24 | Die Wahrheit

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Als wir zum Mittagessen kamen, winkten uns Sascha und Hauke an ihren Tisch. Dankbar nahmen wir Platz. Man konnte sofort spüren, dass zwischen Micha und Sascha eine gewisse Spannung herrschte, als sie sich nach einem Jahr auf einmal wieder so nahe waren.

„Können wir kurz reden, Micha?", fragte Sascha und die beiden stellten sich etwas abseits an ein Fenster. Ich konnte nicht hören, was sie sagten, aber als ich ihnen zusah, wie vertraut sie miteinander umgingen, wurde ich fast ein bisschen eifersüchtig. Micha gestikulierte mit den Händen und ich vermutete, dass er Sascha grade erklärte, dass der „Beinahe-Kuss" nur ein Missverständnis gewesen war. Sascha hob die Hände, als wolle er sagen, dass es ihm leid täte, dass er es überhaupt missverstehen konnte.

Ich beobachtete das Gespräch, bis Hauke meine Gedanken unerwartet unterbrach. „Wäre irgendwie schon komisch, wenn die beiden sich nach so langer Zeit wieder anfreunden", sagte er und ich sah zu ihm herüber. „Wieso?", fragte ich und musterte Hauke eindringlich. Sein Gesicht sprach Bände und er schien wenig erfreut zu sein, dass Sascha und Micha sich jetzt wieder näherkamen.

„Naja, die beiden haben seit letztem Sommer nicht mehr miteinander geredet und das hatte ja auch seinen Grund. Warum also sollten sie sich jetzt wieder anfreunden?", sinnierte er und ich erkannte, dass Hauke wahrscheinlich Angst hatte, dass Sascha wieder mehr Zeit mit Micha verbringen würde. Ich überlegte, ob ich analog vielleicht auch um meine Freundschaft mit Micha fürchten musste, wenn er sich wieder so gut mit Sascha verstand.

„Ich glaube, dass jeder eine zweite Chance verdient hat", sagte ich unbeirrt zu Hauke. „Besonders wenn der Grund für den Streit auf einem Missverständnis beruht", fuhr ich fort und wusste im gleichen Augenblick, dass dies eine Lüge war.

Mein Blick wanderte stattdessen zu Micha, als Sascha grade seinen Arm um ihn legte und die beiden sich auf den Weg zurück zum Tisch begaben. Hauke und ich starrten beide auf unsere Teller und warteten, bis Sascha und Micha sich wieder gesetzt hatten. Micha war sichtlich entspannter und grinste mich aufmunternd an.

„Na, alles geklärt?", fragte ich und Micha nickte. „Nur ein blödes Missverständnis", resümierte er und Sascha lächelte ihn an. Ich spürte, wie sich meine Brust zuschnürte, bei dem Gedanken, dass die beiden sich vielleicht wirklich einander zuwenden würden und ich damit auf dem Abstellgleis landen würde. Hauke musste es wohl ähnlich gehen, denn seine Miene hatte sich merklich verfinstert.

Später am Nachmittag sah ich  Micha grinsend an. „Weist du, was wir sind?", fragte ich ihn.

Der grinste zurück. „Ja. Die Schleppesel."

Vor dem Supermarkt hatten Sascha und Hauke zwei Einkaufswagen geholt und uns angewiesen, mit ihnen Schritt zu halten. So schoben Micha und ich die großen Wagen durch die Gänge, während Sascha und Hauke, mal von rechts, mal von links, Pakete mit Würstchen, Broten und Fleisch, Getränkekartons und Knabbereien, in die Wagen bugsierten.

„Hey Jamie, fang!", rief mir Sascha zu und setzte mit einer Tüte Flips zu einem Drei-Punkte-Wurf in meinen Einkaufswagen an. Ich schob meinen Wagen nach vorne, um die Tüte damit aufzufangen, doch Micha war schneller. Er hatte seinen Wagen stehen gelassen und fing die Tüte im Flug ab, bevor ich sie erreicht hatte.

„Ey, das war meine", rief ich beleidigt. Micha streckte mir die Zunge raus. „Da musst du wohl früher aufstehen", rief er zurück und zwinkerte mir gut gelaunt zu. „Punkt für Team Hauke", verkündete Hauke und klopfte Micha anerkennend auf die Schulter. Die Konkurrenzsituation ließ Hauke wohl für einen Moment vergessen, dass er Micha am liebsten nicht dabeigehabt hätte.

„Nächste Runde gewinnen wir", kündigte Sascha an und legte freundschaftlich seinen Arm auf meine Schulter, wie er es häufig machte. Als Micha mich ansah, streckte ich jetzt ihm die Zunge raus und er musste grinsen. Unser Spiel stand nun eins zu eins.

An der Kasse schichteten wir den Inhalt der beiden Wagen auf das Laufband. Es war einiges zusammengekommen und Hauke bemühte sich, am anderen Ende wieder alles in den leeren Wagen zu stapeln. Ich hatte für mich noch eine Flasche Scotch mitgenommen und auch Micha hatte ein paar Dinge auf das Laufband gelegt. Natürlich waren auch wieder Kekse dabei.

Sascha war kurz vor der Kasse noch einmal umgedreht, weil er etwas vergessen hatte. Als er schließlich wieder erschien, legte er einen Beutel Teelichter und eine Packung Kondome neben ein Päckchen Tabak. Neben mir sah ich Micha genauso enttäuscht auf die Packung Kondome schielen wie mich.

„Was?", fragte Sascha, der unsere Blicke bemerkt hatte. Während ich noch nach Worten suchte, hatte Micha schon die passende Ausrede parat. „Aber du rauchst doch gar nicht", sagte er verwundert, mit Blick auf den Tabak. Sascha schmunzelte und senkte den Kopf. „Auf jeden Fall keine Zigaretten", flüsterte er.

In der Küche im Camp sortierten wir unsere Einkäufe in die Regale und den Kühlschrank ein. Sascha war dabei keine große Hilfe. Er saß an einem der Tische im Speisesaal und krümelte Gras in den gekauften Tabak. „Du willst da doch nicht mitmachen, oder?", flüsterte Micha neben mir, als ich auf den Joint starrte. „Wieso nicht?", fragte ich zurück. „Ist doch nichts dabei."

„Also ich finde das nicht gut!", sagte er ernst. Ich verdrehte die Augen. „Du musst ja auch nicht mitmachen", sagte ich etwas patzig. Micha schmollte und ging zu Hauke, als Sascha mit dem fertigen Joint wieder in die Küche kam. „Na Jamie, wie wär's?"  fragte er und ich nickte zustimmend. Wir gingen hinter den Schuppen und setzten uns in den Sand. Micha und Hauke folgten uns und stellten sich etwas abseits zu den Surfbrettern, um sich zu unterhalten.

Mit spitzen Fingern hielt Sascha den Joint in den Händen und holte sein Feuerzeug aus der Tasche. Genüsslich zog er den Rauch ein. Eine dicke Rauchwolke entwich seinem Mund und er ließ sich gegen den Schuppen sinken. Grinsend hielt er mir den Joint hin. Dankend nahm ich ihn und zog den süßlichen Rauch ein. Es war schon eine Weile her, dass ich das letzte Mal etwas geraucht hatte.

Als ich das leichte Kratzen im Hals spürte, konnte ich nicht anders als husten. Sascha grinste. „Erstes Mal?", wollte er wissen. „Nein", erwiderte ich. „Ist nur schon eine Weile her." Ich nahm noch einen Zug, den ich besser vertrug und inhalierte den süßen Duft. Langsam ließ ich den Rauch aus Mund und Nase entweichen und beobachtete, wie er wie eine kleine Wolke auf das Meer hinaustrieb. Sascha zog abermals neben mir und schloss beim Ausatmen die Augen. Ein zufriedenes Lächeln trat auf sein Gesicht. Dann ließ er ihn wieder zu mir wandern.

Nach einigen weiteren Zügen spürte ich, wie sich ein taubes Gefühl in meinem Körper breit machte und ließ mich neben Sascha gegen die Wand sinken. Eine Weile saßen wir nur da und genossen das Gefühl, völliger Sorglosigkeit.

Das Wasser lief immer wieder rauschend den Strand hinauf, um sich dann plätschernd wieder zurückzuziehen. Der warme Sand rieselte angenehm durch meine Zehen, als ich die Füße darin bewegte. Möwen flogen über uns hinweg und der Wind brachte warme Luft zu uns, die sich in meinen langen Haaren verfing und meine Nase kitzelte.

Wie aus heiterem Himmel fiel mir plötzlich etwas ein. „Ich glaube, ich habe mich noch gar nicht richtig bei dir bedankt", sagte ich zu Sascha gewandt und berührte ihn leicht am Arm. „Ohne dich wäre ich vielleicht gar nicht mehr hier", fuhr ich fort und blickte ihm dabei tief in die Augen, ohne zu aufdringlich wirken zu wollen. Sascha sah mich etwas verwirrt an. „Was genau meinst du eigentlich?", fragte er verwundert und breit grinsend. Jetzt war ich an der Reihe, überrascht zu sein. ‚Oder war ich nur zu langsam, es zu verstehen?'

„Na, der Unfall", half ich ihm auf die Sprünge. „Dass ich fast ertrunken wäre? Du hast mich doch gerettet, oder nicht?", fragte ich meinen Helden breit lächelnd. Sascha lächelte verlegen zurück. „Dafür musst du dich wohl bei Micha bedanken. Der hat dich nämlich entdeckt und an Land gebracht. Aufgewacht bist du dann von allein", gab er zu und die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag.

Sascha war nicht mein großer Retter gewesen? Er war es nicht gewesen, der mich an den Strand gebracht und mein Leben gerettet hatte?'

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