14 - Karottenmassaker

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

„Hier zeigen wir Ihnen, wie man Gemüse schneidet", erklärt mir die Männerstimme aus dem Video. „Wir werden Karotten verwenden, um Ihnen die sieben wichtigsten Techniken zu zeigen."

Ich stehe mit dem Schäler in der rechten Hand und einer Karotte in der linken an meinem Esstisch und starre auf die Bilder im YouTube-Video. Das Tutorial muss ich auf halbe Geschwindigkeit reduzieren, damit ich den Anweisungen überhaupt folgen kann.

„Von Scheiben und Stäbchen bis hin zu Würfeln."

Die Kamera im Video fliegt über die bereits geschnittenen Karotten und ich muss leer schlucken. Gemüse schneiden ist nicht meine Lieblingsbeschäftigung, aber ich habe beschlossen, für morgen Abend mindestens ein wenig zu üben. Ich kann mir die Blamage vor Chris ja wirklich nicht leisten. Auch wenn ich selbst nicht viel vom Kochen halte, ist es mir irgendwie peinlich, dass ich es nicht kann.

Er hatte den Anschein gemacht, als beherrsche er dieses Handwerk ziemlich gut. Damit ich mindestens ein bisschen mithalten kann, bin ich heute nach der Arbeit gleich wieder in den Migl gerannt und habe mir Gemüse gekauft. Übung macht schliesslich den Meister. Den grimmigen Blick der Fleischdame, die mich gesehen und offenbar wiedererkannt hatte, habe ich dabei sehr gekonnt ignoriert. Ich war dieses Mal ja nicht fürs Fleisch da, sondern fürs Gemüse.

Heute war Patrick nicht im Büro, weil er seinen Chef auf einen externen Anlass hat begleiten müssen. Ich war froh drum, denn so musste ich ihm nicht ständig aus dem Weg gehen.

Ich atme entschlossen aus und horche den Anweisungen aus dem Video.

„Als erstes schälen wir die Karotte mit einem Schäler", instruiert mich der Herr. „Das machen wir mit durchgehenden Strichen von der Oberseite bis zur Spitze, damit sie eine hübsche, gleichmässige Form erhält."

Ich ahme die Bewegungen nach. Immer wieder huschen meine Augen zwischen meinen Fingern und dem Video hin und her. Das ist mir irgendwie zu hektisch. Bei mir lässt sich die Karotte nicht so geschmeidig schälen, wie bei dem Typen im Video und ich stöhne nach kurzer Zeit schon frustriert auf.

Da das Video natürlich selbst in Zeitlupe für mich viel zu schnell läuft, haue ich auf die Pausentaste und schäle die sieben Möhren, die ich gekauft habe. Als ich fertig bin, betrachte ich mein Werk. Meine Karotten sehen übel zugerichtet aus.

Ich seufze und starte das Video wieder.

„Dann nehmen wir ein sehr scharfes Kochmesser und beginnen mit der ersten Technik."

Uh, jetzt wird's lebensgefährlich für mich. Ich werfe den Schäler laut scheppernd in die Spüle und greife zum Messer. Dann ahme ich auch das mit allergrösster Vorsicht nach, was mir der geschickte Mann aus dem Video zu zeigen versucht.

Ich scheitere kläglich. Die Ringe, die es geben soll, sind alle unterschiedlich dick und gleichen eher ein paar Rhomboiden als schönen Rondellen.

„Verdammte Kacke!", fluche ich und werfe das Messer von mir.

Eigentlich wollte ich es auf die Tischplatte werfen, aber da meine Wurfkünste auch zu wünschen übrig lassen, trifft der Messergriff die Kante, sodass es nicht elegant auf dem Tisch landet, sondern mir mit spitzer Klinge zuerst auf den Fuss fällt.

Der markerschütternde Schrei, der mir aus dem Hals entkommt, hallt durch meine Wohnung. Ein lautes Poltern aus Toms Zimmer lässt mich vermuten, dass er meinen Todesschrei gehört haben muss. Seine Tür wird aufgerissen und er stürzt heraus.

„Emma! Was ist passiert?", ruft er, als er in die Küche rennt.

Ich hüpfe auf einem Bein auf und ab und halte mir die Hände auf die Wunde. Es blutet. Ich habe ein Blutbad angerichtet.

„Au! Au! Au!", jaule ich. „Ruf einen Krankenwagen! Ich glaube, ich habe mir einen Zeh abgehackt!"

Toms Blick bleibt auf meinem blutenden Fuss liegen und dann scheint er den Boden nach dem abgeschnittenen Zeh abzusuchen. Der ist wahrscheinlich irgendwo unter den Tisch gerollt.

„ICH STERBE! TOM, ICH STERBEEE!", schreie ich, als er sich nähert.

Seine Arme sind leicht ausgestreckt, als würde er damit versuchen, mich zu beruhigen. Aber ich kann mich nicht beruhigen. Ich habe mich beim Karottenschälen fast autoamputiert! Warum kam in dem verdammten YouTube-Video keine Warnung, dass man sich dabei selbst verstümmeln kann? Vielleicht sollte ich mir überlegen, die zu verklagen.

„Setz dich", sagt Tom und legt seine mageren Hände auf meinen Schultern ab, sodass ich nicht mehr hüpfen kann. Ich plumpse auf den Stuhl und wimmere.

Es ist kein Geheimnis, dass ich ein sehr wehleidiger Mensch bin und meine Schmerzen mir gerne von der Seele schreie. Soll ruhig die ganze Nachbarschaft erfahren, dass ich mir den Zeh verstaucht oder die Finger geprellt habe.

„Ist es sehr schlimm?", frage ich, während ich ihm meinen zerfetzten Fuss hinstrecke. „Sag es mir, wie es ist, Tom! Lüg mich nicht an! Werde ich meinen Fuss verlieren?"

Ich gebe es zu, manchmal neige ich zum Übertreiben. Aber bei mir kann man immer sicher gehen, dass ich zu 100 Prozent zeige und ausdrücke, wie ich mich fühle. Da wird nichts verleugnet oder abgeschwächt. Man kriegt die volle Ladung ab. So auch Tom, der mir etwas zu blass wirkt. Oder mache ich mir nur was vor?

Die Art und Weise, wie bedächtig er meinen Fuss in seinen Händen hält, finde ich irgendwie niedlich. Er hat eigentlich schon was Knuffiges, auch wenn Tom eher einer verdurstenden Zimmerpflanze gleicht, als einem Menschen. Ich muss ihn mal in die Sonne stellen. Vielleicht blüht er dann ein bisschen auf und ist nicht mehr so bleich.

„Ich glaube, da ist alles noch dran", antwortet Tom und zählt meine fünf Zehen.

Überaus erleichtert atme ich aus, lasse meinen Fuss aber noch in seinen Händen ruhen.

„Und die Wunde? Ist sie sehr tief?"

Ich kann kaum hinsehen, denn ich habe Angst, meine Sehnen und Knochen zu sehen, die aus der Fleischwunde herausragen könnten. Von all den Horrorfilmen, die ich mir in meiner Jugend reingezogen habe, bin ich mehr als traumatisiert.

Tom hebt den Fuss näher an sein Gesicht und schüttelt dann den Kopf.

„Nein. Es ist nur ein kleiner Kratzer."

Ich atme auf.

„Okay, danke", murmle ich und ziehe den Fuss wieder zu mir.

„Aber ein Pflaster sollten wir drauf tun", sagt er und geht ins Badezimmer.

Während Tom in unserem unordentlichen Badezimmerschrank nach Pflastern sucht, inspiziere ich meine Verletzung. Das Messer hat einen kleinen Schnitt mitten auf dem Fussrücken hinterlassen. Keine Fleischwunde. Keine offenen Brüche oder blutspritzende Arterien.

Glücklicherweise war das Messer nicht so schwer, denn mit mehr Gewicht und der Schwerkraft hätte es sich locker durch mein zartes Fleisch bohren können. Ich wische mit meinem Finger über die kleine Wunde und sauge die Blutstropfen vom Daumen. Da habe ich noch einmal Glück gehabt. Das hätte böse enden können.

„Was wolltest du denn zubereiten?"

Tom kommt aus dem Badezimmer zurück, in der Hand ein Dinosaurierpflaster. Die habe ich mal gekauft zum Spass, weil ich die so lustig fand, auch wenn die eigentlich für kleine Buben gedacht sind. Mir gefällt besonders der Triceratops. Ja, auch Mädchen können Freude an Dinosauriern haben! Erwachsene Mädchen wie ich.

„Nichts. Wollte nur Möhren schnippeln."

Er blickt mich schief an und kniet sich vor mich hin, um mir das grün-braune Kinderpflaster auf den Fussrücken zu kleben.

„Ich frage jetzt nicht, wie du es geschafft hast, dir dabei in den Fuss zu schneiden."

„Ja, lieber nicht."

„Brauchst du Hilfe mit den Möhren?", fragt Tom und erhebt sich wieder.

Sein Blick fällt auf die malträtierten Karottenfetzen auf dem Tisch und ich höre deutlich, wie er sich ein Lachen verkneift. Stattdessen entkommt ihm ein lautes Grunzen.

„Was für ein Massaker hast du denn angerichtet?"

„Die Karotten haben es verdient!", rufe ich grantig.

„Qualvoll in ungleiche Stücke gehackt zu werden?"

Die Arme verschränke ich vor mir, denn ich mag es nicht, wenn man sich über meine Kochbemühungen lustig macht. Was kann ich dafür, dass mir das niemand beibringen konnte?

„Sie haben mich beleidigt."

Tom schüttelt belustigt seinen Kopf, aber sein Blick wird sanfter. Ich hoffe, er merkt, dass es für mich ein heikles Thema ist. Natürlich hege ich den Wunsch, eine gute Köchin zu sein und mit Leib und Seele leckeres Essen für meine Liebsten zubereiten zu können. Für mich geht Liebe IMMER durch den Magen und es nervt mich selbst, dass ich so unglaublich ungeschickt im Hantieren mit Messer und Küchenwerkzeugen bin. Gott hat mir zwei linke Hände gegeben. Was kann ich schon dafür?

„Soll ich dir zeigen, wie man das macht?", fragt Tom.

Er ist Veganer und weiss natürlich, wie man Karotten menschlich zerstückelt, sodass sie dabei möglichst wenig Qualen leiden müssen. Aber mir ist nicht mehr danach, einen zweiten hoffnungslosen Versuch zu starten, in die Kochwelt einzusteigen. Ergeben schüttle ich den Kopf.

„Ich glaube, ich begebe mich nicht ein zweites Mal in Lebensgefahr."

Tom zuckt mit den Schultern und macht sich dann wieder auf in sein Zimmer, um für seine Philosophieprüfung zu lernen.

„Wie du willst", meint er.

Nächste Woche hat er Prüfungsphase und darum verbringt er die meisten Stunden des Tages im Zimmer eingesperrt und lernt ununterbrochen, bis der Rauch seines Gehirns durch den Türspalt quillt. Wenn ich nett und klug gewesen wäre, hätte ich ihm angeboten, ihm beim Lernen für seine Prüfung zu helfen, aber für Philosophie ist mein IQ leider zu niedrig.

Ich räume das Karotten-Fiasko weg und bleibe eine Weile lang noch in der Küche sitzen. Der Kochkurs morgen wird schlimm. Wenn ich mich dermassen vor Chris blamieren werde, will er danach wahrscheinlich nie wieder etwas von mir wissen. Meine Tollpatschigkeit fand noch nie einer sexy.

Gerne hätte ich ihm jetzt verzweifelt eine Nachricht geschrieben, dass ich mich krankmelde und dass er doch alleine an diesen Kochkurs gehen soll und wir uns lieber einen anderen Abend lang Netflix reinziehen und hemmungslos rumknutschen sollen. Aber nein. Seine Nummer wollte mir dieser Vogel ja nicht geben. Ich verfluche ihn dafür! Der hat es wohl geahnt, dass ich meinen Schwanz einziehen würde. Ob ich es will oder nicht, ich muss mich seinem Willen beugen.

Warum er mich eigentlich so spontan eingeladen hat?

Ich gehe diesem Gedanken nach und komme auf keine Antwort. Wenn wir ehrlich sind, haben wir ja wirklich nur wenig miteinander gesprochen. Vielleicht war's mein Humor? Meine lockere Art in jedes Fettnäpfchen zu treten, das existiert? Oder doch die Schamlosigkeit? Mir ist bewusst, dass gewisse Männer auf freche Damen stehen, die nicht auf ihren Mund gefallen sind. So ein Exemplar wäre ich nämlich. Aber die meisten werden davon nur abgeschreckt.

Ich überlege weiter.

An meinem Aussehen kann es kaum gelegen haben. Obwohl – wenn ich so darüber nachdenke, war ich gestern für meine Verhältnisse doch recht aufgebrezelt. Er hat also eigentlich die getunte Version der Emma gesehen, die in mir steckt. Mit Pumps und engen Hosen und sogar ein bisschen geschminkt. Ich sah nur so Bombe aus, weil die Affen im Vertrieb so viel Wert auf Oberflächlichkeiten legen. Gut aussehende Menschen verkaufen ja mehr. Anscheinend.

Bei dem Gedanken, dass ich morgen einen weiteren Tag mit Patrick im sechsten Stock verbringen werden muss, wird mir schlecht. Heute war schon schlimm genug, als ich ein erstes Verkaufsgespräch übers Telefon habe führen müssen und die Kundin nach nur zwei Minuten wortlos aufgelegt hat.

Es hat mir gezeigt, dass ich einfach keine Verkäuferin bin. Ich habe keine Ahnung, wie ich mit meinem nichtexistenten Talent die 30'000 Franken zusammenkratzen soll.

Weil mir mein Kochversuch misslungen ist und meine Laune wegen des Gedankens an das Schwein wieder im Keller ist, setze ich mich schwer verletzt in meinen Stricksessel. Es ist schon eine Weile her, seit ich gestrickt habe und so beschliesse ich, mich meiner Lieblingsbeschäftigung zu widmen.

Beim Stricken kann ich meine Gedanken sortieren. Da komme ich zur Ruhe, selbst wenn so aufregende Dinge in meinem Leben geschehen, wie die Teilnahme an einem Kochkurs mit dem Mann meiner Träume. Irgendwie wird das schon schief gehen. Hoffe ich.

Die rosa Wolle lege ich mir auf die Knie und nehme die Stricknadeln in die Hand. Geübt, wie ich bin, lege ich eine Masche an und beginne zu stricken. Meistens habe ich keine Ahnung, was ich stricken soll und dann beginne ich recht orientierungslos mit ein paar Maschen, bis mir was einfällt.

Mein Kopf klärt sich aber nicht und ich kann immer nur an Chris denken. Dieser Mann macht mich wirklich verrückt!

Die Nadeln bewege ich geschickt in meinen Händen. Nach einer Weile betrachte ich das erste Stück zusammenhängender Maschen, das ich gestrickt habe und da habe ich einen genialen Einfall. Ich werde was für Chris stricken, als Dankeschön! Was Praktisches für seine Küche. Der gute Mann soll ja kochen können.

Ich beisse mir auf die Zunge, während ich mit höchster Konzentration vor mich hin stricke. Der wird Augen machen, wenn er morgen mein Geschenk sieht.


✵✵✵


Hallo meine Lieben

Ich hoffe, das Kapitel erhellt euren Montag ein bisschen.

Emma sollte wirklich keine scharfen Werkzeuge in die Hand nehmen...

Eins kann ich euch aber versprechen: Das ist wahrscheinlich die gefährlichste Szene hier bei Herzbruchversicherung. Blutiger als das wird es nicht. I promise ;-)

Wer freut sich auf den Kochkurs mit Emma und Chris?

Macht's gut! ❤️


Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro