3. Kapitel: "Du suchst die große Liebe ... bei Tinder ..."

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Mit sieben Jahren war Verstecken mein Lieblingsspiel. Ich bin wirklich klein, das ist keine Übertreibung. Oder Untertreibung. In fast jede Nische passe ich, wenn ich mich einrolle. Tja, nach einem Meter zweiundfünfzig meinte unser Hausarzt, wäre es das gewesen mit der Chance auf einen letzten Wachstumsschub.

Als hätte ich mich je als Model vor einer Kamera bei GNTM beweisen können ...

Ich werde nie ohne Hilfe an die Schokolade aus dem höchsten Regal im Supermarkt rankommen, oder mich bei Gruppenfotos hinten aufstellen dürfen, denn so verschwinde ich in neunundneunzig Prozent der Fälle. Dass ich einfach in der Menge abtauchen kann, ist natürlich nicht immer das Schlechteste.

Ich war gerade mit der Hoffnung in mein Zimmer verschwunden, man würde mich zwischen den Bergen aus Jacken, die sich auf meinem Bett auftürmten, glatt übersehen. Nur für fünf bescheidene Minuten.
Im meditativ anmutenden Schneidersitz saß ich dort und starrte ins Licht der Straßenlaternen, das an der Häuserfassade des Altbaus bis zu meinem breiten Fenster hinaufkroch. Es glühte gelblich wie verblichenes Pergament.

Unfreiwillig dachte ich an die Uni und begann, meine Schläfen zu massieren. Der Alkohol, der bereits in rauen Mengen geflossen war, breitete sich schleichend über sämtliche Blutbahnen in meinem gesamten Körper aus. Die Kopfschmerzen, die mich plagten, hingen vermutlich damit zusammen. Entweder war der Alkohol schuld an meiner Qual oder die laute Musik, eins von beidem auf jeden Fall.

Drüben in Mikas Zimmer drückten einen die Bässe, und wieder mal bekam mir die hochprozentige Mische meines Mitbewohners nicht. Manchmal schmeckten seine höllischen Drinks als würde er in schwindelerregendem 50/50-Verhältnis Rum und Cola in den Becher schütten. Doch ich hatte mich nicht nur in der Finsternis verschanzt, um die leichte Übelkeit zu mindern, die mich erfasst hatte.

Seitdem die ersten Leute angetanzt waren, zupfte ich am Saum des knappen Kleids, das sich eng an meine Haut schmiegte. Im Alltag bemühte ich mich sonst eher, devot, unschuldig und unbefleckt zu erscheinen. Iara bezeichnete meinen Stil immer als frisch, jung und feminin.
Dieses verfluchte Kleid aber machte mir leider jegliches Auftreten als frommer Engel, für den ich mich gern ausgab, unmöglich – Die Tür wurde aufgestoßen und ich hörte ein weibliches Kichern. Das war eindeutig Kitty.

Mist!

Ich brauchte eine plausible Ausrede, warum ich hier hockte. Übelkeit? – Ja, genau. Zu viel getrunken, zu wenig gegessen. Das könnte glaubwürdig klingen, sofern mir die Lüge stotterfrei über die Lippen glitt.
Ich setzte zu einem verhaltenen Hallo an, da warnte Mika seine Freundin plötzlich: „Nein, das ist die Garderobe."

Ich biss mir auf die Zunge. Wenn ich still blieb, bemerkten sie mich vielleicht gar nicht, sie schienen ja wieder gehen zu wollen.

Kitty schnaubte gereizt.
„Wo willst du denn hin? Ins Bad? Da wird früher oder später einer reinplatzen."

Oder auch nicht.

„Ach, und in die Garderobe nicht oder was? Das Bad kannst du immerhin abschließen", konterte Mika amüsiert.
Ich verdrehte die Augen in der Finsternis. Sie hatten sich ernsthaft zurückgezogen, um ungestört rummachen zu können. Typisch für ihn.
„Los, wir fahren zu mir", schnurrte Kitty.

Verdammt, sie würden ihre Mäntel suchen!

Bisher hatte ich mich hinter dem Bücherregal sicher in ihrem toten Winkel versteckt. So leise es ging rollte ich von der Matratze auf den Boden und schließlich unter das breite Doppelbett. Hätte ich in diesem peinlichen Augenblick mehr als drei Zentimeter Platz zur Verfügung gehabt, ich hätte mir mit der flachen Hand gegen die Stirn geschlagen. Facepalm. Geniales Manöver von mir, ganz super. Ich hätte ihnen normal hallo sagen können, das hätte mir jetzt, wo es dafür zu spät war, eine Menge Ärger erspart. Aber nein ... – Ich lag unter meinem Bett, weil das der total einleuchtende Plan A war, den mein rasiermesserscharfer Verstand sekundenschnell ausgeheckt hatte. Alles andere wäre ja auch zu einfach gewesen.
Ein Glück, dass ich gestaubsaugt hatte. 

Währenddessen war ich der nächsten klaustrophobischen Panikattacke wesentlich näher als mir lieb gewesen wäre. Mein Herz hämmerte wie wild in meiner Brust, während Mika und Kitty ein paar läppische Meter entfernt von mir leidenschaftlich rumknutschten.
Ich verzog angeekelt das Gesicht. Es gab eh keine Zeugen für meine Respektlosigkeit – solange man den Lattenrost nicht mitzählte – und zu meiner Verteidigung waren die Schmatzgeräusche wirklich widerlich.

Nach einer gefühlten Ewigkeit lösten sie sich endlich voneinander.
„Okay, wir fahren zu dir", ergab Mika sich. Kitty schnappte sich hörbar ihren schwarzen Anorak, hauchte ihm einen Kuss auf die Wange und weg waren sie.

Ich atmete tief durch.

„So, Pari", sprach ich beruhigend zu mir selbst. „Du bist wunderschön, deine Komplexe sind albern und du wirst jetzt sofort unter deinem Bett hervorkriechen, um deinen Marktwert auf deiner Einweihungsparty zu testen."
Das Licht ging an und mir entwischte ein spitzer Schrei vor lauter Schreck. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass nach dieser kurzen Zeitspanne nochmal jemand die improvisierte Garderobe betreten würde.

„Pari?" In Tuas verdutzter Miene blinkten mindestens zehn Fragezeichen.
„Was machst du in meinem Zimmer?", versuchte ich kläglich die Dominanz in dieser merkwürdigen Gesprächssituation an mich zu reißen.
Tua griff zögerlich nach seiner Lederjacke.
„Meine Zigaretten sind in der Tasche." Wie zur Bestätigung förderte er die Packung zutage.
„Achso." Mit verschränkten Armen gab ich vor, desinteressiert aus dem Fenster zu schauen. Dabei betrachtete ich lediglich meine Reflexion in der Scheibe. Wirkte ich in dem Kleid eigentlich so nuttig, wie ich mich fühlte?

„Was machst du hier?" Tua stellte sich neben mich. Er sah nicht mir, sondern nur meinem Spiegelbild mitten in die Augen.
„Ich musste mich kurz hinlegen, mir war schwindlig von Mikas Mische." Das war immerhin die halbe Wahrheit.
„Du musstest dich kurz unter dein Bett legen?" Skeptisch beäugte Tua mich von der Seite.
Wie so oft, wenn ich nervös wurde, rieb ich über meine Unterarme.
„Ich schätze, ich bin betrunken."
„Bullshit, das glaube ich dir nicht. Weißt du, wie oft ich in meinem Leben schon betrunkene Frauen nach Hause gebracht habe? Du bist noch voll und ganz auf der Höhe."

„Iara ist größer, ich vertrage schon allein deswegen weit weniger als sie, da kannst du uns wohl kaum miteinander vergleichen, oder?", wollte ich sein Argument entkräften.
Er lächelte sanft.
„Ich rede nicht von Iara. Weißt du, meine erste Freundin war auch maximal so groß wie du." Ich verdrehte schmunzelnd die Augen.
„So klein meinst du wohl."
Tua grinste und stieß mich mit dem Ellbogen an.
„So klein, hast recht. Hey, du arbeitest doch in einer Bar. Mixt du mir was?"

+

Wenig später war Tua versorgt mit einem exzellenten Moscow Mule auf den Balkon entschwunden. Er wollte mit einer Freundin draußen was rauchen und hatte mir vorher noch verraten, Iara wäre in ihrem Zimmer, wo auch die Musik um einiges leiser wäre und die Leute bloß entspannt miteinander quatschten.

„Da bist du ja! Wo hast du dich rumgetrieben?" Iara nahm meine Hand und zog mich ungebeten in ihre Runde, die sie mit zwei Jungs gebildet hatte. Ihre Freunde spielten in einer gänzlich anderen Liga, fast jeder hatte sich einen Namen im Musikgeschäft gemacht.  SDP bildeten da keine Ausnahme. An der Pinnwand meines Mitbewohners hing noch seine Konzertkarte aus dem letzten Jahr für genau die Band, die Iara sich geschnappt hatte, um ihr mitternächtliches Kaffeekränzchen abzuhalten. „Kennst du Vincent und Dag schon?", versuchte meine beste Freundin die ,Kennen Sie Ted?'-Nummer aus how i met your mother nachzuahmen. 

Innerlich seufzend zuckte ich bloß die Schultern und setzte ein süßes Lächeln auf.
„Nicht persönlich jedenfalls."

„Vincent. Hi." Er reichte mir die Hand. Vincent lächelte dabei, was seiner Begrüßung auf jeden Fall einen freundlicheren Touch verpasste als Dags, dessen distanziertes Nicken ich nicht wirklich einordnen konnte, denn Vincents Bandkollege sah absolut unbeeindruckt von mir aus.
Ganz im Gegensatz zu Vincent selbst. Ihn mit einem hechelnden Hund gleichzusetzen, wäre allerdings gemein gewesen, also vertrieb ich den Gedanken rasch wieder. Nicht nur, weil er ihm sicherlich nicht gerecht wurde, auch, weil ich meinen Pessimismus langsam selbst nicht mehr ertrug.
Es war fairer, Vincent vorurteilsfrei zu begegnen. Er fand mich wohl anziehend und machte keinen Hehl daraus. Wieso sollte ich mich davon nicht geschmeichelt fühlen? Ich war schließlich unter meinem Bett hervorgekrochen, um meinen Marktwert zu testen ...

Ging es eigentlich noch armseliger? Ich hatte mich unter meinem Bett versteckt! Auf meiner eigenen Einweihungsparty! Entschlossen konzentrierte ich mich auf die Gegenwart – Na ja, vielleicht nicht unbedingt auf Vincent.

Doch sein Nebenmann bot auch keinen angenehmeren Fixpunkt. Was der über mich dachte, darüber hätte ich noch nicht mal spekulieren können.

Dag saß im klassischen Man Spread zurückgelehnt auf dem schwarzen Sitzsack und hatte eine Flasche Bier auf seinem Bein abgestellt.
Seine Frisur hatte die erste Runde – oder die ersten zwei – auf der Tanzfläche nicht ganz unbeschadet überstanden. Die braunen, hochgestylten Haare lagen wirr durcheinander.
Schweißperlen glitzerten auf seinem markanten Gesicht. Er strich eine einzelne, kurze Haarsträhne fort, während wir für einen Sekundenbruchteil den obligatorischen Blickkontakt hielten. Auch auf seinen kräftigen Oberarmen glänzte die Haut und setzte die höchsten Stellen seiner Muskulatur zusätzlich in Szene. Diese Arme könnten definitiv Frauen in ein Schlafzimmer tragen – Stopp, Pari.

Was dachte ich da überhaupt?

Vincent stieß mit seinem Knie unsanft gegen Dags. „Ey, Dicka, was ist denn mit dir? Sag ihr doch mal ordentlich hallo", forderte er ihn auf.
„Was willst du denn jetzt von mir?" Dag runzelte die Stirn, bevor er zu mir aufsah. „Hey", sagte er.

Seine tiefe Stimme jagte mir einen wohligen Schauer über den Rücken. Nicht mein Typ, sagte ich mir. Und doch so attraktiv.

Vincent lachte auf.
„Also das ist Dag, mein maulfauler Minion." Er klopfte ihm fest auf die Schulter.
Dag warf ihm einen vernichtenden Blick zu, den Vincent gekonnt ignorierte. Darin hatte er anscheinend Übung.
„Mensch, ihr seid ja putzig", lachte Iara, die längst einen über den Durst gekippt hatte, wie ich gerade feststellte.
„Ich bin übrigens Pari", meldete ich mich rasch zu Wort, bevor Iara noch einem der Jungs in die Wange kneifen und ihn betüdeln könnte. Diese Peinlichkeit wollte ich meiner besten Freundin lieber ersparen.

„Schön dich kennenzulernen, Pari", antwortete Vincent und schlug dabei denselben Ton an, für den man sich entscheidet, wenn man jemandem ein Kompliment machen möchte. Seine respektvolle Art mit mir zu sprechen, löste meine Anspannung im Handumdrehen.
„Es ist auch schön dich kennenzulernen, Vincent", erwiderte ich nett. „Dag", nickte ich seinem Kumpel zu und imitierte dadurch, mit einem Hauch Spott versehen, sein seltsames Verhalten mir gegenüber. Er reagierte nicht signifikant darauf und die Anspannung überfiel mich aufs Neue.

„Hast du Lust, dich zu uns zu setzen?" Vincent hatte erneut die Initiative ergriffen und deutete auf den freien Platz neben sich. „Wir reden gerade über die Dating-Kultur im 21. Jahrhundert."
„Generation Tinder", fügte Iara hinzu.
Ich ließ mich auf das orientalische Sitzkissen neben dem Camping-Stuhl sinken, auf dem Vincent saß, und rührte mit der Olive am Spieß durch die Martini-Pfütze in meinem Glas.
„Nutzen echt so viele Tinder?"
Mein neuer Sitznachbar nickte.
„Ich hatte mal Tinder, genau zwei Tage. Ich wollte wissen, wo der ganze Hype herkommt, eine Feldstudie sozusagen. Länger hätte ich das nicht ausreizen dürfen. Mich haben halt am Ende nur noch Fans angeschrieben, also musste ich's wieder löschen. Aber ... Fazit: Ist doch eigentlich echt praktisch."

„Ja, aber praktisch für was, Diggi? Für Onenightstands und andere belanglose Geschichten vielleicht", mischte Dag sich von der Seite ein.
„Genau dafür, klar. Du musst echt mehr mit der Zeit gehen, Dag. Liebe ist doch einfach nur ein Add-on für dein Leben. Geil, wenn's das noch obendrauf gibt –"
„Zum Super-Sonder-Special-Preis oder wie?" Dag grinste verächtlich.
„Mann, ich würde nie die große Liebe bei Tinder suchen –"
„Das wäre ja auch ganz schön beschränkt."
„Kannst du mal aufhören, mich dauernd zu unterbrechen?", rügte Vincent ihn mit übertriebener Gestik.
„Sorry." Dag hob entschuldigend die Hände. "Rede aus."

„Ich sage bloß, dass du als Single trotzdem gut leben kannst." Zufrieden lehnte Vincent sich zurück, nachdem er sein Statement losgeworden war.
„Genau", pflichtete Iara ihm bei. „Man kann auch ohne einen Partner sehr zufrieden sein. Dann hat man halt Spaß mit Tinder-Dates, wen interessiert's?" Sie warf mir einen vielsagenden Blick zu.
„Danke, Iara." Vincent klopfte ihr kumpelhaft auf die Schulter. Als ich es mir gerade auf dem Kissen so richtig bequem gemacht hatte, stellte er letztlich mir eine Frage, um mich ins Gespräch miteinzubeziehen. „Wie denkst du denn darüber?"

Ich räusperte mich.
„Ganz ehrlich ...", begann ich. „Wieso sollte ich Tinder installieren, wenn ich was tatsächlich Romantisches möchte? Dazu brauche ich keine Hookup-App."
„Dass du dazu keine App brauchst, kann ich mir vorstellen." Vincent musterte mich von oben bis unten. „Hast du Tinder?", hakte er direkter nach.
„Nein", antwortete ich zögerlich.
„Wirklich nicht oder hast du bloß Angst, ich könnte dich nach rechts swipen?" Er grinste verschmitzt.

„Bestimmt 'ne Mischung aus beidem", kommentierte Dag trocken. Ich sah ihm kurz in Augen und mir wurde heiß.
Vincent lachte selbstironisch und schaute wieder zu mir.
„Na, solange du Spaß hast." Er zuckte die Achseln und wandte sich ab. Seine Faszination für mich war wohl unbedenklich.

Dasselbe hätte man über meine Faszination für Dag auf keinen Fall behaupten können.

Wahrscheinlich schaute ich ihn so halb sabbernd an, wie Vincent mich zuerst angeschaut. Diese Erkenntnis traf mich unvorbereitet, als ich gerade präzisierte: „Ich habe aber keinen Spaß, wenn ich einfach nur meinen Spaß habe. Das ist so ..."

„Obsolet?"

Ich sah Dag an und wusste nicht, ob ich mir die aufmunternde Miene, die er aufgesetzt hatte, nur einbildete, oder ob seine harte Fassade gerade wirklich bröckelte. Obsolet, hallte das Wort in mir nach.
„Genau", bestätigte ich. „Ich will, dass es ernst ist. Ich möchte ernstgenommen werden, und ich möchte mein Date ernstnehmen können. Tinder mag witzig sein, aber es passt nicht zu mir und meinen Bedürfnissen."

Vincent lächelte.
„Meine Güte, du hast ja fast so altmodische, verschrobene Ansichten über Romantik wie unser Grummelbär hier."
Dag ließ das nicht auf sich sitzen.
„Du denkst und redest über Liebe, als wär's was Technisches; das ist lächerlich."
„Ja, und du tust, als wärst du irgendwie die Olle aus Stolz und Vorurteil oder so. Zu deiner Info, Dag: 1813 ist schon 'ne Weile her. Du bist altbacken, Liebe ist längst nicht mehr, was du darunter verstehst."
„Soll ich mich jetzt deswegen an deine Kack-Denke anpassen?"
„Nein, leb meinetwegen weiter in der Steinzeit, aber gönn dir wenigstens mal wieder was. Du weißt genau, was ich meine." Vincent hatte den letzten Satz hinter vorgehaltener Hand mit der passenden Geste versehen. Iara lachte.
„Wir sind alle volljährig, Vince, du darfst das Wort ,Sex' ruhig laut aussprechen."

„Alter", stöhnte Dag zeitgleich über Vincents Bemerkung.
„Ach, hör auf zu jammern." Sein Freund lachte. „Ein bisschen Schnicki-Schnacki würde deine Laune heben."
„Ich bin nicht untervögelt, Vincent", verteidigte Dag sich genervt.

Iara lehnte sich zu mir rüber und konstatierte leise: „Er ist total untervögelt."
Mit hochgezogener Augenbraue sah ich zu meiner Freundin.
„Wieso erzählst du mir das?"
Vorwurfsvoll blickte sie auf mich herab.
„Jetzt stell dich nicht blöd." Sie stand auf und sah sich suchend im Raum um. „Weiß jemand, wo Tua hin ist?"
War das ihr Ernst? War sie gerade drauf und dran, mich mit Mikas Lieblingsduo allein zu lassen, um mich mit einem der beiden zu verkuppeln?!
Schnell sprang ich auf.
„Ich helfe dir suchen."
„Nicht nötig." Iara drückte mich zurück auf das Sitzkissen neben Vincent. Dann verschwand sie.

Vincent grinste wissend.
Dags Miene blieb unbewegt.
Wir wechselten ein paar verhaltene Blicke, bevor Vincent das Schweigen brach.
„Du musst nicht bei uns bleiben, wenn dir das unangenehm ist." Seine Stimme klang für den Augenblick weniger höhnisch als einfühlsam.
„Nee, alles gut", log ich und nippte an meinem Cocktail.

„Ihr seid ja zwei Konversationsgenies", murmelte Vincent irgendwann, nachdem wir eine Weile geschwiegen hatten.
„Pari, hast du Bock zu tanzen?", fragte Dag auf einmal.
„Oh, super!", beschwerte Vincent sich lautstark. „Geht ihr beiden nur, wer braucht schon Freunde?" Eingeschnappt verschränkte er die Arme vor der Brust.
„Komm doch mit", rutschte es mir raus und ich errötete gleich im nächsten Moment.

Ich traute mich kaum, zu Dag zu sehen. Er hatte mich gefragt, ob ich tanzen wollte und ich integrierte seinen Kumpel aus Mitleid.

Vincent kratzte sich verwirrt am Kopf. Seine Pupillen hüpften kurz zwischen Dag und mir hin und her.
„Ich muss aufs Klo, ich komme vielleicht nach", meinte er. Als er sich von seinem Stuhl erhob, nahm ich das erste Mal bewusst wahr, dass Vincent einer dieser menschlichen Wolkenkratzer sein musste. Er maß mindestens eins neunzig.

„Hey", sagte Dag vorsichtig, als er weg war. „Wäre ich nicht angetrunken, würde ich dich das nie so direkt fragen: Aber interessierst du dich für ihn oder so? Er ist nämlich einer von den Guten. Falls er Chancen bei dir hat ..."

Ich schluckte.
„Nein. Er hat keine. Ich glaube dir, dass er ein guter Kerl ist. Das merkt man ja. Aber ich will nichts von ihm." Seufzend fuhr ich mir durchs Haar. „Ich glaube, ich will momentan echt von niemandem was."
„Schlechte Erfahrungen gemacht?", hakte Dag nach. Er trank einen Schluck Bier und setzte die Flasche dann gleich wieder ab. „Du musst auch nicht drüber reden, wenn du nicht willst."

„Ja, schlechte Erfahrungen. Könnte man so sagen. Der letzte Typ, mit dem ich was hatte, ist in eine andere Stadt gezogen, ohne mir vorher Bescheid zu geben."
„Autsch." Dag exte den Rest seines Getränks. Ich tat es ihm gleich und schüttete den Martini runter.
„Wollen wir dann?", fragte ich. Der Alkohol pumpte regelrecht durch meine Adern.
„Ja, nur eins kurz noch ..." Dag beugte sich in seinem Sitzsack vor. „Du weißt, dass der Typ ein Arschloch war und es rein gar nichts mit dir zu tun hatte, dass er abgehauen ist, oder?"

Ich presste die Lippen aufeinander. Das ist kein guter Moment, um emotional zu werden, Pari.

„Ich weiß, er ist wegen seines Studiums umgezogen. Das hatte nichts mit mir zu tun."
„Dass er sich nicht mehr bei dir gemeldet hat seitdem, hat sicher auch nichts mit dir zu tun", legte Dag nach.
„Du kennst mich viel zu schlecht, um solche Aussagen über mich zu treffen", wandte ich defensiv ein.
„Stimmt, tut mir leid, war voreilig von mir", ruderte er zurück. „Tanzen wir?"

Merkste selber, wa'?

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