Kapitel 20: Ein einfacher Raum

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Ich hatte gedacht, es würde mir schwer fallen, nach all diesen Informationen normal weiterzuleben.

Tja, aber ich habe vergessen, dass ich ich bin.

Ich esse gemeinsam mit den anderen zu Abend, höre Christine zu, wie sie sich über den Kürbis in dem Kartoffelauflauf beschwert, und schlafe schließlich ein, bevor Mary anfangen kann, wieder so ohrenbetäubend zu schnarchen.

Es wird morgen.
Aufwachen.
Essen.
Unterricht.
Mittagessen.
Dystopisches Drama.

Wir reden wieder über unsere Albträume, heute allerdings logischerweise mit denen, die bisher noch nicht mit uns gesprochen haben.

Ich lande direkt in der ersten Runde William gegenüber.

„Und?", frage ich leise.

„Was meinst du? Willst du so dringend wissen, was mein schlimmster Albtraum war?!"

„Nein! Kann ich diese Nacht mitkommen? Die Organisation?"

„Ähm ...", macht William und kratzt sich am Nacken. „Das wird ein wenig schwierig. Hör zu, ich melde mich bei dir, wenn es so weit ist. Warte ab. Es ..."

„Schmerzt es so sehr?", fragt Mr Mors hinter uns plötzlich. William nickt eilig: „Ja. Ja, genau so ist es. Wir waren unglaublich vertieft in die Aufgabe!"

Ich verdrehe die Augen, aber Mr Mors nickt William nur zufrieden zu und geht zu der nächsten Gruppe.

„Also: Was ist dein schlimmster Albtraum?", frage ich.

„Wieso muss ich anfangen?! Was ist dein schlimmster Albtraum?"

„Ich habe mehrere."

„Zum Beispiel?"

Ich beiße mir auf die Lippe.

Träume sind eine Vermischung von Erinnerungen, von Gefühlen und Gedanken, die tagsüber vernachlässigt werden.
Träume sind privat, Albträume noch viel privater.

In den letzten Tagen habe ich mir die Albträume der anderen angehört und mir einen eigenen ausgedacht.

Aber bei William? Ich weiß, dass es seltsam ist, aber ich habe das Gefühl ... ihm fast schon vertrauen zu können.

Als ich das Messer zwischen uns gelegt habe, hat er nicht danach gegriffen. Er hat es nicht mal aufmerksam betrachtet.

„Ich war in einem Raum. Die Wände waren ... ich habe keine Ahnung, wie die Wände waren."

„Blutig?", schlägt William vor.

„Nein. Blut steht für Leben. In dem Raum war kein Leben.
Ich habe zuerst noch Stimmen gehört ... aber ... die Stimmen waren keine Stimmen von Menschen. Es wurde abwechselnd kalt und warm.
Zuerst tat mir der Bauch weh, dann ging es mir wieder gut, dann musste ich stark husten. Ich konnte nichts beeinflussen, die Dinge passierten einfach um mich herum.

Das schlimmste war aber ... dass ich mich an nichts erinnern konnte. Ich war in diesem Raum, und ich konnte laufen, so weit laufen, wie ich wollte ... aber ich würde immer weiterhin in dem Raum, immer an derselben Stelle sein.

Und irgendwann ... irgendwann wurde mir klar, dass ich einfach vergessen worden war. Ich war nicht eingesperrt worden, weil ich zum Beispiel ins Gefängnis musste, oder so.

Ich war einfach vergessen worden, vergessen in einem furchtbaren Raum.

Und dann wurde mir klar, dass ich mir die Gefühle – den Schmerz, die Freude, die Wärme, die Kälte ... ich hatte mir alles nur eingebildet.

Die Stimmen gehörten zu mir. Es waren meine Stimmen, aber nicht meine Stimme.

Es gab keinen Sinn mehr, nur noch durcheinander ... und dann bin ich aufgewacht."

William sagt zunächst nichts. Ich habe während des Redens durchgängig auf die Wand neben Williams linker Schulter gesehen, jetzt sehe ich ihn wieder an.

Und er sieht mir direkt in die Augen. Erwähnte ich schon, dass ich nicht wirklich an Augenkontakt gewöhnt bin?

„Das ist ein ... seltsamer Traum.", sagt William leise.

„Ich weiß.
Und jetzt du: Was war dein schlimmster Albtraum?"

„Hey, willst du gar nicht mehr darüber reden?!"

„Worüber? Die Organisa-„

„Nein! Den Traum!"

„Wieso sollte ich?! Es war einfach ein Traum."

Ein Traum, nach dem ich tagelang nicht mehr schlafen wollte, weil ich nicht zurück in den Raum wollte.
Ein Traum, den ich bisher niemandem erzählt habe. Nicht, weil ich es nicht wollte: Es gab einfach niemanden, dem ich es hätte erzählen können.

Detroyts träumen nicht schlecht.

„Hattest du noch andere solche Träume?", fragt William leise.

„Natürlich. Zahlreiche.

Man gewöhnt sich daran."

Man gewöhnt sich nicht daran.

„Und jetzt du: Was war dein schlimmster Albtraum?"

William sieht zu Boden: „Da war ein Hai. Also, ich war in einem blutigen See, und dann hat mir ein Hai die Arme abgebissen -"

„Du hast schon mit Gabrielle zusammengearbeitet, oder?", unterbreche ich ihn.

William verzieht das Gesicht: „Möglicherweise. Was ist mit der eigentlich los?"

„Ich weiß es nicht. Zu viel Salat gegessen?!
Also, was ist dein schlimmster Albtraum?"

William seufzt: „Ich habe mich mit jemandem unterhalten.

Einfach normal unterhalten. Wir waren in einem Wald.

Ich habe keine Ahnung, wie das Wetter war. Ich glaube, es war sonnig.

Auf jeden Fall war die Person plötzlich weg. Ich hatte nur kurz den Kopf abgewendet, und als ich zurück zu ihr gesehen habe ... war sie weg. Das einzige was blieb, waren Blutstropfen an den Baumstämmen.

Dann wurden die Baumstämme plötzlich alle rot, als würden sie bluten.
Ich glaube, dann bin ich aufgewacht."

Er sieht wieder hoch, wieder in meine Augen. Seine Pupillen weiten sich.

„Ah, welch ein furchtbarer Traum!", flüstert jemand hinter uns, versucht, Mr Mors zu imitieren, und bekommt das nicht mal ansatzweise gut hin. Es ist Connor Richter, der William angrinst wie ein Killerclown sein nächstes Opfer. „Na, Genievy: Was hältst du von dem wunderhübschen Traum unseres Wills?"

„Ich finde es lustig, dass ihr Blut alle als etwas schlechtes seht. Von wegen: Wenn Blut fließt, kann das nur negativ sein.

Aber wenn man den Bösen aufschlitzt, blutet der doch auch!", erwidere ich.

„Und warum habt ihr dann nicht mehr so viel Angst vor Mädchen?! Wir bluten doch auch, ich meine, wir haben alle unsere Tage.", sagt Gabrielle schulterzuckend, die wohl heute ihren Hai-See-Traum mit Connor teilt.

„Ja, aber ... ich rede von echtem Blut!", meint Connor und sieht Gabrielle an, als wäre sie die dümmste Person im Raum.

„Kurze Frage: Welche Note hattest du zuletzt in Biologie?", frage ich ihn mit hochgezogenen Augenbrauen. Connor verzieht das Gesicht: „Ich bin durchgefallen. Keine Ahnung, wieso -"

„Oh, glaub mir. Ich weiß wieso.", unterbreche ich ihn lächelnd, als Mr Mors plötzlich laut aufschreit: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?!"

Er fällt auf die Knie, hämmert mit der Faust auf den Boden und auf einmal schießt rote Farbe aus seinem rechten Ärmel.

Über sein rundes Gesicht laufen Tränen und er zuckt, als er hätte er einen Anfall.

Amelya und Owen, die ihm am nächsten sitzen, springen erschrocken auf, und Mr Mors fängt laut an zu lachen: „Das, Kinder des Verdammnis, ist das, was wir üben! Zeigt der Welt euren Schmerz!"

„Ist das Blut?", fragt Gabrielle begierig und sieht auf die rote Farbe, die immer noch auf den Boden tropft.

„Menschenblut.", sage ich und Gabrielle verzieht das Gesicht: „Schade."

„Spinnst du?! Das ist doch nur Acrylfarbe!", ruft Connor und sieht trotzdem mit vor Angst geweiteten Augen auf die Farbe.

Es ist lustig, wie schnell man Menschen verunsichern kann. Riesige Gruppen haben sich schon durch Lügen kontrollieren lassen, es ist ziemlich beeindruckend, wenn man sieht, wie Diktatoren ihr Volk auf die Knie zwingen, weil es immer Leute geben wird, die ihren Befehlen folgen.

[-1137 Wörter-]

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