4 - Krankenhausfrass

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„Bläh!", rufe ich und spucke den ekelhaften Brei, der Kartoffelpüree imitiert, aber kläglich daran scheitert, empört auf den Teller zurück.

Wie ich Krankenhäuser hasse! Man kommt hierher, um zu sterben und genau so scheint es der Koch dieses Hauses auch zu sehen. Dass er seinen Frass irgendwelchen Schontoten, Scheintoten, Halbtoten oder Baldtoten servieren muss. Der gibt sich überhaupt keine Mühe. Dieser Typ muss seinen Job wohl genauso hassen wie ich meinen.

Mit der Gabel stochere ich in dem schwarz-grünen Haufen rum, der meiner Lebenserfahrung nach Spinat darstellen soll, aber ich zögere. Wenn ich das esse, hole ich mir wahrscheinlich noch eine Lebensmittelvergiftung und das würde mir in dem fragilen Zustand, in dem ich mich befinde, endgültig den Rest geben.

Mein Magen grummelt wütend und ich blicke auf den traurigen Naturjoghurt, der auf dem Klapptischchen an meinem Bett steht. Eigentlich mag ich Joghurt nicht, denn die Konsistenz löst bei mir im Mund immer einen Würgreflex aus. Keine Ahnung, woran das liegt, aber es ist mir für meinen Mund zu dickflüssig.

Seufzend greife ich zu dem Becher und beginne ihn auszulöffeln. Nachdem ich vom Krankenwagen mit Tatütata vom Feuer wegtransportiert wurde, hat man mich in ein ödes Zimmer auf dem achten Stock im Krankenhaus von Zürich verfrachtet. Ich soll stationär beobachtet werden, denn offenbar habe ich mir eine kleine Rauchvergiftung geholt.

Meine Haare stinken noch immer nach Lagerfeuer, aber irgendwie stört mich das nicht. Eigentlich mag ich den Geruch von Rauch, nur mitten in einer Räucherkammer sitzen, das will ich in Zukunft meiden. War doch nicht so lustig.

Zum Glück bin ich für meine einzige Nacht hier alleine im Zimmer. Die Rauchvergiftungsstation von Zürich ist offensichtlich unterbelegt, sehr zu meinem Vorteil allerdings.

Der Joghurtbecher ist für meinen Mordshunger viel zu klein und so habe ich ihn nach fünf Löffeln leergefegt. Plötzlich erinnere ich mich daran, dass ich ja den Marshmallowbeutel noch in meiner Handtasche habe. Ich springe aus dem Krankenhausbett und suche nach meiner Tasche.

Die Sanitäter haben alle meine Sachen mitgenommen und neben meinem Bett auf einem Stuhl abgelegt. Ich wühle zwischen dem Handy, Lippenbalsam, Tampons, Geldbeutel, Bleistift, drei frei herumfliegenden Kaugummis, einer Socke, Hausschlüssel und den zwei Stricknadeln, die ich immer dabei habe, herum und fische die Mini-Marshmallow-Tüte hervor.

„Juhuuu", jauchze ich und springe zurück aufs Bett.

Die süssen Zuckerwolken sind zum Glück nicht geschmolzen und auch der Rauch ist nicht durch die Verpackung gedrungen. So kriege ich mindestens einen Teil meiner Kalorien für heute intus. Ich habe das mal kalkuliert mit einem Online-Rechner. Anscheinend brauche ich pro Tag mindestens 3000 Kilokalorien. Zumindest rede ich mir das ein, damit ich meine ausufernden Naschattacken rechtfertigen kann. Was man nicht alles tut, um sich selbst anzulügen.

Glückselig stopfe ich mir die Hälfte der Mini-Wolken ins Gesicht und mampfe während ich mein Handy entsperre. Eine gefühlte Trillion von Anrufen und WhatsApp-Nachrichten blinken mir entgegen.

„Oh Jesus", seufze ich recht unkatholisch und scrolle durch die verpassten Anrufe.

Mami - 10 verpasste Anrufe

Arschgesicht - 5 verpasste Anrufe

Viola - 3 verpasste Anrufe

Gerard Butler - 1 verpasster Anruf

Meine Augen bleiben viel zu lange auf der letzten Telefonnummer hängen. Ich kann mich gar nicht daran erinnern, den schönen Feuerwehrmann als Gerard Butler abgespeichert zu haben. Das muss an den toxischen Gasen im Rauch gelegen haben, versuche ich mir selbst zu erklären.

Als erstes rufe ich meine Mutter zurück, denn eine Mutter in Sorge sollte man nie zu lange in der Ungewissheit zappeln lassen. Diese Quälerei haben Mütter einfach nicht verdient. Ich will mir auch gar nicht ausmalen, was ihr Viola erzählt hat, denn ich vermute, dass meine Arbeitskollegin sie über den kleinen Zwischenfall hat informieren müssen.

„EMMA? Bist du das?", kreischt meine Mutter ins Telefon, als sie meinen Anruf entgegennimmt.

„Hallo Mami."

Ich spüre ihre Erleichterung durch den Hörer und stopfe mir nochmal eine Ladung Marshmallows in den Mund. Meine Backen sind so voll gestopft wie bei einem Hamster. Genauso liebe ich es, Marshmallows zu essen. Am besten tut man das auch immer, wenn niemand dabei zuschaut, denn schön sieht das nicht aus.

„Oh, dem Herr sei Dank! Emma, wie kannst du mir sowas nur antun! Muss ich dir wirklich schildern, welch schreckliche Angst ich gehabt habe, als deine Valera–"

„Viola."

„Ah ja, Viola mir erzählt hat, du wärst in einem brennenden Haus eingesperrt! Ein brennendes Haus? Emma, du hast dich selbst übertroffen!"

„Ja, ja ... Ist ja nichts passiert. Mach dir keine Sorgen", murmle ich zu meiner Verteidigung.

„Keine Sorgen? Sag mal! Du hast mir den Schock meines Lebens verpasst! Meine Tochter wäre fast im Feuer umgekommen!"

Ihre laute Stimme verpasst mir Kopfschmerzen und ich kneife die Augen zusammen.

„Okay, tut mir leid ...", entschuldige ich mich, weil mir bewusst ist, dass ich gegen meine Mama in jeder Diskussion verlieren würde. Ihre Stimme wird sanfter.

„Wenn du selbst einmal Kinder hast, dann wirst du mich verstehen."

Ich seufze bei dem Gedanken. Kinder werde ich nie haben, denn ich verabscheue diese Kreaturen aufs Übelste. Meine Mutter will diese Tatsache nicht wahrhaben, aber sie findet immer wieder eine Gelegenheit mir weiszumachen, ihr Leben und ihre eigene Freiheit für einen kleinen Teufel geopfert zu haben, sei das beste, was ihr je passiert sei. Sie scheint also ihren masochistischen Spass daran zu haben, sich wegen mir Sorgen machen zu müssen. Bei mir kommt sie auch wirklich regelmässig in diesen mütterlichen Genuss.

„Wie fühlst du dich?", fragt sie, nachdem sie sich von ihrem Gefühlsausbruch beruhigt hat.

„Mir gehts gut", antworte ich kurz.

„Da bin ich froh", atmet sie auf und dann herrscht für einen Moment Stille zwischen uns beiden. „Wie lange musst du auf der Station bleiben?"

„Bis morgen Abend, glaube ich", gebe ich als Antwort.

Kurz bevor mir mein Essen serviert worden war, habe ich nämlich eine Ärztin konsultiert, die ihre letzte Schichtrunde gedreht hatte und nachsehen wollte, ob ich noch einen Puls habe. Es war dann auch diese Ärztin, die ich ausgefragt habe, wie lange ich denn in diesem schrecklichen Todeshaus bleiben müsste.

Geschlagene 24 Stunden. Alleine schon die Vorstellung davon ist für mich grauenhaft.

„Ich werde dich abholen", sagt meine Mutter in einem herrischen Ton, dem man besser nicht widerspricht.

„Ja, Mami."

„Und ruf deinen Vater an. Der macht sich bestimmt auch Sorgen."

Von wegen, denke ich mir. Von diesem Idioten habe ich seit Monaten nichts mehr gehört. Der hat kurzzeitig wahrscheinlich einmal mehr vergessen, dass er mal eine Tochter gezeugt hat.

„Ja, ja", gebe ich genervt von mir.

Jetzt will ich meine Mutter vom Telefon abwimmeln, denn sie hat es innert kürzester Zeit wieder einmal geschafft, mich auf die Palme zu bringen. Da muss sie nur einmal das Schlagwort Vater in den Mund nehmen und ich glühe vor Wut.

Mein Erzeuger hat meine Mutter verlassen, als ich zwei Jahre alt war und seither führt er eine sehr lückenhafte Beziehung mit mir. Er behauptet zwar von sich selbst, ich sei ihm wichtig, aber davon spüre ich die meiste Zeit eigentlich gar nichts.

„Mach es dir für die Nacht gemütlich", meint meine Mutter fürsorglich.

„Ich werde es versuchen", murmle ich und in dem Augenblick wünsche ich mir gerade meine Mami zu mir.

In solchen Momenten, wo man sich am zerbrechlichsten fühlt, wünscht man sich seine Mutter immer herbei. Ich bin fest davon überzeugt, dass es nicht nur mir so geht. Aber das ist so ein menschlicher Instinkt, dass man sich in der grössten Not nach seiner Mutter sehnt. So geht es mir gerade, auch wenn ich nicht im Sterben liege, aber dennoch fühle ich mich sehr verletzlich. Meine Mutter muss das mit ihren Superkräften durchs Telefon irgendwie gespürt haben.

„Hast du eine Nachttischlampe?", fragt sie und sorgt dafür, dass sich ein schmerzhafter Kloss in meinem Hals bildet.

Ich drehe mich links und rechts zur Seite, in der Hoffnung ein kleines Lämpchen vorzufinden, aber da ist nichts. Nur die grelle Krankenhausbeleuchtung, die von der Decke strahlt, als befände ich mich in einem Operationssaal.

Oh Gott ...

„Nein", flüstere ich und ich merke selbst, wie mir dabei die Stimme zittert.

„Soll ich noch vorbeikommen und dir deine Lichterkette bringen?"

„Nein", lüge ich schnell.

Ich habe eine Schwäche, aber wirklich auch nur eine einzige: Ich fürchte mich vor der Dunkelheit. Es ist für mich absolut unmöglich, im Dunkeln einzuschlafen. Das kann ich nicht. Es ist unmöglich, ich habe es tausendmal versucht, aber ich kriege Panik, wenn sich die Finsternis um mich hüllt und ich nur noch die unheilvollen Schatten der Gegenstände und Möbel im Zimmer sehe. Da wird der Kleiderständer zum Serienkiller und der Rucksack zum Monster unter dem Bett.

Diese Angst habe ich seit ich denken kann. Meine Mutter kann es sich nicht erklären und schiebt sich die Schuld dafür selbst in die Schuhe. Dabei glaube ich selbst daran, dass es irgendwie am abwesenden Vater liegt. An der fehlenden väterlichen Geborgenheit und den Schutz, den er mir hätte geben sollen. Meine Mutter kann selbstverständlich auf mich aufpassen – das hat sie wundervoll als Alleinerziehende gemeistert. Aber dennoch, tief in meinem Inneren, weiss ich, dass es nicht unberührt an mir vorbeigegangen ist, dass mein Papa nie da war.

Grundsuche hin oder her. Ich bin ein Angsthase, wenn es Nacht wird und muss meine Lichterkette im Zimmer anknipsen. Diese strahlt ein warmes Licht aus, sodass ich die bösen Schatten als das erkennen kann, was sie sind: Nur harmlose Illusionen meiner verrückten Fantasie. Die Lichterkette gibt es aber in diesem sterilen Krankenhaus nicht und ich könnte schwören, dass es eine Uhrzeit gibt, zu welcher die Lichter hier gelöscht werden. Und dann wird es stockdunkel und für mich bricht die heile Welt zusammen.

„In Ordnung", sagt meine Mutter dann und verabschiedet sich von mir.

Ich lege mein Handy auf meinen Schoss ab und greife nochmals zu den Marshmallows, in der Hoffnung, dass mir das Kauen etwas von meiner Angststörung nehmen kann.

Verdammt. Die Packung habe ich schon leergefressen. Ich drehe mich seufzend auf den Bauch und tippe auf meinem Handy herum.

Einen Grossteil meiner Arbeitskollegen, die über meine private Handynummer verfügen, haben mir eine Nachricht geschickt. Jetzt, wo ich hätte sterben können, haben die wohl alle gemerkt, wie wichtig ich denen bin? Vielleicht haben die ja gehofft, wenn man mein Telefon in dem abgebrannten Haus neben meiner verkohlten Leiche wiederfindet, dass man anhand der Textnachrichten ihre Fürsorglichkeit erkennen könnte? Dumme Heuchler. Die meisten davon scheren sich eh einen Dreck um mich und schreiben mir nur aus sozialem Zwang.

Der einzigen Person, welcher ich die Sorge abkaufe, ist Viola. Ihr schreibe ich eine kurze WhatsApp-Nachricht, denn zum Sprechen am Telefon bin ich zu heiser.

Ich könnte jetzt echt eine fette Pizza mit extra Käse vertragen

Es geht gerade mal zehn Sekunden und sie antwortet mir sofort. Sie ist mit ihren reifen vierzig Jahren doch noch sehr versiert im Umgang mit modernen Medien. Der einzige Unterschied, den ich merke, ist allerdings, dass sie kaum Emojis verwendet. Sie findet die überflüssig und meint, das tue nichts zur Sache, sondern lenke nur vom Inhalt ab.

Plus ne Cola?

Welches Zimmer?

Cola Zero bitte. Du kennst meinen Hüftumfang


Ich grinse als ich mich aus dem Bett hieve, um vor mein eigenes Zimmer zu treten. Meine nackten Füsse berühren den kalten Krankenhausboden. Ein Schauer jagt mir über den Rücken, als ich zum Ausgang meines Zimmers husche und die Tür vorsichtig öffne. Ich will hier keine Unruhe stiften und die Pfleger nicht unnötig nerven.

Niemand sieht mich. Der Gang ist menschenleer.

Nr. 803

Keine Ahnung, ob die Besuchszeiten schon rum sind

Als ob mich die interessieren

Stimmt

Mit extra Käse?

ja.

Auch wenn dein Hüftumfang darunter leidet?

JA!

ok. Gib mir 30 Minuten

Danke <3

Ah warte.

Kannst du mir noch einen Gefallen tun?

Was noch?!

Bring bitte eine Kerze mit.

Und ein Feuerzeug

Klar. Bis gleich

Bis gleich

Erleichtert atme ich auf, denn somit habe ich zwei meiner Probleme für diese Nacht gelöst: Der Mordshunger kann mit einer XXL-Pizza gestillt werden und die Kerze wird die Dämonen der Nacht vertreiben.

Es dauert nicht lange und ein leises Klopfen lässt mich aufhorchen. Dann wird auch sogleich die Tür aufgeschoben und die platinblonden Haare von Viola kommen hervor. Sie grinst breit, als sie das Zimmer für sich einnimmt und mir der Duft ihres Parfüms in die Nase steigt. Diese Frau ist wirklich eine Kanone, zu jeder Tageszeit sieht sie rattenscharf aus.

„Das stand zwar nicht auf deiner Wunschliste, aber ich hab dir Kleidung mitgebracht!", grinst Viola, als sie sich neben mich aufs Bett setzt.

Sie rümpft die Nase und ich weiss auch weshalb. Ich stinke fürchterlich nach geräucherter Blauwal-Wurst.

„Bevor wir die leckere Pizza zusammen essen, gehst du bitte duschen und verbrennst deine Kleidung!", sagt sie und schubst mich vom Bett.

Ich ergebe mich lachend, denn damit hatte ich eigentlich schon gerechnet. Viola ist eitel und kümmert sich nicht nur um ihr eigenes Aussehen, sondern auch um die Körperausdünstungen ihrer Freundinnen. Mich freut's, denn somit ergänzen wir uns ganz gut.

Meine Kleider werfe ich auf den Boden und wohlig seufzend lasse ich das heisse Wasser auf meine Haut prasseln. Ich bevorzuge eigentlich die Wanne aus dem einfachen Grund, dass ich es hasse, nackt stehen zu müssen. Welcher Idiot ist eigentlich auf die Idee gekommen, wenn man splitterfasernackt in der Dusche ist, dass man da auf kalten Fliesen stehen und sich durch einen mickrigen Wasserstrahl seinen Körper waschen muss?

Während die fünf Zentimeter, die von dem Duschstrahl berührt werden, schön warm sind, gefriert der Rest der Haut zu Eis. Das macht einfach keinen Sinn! Darum tauche ich gerne meinen robbenförmigen Körper in die Badewanne. Ich bin fest davon überzeugt, dass ich in meinem früheren Leben ein Meerestier gewesen sein muss, so sehr liebe ich es, im Wasser zu dümpeln. Vielleicht war ich ja ein Shrimp oder ein Axolotl.

Ich wasche mir die Haare mit dem billigen Krankenhaus-Shampoo, das hier in der Dusche steht und verfluche die Kostensparmassnahmen, die das Gesundheitswesen jedes Jahr durchmachen muss. Das Geld hat nämlich für den Conditioner nicht gereicht, was für mich bedeutet, dass ich morgen wie eine zerrupfte Vogelscheuche aussehen werde, bei meinen miserablen Haargenen, die ich von meiner Mutter geerbt habe.

Das grosse weisse Handtuch wickle ich mir um den Körper und watschle wieder aus dem kleinen Badezimmer. Viola hat sich auf meinem Bett breit gemacht und die Pizza liegt schon bereit. Ich bete leise zu Gott, dass sie noch warm genug ist. Neben der Pizzaschachtel liegt mein Handy und das grüne Lämpchen leuchtet verdächtig. Viola grinst breit.

„Wer ist eigentlich Gerard Butler?", fragt sie dann.

„Warum?"

„Der hat dir gerade geschrieben."

✵✵✵


Guten Morgen ❤️

Auf den Wochenstart gibt's ein neues Kapitel.

Wer von euch war schonmal im Krankenhaus ? War das Essen da auch so schrecklich? Zum Glück hat Emma ihre Freundin / Arbeitskollegin Viola, die ihr mit Pizza das Leben rettet.

Na, was denkt ihr: Was hat Gerard Butler / Chris geschrieben? ;-) Irgendwas Lustiges? Nettes? Heisses?

Habt alle eine gute Woche!

Eure Fleur

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