Sieben

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When darkness comes
You know I'm never far
~ "Whispers In The Dark" by Skillet ~
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Als Ginny am nächsten Morgen erwachte, fühlte sie sich, als hätte sie überhaupt keinen Schlaf bekommen. Nichtsdestotrotz behauptete ihr Wecker felsenfest, es sei bereits halb acht. Um neun musste sie im Ministerium sein. Also war es höchste Zeit, aufzustehen und den Kindern und sich selbst Frühstück zu machen.
Ächzend setzte sie sich auf und rieb sich die Augen, die sich heute morgen irgendwie ziemlich trocken anfühlten. Beim Reiben lösten sich helle Körner aus ihren Wimpern. ‚Traumsand', pflegte ihr Vater das zu nennen. Getrocknete Tränenflüssigkeit.
Hatte sie etwa im Schlaf geweint?
Auf einmal tropfte etwas Rotes auf ihre Handfläche. Unverständig starrte sie auf den Tropfen, zu dem sich nun ein zweiter hinzugesellte. Ihre Wangen fühlten sich plötzlich feucht an. Als Ginny darüberwischte, hatte sie nur noch mehr rote Flüssigkeit an den Händen.
Das ist Blut.
Schneller, als sie es je getan hatte, war sie aus dem Bett gestiegen – mehr gestolpert – und taumelte ins Bad.
Der Anblick ihrer selbst im Spiegel ließ ihr den Atem stocken. Es war, als wäre kein Sauerstoff mehr in ihren Lungen.
Anstelle ihrer Augen waren zwei schwarze Löcher, aus denen in Strömen Blut rann. Sie hatte keine Augen. Wie konnte sie so sehen?
Konnte sie sehen?

~*~

Ginny schreckte auf und sah sich schwer atmend um.
Alles wie immer. Alles wie immer. Sie wiederholte dieses Mantra noch ein paar Mal, dann erst konnte sie wirklich einen klaren Gedanken fassen.
Das eben war nur ein Traum gewesen. Dass ihr jemand im Schlaf die Augen ausgestochen haben konnte, war Quatsch. Es war Sonntag. Sie musste gar nicht zur Arbeit und sich beeilen, heute würde Harrys Dienstplan greifen.
Ihr Handy vibrierte auf dem Nachttisch. Das plötzliche Summen erschreckte sie mehr als es sollte.
Der Traum hatte sich so real angefühlt.
Sie entsperrte den Bildschirm und stellte fest, dass sie eine SMS bekommen hatte. Sie war von Pansy, sehr zu ihrer Überraschung. Stirnrunzelnd las sie:

Heute um sieben Uhr abends ist Betriebsparty im Tropfenden Kessel, magst du kommen? Twist traut sich nicht, dich anzuschreiben, also mach ich's. Bild dir nichts drauf ein.
Pansy

Das kam jetzt überraschend. Wie eigentlich bisher alles heute Morgen.
Eigentlich fühlte sie sich tatsächlich ziemlich zerschlagen, doch irgendwie lockte sie die Betäubung durch den Alkohol, den es zweifelsohne geben würde. Wenn Pansy da war, auf jeden Fall. Schon auf Hogwarts hatte die brünette Hexe immer wieder beim Hereinschmuggeln von Elfenwein oder Feuerwhiskey geholfen, wenn eine Party anstand. Sie schien da ein paar gute Kontakte gehabt zu haben.
Ginny zögerte, dann tippte sie entschlossen:

Okay. Ich komme. Bis dann.
Ginny

Sie legte das Telefon wieder beiseite, schlug die Decke beiseite und stand auf. Sie hörte James in seinem Laufstall spielen. Es war unglaublich, was für ein Frühaufsteher er war. Mit drei Jahren. Und sie konnte sich schon denken, dass er Hunger hatte.
Hatte sie noch genug Möhren für einen Brei? Oder sonstiges Gemüse? Hatte sie nicht, schließlich hatte Familie Potter die letzten Tage im Fuchsbau verbracht. Dementsprechend hatte Ginny auch nicht eingekauft. Verdammt.
Vielleicht hatte sie noch Zwieback?

~*~

Den Tag verbrachte sie grundsätzlich damit, dass sie mit ihren Kindern spielte und kuschelte. Das war in der vergangenen Woche definitiv zu kurz gekommen. Die Auroren und Hermine hatten sie ziemlich auf Trab gehalten. Natürlich konnte letztere nichts dafür, aber das hinderte Ginny nicht daran, sich der Zeit mit ihren Kindern beraubt zu fühlen.
Um fünf Uhr nachmittags ging sie beim Supermarkt in ihrem Viertel einkaufen. Klein James wollte unbedingt im Wagen sitzen, was Ginny auch lieber war, da sie so schneller vorankamen. Albus trug sie wieder in einem Tragetuch an die Brust gebunden, aber so, dass er seine Umgebung betrachten konnte. Ein wenig schwerfällig bewegte sich die junge Familie durch den Supermarkt und schaffte es schließlich bis zur Kasse, wo sie eine Weile anstehen mussten.
Gelangweilt sah Ginny hoch zu den Neonröhren an der Decke.
Auf einmal bekam sie Kopfschmerzen. Sie waren so stark, dass sie glaubte, ihr Kopf müsste platzen.
Plötzlich war sie woanders. Eine grelle Lampe über ihr leuchtete ihr ins Gesicht. Sie lag waagerecht auf einem kühlen Tisch. Vor ihr bewegten sich menschliche Schemen. Sie konnte nicht klar sehen, geschweige denn den Kopf heben.
„Was ist passiert?" Es war eine weibliche Stimme. Der Ton war scharf. Wer war das?
„Ich habe mir die Freiheit herausgenommen..." Die männliche Stimme, die antwortete, senkte sich. Sie war relativ hell und kratzte leicht. Doch auch hier bestand keinerlei Wiedererkennungseffekt.
Dabei hatte Ginny das Gefühl, sie müsste sie kennen. Beide Leute, die da sprachen. Aber immer noch lag über allem ein immer wieder dichter werdender und sich wieder lichtender Schleier.
„Sie hat dich darum gebeten? Warum sollte sie das tun?" Die Frau klang aufgebracht, aber auch verständnislos.
„Du hast es zu weit getrieben mit der Strafe."
Und dann war es vorbei. Die Lampe und der kalte Tisch waren weg. Stattdessen befand sie sich wieder im Supermarkt und starrte auf die Neonröhren an der Decke.
Der Kassierer sah sie besorgt an. „Ma'am? Ist alles in Ordnung?"
Sie winkte ab und begann ein wenig verspätet, ihre Einkäufe aufs Band zu räumen. Gleißend helle Flecken tanzten vor ihren Augen, weil sie so lange ins Licht gesehen hatte. Was, bei Merlin, war das gewesen? Momente wie dieser begannen sich zu häufen.

~*~

James und Albus ließ sie für den Abend bei ihren Eltern, dann kehrte sie nach Hause zurück, um sich für die Party fertig zu machen.
Ein wenig ratlos stand sie vor ihrem Kleiderschrank. Was zog man auf so einer Feier an? Party-Klamotten, Pailletten und Highheels? Oder lieber einen hellbraunen Bleistiftrock zu einer weißen Bluse, nicht viel anders als auf der Arbeit? Oder doch eher Pullover und Jeans?
Sie erwog kurz die Möglichkeit, Pansy zu fragen, verwarf die Idee aber sofort wieder. Sie musste es sich nicht eine Stunde vor Beginn der Party schon mit ihr versauen.
Letztendlich wählte sie ein knielanges blaues Kleid ohne Ärmel, das nicht zu figurbetont war, aber auch nicht plump aussah, dazu unauffällige Schuhe mit Keilabsätzen. Sie schminkte sich ein bisschen. Maskara, blassoranger Lidschatten, Lippenstift in einem mittleren Nude-Ton mit einem Stich Pink. Sie hoffte, nicht komplett danebengegriffen zu haben und machte sich auf den Weg.

~*~

Der Tropfende Kessel hatte sich kein bisschen verändert, seit dem letzten Mal, als Ginny dort gewesen war. Hier schien immer noch das Jahr 1988 zu sein. Damals war Ginny gerade mal neun Jahre alt gewesen und hatte ihre Familie beim Einkauf für Freds und Georges erstes Schuljahr begleitet. Damals schon hatten überall ein wenig verlumpte Gestalten mit einem Butterbier und einer Zeitung in der Hand gesessen. Das war heutzutage nicht viel anders. Nur eine Gruppe junger Leute in modernerer Kleidung stach heraus.
Pansy winkte ihr halbherzig von besagter Runde aus zu. Zögerlich trat Ginny heran.
Ihre Kollegin musterte sie von Kopf bis Fuß. „Overdressed." Sie selbst trug ein eng geschnittenes T-Shirt und Jeans.
Sofort fühlte sich die Rothaarige nicht mehr ganz so wohl in ihrer Aufmachung. „Findest du?"
„Definitiv. Aber du bist die Chefin, also darfst du das. Setz dich", forderte Pansy sie auf.
Anfangs war alles ein wenig unangenehm. Niemand wusste so recht, wie man sich der neuen Chefin gegenüber auf einer internen Betriebsparty verhalten sollte. Keiner der Auroren – bis auf Pansy und Astoria – wollte unangemessen erscheinen und hielt sich daher an die gewohnte Steifheit. Aber nach und nach entspannten sich alle. Spätestens nach der dritten Trinkrunde kümmerte es auch den Letzten, in diesem Fall Twist, nicht mehr, dass Ginny momentan faktisch gesehen über ihnen stand und über ihre berufliche Zukunft entscheiden konnte. Ohne die unbeholfene Höflichkeit war ihr das Ganze auch schon viel lieber.
Irgendwann musste Ginny auf die Toilette. Sie erkundigte sich leise an der Bar bei Hannah, die seit Kurzem die neue Inhaberin vom Eberkopf und Nevilles Verlobte war.
„Die Treppe hoch und durchgehen, die letzte Tür", beschrieb Hannah ihr den Weg.
Dankend nickte Ginny. Auf dem Weg nach oben kam sie sich vor, als würde der Flur jeden Moment zur Seite kippen und sie den letzten Rest Gleichgewicht verlieren lassen. Trotzdem war sie glücklich. Sie hatte das Gefühl, endlich richtig bei den Auroren aufgenommen worden zu sein.
Nicht sie schien es zu sein, die lief, der Boden flog unter ihr davon. Für ein paar Sekunden war er weiß, bestand aus Fliesen. Ein paar Meter weiter lag jemand auf dem Boden. Etwas Spitzes ragte aus seiner Brust. Er regte sich nicht.
Ginny lief weiter, auf den Mann zu, doch dann war er fort, der Boden wieder aus Holz, von einem länglichen Teppich bedeckt.
Im selben Moment kollidierte sie unsanft mit der Tür am Ende des Flurs. Schmerz schoss durch ihren Kopf. Ihr Handgelenk pochte, weil sie sich damit abgefangen hatte.
Ihr Atem ging flach und unregelmäßig. „Was passiert mit mir?", flüsterte sie. Sie flüsterte, obwohl sie schreien wollte.

~*~

Als sie die Treppe wieder herunterging, wackelig auf den Beinen, sich am Geländer abstützend, merkte sie, dass die Stimmung unten verändert war. Und sie sah auch, warum.
Hermine hatte sich dazugesetzt. Die Zaubereiministerin drehte den Kopf, kaum dass Ginny den Fuß der Treppe erreicht hatte.
„Hallo, Ginny", wurde sie von der brünetten Hexe mit einem breiten Lächeln begrüßt, das so gar nicht ihrer eigenen Stimmung entsprach. „Was dagegen, wenn ich hierbleibe?"
Wortlos schüttelte die Rothaarige den Kopf.
„Du siehst blass aus, ist alles in Ordnung?", erkundigte sich Hermine besorgt. Ihr Blick wanderte zu Ginnys Stirn. Mittlerweile malte sich dort eine gerötete Beule ab. Doch sie sagte nichts speziell dazu.
„Mir geht's gut", würgte Ginny hervor. In ihrem Kopf wummerten Bässe.
Sie versuchte noch eine Weile zu bleiben, doch unter Hermines fragenden Blicken und dem Lärm der Gruppe fühlte sie sich schon bald wie erdrückt. Immer wieder schielte sie auf die Wanduhr.
Viertel nach acht.
Zehn vor acht.
Fünf vor acht.
Punkt acht Uhr.
Das konnte nie im Leben eine normale Uhr sein!
Die Zeit zog sich. Um acht Uhr sieben beschloss sie, dass es nicht mehr unhöflich, geschweige denn seltsam wäre zu gehen, und verabschiedete sich eilig.
„Sicher, dass es dir gut geht?", hakte Hermine von ihrem Platz aus nach, als sie gerade den Eberkopf verlassen wollte. „Du siehst nicht gut aus. Soll ich dich fahren?"
Natürlich. Hermine war auch mit dem Auto hier.
„Nein, danke", lehnte Ginny ab. Sie wollte in Ruhe gelassen werden. „Ich komm zurecht."
Ihre beste Freundin bedachte sie mit einem mahnenden Blick. „Du hast getrunken."
Seufzend ergab Ginny sich ihrem Schicksal. Sie kam ohnehin nicht gegen diese knappe, wenn auch lückenlose Argumentation an. „Ich komm nicht drum herum, oder?"
Hermine schüttelte spitzbübisch lächelnd den Kopf. „Kommst du nicht. Und ich will ganz genau hören, was passiert ist!"

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