09 - Ich renn nicht mehr hinterher

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Dieses negative und unsichere Gefühl blieb bestehen. Ich war mir sicher, dass etwas nicht stimmte. Ich kannte Vivienne dafür gut genug um zu wissen, wenn was los war und deshalb war ich nur noch verunsicherter, da sie scheinbar nicht mit mir drüber sprechen wollte.

Mein Gefühl blieb bestehen und bestätigte sich dadurch, dass sie mir in den folgenden beiden Tagen kaum noch antwortete. Sie reagierte nicht auf meine Antworte und es fühlte sich so an, als würde sie sich von mir distanzieren ohne mir einen Grund zu nennen. Und das war das, was meinem Herzen wieder einen Kratzer zufügte.

Ich fühlte mich unbeholfen und ich wusste nicht was ich tun sollte. Mittlerweile hatte sie mir seit drei Tagen nicht mehr geantwortet, aber sie war seitdem auch nicht mehr online gewesen. Meine Nachricht war ungelesen, die Haken auf WhatsApp grau.

Langsam aber sicher begann diese Situation einmal mehr meine Gedanken zu zerfressen. Ich hasste mich dafür, dass ich manchmal emotional überreagierte. Aber war es eine Überreaktion? Immerhin hatte sie sich nicht mehr gemeldet und sich von mir distanziert ohne mir einen Grund zu nennen.
Ich hatte immer gedacht wir konnten über alles reden. Nie hätte ich damit gerechnet, dass fehlende Kommunikation in unserer Beziehung ein Problem werden würde.

War es der Alltag, der uns nun eingeholt hatte? War eine Beziehung bei uns doch etwas ganz anderes als eine beste Freundschaft?

Mein Herz zog sich zusammen, bei dem Gedanken, dass sie gerade möglicherweise mit Daniel sprach, statt mit mir. Dass sie sich bei ihm ausweinte und nicht bei mir.

Konnte man nicht gleichzeitig in einer Beziehung und in einer besten Freundschaft sein? Verlor man automatisch eine Freundschaft durch eine Beziehung? Hatten wir unsere Freundschaft dadurch zerstört, dass wir zusammengekommen waren?
Aber wären wir noch befreundet, wenn wir nicht zusammengekommen wären?
Fragen über Fragen stapelten sich in mir, aber Antworten fand ich keine.

Abermals schaute ich auf unseren Chat, mit der Hoffnung, dass sie mir geantwortet hatte oder zumindest die Nachricht gelesen hatte. Aber meine Hoffnung verschwand sobald ich WhatsApp geöffnet hatte. Die Haken blieben weiterhin grau.
Das Einzige was noch verriet, dass wir in einer Beziehung waren, war ihr Profilbild, was uns beide an Neujahr zeigte. Küssend.
Mein Herz schmerzte bei diesem Anblick.
Wie gerne ich sie gerade küssen würde. Ihr sagen würde wie sehr ich sie liebte und sie in den Arm nehmen.

Sie fehlte mir. Knapp eine Woche war vergangen, seitdem wir uns das letzte Mal gesehen hatten und das war für meinen Geschmack viel zu lang. Ganz davon abgesehen, dass wir seitdem sowieso kaum Kontakt hatten.

Anfangs hatte ich es noch auf die Klausurenphase geschoben. Vielleicht war sie am Lernen, aber das erklärte keine dreitägige Abwesenheit. Und warum hatte sie mir dann vorher nicht Bescheid gesagt.
Außerdem war mir abermals der Gedanken aufgekommen, dass ihr etwas zugestoßen war. Der Gedanke schwirrte teilweise immer noch in meinen Kopf herum.
Er war das absolut schlimmste Szenario was ich mir vorgestellt haben konnte und irgendwann hatte mich dieser Gedanke so stark belastet, dass ich mit Amelie darüber gesprochen hatte.
„Wenn ihr etwas passiert wäre hätte Daniel mir oder dir, beziehungsweise wahrscheinlich sogar uns beiden, geschrieben. Ihr ist nichts passiert, vielleicht ist sie einfach im Stress. Geb ihr Zeit."

Amelies Worte hatten mich nicht wirklich beruhigt, aber es stimmte vermutlich. Daniel war zuverlässig und er wusste wie viel sie mir bedeutete. Eines Abends, an dem relativ viel Alkohol floss, hatten wir beide uns unterhalten und ich hatte ihm vollständig erzählt wie ich für sie fühle. Sachen, die man nur tut, wenn Alkohol im Spiel ist.
Vivienne und ich waren zu dem Zeitpunkt schon zusammen und Daniel hatte dann erzählt, wie sehr er sich für uns freute. Daniel war ein herzensguter Mensch. Er hätte uns gesagt, wenn etwas Ernstes passiert wäre.

Aber ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie bloß im Stress war. Irgendetwas in mir sagte, dass da mehr dahintersteckte.
Und der Satz, dass ich ihr Zeit geben sollte, verunsicherte mich.
Ich hatte ihr schon so viel Zeit gegeben. Musste ich nicht irgendwann einmal an mich denken? Ich hatte ihr gefühlt mein ganzes Leben lang schon Zeit gegeben und ich war endlich glücklich, als wir zueinander gefunden hatten.
Ich hatte ihr gerne Zeit gegeben und auf sie gewartet und wahrscheinlich würde ich es wieder tun, aber das letzte Mal warten hatte mich fast kaputt gemacht. Wie lange musste ich dieses Mal warten?

Ich stand von meinem Bett auf und ging entschlossen ins Wohnzimmer. Wie erwartet fand ich dort Amelie, die in einer Decke eingehüllt auf der Couch saß und eine Folge ihrer Lieblingsserie schaute.
Draußen war es schon lange dunkel und es schneite vor sich.
„Ich weiß nicht, ob ich ihr Zeit geben kann."

Amelies Blick schnellte bei meinen Worten in meine Richtung. Ich brauchte das Thema gar nicht genauer erläutern, sie wusste direkt was ich meinte.
Ihr Blick war verständnisvoll und sie schenkte mir ein vorsichtiges Lächeln. Die Serie pausierte sie durch einen kurzen Tastendruck auf den Controller.
„Komm her Alex."

Sie ging zu ihr und setzte mich auf die Couch.
„Keiner verlangt von dir, dass du auf sie wartest. Das ist ganz allein deine Entscheidung. Du musst wissen, ob du glücklich bist oder nicht."

„Ich will auf sie warten. Ohne sie fehlt mir etwas. Ich weiß was ich will und was ich brauche. Aber ich weiß nicht ob ich das kann oder ob ich nach und nach daran kaputt gehe. Darum hatte ich ihr von meinen Gefühlen erzählt. Und nun muss ich wieder warten, ohne dass sie mir einen Grund gibt."

Amelie schaute mich mitfühlend an. Dann stand sie auf und ging zum Kühlschrank und holte den Gin raus.
„Ich denke du brauchst was Starkes um mal auf andere Gedanken zu kommen."
Fast musste ich ein wenig lachen. In den letzten Monaten hatte ich mich so sehr an das Studentenleben mit dem ständigen Feiern gewöhnt, dass ihre Vermutung sogar stimmen könnte.
Vorher wäre ich sonst nach gefühlt zwei Schlucken komplett weg gewesen, wobei mich das auch von den Gedanken weggebracht hätte.

Amelie kam mit dem Gin, einer Tüte Chips und einer Flasche Tonic Water wieder zurück auf die Couch.
Die Flasche mit dem Tonic Water hätte sie jedoch auch erstmal stehen lassen können.

Nachdem wir mit einem Shot angestoßen hatten fing ich einfach an zu reden.
„Ich fühle mich so leer. Ich bin dauergestresst und weiß momentan nichts mit mir anzufangen. Die Lernstress, die Sache mit Vivienne. Es fällt mir alles so schwer. Irgendwie bekomme ich mich auch schlichtweg nicht motiviert."

„Das was im Leben wirklich zählt, ist ob du glücklich und mit dir zufrieden bist. Wie du das erreichst ist jedem selbst überlassen, aber einen Weg gibt es immer und in den meisten Fällen auch mehr als nur einen Weg."
Ich nickte. Amelies Worte stimmten. Aber ich stand vor der Gabelung der Wege und wusste nicht weiter für welchen Weg ich mich entscheiden sollte.
Keiner dieser Wege würde einfach werden.
„Und wenn ich mich dazu entscheide nicht auf sie zu warten? Ihr nicht mehr hinterherzurennen?"
Amelie zuckte mit den Schultern.
„Dann ist das so."

Als wir die Reste der Ginflasche geleert hatten holte Amelie eine zweite Flasche und machte die nächste auf. Dieses Mal mischten wir den Gin mit dem Tonic Water.
Die Zeit verging. Der Schnee fiel weiter beruhigend vom Himmel hinab und wir unterhielten uns frei raus über das was uns gerade einfiel.

Wir redeten über das Studium und wie es mir so gefiel. Ich erzählte ihr, dass es mir wirklich Spaß machte und vor dieser Klausurenphase alles super war. Zu meiner Beruhigung erklärte Amelie mir dann, dass das bei ihr auch immer so war und dass es vielen so geht. So lange es mir gefalle, sollte ich dabeibleiben.

„Das hatte ich auch vor."
Amelie lächelte.
„Super, dann muss ich mir ja keinen neuen Mitbewohner suchen."
Sie stupste mich dabei mit dem Ellenbogen in die Hüfte.
Ich lachte und sie lachte mit.

Dann erzählte Vivienne mir von ihren ersten Semestern und den Erlebnissen mit ihren Dozenten und Kommilitonen.
Von den Jungs die ihr hinterherliefen und denen sie nach und nach allen einen Korb verteilten.

„Jetzt weiß ich warum Mama und Papa bei mir größere Hoffnungen auf Enkelkinder haben."
Ich lachte.
„Wenn eines Tages der Richtige über den Weg läuft, dann können die sich bei mir auch Hoffnungen machen. Aber ich habe mich bewusst dazu entschieden, dass ich das erstmal nicht brauche. Wenn ich irgendwann im Beruf bin, gerne."

„Also müsste bei dir schon ein junger Leonardo DiCaprio bei dir vorbeilaufen, damit man dich aus der Reserve locken könnte?"
Ich hackte nochmal nach und hob dabei belustigt meine linke Augenbraue hoch.
„Hmm, ja, dann könnte ich mir das überlegen."
Wir lachten beide erneut.

Nach einer kurzen stilleren Pause nahm Amelie wieder das Wort an sich.
„Und du? Willst du irgendwann mal Kinder?"

Ich zuckte mit der Schulter.
„Theoretisch ja. Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als seinem Kind die Welt zu zeigen und ihm beim Aufwachsen zu zusehen.
Ich meine ist dieses Funkeln in den Augen von Kindern nicht das Beste, was Eltern passieren kann?"
Ich pausierte kurz bevor ich fortfuhr.
„Aber wenn mein Kind genauso ein emotionales Wrack wie ich wird, dann möchte ich ihm das lieber ersparen. Schau dir die Welt an. So viel Stress und Negativität."
Ich brauchte meine Gedankengänge gar nicht weiter erläutern. Amelie nickte und deutete mir, dass sie das sehr gut nachvollziehen konnte.

Unsere Gespräche verliefen immer weiter. Die Themen flossen ineinander über und wir redeten über alles was uns gerade auf dem Herzen lag.
Es tat gut, sich so mit ihr unterhalten zu können. Bei den ganzen Sachen mit Vivienne hatte ich immer wieder vergessen, wie gut ich mich mit Amelie verstanden hatte bevor sie zum Studieren weggezogen war.
Ich war mir gar nicht bewusst gewesen, wie sehr sie mir gefehlt hatte und wie glücklich ich mich schätzen konnte, dass ich diesen Kontakt wiederherstellen konnte.
Sich nun so unterhalten zu können, war ein gutes Gefühl und es machte mich glücklich.

Wir bekamen gar nicht mit, wie es aufhörte zu schneien und erst als es hell wurde schauten wir das nächste Mal auf die Uhr. Jedoch schafften wir es nicht mehr ins Bett, also schliefen wir beide auf der Couch ein.

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