... und Auseinanderreißen

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„Also", sagte Yona bemüht fröhlich, nachdem Acarion sich wieder in Schweigen hüllte. „Was sind die anderen zwei Fähigkeiten? Bei beiden habe ich keine Ahnung."

„Hatte ich nicht gesagt, dass wir später darüber sprechen würden?"

Trotz kochte in Yona hoch. Sie war es leid, sich seinen schwankenden Launen beugen zu müssen. Jetzt ging es ihr weniger um das Wissen als um das Prinzip. „Du willst mich also mitten im Gespräch abwürgen."

„Üb dich in Geduld. Das kann dir nur gut tun."

„Was ich glaube", sagte Yona laut, „ist, dass es noch so etwas wie Reparieren oder etwas Ähnliches geben muss. Wir wissen, dass die Verox Leute zum Explodieren bringen können. Das ist nicht das Gleiche wie einfach nur zu verletzen."

Acarion reagierte nicht.

„Und wenn du sagst, dass die Fähigkeiten der Verox immer denen der Pflanzenenergie entgegengesetzt sind –"

Der Weg hatte sich schon seit geraumer Zeit verengt, aber nun passierten sie eine Stelle, an der es unmöglich war, weiter nebeneinander zu reiten. Und irgendwie war es Acarion gelungen, sein Pferd ein Stück vor Yonas zu halten, sodass sie sich auf Ofri wohl oder übel zurückfallen lassen musste.

Innerlich fluchte sie, aber das hielt sie nicht davon ab, weiter auf Acarion einzudringen, während ihr kleine unbelaubte Äste ins Gesicht schlugen. „Wenn es also stimmt, was du mir erklärt hast, scheint mir Reparieren eine logische Schlussfolgerung für –"

Mitten im Satz wurde ihr das Wort abgeschnitten, buchstäblich. Von einer unsichtbaren Kraft getrieben, hatten sich ihre Lippen zusammengeschlossen.

In Yonas Kopf war nichts außer schockierte Leere.

Reflexartig riss sie an den Zügeln und Ofri warf ärgerlich den Kopf in die Luft.

Dann verstand sie.

Die Zweige, die sie gestreift hatten, mussten für Acarion die ideale Quelle dargestellt haben. Jetzt hörte sie ihn leise lachen.

Für den Moment interessierte Yona nicht, welche Fähigkeit er verwendet hatte. Gleichzeitig mit ihrer Empörung kroch ihr Panik in den Magen. Sie bekam keine Luft mehr. Sie musste würgen. Doch ihre Lippen blieben verschlossen.

Und Erinnerungen, die sie eigentlich für vergessen oder zumindest verdrängt gehalten hatte, kamen wieder hoch. Der Griff unbarmherziger Hände, die sie festhielten, ihr sagten, was sie zu tun hatte.

Für einen Augenblick, der sich wie Jahre anfühlte, glaubte sie, schreien zu müssen, sich übergeben zu müssen, alles, alles um der Umklammerung zu entkommen, die sie gefangen hielt – dann erfasste sie unheimliche Ruhe. Sie war nicht mehr hilflos. Dafür hatte sie Sorge getragen.

Die Pferde liefen nicht allzu schnell und Yona befand sich immer noch kurz hinter Acarion. Beruhigend tätschelte sie Ofris Hals, dann lenkte sie ihn ein Stück zur Seite, gerade so nah an Acarion heran, wie es ging. Sie zog die Füße aus den Steigbügeln und zog sie an, bis sie förmlich auf Ofri hockte.

Sie schätzte den Abstand ein.

Und sprang.

Yona landete hinter Acarion auf seinem namenlosen Pferd, das laut wieherte und sich erschrocken aufbäumte. Halb stürzten sie, halb riss sie ihn von dem Tier herunter. Auf jeden Fall war sie diejenige, die deutlich eleganter auf dem aufgeweichten Boden landete und in wenigen Momenten dafür sorgte, dass Acarion so schnell nicht wieder aufstehen konnte.

Zumindest war sie nun nicht mehr die einzige, die sich mit nasser Kleidung herumschlagen musste.

Ihr Knie bohrte sich in seinen Brustkorb. Acarion wehrte sich, aber um sie loszuwerden, hätte er mehr Kraft in seinem verletzten Bein gebraucht. Kurz kehrte Ruhe ein.

Yona atmete schwer, noch immer plagte sie das Gefühl, nicht richtig Luft zu bekommen. Zwischen ihrem Sprung und der jetzigen Situation konnten nicht mehr als vier oder fünf Herzschläge verstrichen sein.

„Bist du vollkommen wahnsinnig geworden?", stieß Acarion hervor. Befriedigt stellte Yona fest, dass seine Stimme ein wenig höher klang als sonst. „Was fällt dir ein? Du hast offensichtlich den Verstand verloren!"

Sie antwortete nicht, sondern sah ihn nur an, die Augen fest auf sein Gesicht geheftet. Die Wut in ihr gewann langsam wieder die Oberhand. Für einen Moment glaubte sie tatsächlich, einen Anflug von Angst in Acarions Augen aufblitzen zu sehen.

„Lass mich sofort los", kommandierte er, doch Yona dachte nicht daran. Er hatte nicht die Kraft dazu, sie zu zwingen. Sie musste ihm jedoch zugutehalten, dass er es auch nicht versuchte. Für einige Zeit sah es so aus, als würde es Acarion auf eine Ausdauerprobe ankommen lassen, dann seufzte er und verdrehte die Augen.

„Also schön. Gib meinen Arm frei." Pause. „Soll ich die Veralenergie nun wieder aufnehmen oder nicht?" Yona ruckte kurz mit dem Kopf, zögerte aber.

„Na komm schon", sagte er unwillig. „Ich brauche physischen Kontakt dafür. Eine weitere Lektion. Was glaubst du, warum man davor warnt, Verox zu berühren?"

Yona gab nach. Mit einem Ruck ließ sie seinen Arm los.

„Geht doch", murmelte Acarion, drehte einige Male das Handgelenk, wie um zu testen, ob es noch funktionierte, und berührte dann kurz ihre Lippen.

Sofort sprangen sie auseinander. Yona hielt Acarion noch einen Moment fest, und sei es aus Prinzip, dann sprang sie zurück und stand auf.

„Tu das nie wieder", sagte sie, während sie auf Acarion hinuntersah, der mit dem Aufstehen ein wenig langsamer war als sie. Immerhin widerstand sie der Versuchung, ihn mit einem Stiefel unten zu halten, bis er ihr zugehört hatte.

Yona war klar, was für einen Anblick sie bieten musste. Die Haare nass und zerzaust, die Kleidung schlammbefleckt, einen irren Ausdruck in den Augen. Schön. Sollte es so sein, sollte er sie so sehen. Yona ahnte, dass das viel näher an ihrem Ich war als das, was sie ihm in den letzten Tagen gezeigt hatte. „Wenn du das noch einmal tust, wären die Konsequenzen andere als ein Sturz vom Pferd."

Acarion wirkte vollkommen vor den Kopf gestoßen, als er endlich wieder auf seinen Füßen stand, aber als er ihr antwortete, war seine Stimme beherrscht und kühl. „Nächstes Mal denke ich daran, deine Hitzköpfigkeit nicht zu unterschätzen."

Die Wut in Yonas Magen kochte über. Langsam trat sie einen Schritt auf ihn zu. „Lass dir ein für alle Mal gesagt sein, dass du einen Spaß nie wieder mit so etwas verwechseln solltest. Wenn du noch einmal versuchst, mich einzuschränken, zu fesseln oder festzuhalten, dann wird es dir leidtun. Du kontrollierst mich nicht."

Acarion rührte sich nicht vom Fleck, sondern maß sie mit seinen dunklen Augen.

Yona versuchte das Gefühl zu verdrängen, dass er mehr verstand, als er sie sehen ließ.

„Wenn das deine Bedingungen sind, dann hör dir auch meine an. Du wirst dich nicht wieder so impulsiv aufführen."

Nun, da er stand, war er ein ganzes Stück größer als sie und so war sie gezwungen, zu ihm aufzublicken. Doch auch sie wich nicht einen Schritt zurück.

„Du wirst gehen und mein Pferd suchen und ich will für dich hoffen, dass du es findest."

Jetzt erst realisierte Yona, dass sein Tier tatsächlich verschwunden war. Offensichtlich hatte es sich mehr erschreckt, als sie zunächst angenommen hatte.

„Und ich will wirklich sehr hoffen, dass du dich nie wieder so verantwortungslos und leichtsinnig wie eben gerade aufführen wirst." Acarions Stimme war bedrohlich leise geworden.

Yona wäre ihm gerne ins Wort gefallen, aber sie wollte seinen Vorwürfen der Hitzköpfigkeit keine weitere Grundlage liefern.

„Eigentlich", sagte Acarion, die Stimme immer noch nicht viel lauter als ein Flüstern, „eigentlich hätte ich es mir sogar denken können. Das ständige Geplapper, das schiere Unverständnis dafür, dass manchmal Entscheidungen getroffen werden müssen, die nicht angenehm sind."

Damit hatte er eine weitere Grenze überschritten. Yonas Zurückhaltung verbrannte unter ihrer Wut wie die Reste des Morgentaus unter der aufgehenden Sonne.

„Was weißt du schon von unangenehmen Entscheidungen", zischte sie. „Du hast doch keine Ahnung, was für Entscheidungen ich in meiner Vergangenheit getroffen habe." Unausgegorene Sätze schossen ihr durch den Kopf, die sie mit Sicherheit alle später bereut hätte. „Ich weiß nicht, was du hier tust. Aber was auch immer du dir einbildest, was dir deine ach so wichtige Mission gestatten würde, du liegst falsch damit."

Noch immer wich keiner von ihnen einen Schritt zurück.

„Wenn du denkst, du könntest mich zu irgendetwas zwingen, Acarion, dann liegst du damit grundlegend falsch. Ich bin nicht auf deine Freundschaft angewiesen, das sollte dir klar sein. Und ich werde nicht dein Pferd suchen, nachdem du mich zu so einer Verzweiflungsaktion gezwungen hast."

Für eine Weile war nur noch das Knacken des toten Waldes zu hören und der Regen, der versuchte, den Boden wiederzubeleben.

Schließlich wandte Acarion sich ohne ein weiteres Wort ab und humpelte in den Wald, um sein Pferd zu suchen.


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