4. Kapitel- In dem Wunden geöffnet werden

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Well I felt so good
Till I didn't know what to do
Well I felt so good
I didn't know what to do
Well now it ain't true baby
This time I'm gonna be with you
(„Ain't got Nobody", Hound Dog Tailor)

„Agent Coulton, FBI." Ich halte meinen Fake-Ausweis nach oben, wie ich es schon sooft getan habe. Routine.
Es hat mich einiges an Überwindung gekostet die Tankstelle zu betreten, aber die Tatsache, dass es wie ein Tatort aussieht, hat es mir erleichtert.
Mir steht ein sichtlich gestresster Ermittler gegenüber, der scheinbar schon seit Längerem am Verzweifeln ist. „Gut das Sie hier sind." Seine Worte bestätigen meine Vermutung. Mit einem Tuch wischt er sich den Schweiß von seiner runzligen Stirn. Er ist hager, was seine Altersfalten noch markanter wirken lässt.
„Ich habe so etwas in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen." Diesen Satz habe ich schon oft von Polizisten gehört, weshalb meine Verwunderung gespielt ist.
Ich blicke mich in dem kleinen Raum um; keine Spur von Castiel. Eigentlich sollte ich erleichtert sein, doch meine Besorgnis überwiegt.
„Sie sagen, es sind zwei Opfer?", hake ich deshalb bei dem alten Mann nach. „Sehen Sie selbst."

Er führt mich in die Mitte des Raumes, zum Tresen wo die Kaffeemaschine steht. Ich schaffe es, die aufkommenden Erinnerungen zurückzuschieben und konzentriere mich stattdessen auf das Absperrband, das in dem Bereich aufgespannt ist.
Als mein Blick auf die zwei Leichen fällt, halte ich ein erleichtertes Ausatmen zurück.
Castiel ist nicht unter ihnen.

Es sind ein Mann und eine Frau, beide mittleren Alters. Der Mann liegt auf dem Bauch, den Kopf zur Seite gedreht, die Frau liegt auf dem Rücken.
Bei ihr bemerke ich zuerst, was mit „mysteriösen Brandwunden" gemeint ist.
Ihre Augen sind ausgebrannt.
Als ich mir die Leiche des Mannes genauer ansehe, stelle ich bei ihm genau dasselbe Phänomen fest.
Unmöglich eine menschliche Ursache.
Vielleicht ist es wirklich eine Hexe. Aber warum sollte jemand Hexenbeutel in einer Tankstelle hinterlegen?

Mein Hirn arbeitet auf Hochtouren, während ich die Möglichkeiten durchgehe.
„Wurde noch irgendetwas gefunden? Irgendwelche ungewöhnlichen Objekte?"
Der Polizist zuckt nur ratlos mit den Schultern. „Nichts, wir stehen vor einem Rätsel."
„Was ist mit dem Sicherheitssystem? Haben wir irgendetwas auf Video?" Während ich die Frage stelle, sinkt mein Herz in die Hose; da könnte noch etwas ganz anderes auf der Kamera sein.

Daran hatte ich noch gar nicht gedacht und jetzt wünsche ich mir, gar nicht erst danach gefragt zu haben.
„Die Kamera ist seit einigen Wochen kaputt und noch nicht ausgetauscht worden, Verzeihung." Zu dem Polizisten hat sich eine Frau gesellt. Sie hat ein junges Gesicht und wirkt äußerst zierlich mit braunen, offenen Haaren, die über ihre schmalen Schultern fallen. „Janet Sterling. Ich bin verantwortlich für die Tankstelle." Obwohl sie sichtlich mitgenommen ist, stellt sie sich mit einem freundlichen Händeschütteln vor und ist mir auf Anhieb sympathisch. Trotzdem kommt sie vorerst gedanklich auf die Liste der Verdächtigen.
„Gibt es irgendwelche Augenzeugen?", richte ich meine Frage an den Polizisten.

„Das wären ich und Castiel."

Bei seinem Namen schnellt mein Kopf zu Frau Sterling. „Wir hatten die Abendschicht zusammen. Die beiden Verstorbenen sind als Kunden ganz normal in die Tankstelle gekommen."
„Was ist passiert?", frage ich weiter und mustere die Frau dabei aufmerksam.
Sie hält inne und es wird klar, dass es sie Anstrengung kostet sich zu erinnern. „Ich weiß es nicht mehr genau. Es war irgendwie merkwürdig. Die beiden haben-"
Sie bricht ihre Antwort ab und schüttelt den Kopf. „Ich bin ohnmächtig geworden und als ich aufgewacht bin, waren einige Regale umgekippt. Ich bin dem Chaos gefolgt und dann bei der Theke, lagen sie. Ihre Augen waren- na, Sie wissen schon." Die Frau ist den Tränen nahe, sämtliche Farbe aus ihren Wangen gewichen.
„Sie erinnern sich wirklich an gar nichts mehr? Egal was, egal wie unwahrscheinlich es klingen mag, aber alles ist relevant für die Ermittlung. Alles." Ich blicke ihr in die haselnussbraunen Augen und erhasche für einen Moment so etwas wie ein Zögern.

Da ist also noch etwas.

„Nein, es ist nichts weiter", entgegnet sie stattdessen und wendet sich schnell ab. „Okay, aber sollte Ihnen doch noch irgendetwas einfallen, egal wie klein und nichtig es sein mag, melden Sie sich bitte." Ich versuche erneut Blickkontakt aufzubauen, aber der Versuch schlägt fehl.
„Der andere Augenzeuge befindet sich dort drüben, aber er weiß ebenso wenig wie Frau Sterling", mischt sich der Ermittler ein und ich wende mich von der noch immer sichtlich mitgenommenen Inhaberin ab.

Mein Blick schweift über die umgekippten Regale. Noch sehe ich keine Spur von Castiel.
Tief einatmen, tief ausatmen.

Wie in Trance bewege ich mich in Richtung Kasse. Instinktiv spüre ich seine Anwesenheit, noch bevor ich die strahlend blaue Weste erkenne.
Unsere Blicke treffen sich zeitgleich.

Ich verliere den Boden unter meinen Füßen und falle. Falle in das Blau seiner Augen und es fühlt sich gut an, richtig. Hilflos sinke ich immer tiefer in die Wogen, wie ein Ertrinkender, der nicht mehr den Himmel über sich erblicken kann.
Sein Mund steht offen und ich blicke in diesem Moment bestimmt nicht minder schockiert drein.

„Agent Coulton. Ich muss Ihnen einige Fragen zu den Morden stellen." Mechanisch hole ich meinen Ausweis hervor und spule das Band ab, das ich vorhin beim Polizisten eingespielt habe.
„Natürlich." Er wendet seinen Blick nicht von mir ab. Sein Gesicht zeigt nun keine Spur mehr von Verunsicherung oder Schock. Auch er hat sich rechtzeitig eine Maske aufgesetzt.
Hoffentlich macht es das Ganze einfacher.
„Ich habe mit Janet die Abendschicht übernommen. Es ist gerade leer geworden, als die beiden die Tankstelle betreten haben. Was danach geschehen ist, weiß ich nicht mehr. Ich bin neben Janet aufgewacht, wir beide sind ohnmächtig geworden. Sie hat die Leichen zuerst entdeckt."

Er rattert die Ereignisse wie ein Protokoll herunter, ohne zwischendurch Luft zu holen. Seine Worte sind schmerzhaft offensichtlich einstudiert, aber ich bin froh, dass er sich beeilt und ich nicht allzu lange bei ihm bleiben muss.

„Das ist also dein Job."

„Was?" Sofort gerät mein eingearbeiteter Gesprächsablauf aus dem Ruder.
„Ja, ähm, ich bin FBI Agent", stottere ich los und lasse dabei meine Maske fallen. Verdammt.
„Dean Coulton? Klingt irgendwie merkwürdig." Er lächelt kein bisschen, sondern wirkt angespannt.
„Sagt ausgerechnet ein Castiel", murmle ich und wende mich von ihm ab.

„Wieso bist du zurückgekommen?"

Nein, bitte nicht.

Das hätte ich am liebsten als Antwort gebrüllt, stattdessen sage ich mit fester Stimme; „Weil es mein Job ist ungewöhnliche Mordfälle zu untersuchen." Zum Glück muss ich ihn dabei nicht ansehen.
„Weißt du, wie sehr es wehgetan hat, als du einfach gegangen bist?" Seine Stimme ist leise, aber da liegt unverkennbar eine unterschwellige Wut in ihr.
„Es tut mir leid", ist alles was ich sagen kann. Es klingt billig und einfach nur falsch.
„Tut es dir? Wirklich? Nach Wochen ohne irgendein Zeichen kommst du hier her und tust so, als wüsstest du nicht wer ich bin. Macht es dir Spaß, auf meinen Gefühlen herumzutrampeln?"

Er packt mich an der Schulter und reiß mich herum, sodass ich keine andere Wahl habe, als ihn anzublicken. In seinen Augen finde ich, was ich befürchtet habe; Wut und Schmerz, nur, dass ausgerechnet Letzteres überwiegt. „Sag es mir nochmal; sag noch einmal, dass du hier nur deinen Job machst."
Ich starre auf den Boden und schweige. Das hier übertrifft meine schlimmsten Befürchtungen.
„Du hast keine Ahnung wie sehr du mich damit verletzt hast." Er flüstert es nur, doch ich kann seine seelischen Narben förmlich heraushören.
„Glaub mir, ich wollte das nicht."
Er schnaub abfällig und geht einige Schritte zurück. „Na klar, du wurdest ja gezwungen einfach zu verschwinden. Es war ja nicht „deine" Entscheidung." Ich habe keine Ahnung wieso er das Wort „deine" mit einer Fingergeste in Anführungszeichen setzt, aber traue mich auch nicht nachzufragen. Stattdessen versuche ich den Kloß in meinem Hals herunterzuschlucken.

„Es war ein Fehler", bringe ich heraus.

Es fühlt sich gut an, dieses Geständnis zu machen, nach all den Wochen der Verleugnung.
„Was war ein Fehler; Dein Kuss? Der Sex? Dein Verschwinden? Deine Rückkehr? Alles davon?"
Jedes einzelne Wort trifft mich wie eine Pfeilspitze.
„Es tut mir leid", wiederhole ich, in dem Wissen, dass die Worte nichts besser machen werden.
„Ich kann dich einfach nicht vergessen. Ich habe es versucht, wirklich versucht, aber es geht nicht."

Nun ist er derjenige, der sich abwendet. „Und was glaubst du, ändert das jetzt?"
„Nichts", seufze ich. In mir macht sich Erschöpfung breit: wir beide stehen vor dem Scherbenhaufen, der vielleicht eine Freundschaft hätte sein können. Vielleicht sogar mehr als das, aber ich habe es zerstört, bevor das Ganze überhaupt eine Chance hatte.
Vielleicht gibt es hier nichts mehr zu kitten, vielleicht ist das hier ausweglos.
Was habe ich mir auch erhofft, als ich hierher gefahren bin?

„Gut, dann lass mich wissen, wenn dir doch noch etwas bezüglich der Leichen einfallen sollte."
Mit diesen Worten drehe ich mich um und gehe, achte dabei kaum wohin.
Weg von ihm, einfach nur weg.
Ich schlucke die aufkommenden Tränen herunter und behalte meine Maske bei.
Wegen so etwas werde ich auf keinen Fall heulen. Soll er doch zur Hölle fahren.

„Inspektor Coulton?"
Janet Sterlings Stimme ist eine eher unwillkommene Ablenkung.
„Was gibt's?" Das Lächeln tut weh, aber ich zwinge es mir ab.
„Da wäre vielleicht doch noch etwas..." Nervös fährt sie sich durch die Haare.
Interessiert schaue ich sie an und warte geduldig, bis sie fortfährt.
„Ich weiß nicht, wahrscheinlich habe ich mir das nur eingebildet. Es lag bestimmt an meinem Schock oder so. Nein, es kann ja auch gar nicht sein..."
„Was auch immer es ist; sagen Sie es ruhig. Jede noch so nichtige Information kann hohe Relevanz haben und Sie wollen doch keine Hinweise unterschlagen?"
Erschrocken reißt sie die Augen auf und ich muss mir ein Lächeln verkneifen.
„Also schön, nun, ich bin ja neben Castiel aufgewacht. Er hat die Augen geöffnet und für einen Moment war da dieses...dieses helle Leuchten."

Sie schaut mich peinlich berührt an, aber ich verziehe nicht einmal die Mundwinkel.
„Leuchten? Was für ein Leuchten?", frage ich mit ernster Stimme.
„Seine Augen haben hell aufgeleuchtet. Wie gesagt, wahrscheinlich habe ich mir das nur eingebildet." Sie wendet sich ab und ringt mit sich selbst. „Ja, das war nur Einbildung."
„Wahrscheinlich war es das. Trotzdem danke, dass Sie sich mir anvertraut haben." Mit diesen Worten verabschiede ich mich von der Frau und eile abermals zur Kasse. Ein helles Leuchten. Vielleicht kann ich dieser Frau Sterling nicht vertrauen, aber sollte sie doch die Wahrheit sagen...

Als ich Castiel erreiche, bietet sich mir ein erschreckender Anblick:
der junge Mann kauert zusammengesunken auf dem Boden, die Hände an die Ohren gepresst, die Augen zusammengekniffen. Er scheint starke Schmerzen zu haben und seine Lippen sind nur noch ein schmaler Strich, durch seinen krampfhaften Versuch einen Schrei zu verhindern.
Sofort gehe ich neben ihm auf die Knie. Ich fühle mich hilflos, aber lege behutsam meine Hand auf seinen Rücken und streichle ihn. Obwohl er mich vermutlich nicht hören kann, flüstere ich: „Alles wird gut." Immer und immer wieder. Vielleicht ja auch nur um mich selbst zu beruhigen. Mein Herz stolpert regelrecht, während mein Blick auf ihm ruht. Ich hab keine Ahnung was die Ursache seines Zustandes ist, geschweige denn was ich dagegen tun kann.

Ich weiß nicht wie lange wir so nebeneinander verharren, aber irgendwann spüre ich wie seine Schmerzen nachlassen und er vorsichtig seine Hände von den Ohren nimmt. Erst jetzt bemerkt er meine Anwesenheit und weicht erschrocken zurück.
„Entschuldige, ich hab mir Sorgen gemacht. Geht es dir gut?"

Er richtet sich ruckartig auf und ich habe Angst, dass er jeden Augenblick umfallen könnte. „Es ist nichts weiter, kein Grund zur Sorge."
„Ja klar, du siehst aus wie das nächste Covermodel der Apothekenumschau", scherze ich trocken und weiche ihm nicht von der Seite. „Wovon redest du?"
„Du siehst aus wie eine wandelnde Leiche", erkläre ich ohne Umschweife.
„Danke, schau mal in den Spiegel", grummelt er und reibt sich die Schläfen. „Hast du Kopfschmerzen? War das ein Migräneanfall oder so?" Eine Erklärung wäre wirklich nicht schlecht.
„Nein, ich habe nur manchmal diese...Aussetzer."
„Aussetzer?"
„Dann höre ich so ein Flüstern. Überall um mich herum. Nach einigen Minuten geht es aber wieder."

„Du hörst Stimmen?" Jetzt weiche ich vorsichtshalber doch ein wenig zurück.
„Nein, es ist irgendwie anders. Egal, jedenfalls geht es jetzt wieder."
„Warst du deswegen schon beim Arzt?", frage ich weiter.
„Was kümmert dich das?" Sein Blick schmerzt, aber ich halte ihm stand.
„Ich will nur sichergehen, mehr nicht. Außerdem bin ich zurückgekommen, um dich nochmal zu fragen, ob du dich wirklich an nichts mehr erinnerst, bezüglich der Leichen."
Er versucht mit den Augen zu rollen, was ihm nicht ganz so gut gelingt.
„Nein, ich weiß wirklich nichts mehr. Du kannst gehen."
„Erst wenn ich weiß, dass du nicht jeden Moment umkippen könntest", widerspreche ich, ohne zu zögern.
„Findest du nicht, dass es etwas spät ist den Besorgten zu spielen?"
Autsch. Das hat gesessen.

„Sorry, das Argument gilt nicht. Also, lass mich dich wenigstens nachhause fahren."
Diese Worte bewirken eine Veränderung; er sinkt noch stärker in sich zusammen und auch der letzte Rest Farbe weicht aus seinem Gesicht. „Nicht nötig." Seine Worte klingen schwach, kraftlos.
Hoffnungslos.

„Und ob, in deinem Zustand baust du nur einen Unfall, wenn du fährst."
Zur Not kann ich ihn bestimmt einfach über meine Schulter werfen und zum Auto tragen, so gebrechlich wie er momentan aussieht.
„Dean, ich sagte, es ist nicht nötig." Nun spricht er lauter, fast schon drängend.
„Ich habe dich schon verstanden, aber ich bleibe dabei." Demonstrativ verschränke ich die Arme.
„Ich werde hier bleiben", beharrt er mit Nachdruck.

„Hier? Das hier ist ein Tatort. Du kannst hier nicht bleiben."
Wie kann ein Mensch nur so stur sein?
Seine Verzweiflung ist förmlich greifbar, als er antwortet;
„Aber ich...ich habe keinen Ort, wo ich hingehen kann."

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