25 - Ein Schritt in Richtung Wahrheit

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Mein schlechtes Gewissen gegenüber Leo bringt mich beinahe um den Verstand. Den ganzen Sonntagabend bombardiere ich ihn mit Nachrichten und versuche, ihn telefonisch zu erreichen, doch er ignoriert mich. Irgendwann blockiert er mich sogar auf WhatsApp, sodass ich es fürs Erste aufgeben muss, das Drama rund um Valentin und Duke aufzuklären.

Als ich am Montagmorgen aufwache, liegen tiefe Ringe unter meinen Augen, die auf eine schlaflose Nacht hindeuten. Ständig musste ich an Leo denken und habe gebetet, dass seine Freunde für ihn da sind, um ihn aufzufangen.

Obwohl ich überhaupt nicht in der Stimmung zum Arbeiten bin, wechsele ich meinen Schlafanzug gegen eine Jeans und ein Top, schaufele eine Schüssel Müsli in mich hinein und lasse mich dann von Thomas zum Heaven bringen.

Ich kann meinem Vater ansehen, dass ihm mindestens tausend Fragen auf der Zunge liegen, aber mir zuliebe schluckt er sie allesamt hinunter.

„Du weißt, dass du immer mit mir reden kannst, Herzchen, oder?", möchte er von mir wissen, als er das Auto vor dem Heaven parkt. „Ich bin für dich da - egal, was ist!" In seinen Augen funkelt Besorgnis, die sich in Form von tiefen Falten auf seiner Stirn widerspiegelt.

Eigentlich haben meine Väter schon gestern Abend versucht, mit mir zu sprechen, aber da ich mich in meinem Zimmer eingeschlossen und mich partout gegen ein Gespräch gewehrt habe, haben sie irgendwann kapituliert.

„Ich weiß", seufze ich leise. „Das Date mit Leo ist leider nicht ganz so verlaufen, wie ich es mir gewünscht habe. Mach dir keine Sorgen! Ansonsten geht es mir gut!"

Ich zwinge mir ein Lächeln auf die Lippen und drücke kurz Thomas' Hand. Dann schnappe ich mir meinen Rucksack, klettere aus dem Auto und flüchte schnellen Schrittes in den Aufenthaltsraum des Heaven.

Heute bin ich ganze zweieinhalb Stunden zu spät. Zum Glück ist es relativ leer in dem Lokal, sodass mein schlechtes Gewissen nicht noch mehr an Größe zunehmen muss.

Hoffentlich kann mich die Arbeit von Leo ablenken ...

Ich binde mir gerade die Schürze um die Hüften, als ein Räuspern hinter mir ertönt. Der Duft von Meersalz und Kiefernadeln, der kurz daraufhin in meine Nase strömt, kündigt Dukes Anwesenheit an.

Trotz meines rasenden Herzens drehe ich mich langsam zu ihm um.

Duke steht mit verschränkten Armen im Türrahmen. In seinem Blick wabert eine Mischung aus Angst und Unsicherheit.

Da mich die Gefühlsexplosion in seinen Augen verwirrt, ergreife ich als Erste das Wort. „Was willst du, Duke?", frage ich ihn genervt. „Mir eine Predigt darüber halten, dass ich zu spät bin? Vielleicht überrascht es dich, aber ich kann schon seit dem Kindergarten die Uhr lesen!"

Für den Bruchteil einer Sekunde heben sich Dukes Mundwinkel zu einem Schmunzeln, ehe sich wieder ein emotionsloser Schatten über sein Gesicht legt. Irgendwie sieht Duke müde und erschöpft aus - so, als hätte nicht ich nur drei Stunden geschlafen, sondern er.

Wie kann es sein, dass er trotzdem so unverschämt attraktiv ist? Vor allem das mintgrüne Bandana, das seine wilden Locken bändigt, gefällt mir, aber auch das weiße T-Shirt, das seine Oberarme gekonnt in Szene setzt, lässt die Schmetterlinge in meinem Bauch tanzen.

„Eigentlich wollte ich dich fragen, wie dein Date war. Na ja, deine schlechte Laune spricht für sich ...", murmelt Duke spöttisch. „Lass mich raten: Entweder bist du zu spät gekommen oder du hast deinen Ginger zur Begrüßung mit einem Kuss überwältigt. Ich tippe ganz stark auf die erste Option."

Während Duke über seine eigenen Worte lacht, wird in meinem Inneren ein Feuer des Zorns entfacht.

Es macht mich wütend, dass er denkt, mich zu kennen, obwohl er das nicht tut. Außerdem verletzt es mich, dass er über unser Kennenlernen im Supermarkt herzieht.

„Ja ja, mach dich ruhig lustig über mich, Duke", erwidere ich schnaubend. „Es geht dich überhaupt nichts an, wie mein Date verlaufen ist. Du bist bestimmt eh nur eifersüchtig, weil jemand ernsthaftes Interesse an mir hat, du aber immer nur zu irgendwelchen oberflächlichen Sextreffen eingeladen wirst!"

Mit meiner letzten Aussage spiele ich darauf an, wie Liana und Duke zusammengefunden haben.

Anfang des Jahres haben sich beide die Dating-App Tinder heruntergeladen, worüber sie dann mehrere Sextreffen vereinbart haben. Auch wenn es für mich schwer vorstellbar ist, soll sich daraus die wahre Liebe entwickelt haben.

„Gott, du hörst dich wie eine verbitterte Jungfrau an, Harlow!"

Duke lässt die Tür ins Schloss fallen und tritt danach ein paar Schritte auf mich zu. In seinen Augen zucken Blitze, die aus Wut und Scham bestehen.

„Vielleicht musst du mal wieder richtig durchgenommen werden, damit du nicht ständig so schlechtgelaunt bist!"

„Ich und ständig schlechtgelaunt?", wiederhole ich empört. „Wenn dann liegt das nur daran, weil ich alle zwei Tage dich, dein nerviges Gelaber und dein viel zu großes Ego ertragen muss! Sei froh, dass ich dir noch keine Pillen ins Wasser gemischt habe!"

Begleitet von dem Zorn, der in jeder einzelnen Faser meines Körpers pulsiert, trete ich so nahe vor Duke, bis sich unsere Nasenspitzen berühren. Sein Atem kriecht schauernd über meine Lippen und sorgt kurz dafür, dass mein Gehirn aussetzt.

Verdammt! So war das nicht geplant.

„Hör auf, so einen Schwachsinn zu erzählen!", ärgert sich Duke über meine Worte. „In Wahrheit himmelst du mich doch an und wünscht dir, dass ich dich nochmal küsse!"

„Ja." Ich bohre meinen Zeigefinger in seine Brust. „Wärst du nicht so ein Arsch, würde ich mir das wirklich wünschen, aber ich bin keine dämliche Puppe, mit der du spielen kannst! Such dir eine andere Frau, die du zu deinem Spielzeug machst!"

Ganz langsam neigt Duke seinen Kopf zu mir hinunter, sodass seine Lippen meinen rechten Mundwinkel berühren.

Mit aller Kraft versuche ich das Feuer unter meiner Haut zu ignorieren, doch es lodert so intensiv, dass mein ganzer Körper bebt. Ich bekomme kaum noch Luft und würde Duke am liebsten anflehen, mich endlich mit seinen Küssen in den siebten Himmel zu befördern.

Schmetterlinge flattern durch meinen Bauch und vernebeln mir die Sinne. All meine Vorwürfe verlieren plötzlich an Bedeutung.

Ich weiß nicht, warum sich meine Hände verselbstständigen, doch sie legen sich an Dukes glühend heiße Wangen. Seine Sturmaugen treffen wie Blitze auf meine, als er raunt: „Ich spiele nicht mit dir, Harlow. Das habe ich nie gemacht!"

Ein Erdbeben erschüttert meine Statur und lässt meinen Herzschlag für ein paar Sekunden aussetzen.

Halleluja! Ist das gerade die rosarote Brille, die mich bewegungsunfähig macht, oder warum stoße ich Duke nicht endlich von mir weg? In diesem Moment bin ich wie seine Marionette, mit der er alles machen kann, was er möchte.

„Mein Problem ist einfach, dass du mich wahnsinnig machst!" Duke rauft sich verzweifelt die Haare, wodurch sich sein Bandana löst und geräuschlos zu Boden gleitet. „Wenn du mich aus deinen tiefblauen Augen anschaust, werden meine Beine so weich wie Wackelpudding. Dein Lachen löst einen Orkan in meinem Bauch aus, deine Berührungen einen ganzen Tornado. Seit du mich im Supermarkt geküsst hast, kann ich an nichts anderes mehr als an deine Lippen denken, verdammt!"

Duke atmet so schwer, dass sein heißer Atem wie Kometen an meinem Mund abprallen.

Ich bin wie erstarrt und finde nicht die richtigen Worte, um etwas auf sein Geständnis zu erwidern.

Das alles überfordert mich.

Duke ... Seine Worte ... Seine Nähe ... Seine Lippen, die den meinen so nahe sind ...

„Ich habe eine Freundin, okay? Warum denke ich abends im Bett immer nur an dich und nicht an Liana, hm? Am Anfang waren da noch Schmetterlinge, wenn ich Lia gesehen habe, doch jetzt wütet ein verdammter Zoo in meinem Magen, wenn du in meiner Nähe bist! Scheiße!"

Ein Ausdruck der Verzweiflung schiebt sich über Dukes Pupillen.

Da ich noch immer keine Ahnung habe, was ich sagen soll, möchte ich unsere Lippen sprechen lassen, doch kurz bevor sich unsere Münder berühren können, dreht Duke seinen Kopf zur Seite.

„Das geht nicht, Harlow", murmelt er mit solch einer Unentschlossenheit in der Stimme, dass er sich selbst nicht zu glauben scheint. „Ich bin mit Liana zusammen. Du bist nur ihre beste Freundin, die immer und überall zu spät aufkreuzt."

Normalerweise würden mir Dukes Worte wehtun, doch in diesem Moment habe ich keine Kontrolle mehr über meine Gefühle. Ich kann nur noch an Dukes Lippen denken, die ein paar Zentimeter vor meinen eigenen schweben.

„Küss mich", raune ich so leise, dass sich meine Stimme in der Luft verliert.

Duke seufzt. „Ich kann nicht."

„Warum?"

Ich erkenne in Dukes Augen, dass es ihn all seine Selbstbeherrschung kostet, meine Hände loszulassen und zwei große Schritte zurückzutreten. Obwohl uns nun höchstens ein Meter voneinander trennt, vermisse ich schon jetzt Dukes Wärme und das Prickeln auf meiner Haut, das seine Finger ausgelöst haben.

Ich kann nicht beschreiben, was gerade passiert, doch Fakt ist, dass ich in einer rosaroten Herzchenblase gefangen bin.

„Harlow ..." Duke schaut mich gequält an. „Ich bin mit Liana zusammen und du bist ihre beste Freundin. Glaub mir oder lass es, aber ich bin kein Mensch, der seine Partnerin betrügt."

„Dann mach Schluss!", entgegne ich wie aus der Pistole geschossen.

Wieder seufzt Duke und wieder fährt er sich mit seinen Fingern durch die Locken.

„So einfach geht das nicht", behauptet er. „Ich weiß ja nicht mal, ob ich wirklich Gefühle für dich habe oder ob es bloß der Reiz des Verbotenen ist, der dich so attraktiv in meinen Augen erscheinen lässt. Ich habe keine Ahnung, was ich möchte, okay?"

Langsam, aber sicher kehre ich in die Realität zurück. Meine Blase platzt und mit ihr die Herzchen, die mir die Sinne vernebelt haben.

Duke weiß genauso gut wie ich, dass wir seit unserem Kuss im Supermarkt miteinander verbunden sind.

Bei ihm war es vielleicht nicht Liebe auf den ersten Blick, aber definitiv Liebe auf den ersten Kuss.

Gestern habe ich noch an ihm gezweifelt, doch spätestens jetzt, wo er mir einen Einblick in seine Seele gewährt hat, bin ich mir sicher, dass er romantische Gefühle für mich hegt.

Warum sonst sollte er ständig an mich und nicht an Liana denken? Das ergibt überhaupt keinen Sinn!

Da ich Duke zu nichts zwingen kann, beschließe ich, ihm lediglich einen weiteren Denkanstoß mit auf den Weg zu geben.

„Ich möchte Liana genauso wenig verletzen, wie du, Duke, aber wenn zwei Menschen zusammengehören, dann sollten sie auch zusammen sein", beginne ich zögerlich. „Ich habe nie mit dir gespielt - kein einziges Mal. Du bist der erste und einzige Mann, der es geschafft hat, mein Herz zum Tanzen zu bringen. Die ganze Welt könnte mir sagen, dass ich mich von dir fernhalten soll, aber ich würde es nicht tun!"

Mein Herz klopft so schnell und kräftig gegen meinen Brustkorb, dass ich befürchte, es könnte jeden Moment herausspringen.

„Ich werde dich nicht dazu überreden, Liana zu verlassen, aber du solltest dringend darüber nachdenken, was du wirklich möchtest, Duke. Du kannst deine Gefühle für einen gewissen Zeitraum unterdrücken, doch irgendwann werden sie dich mit solch einer Wucht überrumpeln, dass dir keine andere Möglichkeit bleibt, als ihnen nachzugeben."

Am liebsten würde ich mich nun wie ein wildes Tier auf Dukes Lippen stürzen, doch ich schaffe es irgendwie, diesem Drang zu widerstehen. Stattdessen befestige ich mein Namensschild an meinem Oberteil und drängele mich danach an Duke in Richtung Ausgang vorbei.

Gerade als ich die Türklinke umfasse, ertönt nochmal seine verunsicherte Stimme hinter mir. „Hattest du ernstes Interesse an diesem Ginger?"

Sofort weiß ich, dass die Rede von Leo ist.

Scheinbar hat Duke das Date mehr gestört, als er letzte Woche zugeben wollte.

„Leo ist nett, aber er ist nicht derjenige, der sich einen Platz in meinem Herzen erkämpfen konnte."

Mehr sage ich nicht, denn mehr muss Duke nicht wissen. Jetzt liegt es an ihm, unser Gespräch Revue passieren zu lassen und die richtigen Schlussfolgerungen daraus zu ziehen.

Vielleicht wird er nicht heute oder morgen mit Liana Schluss machen, aber ich bin mir sicher, dass wir zwei am Ende zusammenfinden werden - als Paar.

Vollgetankt mit Optimismus verlasse ich den Aufenthaltsraum. In dem schmalen Flur treffe ich direkt auf meine Großmutter, sodass mir keine Zeit bleibt, Dukes Worte richtig zu verarbeiten.

„Da bist du ja, mein liebes Kind", seufzt meine Großmutter mit einem Hauch von Erleichterung in der Stimme. „Was hast du denn so lange in dem Aufenthaltsraum gemacht? Und hast du Duke gesehen? Das Restaurant quillt fast über vor neuen Gästen!"

Direkt macht sich mein schlechtes Gewissen bemerkbar, weil ich total die Zeit vergessen habe.

„Na ja", stammele ich. „Duke und ich haben gerade miteinander gesprochen. Ich glaube, er braucht noch einen kurzen Augenblick."

Überrascht hebt meine Großmutter die Brauen. „Oh je. Worüber habt ihr euch denn unterhalten?", möchte sie interessiert von mir wissen.

„Über uns", antworte ich wahrheitsgemäß. „Wir haben es endlich geschafft, einen Schritt in Richtung Wahrheit zu gehen. Auch wenn du denkst, dass Duke nur einen Stein in mir sieht, glaube ich so langsam, dass er schon längst erkannt hat, was für ein besonderer Diamant ich bin!"

„Jetzt hast du mich aber neugierig gemacht, Harlow!"

„Tut mir leid, Omi, aber die Gäste warten auf mich", grinse ich meine Großmutter bloß unschuldig an.

Sie wird noch früh genug erfahren, ob ich mit meiner Vermutung Recht habe oder nicht ...

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