Könige nicht mehr unter den Lebenden weilte. In kurzen Abständen blinzelte er sich in und aus dem Fokus heraus, nach jedem einzelnen Kronträger sehend, bis er plötzlich deutlich aufrechter stand. 

Dieses Mal fanden seine grünen Augen mich, sein Gesicht in befremdlichem Alarm verzogen. 
"Wir haben ein Problem." Aber anstatt zu erklären oder meine Frage abzuwarten, hob er lediglich die linke Hand, Handfläche nach oben. 

Es war Henric zu verzeihen, dass er ebenfalls laut fluchte. Er hatte schließlich keine Ahnung, wen  er da vor sich hatte. Und Magie war seines Wissens nach in den Menschen der Welt ausgestorben. Meine Kräfte waren für ihn eine völlige Ausnahme, nur zu erklären durch meine Ambitionen, eine Nevanam zu werden. 

Als sich also ein Bild in Kaars Hand materialisierte, zuckte Henric abrupt zurück und stieß sich empfindlich den Kopf am Türrahmen. Folglich auch das Fluchen. 

Ich fluchte ebenfalls, wenn auch aus einem anderen Grund. Opfer Nummer acht saß in einer Zelle, die zur Hälfte von eingestürzter Erde verschüttet war. Moos wuchs über die Gitterstäbe und Schlingpflanzen hangelten sich von der Decke aus alten Steinen herunter.

Obwohl es nur ein Bild war, glaubte ich das Rauschen von Wind in Blättern zu hören. Den Geruch des Waldes zu riechen. Weil ich schon einmal in einer Vision dort gewesen war. Und weil ich wusste, wie sich die feuchte Erde anfühlte, gegen die sich Yessi momentan lehnte, sein Gesicht unter seinen Händen begraben. 

Kaar schloss seine Hand und das Bild verpuffte. Er versuchte es mit einem Maskenhaften Lächeln: "Zumindest hat er den Dolch noch nicht angefasst." 

Neya warf ihn wieder mit Suppe ab. 

✧ 

"Drückt das Sternchen, wenn ihr auch gerne einmal mit Suppe werfen würdet." - Neya, professionelle Suppenwerferin. 

"Das Ende, es naaaaaaht." - Morgan, kann auf den Tod gar nichts werfen. 

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro