36 | Das Angebot

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

Unentschlossen saß ich in meinem Zelt, das ich seit meiner Ankunft im Camp kaum benutzt hatte, und starrte auf mein Handy. Carstens Nummer leuchtete schweigend auf dem Display. Nach einer gefühlten Ewigkeit rang ich mich dazu durch das grüne Hörersymbol zu drücken und wartete, bis das Tuten am anderen Ende der Leitung Carstens Stimme wich.

„Hallo?", hörte ich ihn fragen. Ich atmete tief durch, ehe ich antwortete. „Hallo Carsten, hier ist Jamie."
„Hi", kam etwas verhalten zurück. Ich war etwas aufgeregt, als ich seine vertraute Stimme über das Telefon hörte.
„Ich wollte nur wissen, ob du gut Zuhause angekommen bist", erklärte ich ihm. „Wie man's nimmt", antwortete er. Auch über das Telefon konnte ich die Enttäuschung in seiner Stimme hören. Verlegen suchte ich nach den passenden Worten.

„Es war eigentlich eine nette Geste, mich hier zu besuchen", gab ich zu, da ich wusste, wie viel Mut es ihn gekostet haben musste, auf mich zuzukommen. „Es kam mir nicht so vor, als würdest du dich freuen, Jakob", sagte er sachlich.

„Ja. Du hast mich ein bisschen überrumpelt", versuchte ich mein Verhalten zu erklären. Mit Carsten am Telefon  zu sprechen, versetzte mich unwillkürlich wieder in eine Zeit zurück, in der wir beide glücklich gewesen waren. Ihn am Mittag zu sehen, hatte mich tatsächlich etwas aus dem Konzept gebracht. „Du hast einfach einen schlechten Zeitpunkt erwischt", verriet ich ihm und dachte dabei an Micha. „Mein Timing war noch nie das beste", hörte ich ihn schmunzeln. „Ich habe mir wohl zu lange Zeit gelassen."

Ich ließ seine Vermutung unkommentiert im Raum stehen. „Warum rufst du wirklich an?", fragte er plötzlich und ich wusste, dass er meine Lüge vom Anfang unseres Gespräches, längst durchschaut hatte. Mein Herz klopfte, da mir bewusst wurde, dass dieses Gespräch mit Carsten eigentlich gar nicht stattfinden sollte. Was ich dann sagte, erstaunte mich selbst.

„Ich habe dich auch vermisst", flüsterte ich, da ich Angst hatte, jemand könnte das Telefonat vielleicht belauschen.
„Ach, Jamie", sagte Carsten mitfühlend und ich musste mich zusammennehmen, um meine Tränen zu unterdrücken, als die ganze angestaute Wut der letzten Monate sich einen Weg nach draußen bahnen wollte. „Das heißt aber nicht, dass ich wieder zu dir zurückkommen werde", sagte ich schnell, da ich an meinem Entschluss, es mit Micha zu probieren, weiterhin festhielt.

„Das finde ich sehr schade", antwortete Carsten nach einer kurzen Pause. „Ich wünschte, ich hätte nicht so eine Scheiße gebaut", bereute er. „Ja. Ich auch", sagte ich ehrlich. Nach weiteren Sekunden des Schweigens, ergriff Carsten zuerst das Wort.

„Stimmt es eigentlich, was dieser Micha gesagt hat? Warst du mit mir nicht glücklich?", wollte er wissen.
Den nächsten Satz verkündete ich voller Aufrichtigkeit. „Nein Carsten, ich war sogar sehr glücklich mit dir. Ich habe es lange vermisst, dich um mich zu haben und mit dir was zu unternehmen. Ich war gerne mit dir zusammen."

„Aber, du benutzt das Perfekt", stellte er fest.

„Ich habe die letzten Monate gehofft, dass du plötzlich vor meiner Tür stehst oder mich anrufst. Ich habe so lange auf dich gewartet und es hat mir das Herz gebrochen, als ich gesehen habe, wer da alles bei dir aus und ein ging. Du hast mich sehr verletzt, Carsten", erzählte ich.
„Das wollte ich nicht", erwiderte er ernst. „Ich dachte, dass es besser wäre, ich würde mich trennen, als dir nicht das geben zu können, was du willst. Ich wollte dich nicht davon abhalten, glücklich zu werden."

„Aber ich war glücklich! Meistens jedenfalls", korrigierte ich mich.
„Es tut mir leid, Jakob. Ich wünschte, ich könnte es wieder gut machen. Ich vermisse dich immer noch!"

Meine Gedanken drehten sich in meinem Kopf. Ich war hin und her gerissen, zwischen dem Gefühl, Carsten verzeihen zu wollen und meiner Wut auf ihn, dass er mich im Stich gelassen hatte.
„Dein Timing ist wirklich beschissen", lachte ich kopfschüttelnd. „Hättest du mir das vor zwei Wochen gesagt...", sinnierte ich und ließ den Satz unvollendet.

„Ist es denn so ernst mit diesem Micha?", wollte er wissen.
„Ja, ich denke schon. Er tut mir wirklich gut", lächelte ich zufrieden, als ich an ihn dachte. „Mit ihm muss ich mich nicht verstecken, weißt du. Und er ist wirklich ein guter Mensch."

„Das freut mich für dich", hörte ich Carsten sagen, doch Traurigkeit schwang in seiner Stimme mit. „Aber falls das mit euch beiden nicht klappen sollte...", sagte er und ließ nun seinen Satz unvollendet. „Ach, Carsten", lächelte ich ihn durch das Telefon an.
„Ich meine ja nur. In meinem Bett ist immer ein Platz für dich frei", hörte ich ihn zurücklächeln.
„Und nicht nur da, das weißt du, oder?!"

Ich schluckte bei dem Gedanken, wieder bei Carsten auf dem Bett zu liegen und mit dem Ohr auf seiner Brust seinem Herzschlag zu lauschen. Ich musste schnell das Gespräch beenden, bevor mich Carsten noch auf dumme Gedanken brachte. Als ich auf die Uhr schaute, stellte ich erschrocken fest, dass ich schon fast eine Stunde weg war. Ob Micha mich schon vermisste?

„Ich muss gleich wieder zurück zu der Party", sagte ich mit etwas Wehmut in der Stimme. „Aber es ist gut, dass wir nochmal reden konnten, finde ich."
„Ja, schon klar. Micha wartet sicher schon auf dich", überlegte Carsten laut. „Ich will dich dann mal nicht weiter aufhalten. Aber mein Angebot steht!"
„Ich werde es mir merken", grinste ich, obwohl ich mich auch ein bisschen dafür schämte, dass ich so unverhohlen mit Carsten flirtete. „Schlaf gut, Carsten!"

„Ich hab dich lieb, Jakob", flüsterte er vertrauensvoll, so wie wir es früher oft gemacht hatten, um uns unsere Zuneigung zu zeigen.
„Ich dich auch, Carsten", flüsterte ich zurück, bevor ich das Telefonat beendete. Dann ließ ich mich erschöpft auf meinen Schlafsack fallen.

„Das hat ja ganz schön lange gedauert", warf Micha mir lächelnd vor, als die Tür zum Schuppen öffnete. Mein schlechtes Gewissen konnte man wohl deutlich in meinem Gesicht lesen.

„Tut mir leid, dass ich so lange weg war", entschuldigte ich mich. „Hab ich was verpasst?"
„Ja, mich", sagte Micha etwas beleidigt und legte dann den Arm um meine Schulter. „Komm mit, lass uns zu den anderen gehen", schlug er vor und ich folgte ihm zu der feiernden Gruppe.

„Hi Jamie, auch mal wieder da?", scherzte Sascha. „Wo warst du die ganze Zeit? Ist irgendwas passiert?", erkundigte er sich.
„Alles gut", entgegnete ich und zog Micha kurz zur Seite. „Ich will ehrlich zu dir sein", sagte ich leise und Micha wurde hellhörig. „Aber lass mich kurz ausreden, bevor du etwas dazu sagst", bat ich ihn.
„Na gut", willigte Micha ein. „Du hast mit jemandem telefoniert", stellte er fest und ich vermutete, dass Sascha es ihm erzählt hatte.

„Ich habe mit Carsten telefoniert. Er ist manchmal sehr impulsiv und ich wollte wissen, ob er gut zuhause angekommen ist. Wir haben geredet und es war gut so. Ich habe jetzt alles mit ihm geklärt und ich erzähle es dir, weil ich will, dass das mit uns funktioniert. Das wir ehrlich zueinander sind", endete ich und versuche in Michas Gesicht eine Reaktion zu finden.

Von Carstens Angebot erzählte ich dennoch nichts.
„Okay", sagte Micha schließlich. „Lass uns nicht mehr über ihn reden und endlich feiern."

Vanessa und Bianca standen mit Hauke, Steffen und Sascha an einem kleinen Tisch, den Micha und Hauke mit fertigem Nudelsalat, Würstchen und anderen Kleinigkeiten bestückt hatten. Erst jetzt merkte ich, dass ich ziemlichen Hunger hatte. Neben dem Buffet standen zwei Flaschen Sekt und einige andere alkoholische Getränke. Ein Kasten Bier stand unter dem Tisch.

„Mensch, da habt ihr ja richtig was aufgefahren", grinste ich überrascht. „Na ja, sagte Sascha", und legte seinen Arm auf meine Schulter. „Wir haben ja auch einiges zu feiern. Michas und Vanessas Sieg, neue Freundschaften und natürlich die Liebe!", grinste er und blickte zu Vanessa hinüber, die gerade dabei war, die Sektflaschen zu öffnen. „Außerdem haben Hauke und ich heute Abend mal frei", zwinkerte er und machte sich dann auf, Vanessa mit der Flasche zu helfen.

„Wir haben extra auf dich gewartet", sagte Micha, als er mich von hinten umarmte und seinen Kopf auf meine Schulter legte. „Danke", grinste ich und legte meine Hände auf seine Arme. „Weißt du eigentlich, wie gern ich dich hab, Micha?", fragte ich ihn. „Ich hab da so 'ne Ahnung", grinste er zufrieden und küsste mich auf meinen Hals. „Ich hab dich auch ziemlich lieb", flüsterte er in mein Ohr und ich bekam eine Gänsehaut.

Vanessa kam mit zwei Sektgläsern zu uns und lächelte uns an. „Ihr zwei seid echt süß zusammen", lächelte sie und gab jedem von uns ein Glas Sekt.
„Du und Sascha aber auch", grinste ich ehrlich zurück.

Wir gingen zu der Gruppe und Sascha sprach einen Toast aus. „Wir trinken auf die Gewinner und Verlierer, auf das Surfen und auf die Freundschaft!", sagte er und wir erhoben unsere Gläser. „Auf die Freundschaft!", echoten wir.

„Nein, ich will das nicht", protestierte Micha und versuchte zu fliehen. „Ach komm schon. Du hast es doch schon mal gemacht", ermutigte ich ihn und zog ihn zu mir hinter das Mikrofon. „Ach Jamie, muss das sein?", startete er einen letzten Versuch.
„Sei nicht so feige, Micha!", grinste ich und drückte die Starttaste.
„Was hast du denn überhaupt ausgesucht?", fragte er, wohl hoffend, dass er das Lied nicht kennen würde. „Wirst du schon hören", lächelte ich und hielt seine Hand fest, damit er nicht wieder abhauen konnte, als die Musik startete.

"I am what I am, I don't want praise, I don't want pity", sang ich bedächtig in das Mikrofon und hörte Vanessa und Hauke laut lachen. Micha hielt sich die freie Hand vor die Augen und stöhnte.
„I bang my own drum, some think it's noise, I think it's pretty", sang ich unbeirrt weiter.
"Und da sagt er heute Morgen noch, wir würden Klischees bedienen", hörte ich Sascha lachen und musste ebenfalls grinsen.

„Komm schon Micha", forderte ich ihn lächelnd auf. „Du kannst doch singen. Lass mich hier nicht am langen Arm verhungern!", bat ich. Micha seufzte kurz und sah mich dann an. „Aber nur weil du es bist", willigte er ein und nahm das Mikro an sich. Konzentriert sah er auf den Bildschirm.

„I am what I am, and what I am needs no excuses. I deal my own deck, sometimes the aces sometimes the deuces", sang er mit seiner schönen Stimme und ich bewunderte ihn umso mehr dafür, dass er im Gegensatz zu mir, jeden Ton traf. Ich rückte etwas näher an Micha heran und berührte mit meiner Hand seine, die das Mikrofon hielt. Aus dem Augenwinkel sah ich ihn grinsen. In der nächsten Zeile stieg ich mit ein.

"It's one life and there's no return and no deposit. One life so it's time to open up your closet. Life's not worth a dam, till you can shout out: I am what I am!", sangen wir gemeinsam und ernteten dafür Applaus von den anderen.

Nachdem das Lied zu Ende war, zog Micha mich zu sich heran und grinste böse. „Das wirst du büßen, mein Lieber!"
„Damit kann ich leben", grinste ich zurück.

Ich bin so froh, dass ich es irgendwie geschafft habe, die meiste Zeit meines Lebens mit Menschen zu verbringen, die mir wirklich etwas bedeuten. Menschen, wie dich!

Vor allem in den letzten Jahren habe ich - nicht immer auf die leichte Art - gelernt, dass das Leben zu kurz ist für Energiefresser, Hater oder Menschen, bei denen man ständig das Gefühl hat, auf Glas zu gehen.

Nicht jeder mag mich. Das ist okay. Deine Eltern zum Beispiel haben sich nie mit mir anfreunden können. Und doch muss etwas an mir richtig sein, wenn jemand wie du es geschafft hat, mich zu lieben.

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro