In der Sporthalle war heute mehr los als sonst. Es hatte gerade zur Mittagspause geklingelt, und ich stand in den Mädchenumkleiden, flankiert von Doreah und Irri, die gerade versuchten, meine Haare in einen strengen Dutt zu drehen. Sie trugen, im Gegensatz zu mir, bereits ihr Cheerleaderkostüm, auf dem in goldenen Buchstaben Westeros High aufgedruckt war.

"Was ist da draußen für ein Lärm?", fragte ich die beiden. Es war seltsam, denn normalerweise kamen höchstens ein paar bewundernde kleine Mädchen zu unserem Training.

"Jon Stark und seine Mannschaft haben sich dazu entschieden, heute ebenfalls zu trainieren." Doreah verdrehte die Augen.

"Ist dem so?", murmelte ich nachdenklich. Um ehrlich zu sein, reizte Jon mich schon seit einer Weile. Er war groß, hatte eine dunkle Haarmähne und an Muskeln mangelte es ihm auch nicht. Ich hatte schon des Öfteren überlegt, dass wir ein gutes Paar abgeben würden.

Ich war schlank, klein, und hatte silberblondes Haar, also das genaue Gegenteil von Jon.

Außerdem war ich Kapitänin des Cheerleaderteams und er war Quarterback. Optimaler ging's nicht.

"Wie findet ihr Jon Stark?" Ich versuchte meiner Stimme einen neutralen Klang zu geben, als wollte ich nur Konversation betreiben.

"Heiß.", gab Irri wie aus der Pistole geschossen zurück. Doreah kicherte.

Die beiden hatten es endlich geschafft meine Haare halbwegs zu bändigen, und ich gab den beiden mit einem Wink zu verstehen, dass ihre Arbeit an mir getan war. Aus meiner Sporttasche zerrte ich das Kostüm hervor, bevor ich es nachdenklich anstarrte. Hoffentlich machte mich das hellgelb nicht zu blass. Ich musste gut aussehen, um Jons Aufmerksamkeit zu gewinnen.

Ein paar Minuten später standen wir alle in der Sporthalle, die Cheerleader bewaffnet mit ihren Puscheln, und die Footballer in voller Montur. Ich versuchte Jon in der Menge auszumachen, um ihn in ein Gespräch zu verwickeln. Irgendwie musste ich unsere Beziehung doch in Gang kriegen.

Das Training hatte noch nicht begonnen, aber wir hatten uns schon vor ein paar Minuten aufgewärmt. Doreah und Irri schwänzelten um mich herum wie zwei kleine Entenbabys um ihre Mutter. Ich war genervt, denn so würde ich Jon nie für mich gewinnen.

Endlich entdeckte ich ihn. Er stand im Mittelfeld, direkt neben meinem Bruder Rhaegar, dessen lange blonde Haare unter seinem Helm hervorquollen.

Jetzt oder nie.

Ich ließ Doreah und Irri zurück, und schritt zielsicher auf Jon und Rhaegar zu. Mein Bruder runzelte die Stirn, als ich auf ihn zukam. Normalerweise mieden wir uns in der Schule.

"Hallo Bruderherz!", zwitscherte ich. Rhaegar blickte immer noch kolossal verwirrt drein, brachte aber ein strahlendes Targaryen-Lächeln zustande.

"Dany, was machst du hier?"

"Ich trainiere, du Dummerchen." Ich wollte mein Haar elegant in meinen Nacken werfen, dann fiel mir jedoch ein, dass ich es hochgesteckt hatte.

Jon schien nicht allzu begeistert davon zu sein, dass ich sein Gespräch mit Rhaegar unterbrochen hatte, denn er trat unruhig von einem Fuß auf den anderen. Ich entschied also in die Offensive zu gehen.

"Du musst Jon sein.", säuselte ich. "Ich hab schon viel von dir gehört."

"Ach, wirklich?", gab er gelangweilt zurück.

Sein offensichtliches Desinteresse an meiner Person heizte mich nur noch mehr an. "Ja.", strahlte ich. "Rhaegar erzählt viel von dir."

Der Gesichtsausdruck von meinem Bruder hätte nicht verwunderter sein können. Um

ehrlich zu sein, hatte ich den Namen Jon noch kein einziges Mal aus seinem Mund gehört.

"Ich bin sicher, Quarterback ist die schwerste Position beim Baseball!" Ich gab mir Mühe Jon zu umgarnen, während Rhaegar neben mir versuchte, sich daran zu erinnern, wann er mir von Jon erzählt hatte.

"Wir spielen Football.", erwiderte Jon mit einer hochgezogenen Augenbraue. "Und wenn du mich entschuldigst, da hinten ist meine Schwester, ich muss kurz mit ihr sprechen." Er schob sich durch die Menge davon, und Rhaegar brach ich lautes Gelächter aus.

"Na, das lief schlecht, Schwesterherz."

Ich warf ihm einen kalten Blick zu. "Du hättest auch wirklich ein bisschen mehr einspringen können." Verärgert strich ich mir eine lose Haarsträhne aus dem Gesicht. "Ich verstehe nicht, warum er nicht auf mich eingegangen ist. Immerhin bin ich das hübscheste Mädchen der Schule."

Denn wie die Lannister hinterhältig, die Starks wild, die Tyrells höflich waren, so waren wir Targaryen schön.

Rhaegar sah nicht überzeugt aus.

"Wer ist bitte schöner als ich?", schnappte ich verärgert.

"Niemand.", murmelte Rhaegar genervt.

"Spuck aus!" Mein Bruder war so illoyal, das war echt nicht normal.

"Sansa Stark.", seufzte er schließlich.

"Die Stark mit den kastanienbraunen Haaren? Die hat es dir angetan?" Ich musste mich beherrschen nicht auch noch einen Schwall an Beleidigungen loszuwerden.

"Sag es noch lauter, dann weiß es bald die ganze Schule." Rhaegar sah mich wütend an. "Ja, ich finde sie sehr hübsch, aber ich stehe nicht auf sie."

"Du hast einen beunruhigend schlechten Geschmack." Also wirklich, hatte mein Bruder den Verstand verloren? Eine Stark!

"Ich bin nicht der einzige, wenn du denkst ich leide ein Geschmacksverirrung."

"Ach ja? Um ehrlich zu sein, will ich gar nicht wissen, wem die ach so unschuldige Hexe den Kopf verdreht hat."

Ohne mich zu verabschieden stolzierte ich zu Irri und Doreah zurück, die meine finstere Miene gut deuten konnten, und deshalb schwiegen.

"Los, fangen wir an.", murmelte ich grimmig, und Doreah pfiff alle Cheerleader, die sich quer über die Halle verteilt hatten zu uns. Ich zählte durch, und zu meiner großen Erleichterung waren wir vollzählig. Jon Stark sollte eine Show bekommen, die er nie wieder vergessen würde.

Während sich die Spieler am Feld über den Haufen rannten, und sich gegenseitig verprügelten, gaben wir am Spielfeldrand unser bestes. Noch nie war die Pyramide so gut gelungen wie heute, und zu meiner größten Freude sah Jon genau in dem Moment zu mir, als ich ganz oben auf der Spitze der Pyramide stand und dann leichtfüßig hinuntersprang. Ich bildete mir ein, so etwas wie Respekt auf seinem Gesicht zu erkennen.

Als es zum Ende der Pause klingelte, war ich um einiges besser gelaunt, als vor unserer Einlage.

Heute waren wir gut gewesen, und wenn es so weiter ging, kamen wir vielleicht in die engere Landesauswahl. Falls wir gewannen, könnte ich Dad endlich beweisen, dass ich als Mädchen auch zu was gut war. Es war schon schlimm genug, dass er sich auch für diesen Wettbewerb der High Sparrow anmelden wollte. Da hatte ihn, wie Rhaegar es ausdrücken würde, wieder ein Anti-Geniestreich getroffen. Es war doch klar, dass die Targaryen vielleicht die furchteinflößende, verrückteste Familie war, aber keineswegs die best funktionierende.

In der nächsten Stunde hatte ich Biologie, ein Fach, welches ich eigentlich relativ gerne mochte. Im Moment behandelten wir nämlich Schlangen und andere Reptilien, und ich war die einzige, die nicht hysterisch kreischend aus dem Raum gerannt war, als unser Biolehrer eine Schlangenhaut vorgeführt hatte. Ich mochte Schlangen irgendwie, ich fand sie schon immer faszinierend, da sie mich an Drachen erinnerten, unser Hauswappen.

Doreah und Irri hingegen fanden Schlangen und eigentlich jedes andere Tier schrecklich, weshalb sie Biologie so bald wie möglich abgewählt hatten.

Ich musste deshalb nicht in der Umkleide auf sie warten, sondern verabschiedete mich von beiden mit einer schnellen Umarmung. Auch in der letzten Stunde würden wir uns nicht sehen.

Vor meinem Spind hatte sich ein Auflauf gebildet, um mir zu unserer großartigen Preformance zu gratulieren. Ich nahm die Komplimente mit einem bescheidenen Lächeln an, aber innerlich fühlte ich mich großartig. Es war ewig her gewesen, seit ich das letzte Mal so gelobt worden war.

Zwar konnte ich Jon nirgendwo erkennen, aber Loras Tyrell klopfte mir begeistert auf die Schulter. Ich grinste ihn an, bevor ich meine Biosachen aus dem Spind holte, und mich von meinen Fans verabschiedete.

Ich hoffte, dass meine gute Laune anhielt. Denn Zuhause, dem trostlosesten Ort den ich kannte, konnte ich ein wenig Freude mehr als gut gebrauchen.