4 - Die Anführerin

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...Einst...

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Herbstwind trieb durch kahle Äste und wirbelte ein paar der losen Strähnen in ihr Gesicht, die nicht in schmalen, strengen, dunklen Zöpfen steckten. Er flüsterte ihr in die durch kalte Luft leicht geröteten Ohren. Hauchte beinahe ein Lied von lockender Blutlust. Mit verengten Augen blickte sie die Klippe herab. Sicherlich hatte der Reiter sie auch längst gesehen. Hinter ihm flatterte ein Umhang und selbst auf die Entfernung hin, meinte sie zu sehen wie Erde unter den Hufen des galoppierenden Pferdes aufspritzte. Jeden Moment würde er am unteren Rand zwischen ein paar Felsen verschwinden und dann wäre er erst wieder zu sehen, wenn er in offiziellem Auftrag aus dem Sattel stieg, um eine Botschaft zu vermitteln. Eine die nicht nur seinen Kniefall bedeutete. Jedenfalls wäre das besser für ihn. Und für den König der ihn schickte.

„Ioanne!", rief eine Stimme hinter ihr. Halb wand sie sich ab, behielt den Reiter nur noch aus dem Augenwinkel im Blick.

Eine Frau kam auf sie zu. Ihr Gesicht noch immer jugendlich und von Sommersprossen bedeckt, die selbst dann nicht verschwanden, wenn die Tage grauer wurden und es kaum noch Sonne gab. Sie hatte sich die Haare auf ganz ähnliche Art geflochten und zurückgebunden, wie Ioanne es häufig tat. Auf ihrem Kopf sah es nur anders aus. Blonder, heller, freundlicher.

Neben ihr ging ein Mann, der nichts von Freundlichkeit besaß. Weder in den kalt geschnittenen Gesichtszügen, noch in der Art wie er die schmalen Lippen verzog als hätte er die Fähigkeit zu lächeln nie erlernt.

Meia lief, ohne ihre Geschwindigkeit zu zügeln, selbst an den Rand der Klippe, bis kleine Steine unter ihren Stiefeln herunter klackerten. „Bringt er Nachricht der Kapitulation?", wagte sie hoffnungsvoll zu raten.

„Eher eine erneute Aufforderung uns über den Winter zurück zu ziehen", schätzte Ioanne und trat von der Klippe zurück auf das Lager zu, als sie den wehenden Umhang des Reiters verschwinden sah.

„Und das werden wir tun?" Die Stimme des Mannes war weicher als sein Aussehen und Auftreten vermuten ließ. Als hätte er irgendwann einmal Samt verschluckt und sich dann geweigert es wieder auszuspucken. Von den beiden Augen, mit denen er sie ansah, erfasste er sie nur mit einem tatsächlich. Das andere hatte jede Fähigkeit zu sehen verloren, als sein damaliger Herr ihn halb zu Tode prügelte. Unbedingt sympathischer wurde er ihr dadurch nicht. Sie alle hielten eigene, ganz ähnliche Geschichten hinter stolzen Mienen versteckt.

Er hatte ihr eine Frage gestellt, aber immer, wenn er das tat, fragte er nicht richtig. Er formulierte es, als wäre es ein Test oder eine Falle in die er sie zu locken hoffte.

„Das werde ich entscheiden, wenn ich gehört habe, was er diesmal verlangt", knirschte sie gereizt.

Dass er unzufrieden war mit ihrer Antwort, sah man ihm an.

„Die Dinge steigen dir über den Kopf.", meinte er und verschränkte die Arme vor der Brust, während er aus höherer Statur auf sie herab sah.

„Würdest du lieber die Führung übernehmen, Kenaen?"
Er schnaubte. „Sei vorsichtig, was du sagst. Wenn das eine Herausforderung war, könnte ich geneigt sein sie anzunehmen." Etwas verheißungsvoll dunkles schimmerte im Klang seiner Stimme und selbst als Meia sich zwischen die beiden stellte, schien der Wind lauter zu heulen. Ein Raunen in der Luft, das einem durch den Stoff der Kleidung hindurch in den Nacken fuhr.

„Spart euch die Gefühle für den Kerl mit Krone auf. Er denkt er hätte uns in der Hand, aber das hatte er bisher nicht und das wird er auch weiter nicht." Meia lachte nervös.

Sie hoffte und sie log. Das erste Mal, seit Ioanne sich aufgerichtet hatte, zögerte sie voranzuschreiten. Als wäre die scharfe Klinge mit der sie durch die Reihen ihrer Feinde schnitt ganz plötzlich stumpf geworden. Doch es war ihm gelungen Gefangene zu nehmen. Wichtige Gefangene. Nun versteckte er sich hinter ihnen und hinter der Zivilbevölkerung seiner Hauptstadt. Die Menschen dort zitterten vor Angst. Der Schweiß ihrer Panik tränkte die Gegend in bitter süße Furcht. Er fühlte sich sicher und dabei konnte er gar nicht wissen, wie recht er damit sogar hatte.

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Klappernd trommelten die Hufe des Pferdes über den Boden aus platt getretenem Graß. Er wurde langsamer und zog die Zügel an seine Brust, um das Tier zu stoppen. Seine Knöchel waren weiß. Genauso kreidebleich wie sein Gesicht. Ioanne sah, wie er den Kopf hochhielt aber sein Blick unruhig über die Rebellen huschte. Hexen und Hexer und Menschen die die Seiten gewechselt hatten. Sie zogen sich um ihn wie ein einschnürender Kreis.

Als Ioanne vor ihn trat, rutschte er vorsichtig von dem Rücken des Tieres herunter. Seine Beine zitterten, auch wenn er sich Mühe gab es nicht zu zeigen. Wortlos hielt er ihr einen Brief, zusammen mit einem kleinen fleckigen Päckchen entgegen. Die Boten bisher hatten immer viel gesprochen. Manche in herablassender Arroganz, manche in kühler Pflichterfüllung, hin und wieder einer bettelnd, während er sich in die Hosen nässte. Dieser hier stand da wie erstarrt. Mit flachem Atem und Schweiß auf der Stirn.

Sie nahm ihm beides ab. Erst riss sie das Siegel von dem Brief und faltete ihn auseinander. Ihre Augen huschten über die Buchstaben aus schwarzer Tinte und ein Beben strich durch ihre Schultern. Besorgt sahen die anderen ihr zu. Hälse reckten sich um selbst einen Blick auf die Worte werfen zu können. Aber keinem gelang es.

Das Herz der Anführerin donnerte in ihrer Brust. Sie hörte es in ihren Ohren hallen. Knallend wie ein Gewitter, das in ihren Kopf gezogen war. Blitze zuckten im Blau ihrer Augen und knisterten auf ihren stummen Lippen.

Dann riss sie das Päckchen auseinander. Es war klein und bis eben noch war es leicht gewesen, kaum zu fühlen. Nun besaß es ganz plötzlich ein Gewicht, als könne es sie auf den Boden zerren. Mehr noch als sie das dunkel befleckte Papier grob geöffnet hatte. Eine Kette kam zum Vorschein. Ein großer, runder flacher Stein hing daran. So einer, wie jene die am Meer oder an Seeufern gefunden werden konnten und die über die Oberfläche sprangen, wenn man sie richtig warf. Nur dass dieser poliert war und kleine Symbole in kunstfertiger Handarbeit hineingeschnitzt worden waren. Teilweise nicht zu erkennen von dem bereits getrockneten nun fast mehr braunen als einst roten Blut.

Sie schwankte. Stolperte zur Seite. Der Bote schloss die Augen und senkte den Kopf.

Unruhe glitt durch die Rebellen, als sie die Anführerin taumeln sahen. Dann fing sie sich wieder und sah auf.

„Verschwinde!", zischte sie fast tonlos. Überrascht sah er sie an, bewegte sich aber nicht.

Ihre Augen schwammen schimmernd. „Verschwinde!", fauchte sie lauter.

Hastig beeilte der unerwartet befreite Unglückselige sich, zurück auf das Pferd zu kommen. Keiner hielt ihn auf. Nicht, solange sie es nicht befahl. Sie ließ ihn gehen. Er preschte davon. Galoppierte mit dem aufgeregt wiehernden Tier den gleichen Weg zurück den sie gekommen waren.

Ioanne band die Kette um ihren Hals. Sie drehte sich und marschierte zurück auf die Klippe zu. Im vorbei gehen nahm sie einen an ein Zelt gelehnten Bogen und aus dem Köcher daneben einen Pfeil. Sie hatten andere Waffen, selbst Pistolen waren ihnen längst in die Hände gefallen. Doch Holz und Federn waren besser zu verzaubern. Alles besaß Magie. Es umspann jeden Gegenstand wie einen unsichtbaren Mantel aus kribbelnder Energie. Ioanne stellte sich an den Rand der Klippe und sah herab.

Der Reiter kam von Neuem zum Vorschein. Sie hörte wie der Wind die Rufe zu ihr herauf trieb, mit denen er sein Pferd antrieb schneller zu werden. Selbst das Zittern seiner Stimme konnte sie vernehmen.

Heiß brannte Verzweiflung aus ihren Augen ihre Wangen herab. Ihre schmalen Finger legten den Pfeil an, spannten den Bogen. Sie spürte die Magie und sie griff danach, wie sie es schon immer getan hatte. Gefühle machten alles stärker, besonders wenn man sie mit aller Entschlossenheit auf ein Ziel fixierte. Auf einen Reiter, der meinte der Sicherheit entgegen zu fliehen, je weiter er kam. Flammen züngelten bereits um die Spitze, leckten das Holz entlang aber bissen nicht hinein. Sie warteten und krallten sich fest. Flüsterten über den Schafft, bis sie sich um die Federn am Ende legten und ihr bleiches Gesicht in orange rot tanzenden Glanz legte. Dann ließ sie los.

Surrend zischte das brennende Geschoss durch die Luft. Gegen den Wind und dem Klang der Stimme entgegen. Weder schwankend noch wirbelnd. Als wäre es an einer langen Schnur befestigt, die es direkt mit seinem Ziel verband. Es traf ihn zwischen den Schultern. Riss ihn von dem Rücken des Pferdes, das einfach weiter preschte. Er viel zu Boden und überlebte den Sturz zu seinem Unglück, denn nun fraßen die Flammen ohne Gnade an Haut und Fleisch und Knochen.

Meia sah fort von dem Feuer auf dem kahlen Feld und hin zu der Hexe mit dem noch immer fest umklammerten Bogen, ganz genau wie all die anderen es taten. Erwartungsvoll, nervös... bereit!

„Sie haben sie verbrannt.", hauchte Ioanne. Wieder war der Wind auf ihrer Seite. Er verteilte ihr Flüstern in der Menge. „Sie haben sie auf den Marktplatz geführt und ermordet."

„Die Gefangenen?", fragte einer, als wäre es nicht längst klar. Ihr Blick schnitt dem der Gesprochen hatte entgegen.

„Alle von ihnen?", fragte ein Anderer dennoch mit aufgerissenen Augen.

Ioanne bleckte die Zähne. Ihr Gesicht glänzte nass von Tränen.

„Ich will, dass sie brennen! Ich will, dass sie alle brennen! Dass diese Stadt und jedes verfluchte Leben darin das Feuer spürt!"

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