Von Loyalität und Freiheit

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

Gerade bereitete Yona sich auf einen Verzweiflungsschlag vor, als sie mit einem Bein etwas streifte. Kaedras' Dolch, nur eine Handlänge von ihr entfernt.

Vor Yonas Blickfeld begannen Sterne zu tanzen, als sie sich mit letzter Kraft ein Stück zur Seite bewegte. Es war das entscheidende Stück. Es reichte nicht aus, um ihre Angreiferin das Gleichgewicht verlieren zu lassen, aber es reichte, dass sich Yonas eiskalte Hand um den glatten Griff der Waffe schließen konnte.

Sie riss die silbrige Klinge nach oben. Sie bohrte sich tief in die Seite der anderen Frau. Der Griff um Yonas Hals lockerte sich. Sofort richtete sie sich auf, die Ruhka wieder fest in der anderen Hand, und stieß ein zweites Mal zu. Dieses Mal traf sie in die Brust.

Es kostete Yona einiges an Willenskraft, nicht über dem Leichnam zusammenzusacken. Schmerzen schossen durch ihre Schulter und den Schnitt an ihrem Kiefer. Ihr Hals fühlte sich an, als hätte sie drei Tage hindurch geschrien.

Für einige Momente konnte sie sich nur auf den Boden stützen und sich darauf konzentrieren, wieder genug Luft in ihre Lungen zu bekommen.

Warum war Acarion ihr nicht zur Hilfe gekommen? Er hätte seinen Gegner in kürzester Zeit überwältigt haben müssen. War er so wütend auf sie gewesen, dass er sie allein gelassen hatte?

Gerade, als sich ein unruhiges Rumoren in Yonas Magengegend breitmachte, hörte sie Stimmen. Sie waren undeutlich, offensichtlich hatte sie sich doch weiter von der Lichtung wegbewegt, als sie vermutet hatte.

Schlagartig traten ihre Schmerzen in den Hintergrund. Ohne auf das widerwärtige schmatzende Geräusch zu achten, zog Yona die Ruhka und ihren Dolch aus dem Leichnam ihrer Gegnerin. Den Bogen ließ sie liegen, sie hätte nichts mit ihm anfangen können. Auf leisen Sohlen schlich sie zurück zu der Lichtung.

Noch immer hatte sie die Geschmeidigkeit einer Tänzerin, verstärkt noch durch das Kampftraining, für das Kaedras gesorgt hatte. Niemand hörte sie kommen.

Und das war auch gut so.

Am Waldrand hatte sich eine Gruppe Menschen versammelt, ebenso dreckig wie diejenigen, gegen die Yona und Acarion gekämpft hatten. Offenbar waren sie auf eine Art Vorhut getroffen und der größere Teil der Gruppe hatte jetzt aufgeschlossen. Sie alle trugen verdreckte, aber robuste Reisekleidung.

Die Gestalten, die ganz vorne standen, waren ein muskulöser Mann mit struppigem Bart und eine Frau, die die schmutzig blonden Haare zu einem unordentlichen Zopf geflochten hatte. Sie hielt ein kurzes Messer mit grausam gebogener Klinge in der Hand und ließ es beinahe spielerisch zwischen ihren Fingern hin und her rollen.

Ihnen gegenüber stand kleiner Mann mit feistem Gesicht, dessen Augen immer wieder nervös durch die Gegend zuckten. Dieser Mann hatte Acarion den Arm auf dem Rücken verdreht und zwang ihn in eine unnatürlich aufrechte Haltung. Sein Degen war nirgends zu sehen.

Wie schafft er es immer, sich in so eine Situation zu bringen, wenn ich kurz wegschaue, schoss es Yona durch den Kopf.

Sie war jedoch zu weit weg, um die wütenden Stimmen verstehen zu können. Auf allen Vieren näherte Yona sich der Gruppe, dankbar, dass die Pflanzen ihr Sichtschutz boten. Schmerz schoss in ihre Schulter, jedes Mal, wenn sie den Arm auch nur geringfügig belastete.

Schließlich war sie den Menschen nahe genug gekommen, um ihre Worte verstehen zu können. Zu ihrer Überraschung sprachen sie Tarok, die Sprache von Yonas Heimat Lavókan.

„... ist derjenige offensichtlich weg", sagte der mit dem fleischigen Gesicht gerade. Aus ihrer jetzigen Position konnte Yona die kleinen, verschlagenen Augen darin sehen.

„Ist das so", knurrte der Schwarzbärtige nun. Offenbar verstärkte der andere Mann seinen Griff, denn Acarion versteifte sich. „Wohin könnten deine Gefährten wohl gelaufen sein, hm?"

„Hätte ich Gefährten gehabt, wäre es garantiert nicht mein erster Instinkt, euch das mitzuteilen."

Acarions Stimme war so kühl wie eh und je, nur triefte sie nun vor Verachtung. Er sprach flüssiges Tarok.

Der bärtige Mann nickte knapp, holte dann aus und versetzte seinem Gefangenen einen Schlag in die Magengrube. Mit einem Keuchen krümmte Acarion sich zusammen.

Die blonde Frau mit dem Zopf lachte schrill.

Yonas Herz schlug ihr bis zum Hals. Was sollte sie tun? Weglaufen? Kämpfen? Beides waren verlockende Alternativen. Beide schienen gleichermaßen dumm.

„Versuchen wir das noch einmal", sagte der Mann, den Yona nun mit Schwarzbart betitelte, ruhig. Sie konnte die Gefahr hören, die in seinen Worten lag. „Sogar mit Hilfe kann ich es kaum glauben, dass du drei meiner Leute abgeschlachtet hast. Wenn es nicht noch vier werden. Also. Wo sind deine Freunde?"

Irgendwoher nahm Acarion die Nerven, Schwarzbart ein herablassendes Lächeln zu schenken. Es wirkte umso beeindruckender, da seine Zähne blutig rot verfärbt waren.

Yona wurde klar, dass er nicht erst einen Schlag hatte einstecken müssen.

„Moa ist auch tot", verkündete in dem Moment eine andere Stimme und zwei weitere Gestalten lösten sich aus dem Wald hinter Yona, eine kleine Frau mit verfilzten schwarzen Haaren und gebräunter Haut, gefolgt von einem Mann mit gleicher Haar- und Hautfarbe, der wie ein Schatten an ihr hing. Er hielt den Bogen in der Hand, den Yona achtlos neben der Leiche der Schützin hatte liegen lassen.

Auch sie bemerkten Yona nicht.

Die blonde Frau stieß ein wütendes Zischen aus und hörte auf, mit ihrem Messer zu spielen. Stattdessen trat sie nach vorne und setzte die Spitze auf Acarions Brust.

„Wie viele Freunde hast du hier?", fauchte sie. „Ich würde mir meine Antwort jetzt wirklich sehr gut überlegen."

„Keine. Deine Freunde waren einfach nur unfähig."

Für einen Moment fürchtete Yona, die Frau würde ihm das Messer umstandslos in die Brust rammen. Schwarzbart hielt sie jedoch zurück und zwang sie, einen Schritt zurückzutreten.

Nur, um dann selbst erneut zuzuschlagen. Dieses Mal traf er Acarions Gesicht.

„Du solltest über deine Wortwahl nachdenken", sagte er ruhig, während Acarion von dem Mann mit dem fleischigen Gesicht auf den Füßen gehalten wurde und Blut ausspuckte.

„Er hat nur ein Pferd", sagte da eine vorsichtige Stimme.

Aus dem Schatten hinter ihnen war eine schmale Gestalt getreten – ein Junge, vermutlich nicht älter als dreizehn oder vierzehn Jahre. Er führte Ofri hinter sich her.

Yona seufzte leise auf. Irgendwie musste das Pferd den Weg hinunter in das Tal gefunden haben und war dann von der Gruppe gefangen worden. So hatten sie gewusst, dass jemand hier war.

„Bei mehr Leuten hätten sie doch wohl auch mehr Pferde gehabt, oder?" Der Junge beäugte Acarion misstrauisch.

„Der Kleine muss die treibende intellektuelle Kraft in eurer Gruppe sein", kommentierte der und Yona wünschte, sie hätte ihm von ihrer Position aus den Mund zu halten können. Was dachte er sich dabei, Schwarzbart noch gegen sich aufzubringen?

„Er hat recht", fügte Acarion jetzt mit Nachdruck hinzu, mit deutlich weniger Spott in der Stimme.

Und plötzlich wurde es Yona klar. Er versuchte sie zu schützen, ihr Zeit zu verschaffen. Solange die heruntergekommenen Gestalten sich mit ihm auseinandersetzten, würden sie nicht nach ihr suchen.

Acarion ging davon aus, dass sie geflohen war, und er wollte ihr einen Vorsprung verschaffen. Ein schmerzender Knoten bildete sich in Yonas Bauch.

„Also schön", sagte Schwarzbart kalt.

Sie war von dem plötzlichen Aufwallen der Dankbarkeit so abgelenkt, dass ihr Schwarzbarts nächste Bewegung beinahe entgangen war. Viel zu spät realisierte sie, dass der kräftige Mann eine grob geschnitzte Keule trug, die er an der von Yona abgewandten Seite gehalten hatte.

Der dumpfe Schlag, mit dem das Holz auf Acarions Schläfe traf, durchfuhr Yona, als hätte die Keule sie getroffen. Sie musste sich selbst den Mund zu halten, um nicht aufzukeuchen, als Acarion zusammenbrach und von dem feisten Mann achtlos zu Boden fallen gelassen wurde.

Komm schon, flehte Yona innerlich. Jetzt liegen deine Hände auf dem Gras, du kannst dich heilen und wieder aufstehen.

Es geschah nichts dergleichen. Stattdessen sagte Schwarzbart nur „Gehen wir" und wandte sich ohne einen weiteren Blick auf Acarion ab.

Der kleine Mann, der mit der schwarzhaarigen Frau aus dem Wald gekommen war, übernahm es, sich zu bücken und ihren Gefangenen wie einen Sack Getreide über seine Schultern zu werfen.

Entsetzt sah Yona, dass Acarions rechte Gesichtshälfte blutüberströmt war. Aber wenn er tot wäre – ihr Blick blitzte zu den drei Leichen, die sie auf der Lichtung zurückgelassen hatten – dann hätten sie ihn doch einfach liegengelassen. Oder?

Nun, dachte Yona mit zusammengebissenen Zähnen. Ich werde es herausfinden.

Aber nicht sofort. Ihre Schulter schien in Flammen zu stehen und warmes Blut floss aus dem Schnitt in ihrem Gesicht über ihren Hals. Auch wenn sie sicherlich einen furchterregenden Anblick bot, war sie in keiner Verfassung, es mit so vielen Gegnern gleichzeitig aufzunehmen.

Vor Kurzem war sie sich noch sicher gewesen, selbst kurz davor zu stehen, Acarion anzugreifen. Aber jetzt ... jetzt konnte sie nicht einfach wegschauen.

Bei einigen der Gewächse, die ihr als Versteck dienten, handelte es sich um Heliran. Dankbar zupfte sie einige Blätter der blutstillenden Pflanze ab und zerrieb sie in ihren Händen zu einem Brei. Zusammenzuckend verteilte sie diesen auf den Schnitt an ihrem Hals. Beinahe sofort wich das Brennen ein wenig zurück.

Dann riss Yona widerwillig einen Stoffstreifen aus ihrem noch von der Begegnung mit dem Valeshk zerrissenen Ärmel und machte sich bereit, den übrig gebliebenen Pfeilschaft aus ihrer Schulter zu entfernen.

Das war ein schwieriges Unterfangen, mit einer Hand war der abgebrochene Schaft schwer zu erreichen und Yona hatte Angst, ihn so weit zu kürzen, dass sie ihn nicht mehr greifen konnte. Die Tatsache, dass sie Rechtshänderin war und nun mit der linken Hand agieren musste, machte die Aufgabe nicht leichter.

Doch es ging nicht anders, Hilfe war nicht in Sicht und sie konnte nicht auf absehbare Zeit mit einem Pfeil in der Schulter herumlaufen.

Es sei denn ... für einen Moment stockte Yona.

Acarion hatte sie eine Hure genannt. Hatte sie zurückstoßen wollen in eine Rolle, die sie endgültig hinter sich gelassen hatte. Von der sie sich geschworen hatte, nie wieder zu ihr zurückzukehren. Er hatte sie angeschrien, hatte gedacht, er könne sie herumschubsen, wie es ihm beliebte.

Yona zögerte, die Hand nur ein winziges Stück von dem Pfeilschaft entfernt.

Aber Acarion hatte auch versucht, ihr Zeit zu verschaffen, damit sie fliehen konnte.

Welcher Variante von ihm wollte sie trauen?

Sie konnte sich entscheiden, sich einfach zurückzuziehen. Acarion seinem Schicksal zu überlassen. Sie könnte zu der Gruppe weitergehen, die nicht mehr weit weg sein konnte. Dort würde sie Unterstützung finden.

Kaedras hätte ihr dazu geraten. Wenn sie sich selbst beschützen wollte, dann sollte sie jetzt gehen. Sie schuldete Acarion nichts.

Und dennoch.

Sie wusste nicht, was es war. Angst. Gewissen. Loyalität. Vielleicht auch der Wille, sich zu beweisen. Aber etwas hielt sie davon ab, jetzt den einfachen Weg zu wählen.

Eigentlich hatte sie sich schon längst entschieden.

Yona biss die Zähne zusammen, ergriff den Pfeilschaft und zog einmal kräftig. Es kostete sie alle Selbstbeherrschung, nicht aufzuschreien, aber sie schaffte es. Halblaut, aber fantasievoll fluchend behandelte sie die stark blutende Wunde mit ihrer Pflanzenpaste und verband sie dann mit einem weiteren Streifen aus ihrem Ärmel, der mittlerweile jede Ähnlichkeit mit einem Kleidungsstück verlor.

Yona gestattete sich noch einige Momente zum Kräftesammeln. Was waren das für Leute, die plötzlich Reisende überfielen, sie zusammenschlugen und dann wegschleppten?

Schließlich stemmte sie sich zuerst in eine kniende, dann in eine aufrechte Position. Sie schwankte kurz, wischte sich Dreck, Schweiß und Blut aus dem Gesicht und nahm dann die Verfolgung auf.

__________________________________________________________________

Hallo zusammen :D

Wir sind in der Mitte angekommen *einmal Party bitte*! Den Augenblick möchte ich nutzen, um a) mich dafür zu bedanken, dass ihr soweit gekommen seid, ihr seid absolut großartig, und b) euch zu sagen, dass es nicht weitergeht. Mwahahah.

Okay nein, ganz so schlimm ist es nicht. ABER es ist ONC-Time und weil es mich dieses Mal tatsächlich für zwei Geschichten gepackt hat, möchte ich euch und mich nicht in einem gewaltigen Upload-Chaos versenken. Deswegen pausiere ich hier die Uploads an einer plotgünstigen Stelle, schicke euch überhaupt nicht eigennützig zu einer (oder beiden 😱) der anderen beiden Geschichten hinüber und hoffe, euch hier wiederzusehen, wenn es weitergeht.

Bis dahin, eure

Smari

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro