Vier

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Es fühlte sich an, als läge ich in einem Schaukelbett, als ich die Augen aufschlug. Über mir waren die Wolken aufgerissen und ließen ein Stückchen blauen Himmels hervorschauen. Die Sonne schien warm auf mich herab – erfreut, ihr Gesicht wieder zeigen zu können.

Vogelgezwitscher mischte sich unter das sanfte Rauschen der Wellen, die an ein Ufer getrieben wurden. Festland.

Meine Haut war kalt von den Strapazen der Nacht. Das Meersalz in meiner feuchten Kleidung kratzte. Allein der Gedanke, mich zu bewegen, grauste mich. Ich wollte für immer starr in diesem Boot liegen bleiben, von der Sonne beschienen werden und nichts tun.

Aber es gab so viel zu tun.

Ein Plätschern an Steuerbord lenkte meine Aufmerksamkeit auf sich. Mit geweiteten Augen setzte ich mich hastig auf. Wenig später kam das Gesicht der Wasseradorerin, die mich wider Erwarten gerettet hatte, zum Vorschein. Haarsträhnen klebten ihr an den Schläfen und Wasser tropfte von ihrem Kinn, als sie ihre verschränkten Arme auf dem Rand des Bootes aufstützte.

Jetzt, da die Sonne auf ihr Gesicht schien, sah sie noch faszinierender aus. Ich erkannte nun, dass die dunklen Stellen auf ihren Wangen in ihre Haut verwachsene Schuppen waren. Sie zogen sich bis zu ihren spitzen Ohren hinauf und schimmerten in Blau, Türkis und Grün, wenn sie sich bewegte – und in allen Farben dazwischen, als könnten sie sich für keine entscheiden. Ihre Augen jedoch waren so dunkel wie zuvor; nicht umsonst wurden sie als die Tore zur Seele bezeichnet.

Wie Armschienen schmiegten sich noch mehr Schuppen an ihre Arme. Halb Meer-, halb Landwesen. So waren sie in der Mythologie bekannt.

»Wo bin ich?« Ich drückte mich mit meinem Rücken gegen die Wand des Bootes, so weit weg von ihr wie möglich. Ein kleiner Teil von mir erwartete, dass sie sich plötzlich nach vorn stürzen, mich packen und ins Wasser ziehen würde.

Ihre Augenbrauen zuckten ein wenig nach oben, als ihre Augen zum Ufer der Bucht wanderten. Das Tau, welches ich ihr gegeben hatte, war dort um einen kargen Nadelbaum gebunden.

Ich runzelte meine Stirn. »Wieso hast du mich hierhergebracht?« Verlassener hätte ein Ort nicht sein können. Außer der felsigen Bucht und dem Nadelwald dahinter war nichts zu sehen.

Sie verzog ihren Mund zu einem winzigen Lächeln. »Hätte ich dich ertrinken lassen sollen?« Wieder waren ihr Blick und ihre Stimme so widersprüchlich. Der Spott, den ihre Augen versprühten, wurde von der Süße ihres Tons abgeschwächt.

Meine rechte Hand wanderte langsam, Stück für Stück, zu meinem Gürtel. Als meine Finger den kalten Griff des Messers berührten, flutete ein Gefühl der Sicherheit durch meinen Körper. »Wasseradorer retten keine Leben«, sprach ich hart aus, ohne ihren Blick loszulassen.

Sie wich meinem aus. Ihre Gesichtszüge wurden weicher, als sie nach unten sah. Auf ihrer Oberlippe zeichneten sich die prominenten Eckzähne darunter ab, die ihrem Gesicht weiterhin eine gewisse Schärfe verliehen. »Nein, sie retten keine.« Ihre Augen zuckten zu meinen hinauf. »Verdammt sind die Menschen, die von unsereins vor dem frühzeitigen Tod bewahrt werden.«

Sie warf in meinem Kopf nur noch mehr Fragen auf. Ich presste mich instinktiv stärker an die Wand. Ich war verdammt, doch weswegen? »Was hält Seyro für mich in der Zukunft bereit?«

Die Wasseradorerin legte ihren Kopf schief. Mit ihrem Zeigefinger malte sie kleine, nasse Kreise auf die Innenwand des Bootes. »Meine Aufgabe ist es nicht, über Seine Pläne zu reden.«

»Kennst du sie?« Mein Argwohn verbat es mir, ihren Worten Glauben zu schenken. Wasseradorer liebten das Spiel der Verführung. Ich war mir sicher, dass sie gerade mit mir spielte.

»Nein.« Sie zog sich am Boot hinauf, sodass Wasser in dünnen, wirren Bahnen über ihr Schuppenkorsett rann. »Meine Aufgabe ist es, Ihm zu helfen, dass alles nach Seinem Plan verläuft.«

»Wie«, fragte ich, »wenn du Seine Pläne nicht kennst?«

»Das, was ich weiß, genügt.« Sie sah mir tief in die Augen und reckte das Kinn.

Ich bekam freie Sicht auf ihre Kiemen an ihrem Hals. Nie hätte ich gedacht, einer Wasseradorerin so nah zu kommen und sie ... so schön zu finden. Allem Augenschein nach hatte wohl auch der Tod seinen Reiz.

Mir entging nicht der misstrauische Ausdruck in ihren mandelförmigen Augen. Ihre vollen Lippen bewegten sich leicht, doch sie sagte nichts.

»Was beinhaltet meine Zukunft?«, fragte ich leise in der Hoffnung, dass sie mir diesmal eine Antwort geben würde.

Sie ließ sich wieder ins Wasser gleiten. Ihre Haare breiteten sich hinter ihr zu einem Fächer aus. »Du musst etwas finden.«

Ich deutete ein kleines Nicken an. »Die Seeperle.«

»Die Perle meiner Mutter.« Ihre Hände glitten vom Boot. Sie bewegte sie sanft rudernd im Wasser, um nicht abzutreiben. Dabei glitzerten die Schuppen auf ihren Armen in der Sonne, deren Strahlen durchs Wasser hindurch auf sie trafen. »Es war Sein Geschenk an Damneri. Ein Beweis Seiner Liebe.«

Ich zog meine Augenbrauen zusammen. »Über die Perle ist wenig bekannt. Ich wusste nicht, dass –«

»Er hat ihr einen Teil Seiner Macht geschenkt, damit sie zusammen über das Wasserreich herrschen können.«

»Aber sie hat die Perle nicht behalten«, fügte ich leise hinzu, als mich die Erkenntnis traf.

Sie nickte. »Sie wollte keine Macht. Sie wollte allein Seine Liebe. Deshalb sind wir, die Kinder der Meere, das größte Geschenk, das Er ihr machen konnte.«

Für die Menschen waren die Wasseradorer kein Geschenk, sondern ein Albtraum. Sie machten die Meere unsicher und lockten mit ihrem Gesang, ihren Worten und ihrer Schönheit Hunderte von Seemännern in den Tod, um am Meeresgrund die Ewigkeit mit ihnen zu verbringen. Oder zumindest so lange, bis sie den nächsten Unglückseligen fanden.

Ich hatte sie immer für irrationale Raubtiere gehalten, doch dieses Gespräch ließ mich daran zweifeln. Wenn es kein triebgesteuertes Verhalten war, was verleitete sie dann dazu, uns zu töten?

»Also hat sie die Perle versteckt?«

Die Wasseradorerin neigte den Kopf. »Dort, wo der Morgen den Abend küsst.«

Hunderte Male hatte ich diesen Wortlaut schon gehört. Seit Jahrzehnten machten sich Piraten auf die Suche nach der Seeperle, die ihnen einen Bruchteil von Seyros göttlichen Kräften und selbst zusätzliche Leben verleihen sollte. Bisher hatte keiner diesem Wortlaut folgen und den mysteriösen Ort finden können.

Ich beugte mich leicht vor. »Was ist damit gemeint?« Wahrsager mochten nicht mehr wissen als das, aber vielleicht sie.

Langsam schüttelte sie den Kopf. Sie schwamm auf mich zu und legte ihre Hände ans Holz. »Genau das, was es aussagt.«

»Nein!« Ich fuhr mir mit den Händen in die verklebten Haare. »Nichts ist gesagt. Keiner weiß mit der Formulierung etwas anzufangen.«

Zwischen ihren Augenbrauen hatte sich eine Falte gebildet. »Es ist alles, was ihr wissen müsst. Nur der wahre Herrscher darf die Seeperle finden. Und er wird sie finden.«

»Wer ist der wahre Herrscher?« Ich ließ meine Hände sinken. »Warum darf nur er sie finden?«

Als hätte sie meine Fragen nicht gehört, fuhr sie fort: »Eines kann ich dir verraten. Dort, wo jeder Reisende vorüberzieht. Dort, wo dem Ruf des Leuchtturms nur die eigenen Fischerboote folgen. Dort, wo einzig vom divinischen Ozean geküsste Schiffe anliegen. Dort findest du eine Antwort. Höre sie und lasse dich von ihr führen.«

Ich konnte mit ihren Hinweisen nichts anfangen. Es gab etliche unscheinbare Fischerdörfer an der Küste der Hochlande. Es war beinahe unmöglich, das richtige unter ihnen zu finden.

»Ich brauche mehr –«

Sie wich vom Boot zurück.

»Ich brauche mehr Informationen!«

Sie schüttelte ihren Kopf. »Ich habe dir bereits alles gesagt, was ich weiß. Finde diesen Ort und du wirst Hilfe bekommen. Jemand wird dir dort einen Hinweis geben können.«

»Wer?«

»Die Person ist von Wanderlust gezeichnet.« Sie tauchte bis auf die Augen unter, die mich fest im Blick hielten.

Ich hatte gehofft, dass mir ihre Antworten weiterhelfen würden, doch ich fühlte mich, als wäre ich keinen einzigen Schritt weitergekommen. »Warte!«, rief ich, als sie weiter untertauchte.

Sie hielt inne.

»Das ist zu wenig. Viel zu wenig.« Ich atmete tief durch und ließ meine Hand durch mein salzverklebtes Haar wandern. »Du hast mich gerettet. Was bedeutet das? Muss ich die Perle finden? Bin ich der Herrscher? Der wahre Herrscher?«

Durch das Wasser hindurch sah ich sie lächeln. Doch sie sagte nichts. Sie neigte sanft den Kopf, dann drehte sie sich um.

»Wie ist dein Name?«, rief ich ihr hastig hinterher. Ich stand so schnell auf, dass das Boot zu schwanken begann. Ich hielt mich am Mast fest.

Sie wandte sich noch ein letztes Mal zu mir um und hob ihren Kopf aus dem Wasser. »Sorcha.«

»Lucim«, rief ich ihr meinen Namen nach, während sie sich bereits umdrehte.

Sie tauchte unters Wasser und schwamm mit ein paar wenigen kraftvollen Zügen aus der Bucht. Als Beweis ihrer Anwesenheit ließ sie kleine Wellen und unzählige Gedanken in meinem Kopf zurück.

Gemischte Gefühle wohnten in meiner Brust. Während das Unglauben noch mit der Erkenntnis kämpfte, dass ich die Begegnung mit einer Wasseradorerin überlebt hatte, drängte sich etwas anderes in den Vordergrund: Ich hatte tatsächlich – wenn auch nicht in dem Ausmaße, in dem ich es mir gewünscht hatte – Antworten bekommen.

Morton, Berwyn und die anderen würden diesmal ihre Klappe halten müssen. Ich, der »nichtsnutzige Prinz« der roten Wellenreiterin, hatte nicht auf das eifersüchtige Piratenpack gehört und war dafür von Seyro belohnt worden. Es würde ihnen wohl kaum gelingen, das herumzudrehen und zu wenden. Sollten sie zur Abwechslung doch Witze über ihre eigene Faulheit reißen.

Je länger ich darüber nachdachte, umso sicherer wurde ich mir. Ich musste der wahre Herrscher sein, von dem Sorcha gesprochen hatte. Wieso sonst hätte sie mir das Leben gerettet? Der Gott der Wässer musste mir hiermit einen Hinweis für meine Zukunft geschickt haben.

Jahrelang hatte ich mir Gedanken darüber gemacht, ob die Männer meines Vaters nicht doch recht hatten. Vielleicht stimmte es und einer von ihnen war besser als der zukünftige Captain geeignet. Sie hatten mir Zweifel eingeflüstert, die ich vehement verneint hatte. Jetzt war ich mir jedoch sicher:

Ich würde uns zur Seeperle führen und uns einen Namen auf allen Gewässern machen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die roten Wellenreiter die fünf Weltmeere regierten. Dann würden sie endlich mich und die Stellung, die ich als der Sohn des Captains innehatte, akzeptieren.

ENDE

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