Kapitel 7

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Pünktlich zum Ende der Stunde erreichten wir den Gruppenraum und setzten uns zurück in den Sitzkreis, dieses Mal nebeneinander. Während nach und nach die Gruppen zurück in den Raum kamen, warf ich Colette und Sofia einen seitlichen Blick zu.

Sofia, die direkt neben mir saß, war mir schon bei der Vorstellungsrunde sympathisch gewesen. Sie hatte einfach etwas an sich, strahlte eine Ruhe aus, die ich in dieser Situation nur zu gut gebrauchen konnte.

Colette war da ein wenig anders. Sie war von der Sorte Menschen, die ich im Leben um alles in der Welt gemieden hätte. Schon im Sitzkreis hatte sie mich irritiert. Sie gehörte zu denen, die auf Partys kein Problem hatten, fremde Menschen anzusprechen und genau das zu sagen, was sie dachten. Gleichzeitig sah sie so aus, als ob sie sich nur eine ihrer perfekt glatten blonden Haarsträhnen um den Finger wickeln musste, um alle auf ihre Seite zu ziehen und genau das zu bekommen, was sie wollte. Ich hingegen hatte Jahre gebraucht, um meine widerspenstigen braunen Locken in einen vernünftigen Dutt zu bekommen, damit ich nicht den ganzen Abend damit beschäftigt war, sie mir aus dem Gesicht zu halten und wieder ein paar Jahre, bis ich mich an den oberflächlichen Smalltalk auf solchen Partys gewöhnt hatte. Auch wenn ich mich seit meiner Ankunft hier eindeutig verändert hatte, so war mir Colettes doch ein wenig suspekt.

Ein paar Minuten später hatten alle wieder einen Platz gefunden und Wilma fuhr mit der Stunde fort. "Ihr habt in euren Gruppengesprächen sicherlich schon bemerkt, wie unterschiedlich ihr und eure Geschichten seit. Ja, ihr habt viel gemeinsam, aber das bedeutet nicht, dass ihr hier alle das selbe braucht. Und das ist genau das, was ich euch mit der ersten Hälfte dieser Stunde nahebringen möchte. Ihr seid alle unterschiedlich. Was für den einen funktioniert, muss nicht für alle helfen. Deswegen haben wir auch die Einzelstunden."

Ich seufzte leise und sah durch die Runde. Die meisten Gesichter waren zu Wilma und dem Beamer gedreht und machten zumindest den Eindruck, als hörten sie ihr aufmerksam zu. Christoph kaute dabei nervös an seinen Fingernägeln, Anna flocht ihre Haare zu einem langen Zopf. Andere sahen auf den Boden oder zur Uhr. Langsam wanderte mein Blick weiter. Ich war selber überrascht, wie viele der Namen ich aus der Vorstellungsrunde behalten hatte. Normalerweise war ich recht schlecht darin, mir neue Namen zu merken, aber bei den meisten Teilnehmern konnte ich sogar noch die Todesursache nennen.

Plötzlich sah ich in ein vertrautes Gesicht. Lucas. Und zu meinem Schreck sah er mich ebenfalls an. Einen Atemzug lang starrte ich in seine grünen, voller Hass zusammengekniffenen Augen, dann wurde es dunkel.

Ich stand in einer Garage. Vor mir war ein offenes Metallregal, mit Werkzeugkästen, Ersatzteilen, braunen Pappkisten und losem Feuerholz. Vor meinen Füßen lag eine weitere Kiste, der Deckel daneben, der Inhalt auf dem gesamten Betonboden verteilt. Es waren Fotos. Die Männer und Frauen darauf starrten alle mit angsterfüllter Mine in die Kamera. Darunter waren Nummern, in weißer Handschrift geschrieben, einige verwischt oder sogar unlesbar. Auf ein paar Bildern waren nasse Flecken.

In der Hand hielt ich einen dicken Pappordner. Er musste einmal weiß gewesen sein, doch durch die Jahre oder sogar Jahrzehnte, die er schon gesehen hatte, war er voll von Erde und merkwürdigen, dunkelroten Flecken. Ich schlug ihn auf. Ich hatte keine drei Sätze gelesen, da ließ ich ihn auch schon fallen, als hätte ich mir soeben meine Finger an ihm verbrand. Keuchend presste ich die Hände vor den Mund. Der Ordner lag mittig aufgeschlagen vor mir auf dem Boden, während eine Träne nach der anderen darauf tropfte. Ich bückte mich und wischte mit dem Ärmel darüber.

Die Seiten des Ordners waren schwarz und mit der selben, geschwungenen Handschrift beschrieben wie die Fotos. Es war eine Liste. Sie hatte Namen, Daten und eine Nummer am Ende. Ich fuhr mit dem Finger über eine der Zeilen.

Rufus Lottbeck. 20.01.2002 M 14

Hektisch suchte ich auf dem Boden nach einem Foto mit einer vierzehn darauf. Darauf zu sehen war ein Mann, vielleicht Ende vierzig, mit dunklem Bluterguss an der Stirn und langen Kratzern im Gesicht. Er sah aus, als wäre er gerade zusammengeschlagen worden. Das Foto ging nur bis zu seinen Schultern, doch ich war mir sicher, dass seine Verletzungen dort nicht endeten.

"Fuck", flüsterte ich, griff den Ordner und rannte zur Haustür. Mit zitternden Händen drückte ich die Tür auf und trat in die Küche. An der U-förmigen Sitzecke am Fenster saßen zwei Männer, zwischen ihnen einige Flaschen Bier.

"Na, wie geht es dem kleinen Vögelchen?", begrüßte mich der eine und lachte. Keiner der beiden bemerkte den Ordner in meiner Hand.

"Was ist das?", fragte ich mit zittriger Stimme und ließ ihn vor den beiden auf den Tisch fallen.

"Das Totenregister?", fragte der andere Mann unbeeindruckt. "Der Boss führt gerne Buch über unsere Aufträge." Er hielt einen Moment inne. "Moment mal. Hat er dir davon überhaupt schon erzählt?"

Ich antwortete nicht, drehte mich auf der Stelle um und rannte aus der Haustür.

"Arin?" Ich öffnete die Augen und blinzelte. Ich war wieder im Gruppenraum. Wilmas Gesicht war direkt über mir. Ich setzte mich auf.

"Was-", begann ich. Ich saß in der Mitte des Sitzkreises. Neben mir lag Lucas, seine Augen leer, sein Gesicht regungslos.

"Alles gut? Ihr seid beide einfach umgefallen", fragte Sofia und legte besorgt eine Hand auf meine Schulter.

"Mir geht es gut", sagte ich wenig überzeugend und stand auf. "Wie lange war ich-"

"Nicht lange. Ein paar Minuten", sagte Colette. Anders als Sofia saß sie noch immer auf ihrem Stuhl und sah mich nur milde interessiert an.

Ich sah mich um. Der Stuhlkreis war noch immer gefüllt. Alle starrten sie Lucas und mich an, ohne dabei euch nur das geringste Geräusch zu machen. In diesem Moment hätte man eine Nadel fallen hören können. Dann stöhnte Lucas unter mir gequält und ich sprang erschrocken zur Seite.

"Wir machen heute ein wenig früher Schluss", verkündete Wilma laut. "Sofia, bringst du Arin bitte auf ihr Zimmer?"

Ein paar Minuten später saß ich alleine auf meinem Bett, die Decke bis zum Kinn hochgezogen. In meinem Kopf versuchte ich mir alles zu notieren, was ich schon über meinen Tod wusste, alles, was ich in den Zusammenstößen mit Lucas gesehen hatte.

Ich war von zuhause weggerannt. Bis dahin konnte ich mich noch erinnern. Dann war ich irgendwie auf Navarro gestoßen. Ich hatte etwas schreckliches herausgefunden, irgendetwas, was mit diesem Ordner zu tun hatte, und ihn zur Rede gestellt. Dann war ich gestorben. Doch wieso ich gerade zu Navarro gelaufen war oder warum Lucas auf dieser Lichtung aufgetaucht war, konnte ich mir noch immer nicht erklären. Frustriert zog ich die Decke über meinen Kopf und rollte mich darunter zusammen.

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