Vom Anschreien und Ausweichen

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Das Innere des Kimorans stank nach ungewaschenen Körpern und den undefinierbaren Ausdünstungen der Rak'ysch. An den Wänden des Gefährts waren Pritschen angebracht und unter der Decke türmten sich unterschiedliche Waren auf einem einfachen Brett. Lebensmittel, Felle, einige Truhen, deren Inhalt Acarion nur erraten konnte. Immerhin war das Innere einigermaßen hell.

Ein Hoch auf das Reiseleben, dachte er missmutig, als er sich auf die Pritsche setzte, die dem Eingang am nächsten lag. Der neue Degen war ein ungewohntes Gewicht an seiner Seite.

Er war der letzte gewesen, der das Gefährt betreten hatte. Die anderen Betten waren bereits belegt, einige junge Leute in einfacher Kleidung, die ein Lied sangen und im Takt dazu auf den Boden stampften, außerdem die Mutter mit ihrer Tochter, seine Bekanntschaft aus dem Hüpfenden Ross. Die Betten über Acarion hatten der alte Mann namens Lehrion sowie sein Schützling Alena in Besitz genommen. Sie waren mit ihm für die Sicherheit des Kimorans verantwortlich.

„Ich erinnere mich an dich", krähte in dem Moment, als das Gefährt sich ruckelnd in Bewegung setzte, eine Kinderstimme. „Du hast uns die Tür aufgehalten."

Widerwillig wandte Acarion sich um. Das kleine Mädchen mit den rostbraunen Haaren kam auf ihren kurzen Beinen auf ihn zugeeilt, die Augen groß und neugierig.

„Richtig", sagte er gedehnt. „Du heißt Syra, nicht wahr?"

Sie strahlte und nickte. „Ja und meine Mama heißt Lina."

„Interessant." Doch noch war er nicht erlöst. Offenbar hatte die Kleine nicht vor, ihn so schnell in Ruhe zu lassen.

„Wie heißt du?"

„Caron." Schon vor der Reise war Acarion zu dem Schluss gekommen, dass es besser war, nicht unter seinem echten Namen zu reisen, wenn er schon den Luxus genoss, nicht sofort erkannt worden zu sein.

„So heißt mein Onkel auch", teilte Syra ihm mit, dann fiel ihr Blick auf seine Waffe. „Ist das dein Schwert?"

„Das ist kein Schwert, sondern ein Degen."

„Darf ich das Degen mal halten?"

„Den Degen. Nein." Wieso kümmerte sich diese Lina nicht um ihr Kind? Acarion stand auf und blickte suchend in ihre Richtung.

„Könnt Ihr denn wirklich damit umgehen?", fragte da eine Stimme über ihm. Er warf einen Blick nach oben. Alena grinste ihm von ihrer Pritsche aus zu, aber ihre Augen blickten ernst. „So wie Ihr den Degen haltet, fällt es mir nämlich schwer, das zu glauben."

Missgelaunt biss Acarion die Zähne zusammen. Es ärgerte ihn, dass jemand anderes sein Unwohlsein bemerkt hatte. „Der erste Eindruck mag täuschen."

Leichtfüßig sprang die hochgewachsene junge Frau von ihrer Pritsche. Sie hielt mit offensichtlicher Leichtigkeit ein Schwert in der Hand. „Stellt es unter Beweis."

Acarion schnaubte. „Das ist absurd. Wir könnten uns gegenseitig verletzen."

„Nichts leichter als das", schaltete sich einer der jungen Musikanten ein. „Wir haben Übungsschwerter für unsere Vorstellungen dabei."

Er kramte in seiner Tasche und beförderte zwei Holzschwerter zu Tage.

„Du forderst eine einfache Mutprobe", sagte Acarion trocken und ignorierte den Mann.

Alena lächelte unbeirrt weiter. „Dann kannst du ja nur gewinnen und ich kann nachts besser schlafen."

Syra hatte den kurzen Wortwechsel mit großen Augen verfolgt. „Oh bitte, Caron", sagte sie, „ich habe noch nie jemanden kämpfen sehen."

Sei froh darüber, dachte Acarion, sprach es aber nicht aus.

Alle Augenpaare waren nun auf ihn und Alena gerichtet. Für einen Moment unterbrach nur das leise Rumpeln des Kimorans die Stille. Acarion spürte einen winzigen Hauch der Nervosität in sich aufflackern. Er konnte sich dieser Herausforderung nicht entziehen, nicht, wenn er wollte, dass die Leute ihm vertrauten. Und wenn sie tatsächlich Übungsschwerter hatten ... „Also schön", sagte er mit einem Seufzen.

Syra brach in Jubel aus und auch die Gruppe in der Ecke johlte zustimmend. Der Schausteller sprang auf und reichte sowohl Acarion als auch Alena ein Übungsschwert.

Es war nicht viel leichter als Acarions Degen und im Krieg hatte er lange mit einem Schwert gekämpft.

Lina, die bisher noch kein Wort gesagt hatte, schien eher skeptisch und winkte ihre Tochter zu sich heran, in Alenas Miene dagegen konnte er Anerkennung sehen.

Acarion hob das Holzschwert. Er hatte sich kaum bewegt, da sprang Alena bereits auf ihn zu, die Klinge offensiv auf seinen Oberkörper gerichtet. Statt zu parieren, wich er seitlich aus und versuchte einen Treffer an ihrer Seite zu erzielen.

Alena reagierte, hatte aber den Platz in dem engen Kimoran überschätzt und schlug mit ihrem Schwert eine Kerbe in Acarions Pritsche. Irgendwo gab jemand einen erschrockenen Laut von sich.

„Ich wäre dankbar, wenn ich darauf heute Nacht noch schlafen könnte", bemerkte Acarion, während er nach vorne stieß und hoffte, Alena die Waffe aus der Hand zu schlagen, was sie jedoch verhinderte.

Es juckte Acarion in den Fingern, sich mit Veralenergie einen Vorteil zu verschaffen. Auf dem Weg vom Hüpfenden Ross bis zu dem Kimoran hatte es genug Pflanzen gegeben, seine Reserven aufzufüllen.

Doch je weniger seine Mitreisenden wussten, desto besser. Und er mochte zwar kein meisterlicher Schwertkämpfer sein, doch er konnte mit seiner Waffe umgehen. Ebenso wie Alena.

Bald vibrierte die Luft von dem Aufeinandertreffen der Schwerter. Es war kein richtiger Kampf, es war ein Duell, sie loteten beide die Stärken des Anderen aus. Acarion stellte wider Erwarten fest, dass er das Kräftemessen genoss. Er hatte zu lange nur mit Worten gefochten.

Gerade, als Alena den nächsten Ausfallschritt in seine Richtung machte, zischte einer der Rak'ysch durchdringend. Die junge Frau zuckte zusammen und zögerte für einen winzigen Augenblick.

In nur einem Schritt war Acarion aus seiner seitlichen Position hinter sie gelangt und bevor sie sich umdrehen konnte, lag die Spitze seines Schwertes in ihrem Nacken. Alena erstarrte.

Gleichzeitig rumpelte der Kimoran über einen Stein. Acarion, der sich im Moment des Sieges entspannt hatte, machte einen ungeschickten Schritt nach hinten und stieß an seine Pritsche. Unvorhergesehen ruhte sein Gewicht auf seinem verletzten Bein. Prompt gab es unter ihm nach, während ein Schmerzpfeil durch Acarions Körper raste.

Mit einem dumpfen Schlag taumelte er gegen eines der Fässer, die nahe dem Eingang standen. Das Fass kippte um und ein Netz voller Äpfel, das darauf gelegen hatte, verfing sich in Acarions Holzschwert, riss auf und verteilte seinen Inhalt auf dem hölzernen Boden. Es klang wie spöttischer Applaus.

Draußen wurde ein Befehl gebrüllt. Der Kimoran hielt an.

Ohne ein Wort zu sagen, reichte Alena Acarion eine Hand und half ihm auf. Nur einen Moment später wurde die kleine Tür des Kimorans schwungvoll aufgerissen und Rons massige Silhouette blockierte das einfallende Licht. „Was bei Rúas vollständigstem Namen soll das hier werden?"

Ein einzelner Apfel kullerte leise auf den Transportmeister zu, als wollte er die Frage beantworten.

„Ähm", machte Alena. Das Holzschwert in ihrer und Acarions Hand war Antwort genug.

„Habe ich mich irgendwie unklar ausgedrückt, was das Thema Köpfe einschlagen betrifft?", fragte Ron, dessen Stimme auch so den ganzen Kimoran ausgefüllt hätte, aber sich nun einer bedrohlichen Lautstärke annäherte. Acarion presste die Lippen aufeinander. Er hatte es gewusst.

„Vielleicht sollte ich hier eine kurze Erklärung –", begann er dennoch, aber er hätte genauso gut stumm bleiben können, denn Rons Wut rollte über ihn hinweg wie ein Felsbrocken.

„Ich will keine Erklärung hören. Wir haben Tavagar kaum verlassen. Wer auch immer für die Scheiße hier verantwortlich ist, meldet sich jetzt und ist innerhalb kürzester Zeit wieder innerhalb der Stadtmauern, wo ich ihn nicht wieder sehen und meinem Ärger Luft machen muss."

Mit finsterer Miene blickte Acarion auf die Übungsklinge hinunter, die er immer noch in der Hand hielt. Leugnen würde hier nicht viel bringen.

„Es war ein freundschaftliches Duell", sagte Alena leise, die Augen zu Boden gerichtet. „Zwischen Caron und mir."

Rons Blick blitzte kurz zu Acarion hinüber. Dann explodierte er förmlich und niemand brauchte sich mehr Illusionen darüber zu machen, woher der Beiname „der Schreihals" stammte.

„Dann ist es natürlich viel besser! Die Leute, die ich zum Teil eingestellt habe, um hier für die Sicherheit zu sorgen, gehen sich gegenseitig an die wertlosen Kehlen! Mit Kinderspielzeug! Und damit nicht genug, in dem ganzen Herumgehiebe gehen auch noch meine Waren dabei drauf! Ist euch eigentlich klar, warum ihr hier seid?!"

„Es war wirklich rein freundschaftlich und ein Missgeschick-"

„Ein Duell ist nur so lange freundschaftlich, bis dabei meine Sachen", kurz überlegte Acarion, einen Schritt zurückzutreten und damit den Speicheltropfen zu entgehen, „über meinen Kimoran verteilt werden! Latrinendienst! Für die nächsten zwei Wochen! Alle beide!"

Wutschnaubend wirbelte Ron herum und schlug die Tür hinter sich zu. Als die Rak'ysch sich träge wieder in Bewegung setzten, überlegte Acarion, wie viele seiner Reisegefährten zu lachen begonnen hätten, wäre die Tür von dem Schlag aus den Angeln gesprungen.


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