38. Kapitel- In dem der Tod erst der Anfang ist

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„And In God we Trust
Salt turns to rust
Ashes from Eden
and bone into dust
And I had a river of good intentions
and a head full of great inventions
but blew it all with a slip of my tongue"
(„Bones into Dust", Fred Haring)

。。。
Castiels POV
。。。

Gleißendes Licht erstrahlt so plötzlich, dass ich es nur knapp schaffe, mich rechtzeitig abzuwenden.

Die Energiewelle schleudert mich quer durch den Raum, bis ich unsanft gegen Deans zusammengesunkenen Körper pralle. Er hustet und würgt, bei den verzweifelten Versuchen seiner Seele, sich zu rehabilitieren.
Ich halte die Augen geschlossen und gebe mich vorerst mit der Erkenntnis zufrieden, dass er noch lebt.
Dass ich noch lebe.

„Wollt ihr jetzt etwa ein Schläfchen machen? Der Kampf hat noch nicht mal richtig begonnen."

Beim Klang der vertrauten Stimme, schlage ich die Augen auf. Vor mir steht niemand anderes, als Balthazar: von unzähligen blutenden Wunden gezeichnet, seine rot getränkte Waffe in der Hand haltend. Und trotzdem noch das ewige Grinsen im Gesicht.
In solchen Momenten beneide ich ihn beinahe, um seine unerschütterliche Frohnatur.

Ein Blick an ihm vorbei verrät, dass er Veneriel überrascht hat: ihr Körper liegt regungslos vor dem einst weißen Sessel, der nun von schwarzen Flügelmalen überzogen ist. Ein Anblick, der mich erleichtern sollte- tut er aber nicht.
Im Gegenteil: es schmerzt. Zu wissen, dass sie in einen Kampf gedrängt wurde, den sie nie kämpfen wollte. Dass Isaac sie hemmungslos für seine Ideale missbraucht hat, obwohl wir einst auf der selben Seite standen.
Das Flehen nach Frieden, der schmerzliche Blick in ihren Augen.
So werde ich sie in Erinnerung behalten.

Ich erwarte jeden Moment, dass sich Hannah zu uns gesellt, doch ein Flügelschlagen bleibt aus.
Veneriels Worte haben sich, wie ein Stein auf mein Herz gelegt. Noch will ich ihnen keinen Glauben schenken und an einem Manipulationsversuch festhalten.
Ich muss an denen festhalten, die mir geblieben sind. Das Beste in ihnen sehen: ohne Hannahs Hilfe, wäre ich noch immer in Isaacs Gefangenschaft. Sie hat mir mehr als dieses eine Mal das Leben gerettet. Ihr zu Vertrauen, ist das mindeste, was ich ihr schulde.
Nicht weniger gilt für Balthazar: hätte er mich damals nicht aus diesem Raum gezerrt, wäre er mir jetzt nicht zur Hilfe gekommen;

Dann würde ich nun dort liegen.

„Soll ich den Prinzessinnen vielleicht noch ein paar Kissen vorbeibringen?" Reißt mich der Blonde aus meinen trüben Gedanken.
Schon erhebe ich mich ächzend und helfe auch Dean auf die Beine. Er hat wieder ein bisschen mehr Farbe im Gesicht, aber die Tatsache, dass er sich nicht gegen Balthazars Stichelei wehrt, ist kein gutes Zeichen.

„Du siehst furchtbar aus", kommentiere ich an den Engel gewandt und lege ihm dabei meine Hand auf die Brust, um ihn zu heilen. Erschöpft schließe ich die Augen, versuche mich auf die heilenden Kräfte meiner Gnade zu konzentrieren.
Nichts.
Angestrengt versuche ich es weiter, aber je angestrengter ich Konzentration ersuche, desto schneller entgleitet mir das Bisschen, was ich noch habe.
„Du bist wohl auch leer. Lass nur, gleich wird es wieder gehen", versucht Balthazar mich abzuwimmeln.
Voller Schrecken denke ich an den Kampf gegen Veneriel zurück, wie die Energie meiner Gnade im Bruchteil einer Sekunde verschwunden ist. Eine vernichtende Leere in mir hinterlassen hat, die kurz darauf durch das Gefühl der Hilflosigkeit gefüllt wurde.
Irgendetwas stimmt mit mir nicht. Ich fühle mich nur noch schwach, ausgelaugt. Da ist nicht das kleinste Fünkchen pulsierender Kraft mehr in mir.

Ganz ruhig, Castiel. Bald bin ich wieder fit.
Ich blicke in Balthazars graue Augen, unfähig eine Antwort zu erwidern.
Konzentriere dich erstmal darauf, dass du selbst wieder zu Kräften kommst.
Er versucht sein typisches Lächeln, aber es wirkt gequält und lässt mich die Wut auf meine eigene Schwäche deutlicher spüren.
Ich bin für diesen Soldaten verantwortlich. Er zieht für mich in diese Schlacht. Und ich kann ihm nicht die geringste Spur von Sicherheit geben. Es soll- es darf nicht noch jemand sterben.
Das Blutvergießen muss ein Ende nehmen, und zwar jetzt.

„Apropos Blut-"

Diese Stimme lässt unsere Köpfe zeitgleich herumfahren.
Isaac steht mir und meinen Verbündeten gegenüber: sein langer weißer Mantel vollkommen makellos, ebenso unbeschmutzt die weißen Handschuhe. Das kurze, silberne Haar perfekt frisiert, den fokussierten Blick ganz auf mich gerichtet. Selbst aus der Entfernung spüre ich die Kraft des Verlangens in seiner Brust: seine Gnade, die sich einzig danach verzehrt, mich zu verschlingen. Mich selbst, einen Teil von ihm werden zu lassen.

„Ihr habt es tatsächlich geschafft meine zwei engsten Vertrauten zu töten." Mit anklagendem Unterton in der Stimme begutachtet er Veneriels Leiche. „Und dann sagt ihr, ich wäre der Kriegstreiber. Also wirklich."
Nicht der kleinste Funken Trauer oder Reue ist herauszuhören. Ihr Tod kümmert ihn nicht, was mir auch seine nächsten Worte bestätigen: „Andererseits, was sind schon ein paar enge Vertraute heutzutage. Nicht wahr, Castiel? Oder darf ich dich jetzt auch Cas nennen?"

Meine Augen verengen sich zu Schlitzen, während ich mich schützend vor Dean schiebe. „Ich fürchte, wir befinden uns nicht länger auf solch vertrauter Ebene, Isaac."
„Wenn ich mich richtig erinnere, hast du ganz persönlich das Plateau herunter fahren lassen, uns alle wortwörtlich auf den selben Boden geebnet. ‚Dein', ‚Mein'- dank dir alles nur noch bürgerliche Kathegorien ." Er grinst ein schiefes Grinsen, die silberne Klinge aus dem Ärmel seines Mantels gleiten lassend.
„Ich habe Fehler begangen, das weiß ich", setze ich an, woraufhin der Silberhaarige nur die Augenbrauen hebt.
„Jetzt wäre die Realisation wohl auch ziemlich spät, mein Engelchen."
„Du wirst ihm nicht weh tun", knurrt Balthazar, dessen Blick fokussiert auf Isaacs Klinge liegt.
„Oh, keine Angst. Die hier-" er erhebt die Waffe und dreht sie einige male spielerisch zwischen seinen Fingern, „-ist ganz für dich reserviert."
Nun erhebe auch ich meine Klinge und werfe Balthazar gleichzeitig einen warnenden Blick zu. Bitte, sei Vorsichtig.

Er nickt mir schwach zu, seine Haltung strahlt mehr Alarm- als Kampfbereitschaft aus. Er ist geschwächt und wird alleine nicht gegen einen vollkommen erholten Isaac ankommen.
„Ein Jammer, dass Castiel dich nie so sehr mochte, wie mich." Isaac nimmt seinen Zeigefinger zwischen die Zähne und zieht an dem weißen Stoff, sodass er sich von seiner Hand löst und kurz darauf auf dem Boden landet.
„Bilde dir ein, was du willst. Es spielt sowieso keine Rolle mehr, denn sein Herz gehört ganz allein Dean."

Als sein Name fällt, spüre ich, dass Dean sich an mir vorbei drängen will. Mit nachdrücklichem Blick, verwehre ich ihm den Versuch. Ich bin nicht bereit ihn in Gefahr zu bringen- oder schlimmer: in seinen ewigen Tod.
Du kannst diesen aufgeblasenen Gockel doch nicht einfach so weiter labern lassen.
Ein kurzes Lächeln entweicht mir, doch auch Isaac hat diesen Gedanken gehört und wendet sogleich seinen Kopf in Deans Richtung.
„Netter Versuch, aber ich rieche deinen Angstschweiß, Winchester. Sei jedoch unbesorgt, ich werde das Ganze für dich abkürzen; immerhin habe ich die Folter nicht bloß konzipiert, um mir Sachiels Gefühlsduseleien vom Hals zu schaffen." Die nun handschuhlosen Hand ballt er zu einer Faust und das eisige Blau seiner Augen lässt mich auf der Stelle erstarren. Mein Körper gefriert zu schnell, als dass ich mich wehren könnte. Aus jeder Zelle wird auch das letzte bisschen Wärme gequetscht, bis meine Leere nicht länger die Hilflosigkeit nährt, sondern nur noch grenzenlose Kälte. Zunächst prickelt es, auf schmerzhafte Weise, danach folgt ein Stechen unzähliger hauchdünner Nadeln unter meiner Haut. Obwohl es weh tut, verwehrt mir mein Mund den Wunsch zu schreien, meine Augen den Wunsch zu weinen. Nur meine gedankliche Verbindung ist in Takt, lässt Balthazar und Dean zu Boden gehen, die Ohren zu haltend, als würde das den hohen, schrillen Klageton ersticken.
Schließlich bricht auch die gedankliche Verbindung. Mit ihr verschwinden die Schmerzen.

Taubheit setzt ein.

Mein Verstand schaltet sich vollständig ab. Gedanken- und Willenlos, lasse ich mich in die Decke aus Schnee fallen. Weißer Schnee, bestehend aus Milliarden funkelnder Kristalle. Beim ganz genauen Hinsehen erkenne ich ihre Ecken und Kanten, wie sie einander überlappen, in perfekt geformten Abständen ergänzen. All die unzähligen kleinsten Bestandteil, die sich zu betörender Schönheit zusammenfügen.

Ich sehe noch genauer hin.
Noch genauer.
Ich sehe hin bis ich erkenne, dass sie nicht weiß sind.
Sie sind reiner, als das.
Sie sind vollkommen lichtlos.
Unbestimmt.
Nichts.

Sie sind schwarz. 

。。。
Deans POV
。。。 

Aus dem Augenwinkel bemerke ich Balthazar, der mit seiner Klinge blitzschnell auf Isaac zusteuert.

Dieser dreht nicht einmal den Kopf, sondern wedelt lediglich mit der Hand kurz durch die Luft, als wolle er eine lästige Fliege verscheuchen. Schon kracht Balthazar gegen die nächste Wand und bleibt benommen am Boden liegen.
„Pscht, du ruinierst den Moment", faucht der Silberhaarige, seine Augen weiterhin auf Cas gerichtet. Dieser kauert zusammengekrümmt von mir abgewandt, nur ein schwaches Zittern lässt seine Schultern in unregelmäßigen Abständen erbeben.
„Cas?" Vorsichtig lege ich ihm meine Hand auf den Rücken, versuche dadurch irgendwie Halt zu geben und ihn in die Realität zurückzuholen. Der Engel reagiert nicht auf seinen Namen und als ich zu Isaac blicke, erkenne ich ein selbstzufriedenes Lächeln auf dessen Lippen.
„Eigentlich wollte ich dich als Druckmittel am Leben lassen, aber mal sehen was der Abend noch so bereit hält."
„Ich kann dir sagen, was der Abend bereithält: Deinen qualvollen Tod, du elender Mistkerl", kontere ich- mehr oder weniger überzeugend.
Der Engel wägt meine Antwort kurz ab, ehe er sich mit einem beherzten Lachen abwendet und an Balthazars regungslosen Körper herantritt.
„Cas", zische ich panisch in das Ohr des Blauäugigen, doch dieser ist immer noch in seine Schockstarre verfallen und schenkt mir keine Beachtung.

Verdammt, ich muss Balthazar helfen.

Entschlossen verstärke ich den Griff um meine Klinge und gehe an Cas vorbei. Er versucht nicht länger mich zurückzuhalten. Vermutlich ist er sich nicht einmal meiner Anwesenheit bewusst. Dasselbe könnte für Isaac gelten, der mir ebenfalls den Rücken zugewandt hat.
Wenn ich jetzt schnell bin, dann-

Ein heftiger Ruck fährt durch meinen gesamten Körper. Mit einem lauten Klirren fällt meine Klinge zu Boden.

Hilflos stolpere ich zurück, bis ich, entgegen meines Willens, gegen die Wand gepresst werde.
„Castiel", ruft Isaac in bestimmendem Tonfall, noch immer in Richtung Balthazar blickend. Tatsächlich hebt der Braunhaarige nun den Kopf. Leider kann ich an der Wand gefesselt, sein Gesicht nicht sehen und habe keine Chance, in sein Sichtfeld zu kommen.
„Cas", versuche ich trotzdem ein weiteres Mal, mich bemerkbar zu machen. Er hört es nicht. Mein Rufen verhallt unerwidert.

Demonstrativ tritt Isaac einen Schritt zur Seite und gibt mir somit den Blick auf Balthazar frei. Der Engel kommt gerade langsam wieder zu sich und als er Isaacs unmittelbare Präsens bemerkt, gibt er ein leises Fluchen von sich.
„Ich will, dass du dir das hier ganz genau einprägst", erklärt der Silberhaarige an Castiel gewandt. Jedes Wort spricht er betont langsam. Auch noch, als er anschließend Balthazar adressiert; „Schau dir Castiel noch einmal ganz genau an; den Engel, den du all die Jahrtausende einen Verbündeten, einen Freund genannt hast. Du hast ihn bewundert, mehr noch, du hast ihn geliebt. Wärst du nur nicht zu feige gewesen, es ihm zu gestehen. All die Zeit diese unausgesprochenen Worte auf den Lippen. Wirklich tragisch." Er macht eine kurze Pause und lässt die Worte in der Luft tanzen, auf eine bestimmte Reaktion meinerseits wartend. „Schau dir Castiel an, in dem Wissen, dass er mir gehört- schon immer gehört hat. Nicht einmal ein Dean Winchester wird daran etwas ändern können."

Mit diesen Worten erhebt er betont langsam seine Klinge, richtet die Spitze auf den am Boden Liegenden. Isaac lässt sich Zeit, trotzdem schafft Balthazar es nicht schnell genug, seine eigene Waffe zu erreichen.
Zu wenig Gnade hat er regenerieren können. Zu tief sitzen die Verletzungen der vergangenen Kämpfe.
Ich balle meine Hände zu Fäusten, versuche so angestrengt, wie möglich von dieser verdammten Wand wegzukommen.
Vergeblich.
Isaac übt mühelos vollste Kontrolle über mich aus. Hilflos muss ich mit ansehen, wie sich der Silberhaarige zu Balthazar herunter beugt. „Du warst schon immer ein erbärmliches Häufchen Dreck."
„Und du kannst mich mal."

Das sind Balthazars letzte Worte, bevor Isaac ihm die Klinge durch den Körper rammt.

Ich bin nicht fähig die Augen zu verschließen- auch das wird durch Isaac gekonnt verhindert. Mein Gesicht verzerrt sich zu einer Maske aus Entsetzen, als ich das Leben aus dem Engel weichen sehe. Balthazars gleißendes Licht überrollt mich, entreißt mir für einige Sekunden- die sich wie die Ewigkeit anfühlen- das Bewusstsein. Ich versuche zu schreien, doch kein Ton verlässt meine Kehle.

Isaacs Kontrolle lässt schlagartig nach und ich gehe unsanft zu Boden, aber das nehme ich überhaupt nicht mehr wahr. Alles um mich herum ist zu einem einzigen hellen Flackern reduziert; Weiß tanzt vermischt mit einer Spur aus Blau den letzten Walzer- das letzte Strahlen der Engelsgnade.

Bis der letzte Ton verklingt.
Dann ist diese Symphonie vorbei.

Dann ist auch Balthazar tot.

***

Das erste, was ich sehe, sind die Schemen von Isaac, der sich mit einem weißen Tuch einen einzelnen Blutspritzer von der Wange wischt, ehe er seine weitaus blutigere Klinge reinigt.

„Auge für Auge, Zahn für Zahn. So sagen die Menschen das, nicht wahr?"

Mein Verstand ist zerrüttet, meine Wahrnehmung verzerrt. Seine Worte scheinen von überall zu kommen, verhallen hundertfach in endlosem Raum, kommen nur wenig später als tausende Echos zurück. Die Realisation, was sich gerade angespielt hat, bleibt aus.
Es ist ein Traum.
Das alles hier muss ein Traum sein. Und wenn ich aufwache- die Augen aufschlage- werde ich wieder im Bunker sein. In meinem Zimmer, auf meinem Bett liegen. Die andere Seite des Bettes wird leer sein, weil Cas bereits in der Küche ist. Weil er für uns Spiegeleier mit Bacon macht, mit den knusprigen Eierschalen in der Pfanne. 
Er. Der Mann, den ich so unglaublich liebe.
Cas.

Meine Augenlider flattern, während ich, um mein Bewusstsein kämpfe. „Cas", entweicht es mir. Unkontrolliert fließt Speichel meine Mundwinkel hinunter, bis ich würgen muss.
Meine Hände ballen sich zu Fäusten. Noch gebe ich nicht nach. Ich muss mich zusammenreißen, all meine Kraft für den anstehenden Kampf aufbringen.

Isaac beobachtet meine kläglichen Versuche aufzustehen, mit einem höhnischen Grinsen, dabei in aller Ruhe Cas zu sich winkend. Tatsächlich geht der Engel langsam auf ihn zu und lässt den Silberhaarigen sogar über sein Gesicht streicheln. Bei diesem Anblick fällt es mir schlagartig leichter, meinen Körper zum Kooperieren zu bewegen.
„Lass ihn los, du Hurensohn", fauche ich und bin im Begriff unüberlegt frontal auf Isaac loszugehen. Dieser gibt sich davon gänzlich unbeeindruckt, stattdessen murmelt er etwas zu Cas. Seine Lippen verweilen dabei viel zu nahe an dessen Ohr und ich könnte schwören, dass seine Zungenspitze ganz leicht Castiels Haut berührt.
Es bleibt mir keine Zeit durch diese Beobachtung weitere Wut aufzubauen, da sich Cas schlagartig zu mir umdreht.
Ich bin darauf gefasst erneut die endlose Leere in seinen Augen zu erblicken. Den Zustand reinster Emotionslosigkeit.

Doch es kommt anders: Denn auf was ich nicht vorbereitet bin, ist das lodernde, blaue Feuer. Die geballte Energie, die berstende Lebendigkeit, mit der er mich ansieht. Dieser Castiel ist nicht der leere Schatten seiner selbst, er könnte nicht weiter davon entfernt sein. Dieser Castiel ist ein Krieger, ein passionierter Kämpfer. Ein Soldat, der schon viele Schlachten geschlagen hat, geboren zwischen den Gefallenen vergangener Jahrtausende.
Bereit alles und jeden zu töten.
Und es zu genießen.

„Sachiel hatte nie ein Händchen für tiefgreifende Manipulation. Ich dagegen-" Der Silberhaarige lässt den Satz in der Luft hängen und stattdessen seine Hand für sich sprechen; mit dieser macht er eine schnelle Bewegung und -als habe Castiel nur auf dieses Zeichen gewartet- stürmt er auf mich zu. Ehe ich überhaupt daran denken kann, auszuweichen, befördert er mich mit einem einzelnen, präzisen Schlag ins Gesicht auf den Boden. Zeit Ohnmächtig zu werden, bleibt mir allerdings nicht.
„Habe ich dir schon von den vier Phasen der Folter erzählt?", lamentiert Isaac vor sich hin, während Castiel über mir kniet und meinem Schädel einen Schlag nach dem anderen verpasst. Jedes mal spüre ich alles um mich herum erzittern und kann förmlich sehen, wie mein Hirn ungehalten hin und her schwappt.
Kurz werden Castiels Angriffe durch eine Geste des Silberhaarigen unterbrochen.

„Phase Eins: Hoffnung erwecken. Die scheinbare Möglichkeit einer Flucht."
Bam.
Blut sammelt sich in meinem Mund, doch ich bin zu kraftlos es auszuspucken. Stattdessen würge ich hilflos, ringe damit die Eisenflüssigkeit zurück zupressen. 

„Phase Zwei: Anbrechen. Das Ausüben körperlicher Schmerzen durch einen unbedeutenden Sadisten."
Bam.
Meine Nase gibt ein unliebsames Knacken von sich, als die Faust auf sie niederschlägt. Ungehemmt schreie ich auf, bis der Schrei in ein ersticktes Gurgeln übergeht. Zu viel Blut, als dass ich atmen könnte. 

„Phase Drei: Bruch. Das Ausüben körperlicher- und seelischer Schmerzen durch eine geliebte Person."
Bam.
Ich huste und würge weiterhin, kämpfe gegen den Impuls an, mich zu übergeben. Da ist kein Mageninhalt, nicht einmal ein Magen. Trotzdem brennt meine Kehle, als saure Flüssigkeit meinen Hals emporsteigt. 

„Phase Vier: Verwandlung. Das, wovon du gerade Zeuge werden darfst."
Bam.
Alles wird für einen Sekundenbruchteil vollkommen schwarz.
Die Bewusstlosigkeit ist mir nicht dauerhaft vergönnt, denn zu laut und klar dröhnt Isaacs Stimme in meinem Schädel. Er schafft es tatsächlich den geschundenen Überrest meiner selbst im Hier und Jetzt zu halten.

„Wach bleiben."

Unsanft wird mein Körper nach oben gerissen. Entgegen meiner Erwartungen, sind es Castiels Augen, die mich anstarren. Erfüllt von der Begier, meinen Lebenssaft aus jeder einzelnen Zelle herauszupressen. Ich schließe die Augen, rechne mit einem weiteren Schlag. Weitere körperlicher Schmerzen, die sich mit den psychischen Wunden vermischen. Mich Stück für Stück auseinander reißen, bis nichts mehr von mir übrig bleibt. Bis meine Seele in tausende Einzelteile zerbrochen ist und ich im Nichts verschwinde.

Doch der Schlag bleibt aus.
Nichts geschieht.

Als ich es wage hinzusehen, ist das blaue Feuer verschwunden. Cas hält mich noch immer fest, doch er keucht.
Am Ende seiner Kräfte. Sein Gesicht von unzähligen kleinen Schweißperlen übersät. Die Zeit um uns herum ist eingefroren. Er starrt mich einfach nur an. Und ich starre zurück.
Merkwürdig.
Bei meinem ersten Kampf gegen ihn und gegen Sachiel, da habe ich nicht einen einzelnen Tropfen Schweiß gesehen. Bei keinem Engel ist mir eine derart menschliche Körperreaktion je aufgefallen. Vielleicht ist es Zufall, vielleicht habe ich nur nicht wirklich darauf geachtet. Aber vielleicht steckt mehr dahinter.

„Castiel?" Der besorgte Unterton in Isaacs Stimme bestätigt meine Vermutung.

Fast schon vorsichtig, tritt er an Castiel heran und für einen Moment bin ich zwei blauen Augenpaaren ausgesetzt. Obwohl sie eine ähnliche Farbe haben, könnten sie nicht unterschiedlicher sein.
„Was siehst du?", haucht Isaac in das Ohr des anderen Engels.
Castiel antwortet nicht, seine Gedanken scheinen an einem weit entfernten Ort, in einer anderen Zeit, zu schweben.
Erinnere dich, flehe ich mit all meiner Konzentration. Eindringlich blicke ich ihn an, doch meine Augen können ihn nicht erreichen. Er sieht durch mich hindurch.
„Du bist ja ganz erschöpft", fährt Isaac fort, seinen zweiten Handschuh ausziehend. Anschließend berührt er Castiels Stirn und zieht sorgenvoll die Augenbrauen zusammen. „Was ist los?", flüstert er. „Ist dein Feuer erstickt?"
Ich erkenne keine Wut in seinen Fragen, keine Verzweiflung. Dabei ist sein Plan im Moment deutlich gefährdet. Wenn ich mich jetzt nur noch aus Castiels Griff befreien könnte...

Als habe mein Gedanke ihn erreicht, lässt Castiel abrupt los und ich kollidiere unsanft mit dem Boden. Kurz huste ich weiteres Blut, ehe ich mich zwinge aufzustehen. Ich darf jetzt keine Zeit verlieren, ich muss Isaac töten.
Perplex beobachte ich den Silberhaarigen, wie er seine Klinge nimmt und an seinen eigenen Hals ansetzt. Der kalte Blick ist auf Castiel geheftet. Er hält dessen Kopf, fährt sanft durch sein Haar, wie ich es so gerne tue.
Die beiden Engel stehen sich so nahe, dass ich erschaudere.  

Nein, Isaac spielt nur eine Show, rufe ich mir in den Kopf.
Er wird sich nicht selbst verletzen.
Er hätte keinen Grund dazu.

„Du hast recht, Dean Winchester. Es gibt keinen ersichtlichen Grund. Aber ich will, dass er es ist. Er muss beweisen, dass er mir ergeben ist." Das ist alles, was Isaac sagt, ehe er seine volle Konzentration wieder Castiel widmet. Meinem Geliebten direkt in die Augen blickt, während er sich selbst den Hals aufschlitzt, bis ein blaues Glühen zum Vorschein kommt. Wie kann so etwas unbeschreiblich Schönes, dieses Leuchten purer Reinheit und Hoffnung, der Kern einer so bösartigen Kreatur sein?

„Weit aufmachen", haucht er, weniger ein Befehl, als eine leidenschaftliche Bitte.
„Cas, nicht. Er ist ein Monster. Er will die Menschheit vernichten. Bitte, hör mir zu", rufe ich mit aller Verzweiflung, in dem Versuch, das Kommende zu unterbrechen. Sofort spüre ich Isaacs Kontrolle, wie er meinen Brustkorb zusammenpresst und mir die Kraft zu Atmen nimmt.
„Bitte", flüstere ich heiser.

Castiel dreht nicht einmal seinen Kopf. Er schaut einfach weiter zu Isaac, verloren in dessen einnehmenden Blick. Ohne etwas dagegen tun zu können, muss ich mit ansehen, wie er langsam den Mund öffnet und Isaacs Gnade in sich aufnimmt.
„Das machst du sehr gut", raunt der Silberhaarige, legt all seine Genugtuung in die einzelnen Silben. Nach einigen Augenblicken legt er seine Hand an die Kehle und versiegelt den Schnitt. Nachdem Castiel die letzte Spur blauen Rauches einatmet, beugt Isaac sich nach vorne und versiegelt Castiels Lippen mit einem Kuss.

Bei dieser Szene wird mir schwindelig und übel zugleich. „Lass ihn in Ruhe", bringe ich mit kläglich zittriger Stimme hervor. Alles, was ich spüre ist die lähmende Hilflosigkeit in meinen Knochen.
Mir ist lediglich gestattet diesen schier endlos lang andauernden Moment mit zu erleben. Am Rande stehend, als untätiger Beobachter. Als Zeuge, dass ich Castiel endgültig an dieses Monster verloren habe.
Nun trägt er einen Teil von Isaac in sich.
Auf ewig.

Die Gnade des Silberhaarigen lässt Castiels Augen erneut entflammen. Seine Kraft ist zurückgekehrt und mit ihr das brennende Verlangen, mich tot zu sehen. Er neigt seinen Kopf, lässt dabei hörbar die Gelenke knacken.
Endlich ist er gewillt mir Beachtung zu schenken. Dennoch bleibt er taub für meine flehenden Worte: „Cas, bitte nicht."
Er hat nur ein Ziel im Sinn, das Einzige, woran er noch denken kann.

Und ich stehe vor der unvermeidlichen Entscheidung; Er oder ich?

Kaum ist diese Frage zu Ende gedacht, lässt Isaacs Kontrolle auf mich abrupt nach; meine Bewegungsfähigkeit kehrt zurück und mehr denn je, fühle ich mich, wie Freiwild. Ein Beutetier, das durch klägliche Fluchtversuche den Jagdinstinkt des Raubtieres anstachelt.

„Wieso musste es so weit kommen?", hauche ich. Zögerlich bewege ich mich einige Schritte nach vorne, behalte dabei Castiel und Isaac im Blick, die mich wartend ansehen. Unter angehaltenem Atem, hebe die am Boden liegende Engelsklinge auf. Gerade noch rechtzeitig, denn schon wehre ich mit ihrer Hilfe, Castiels Hieb ab.

Metall klirrt auf Metall.

Vom Rande höre ich Isaac ein einzelnes Mal in die Hände klatschen: „Lasset die Spiele beginnen."

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