44 - Unter Platanen

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Nervös zupfe ich am Saum meines pastellfarbenen Kleides.

Die Laternen baumeln von den Ästen und werfen ein dunkelgelbes, schwaches Licht auf die Seeterrasse des Restaurants Zum goldenen Elefanten. Die Esstische stehen unter alten Platanen und reichen bis zum Ufer des Zürcher Sees. Es ist ein milder Abend, nur ein kleines Lüftchen zieht um die Stühle.

Ich atme tief ein und bahne mir sodann meinen Weg über die kiesige Terrasse. Das Restaurant ist heute Abend gut besucht. Der Kellner – ein thailändischer junger Mann mit einem zauberhaften Lächeln – geht hinter mir und deutet mit der Hand an den reservierten Tisch, der dem Seeufer am nächsten ist.

Zu meiner eigenen Überraschung sitzt Patrick bereits dort und als er mich erblickt, erhebt er sich vom Stuhl.

Eigentlich bin ich zu früh da und hatte gehofft, ein paar Minuten für mich alleine zu sein, aber offensichtlich hatte Patrick dieselbe Idee. Wir konnten wohl beide kaum erwarten, auf dieses Date zu gehen? Ich, um es hinter mich zu bringen, und Patrick, weil er schon seit Ewigkeiten auf diesen Abend gewartet hat.

„Emma, du siehst wundervoll aus!", begrüsst mich mein Partner und schenkt mir die obligatorischen drei Begrüssungsküsschen auf die Wangen.

„Du ebenso", lautet mein etwas steifes Kompliment als Reaktion auf seinen eleganten Anzug, den er trägt. Ein marineblaues Ding, aber diesmal ohne Krawatte zum Glück.

Er zieht meinen Stuhl nach hinten, damit ich mich setzen kann. Danach läuft er auf seine Seite des Tisches zurück und lässt sich nieder. Dabei zupft er an den Manschettenknöpfen seines weissen Hemdes.

Er ist nervös, merke ich.

„Bist du schon lange hier?", frage ich, um die Stimmung zu lockern, denn ich will nicht, dass Patrick sich aufführt, als sei das hier ein ernsthaftes Date und die Chance, mit mir ins Bett zu steigen, bestünde für ihn tatsächlich.

So ist das nämlich nicht, aber der Kerl macht sich wahrscheinlich immer noch Hoffnungen.

„Nein, gerade erst gekommen. Ich habe aber schon Champagner für uns bestellt!", erwidert er breit grinsend.

„Ich wollte eigentlich nichts trinken."

Das sollte ich zumindest nicht. Nicht, wenn ich mit Patrick unterwegs bin. Ich weiss ja, wie glimpflich die Situation letztes Mal ausging, als ich mir sein Feuerwasser den Schlund heruntergekippt habe.

„Oh." Mein Kollege streicht sich verlegen durch die Haare. Normalerweise fragt man ja seine Verabredung, was sie trinken möchte. Nicht aber dieser Kerl, wie es scheint.

„Ihr Dom Perignon", flötet der thailändische Kellner und serviert uns die zwei feingliedrigen Champagnergläser auf einem Silbertablett. So lautlos, wie der sich angeschlichen hat, verschwindet er auch wieder und lässt uns alleine.

Die edle Flasche mitten auf dem Tisch weist eine doch beachtliche Grösse auf. Das wird heute wohl nichts mit "nix trinken".

„Du musstest tatsächlich den teuersten Fusel bestellen? Willst du angeben, oder was ist hier los?", zicke ich Patrick an, denn ein Blick auf die Speisekarte verrät, dass er die kostbarste und grösste Champagnerflasche bestellt hat.

Dabei sind wir doch nur zu zweit und das hier ist ein gewöhnliches Date.

„Nein, aber deine Glanzleistung hat nun mal etwas Besonderes verdient. Und da es dir die letzten Tage so schlecht ging, dachte ich mir, ich gönne dir ein richtig teures Essen, um deine Laune zu heben."

Patrick grinst noch immer, während er das sagt. Der Typ weiss echt nicht, dass Angeben bei vielen Frauen eher Übelkeit als Bewunderung hervorruft. Wenigstens ist das bei mir der Fall. Geld und Diamanten ziehen mich nicht an, im Gegenteil, sie schrecken mich ab.

Ich seufze etwas zu laut und starre auf die weisse Tischdecke, welche am Rand mit winzigen, goldenen Elefanten bestickt ist, die sich am Schwanzzipfel des Vordertieres halten und somit eine unendliche Kette Schwanz-haltender Elefanten bilden. Mein Daumen fährt dem filigranen Muster nach.

„Das ist wirklich aufmerksam von dir", sage ich ohne den Blick zu heben. Ich will ja eigentlich nicht undankbar klingen, doch kann ich mir einen kritischen Kommentar nicht verkneifen. „Ich denke jedoch nicht, dass hochpreisiges Essen wirklich besser schmeckt, als stinknormales. Am Ende ist es das Gleiche: Nahrung, die man sich in den Mund schiebt. Du hättest dafür mit mir auch zu McDonalds gehen können und den gleichen Effekt erzielt – zu einem Bruchteil des Preises höchstwahrscheinlich."

„Natürlich sagst du das", kontert er ohne mit der Wimper zu zucken. Sein Selbstbewusstsein lässt sich auch wirklich durch nichts eindämpfen.

Ich hebe den Blick und lasse den Saum der Tischdecke los.

„Hä, wieso meinst du?"

„Du warst ja noch nie mit mir auswärts essen! Dieses Restaurant hier gehört zu den zehn besten in Zürich. Du wirst noch staunen. Versprochen", gibt er weiter an, was meine heutige Abneigung ihm gegenüber nur noch steigert.

„Das beeindruckt mich nicht", sage ich stur und nehme das dünne Champagnerglas zwischen die Finger.

Patrick lehnt sich nach vorne und stützt die Ellbogen auf dem Tisch ab. Seine waldgrünen Augen mustern mich eindringlich. Darin glänzt etwas auf, das mir nicht ganz geheuer ist. Als hätte ihn plötzlich der Ehrgeiz gepackt.

„Du weisst schon, dass du mich mit diesen Worten herausforderst", raunt er und ohne, dass ich es kontrollieren kann, stellen sich bei dem Tonfall die Härchen auf meinem Unterarm auf.

Vielleicht ist das auch nur die kühle Brise, die über die spiegelglatte Seeoberfläche zieht.

„Probier du ruhig. Ich habe viel erlebt und bin entsprechend schwer zu beeindrucken", bluffe ich und hebe das Glas in die Luft in seine Richtung.

Patrick muss ständig Spiele spielen. Heute Abend lasse ich ihn ein letztes Mal gewähren. Ich habe ihm schliesslich zu verdanken, dass meine Zeit im Vertrieb zu Ende ist.

„Werden wir ja sehen", lautet Patricks Antwort.

Er stösst mit seinem Champagnerglas gegen meines, sodass es hell klirrt. Wie erwartet, schmeckt der teure Dom Perignon nicht aussergewöhnlicher als jeder andere Champagner oder – Gott bewahre – Prosecco, den ich in meinen Leben getrunken habe. Da können meine abgestorbenen Geschmacksknopsen nichts Exquisites herausschmecken. Es ist Alkohol mit Sprudel.

Der Kellner kommt und nimmt unsere Bestellungen auf. Ich entscheide mich für ein klassisches, nicht so einheizendes, gelbes Thaicurry, während Patrick das grüne wählt. Extra scharf, wie ich höre. Der thailändische Kerl versichert ihm, dass es sich um Thai-scharfe Schoten handelt, die sie speziell für Chili-Liebhaber importiert haben. Bird's Eye, wie man die tödlichen Dinger nennt. Eine der schärfsten Chilisorten der Welt und Patrick hat sich gleich drei Stück für sein grünes Curry gewünscht.

Ich mustere ihn überrascht, denn ich wusste nicht, dass dieses Weichei gerne scharf isst. Der Kellner fragt fünf Mal nach, ob er sich denn sicher sei, dass er es so scharf haben möchte und jedes Mal nickt Patrick energisch.

„Willst du Feuer spucken?", frage ich ihn, als sich der Kellner endlich von unserem Tisch entfernt.

„Nein, aber ich muss dich ja beeindrucken", meint er nur.

„Indem du dein Leben riskierst und deine Speiseröhre vor versammeltem Publikum in Flammen aufgehen lässt?"

Ich blicke um mich und deute auf die Restaurantgäste, die an den anderen Tischen sitzen. Sein Vorhaben gleicht einer öffentlichen Selbstverstümmelung. Patrick lacht auf und auch ich kann ein Grinsen nicht unterdrücken. Dieser Kerl schafft es ständig, mir meinen eigenen Humor zu entlocken.

„Nein."

„Schon mal von the ring of fire gehört?", stichle ich weiter, was er nur mit einem Kopfschütteln abwehrt.

„Sowas kann nur von einem Schisser kommen, der keine Ahnung hat, dass Schärfe im Essen den Geschmack intensiviert. Nach zehn Minuten schmeckt dein Essen ganz anders!"

„Oder es legt deine Zunge lahm", gebe ich nicht nach. „Bist du sicher, dass du gleich drei Stück davon essen willst?"

Patricks Augen glänzen schon wieder so schelmisch. Seine Mundwinkel zucken amüsiert in die Höhe.

„Ja, ich bin mir sicher. Eine Chilischote solltest du jedoch kosten", meint er und streicht sich mit der Hand über sein Kinn. „Das Capsaicin im Chili macht nämlich glücklich und so, wie du die letzten Tage ausgesehen hast, könntest du etwas mehr Schärfe beziehungsweise Glück im Leben gebrauchen."

Ich höre nicht hin, denn ich leide gerade an einem Gehirnaussetzer. Meine Augen sind der Bewegung seiner Finger gefolgt, die so sachte über seinen Kiefer streichen. Patrick hat gepflegte Hände und lange, jedoch starke Finger, merke ich. Ich erinnere mich, dass diese Hände einst an mir herumgewandert sind. Obwohl das damals nicht ganz freiwillig war, ist der Gedanke jetzt, diese Hände könnten das wieder tun, gar nicht mal so verkehrt.

Als hätte ich selbst bemerkt, was ich da denke, schüttle ich meinen Kopf. Warum zum Teufel starre ich Patricks Körperteile an? Das kann doch nicht wahr sein!

„NEIN!", rufe ich ein bisschen zu laut, sodass das Pärchen zwei Tische weiter links zu uns rüberschaut.

Patrick runzelt verwundert die Stirn und ich hoffe inständig, dass er meine Starre von vorhin nicht bemerkt hat. Solche Aussetzer kann ich mir bei ihm nicht leisten. Nicht schon wieder! Sonst denkt der sich nur wieder das Falsche.

„Dann werde ich sie eben selbst essen. Alle drei", sagt er schulterzuckend nippt an seinem Champagnerglas. „Und? Bist du schon ein bisschen beeindruckt?"

„Nein, eher besorgt."

Ich habe mich von meinem kurzzeitigen Gonadenschub gefasst und leere mein Glas. Das Prickeln vom Alkohol auf meiner Zunge vergeht kaum, da greift Patrick bereits wieder zur Flasche und schenkt mir nach.

„Warum das denn?", will er wissen.

Jetzt lehne ich mich etwas vor, um ihm in die schönen Augen zu blicken. Je länger es dauert, bis das Essen kommt, desto wärmer wird mir von dem Champagner. Dem weise ich auch die Schuld für meinen kleinen Aussetzer von vorhin zu. Dieser Schampus steigt mir zu Kopf und lässt meine Hormone hemmungslos um sich schlagen.

Ich muss bei klarem Verstand bleiben!

„Weil du ernsthaft in Gefahr sein könntest und meine Erste-Hilfe-Kenntnisse sehr zu wünschen übrig lassen. Ich würde dir beim Sterben zusehen. Was soll ich denn deiner Mutter sagen?"

Nun lehnt sich Patrick ebenfalls vor. Es muss für die Gäste um uns herum fast so aussehen, als würden wir uns über die Tischfläche küssen wollen. Wie ein normales Pärchen eben. Allerdings handelt es sich hier nur um ein Blickduell, das ich garantiert gewinnen werde.

„Du kannst mir ja Kakao in den Rachen flössen, um mir mein Leben zu retten", macht Patrick weiter.

Sein forschender Blick lässt mich innerlich ganz weich werden. Was ist bloss an seiner selbstbewussten Ausstrahlung dran, dass sie mich so stark in ihren Bann zu ziehen schafft?

„Eher trinke ich den Kakao selbst und schaue zu, wie du erstickst."

Mein zuckersüsses Lächeln, das ich ihm in dem Moment schenke, erwidert er.

„Na vielen Dank dafür, Partnerin."

„Stets zu deinen Diensten, Partner."

Wir grinsen uns an und in dem Moment merke ich, dass ich ihm dankbar bin. Für diesen Abend und für seine Bemühungen, mich aufzumuntern. Auch wenn ich mich bei ihm stets zwischen tiefem Anwidern und kuriose Anziehung hin- und hergerissen fühle, geniesse ich diesen Moment am See zwischen Laternen und Platanen gerade sehr.

Ein Luftzug erfasst unsere Tischdecke und lässt sie über meine Beine flattern. Es fühlt sich fast wie das Streicheln einer Hand an. Ein angenehmer Schauer durchfährt mich und ich presse schnell die Schenkel zusammen. Patrick scheint nichts von dem kurzen Wohlerguss meinerseits gemerkt zu haben und trinkt genüsslich seinen Champagner.

Eine Weile reissen wir Witze und unterhalten uns, wie wir es im Büro auch immer geschafft haben. Allerdings kann ich das mulmige Gefühl, das sich in meinem Bauch breit gemacht hat, nicht länger ignorieren.

Bald kommt das Essen und damit die hochgefährlichen Chilischoten. Ich habe tatsächlich Bammel vor diesem Gemüse, obwohl ich keine davon essen werde! Liegt mir tatsächlich etwas an diesem Schweinchen, das mir blöd grinsend gegenübersitzt und so sehr damit geprahlt hat, dass es die ohne Probleme verschlingen wird? Was, wenn er doch irgendwie einen körperlichen Schock erleidet?

„Gelbes Thai-Curry mit Kartoffeln und Tofu?", fragt uns eine weitere Kellnerin, die genauso thailändische Gesichtszüge aufweist, wie ihr Kollege, der uns den Champagner gebracht hatte.

Mein Herz schlägt mir bis zur Brust, als Patrick mit der Hand auf mich deutet.

„Für die Lady."

Der Teller mit der blubbernden gelben Brühe wird mir vor die Nase geschoben.

„Grünes Curry mit Hähnchen und extra Chili?", sagt die Dame, obwohl es ja klar ist, für wen das zweite Gericht sein soll.

Die Bird's Eye Chilischoten werden uns auf einem separaten Tellerchen serviert, schön säuberlich in Rondellen geschnitten. Die unschuldig wirkenden Kerne liegen bereit, ihr Unheil im Verdauungstrakt meines Gegenübers zu veranstalten. Mir kommt es so vor, dass meine Augen zu brennen beginnen, nur schon, wenn ich einen Blick auf diese feurigen Dinger werfe. Schnell wende ich den Blick ab.

„Hast du Angst um mich?", feixt Patrick.

Ich schüttle zähneknirschend den Kopf. Ehrlich gesagt: Ja, ich mache mir Sorgen. Aber ich will es ihm nicht sagen.

Patrick platziert seine Serviette auf dem Schoss und reibt sich freudig die Hände. Der Kerl muss Hunger haben.

„Guten Appetit", wünscht uns die Kellnerin höflich und lässt uns mit dem gefährlichen Essen alleine.

Etwas verunsichert blicke ich zu meinem Kollegen, der seinen Löffel ins grüne Curry gräbt.

„Deine Kummerfalten stehen dir", meint er, ohne aufzublicken.

Ich räuspere mich, um die Kröte, die meine Kehle hochgekrochen ist, wieder runterzuschlucken. Wahrscheinlich sollte ich auch zu meinem Löffel greifen, aber ich kann nicht anfangen, bevor ich nicht weiss, welche Wirkung diese Dinger haben. Eine Mischung aus Neugierde und Angst macht sich breit und es fühlt sich merkwürdig aufregend an.

„Willst du nicht deine Chilis essen?", frage ich.

„Jap", kommt die Antwort und sogleich wirft er sich zwei Teelöffel in seine Schüssel.

Ich muss leer schlucken.

„Patrick, ist das nicht bisschen viel?"

Er schüttelt den Kopf und befördert seinen Löffel in den Mund. Ich verfolge die kauenden Bewegungen seines Kiefers mit Argusaugen und taxiere ihn, versuche jegliche Regungen in seinem Gesicht zu lesen, nur für den Fall, dass ich aufspringen müsste, um den Krankenwagen zu rufen.

Was sind nochmal die Zeichen eines Schlaganfalles?

„Lecker", kommentiert Patrick sein Erlebnis.

Ich mustere ihn unaufhörlich. Es scheint ihm zu gefallen, denn er schmunzelt mich belustigt an. Kein Zucken, keine Anzeichen von Schmerzen sind von seinen Gesichtszügen abzulesen. Ob die wirklich so scharf waren, wie der Thailänder behauptete?

„Die fahren gehörig rein", sagt er, als hätte er meine Skepsis geahnt.

„Sieht man dir aber nicht an", antworte ich und beginne nun ebenfalls, mein Essen zu löffeln. Allerdings nippe ich erst vorsichtig an der gelben Brühe. Nur um sicherzustellen, dass meine Schärfe richtig eingestellt ist. Ist sie.

„Normalerweise kriege ich auch höchstens eine laufende Nase. Meine regelmässigen Reisen nach Thailand haben sich ausgezahlt. Ich bin abgehärtet", meint er stolz.

Ich unterlasse meinen Kommentar, welchen ich diesem arroganten Schnösel gerne unter die Nase gerieben hätte. Er lädt mich schliesslich hierzu ein, da sollte ich ihm nicht zu blöde kommen. Zudem schmeckt das Essen auch wirklich lecker. Besser als in den wenigen Thai-Restaurants, die ich in meinem Leben besucht habe.

Nach zwei Stunden ist es Zeit für uns, das Restaurant zu verlassen.

Die kühle Brise lässt mich frösteln. Ich verschränke die Arme vor der Brust. Patrick läuft neben mir über die Kieselsteine, da vernehme ich eine Bewegung. Er zieht sich sein Jackett aus.

„Hier, damit dir nicht kalt wird."

Ich muss die Augen verdrehen, sage jedoch nichts. Das ist ein typischer Männer-Move, aber da mir tatsächlich etwas kalt ist, lasse ich ihn gewähren. Kitsch hin oder her. Soll er doch heute den Gentleman spielen dürfen.

Die Wärme seines Jacketts umhüllt mich augenblicklich und damit auch seinen Geruch, der allerdings nicht so betörend auf mich wirkt, wie ein gewisser anderer Duft. Patrick riecht zwar nicht schlecht, aber irgendwie löst das auch nichts bei mir aus.

„Ich fahre dich nach Hause", meint er und dirigiert mich zum Parkplatz.

„Ist nicht nötig", versuche ich mich aus der Situation zu reden. „Ich kann den Bus nehmen."

Mit dem öffentlichen Verkehr bin ich schliesslich hierhergekommen, also kann ich den Ort auch wieder damit verlassen. 

„Emma. Was für ein asozialer Typ wäre ich denn, wenn ich dich jetzt einfach den Bus nehmen liesse, wo ich dich doch bequem nach Hause fahren kann?"

Ich beisse mir auf die Unterlippe. Er will also wirklich den Kavalier bis zum Ende spielen.

„Hast du nicht getrunken?", frage ich, um nach weiteren Gründen zu suchen, weshalb er mich nicht fahren kann. Alkohol am Steuer sollte man ja vermeiden.

„Doch, aber falls du dich erinnerst, hast du den grössten Teil der Flasche gesoffen. Nicht ich."

Ich werfe ihm einen tödlichen Blick zu, was ihn nur wieder so doof grinsen lässt. Mir ist wahrlich nicht aufgefallen, dass ich den Grossteil der Flasche getrunken habe. Ich sollte meinen Alkoholkonsum besser unter Kontrolle kriegen.

„Na los. Du kannst mir vertrauen, Emma. Ich werde dich schon nicht fressen", beharrt er und läuft zu seinem BMW.

Selbst wenn ich sein Auto und seinen sicheren Fahrstil kenne, wird mir beim Gedanken doch etwas komisch zumute. Das hier war schliesslich ein Date und wenn ich jetzt in dieses Gefährt einsteige, dann gebe ich ihm die Macht, mich dorthin zu fahren, wo er möchte.

„Nein, lass mal", sage ich und will ihm sein Jackett zurückgeben, aber da werde ich schon an der Hand gepackt.

Er zieht mich zur Beifahrertür und öffnet mir diese.

„Einsteigen."

„Patrick ..."

„Bitte steig ein, Emma. Ich will dir noch was zeigen, bevor ich dich nach Hause fahre."

Ich drehe mich zu ihm um und stemme die Hände in die Hüfte.

„Du willst noch mehr angeben?" Ich versuche absichtlich genervt zu klingen.

„Ganz genau", sagt er vollkommen unbeeindruckt von meiner Gereiztheit.

„Boah, na gut!", gebe ich laut stöhnend nach.

Widerwillig schiebe ich mich auf den Beifahrersitz und warte, bis mein Fahrer sich ins Leder setzt und die Karre startet.

„Was willst du mir denn zeigen?", versuche ich nun zu ermitteln.

„Kann ich dir nicht sagen. Eine Überraschung."

„Ich hasse Überraschungen."

„Ein Gefühl sagt mir, dass du diese mögen wirst."

Ich erwidere nichts mehr und schweige. Patrick fährt uns geschickt durch den Zürcher Nachtverkehr. Betrunkene Menschen und Jugendliche tummeln sich auf den Strassen, auf der Suche nach Spass und Ärger.

Die Lichter der Stadt ziehen an uns vorbei. Während ich schweigend aus dem Fenster blicke, versuche ich über die Strecke, die wir hinter uns legen, herauszufinden, wohin er mich bringen könnte.

Patrick steuert in eine mir unbekannte Richtung. Diesen Bezirk kenne ich nicht. Die Strasse windet sich in Schlangenlinien durch die Häuser. Wir erklimmen allmählich einen Hügel, was den Motor seines BMWs lauter heulen lässt.

Als der Blinker tickt und wir auf einem schwach belichteten Parkplatz Halt machen, ist die altbekannte Unsicherheit wieder da. Hier gibt es keine anderen Menschen. Nur wir zwei stehen da. In seinem Auto. Alleine.

„Patrick, wo sind wir?", will ich fragen, da steigt er bereits aus.

Ich bleibe sitzen und beobachte, wie er um den Wagen läuft und meine Tür öffnet.

„Komm. Steig aus. Wir müssen ein paar Meter weiter den Weg da runter. Beeil dich, wir haben nicht viel Zeit."

Ich folge mit den Augen der Richtung, die er mir anzeigt. Ein kleiner Kiesweg läuft von dem schwachen Licht des Parkplatzes in einen dunklen Wald. In absolute Finsternis.

„Äh, wenn du mich hier ermorden möchtest, dann sag mir das doch gleich. Spar dir die Mühe, mich in den Wald zu schleppen", grummle ich.

Patrick lacht kurz auf und deutet mir mit einer Kopfbewegung an, aus dem Wagen zu steigen. Trotz leichter Skepsis gehorche ich. Das Jackett schlinge ich mir enger um den Körper.

„Wie bereits gesagt, Emma, du kannst mir vertrauen. Ich will dir wirklich nur etwas zeigen. Komm", sagt er und streckt mir seine Hand hin.

Viel zu lange starre ich sie an, ohne mich zu bewegen. Will er etwa Händchen halten?

„Es ist dunkel. Ich will bloss nicht, dass du umfällst", gibt er mir die Antwort auf meine unausgesprochene Frage.

„Meinetwegen", murmle ich und lege meine Hand in seine. Heute gehe ich seinetwegen aber viele Kompromisse ein.

Seine Handfläche ist warm, ganz im Gegensatz zu meiner. Seine langen Finger umgreifen meine Hand und drücken sie. Dann zieht er mich zum Kiesweg.

„Deine Hände sind eiskalt!", kommentiert er, während es um uns herum dunkel wird.

Ich muss mehrmals blinzeln, damit sich meine Augen an die Finsternis gewöhnen können. Den Fakt, dass ich Angst vor der Dunkelheit habe, versuche ich zu ignorieren. Ich bin schliesslich nicht alleine hier. Das wäre nämlich schlimmer. Mit Patrick an der Hand sollte es gehen.

„Ja, sorry. Ich dachte, du möchtest mich hier ausnehmen und verscharren", maule ich.

Patrick bleibt stehen und blickt mich ernst an. Seine Hand hält die meine fest und sicher. Obwohl es schon recht dunkel ist, kann ich seinen Gesichtsausdruck deutlich sehen.

„Das dachtest du nicht wirklich, oder?", fragt er und ich merke, dass ich ihn damit verunsichert habe.

Meinen Humor versteht auch echt niemand.

„Natürlich nicht, Dummkopf. Und jetzt zeig mir endlich diese Überraschung. Ich explodiere noch vor Neugierde", überspiele ich die Unruhe, die sich in mir angebahnt hat.

Das lässt er sich nicht nochmal sagen und so werde ich an der Hand tiefer in die Finsternis gezogen. Der Wald ist dicht und düster. Es gibt hier keine Strassenlaterne weit und breit, die uns den Weg leuchten könnte. Ich muss mich vollkommen auf Patricks Trittsicherheit und örtliche Kenntnisse verlassen.

Als wir die Lichtung erreichen, die offenbar Patricks Ziel sein musste, klappt mir die Kinnlade runter. Die Angst verfliegt und weicht einem Erstaunen.

Zu unseren Füssen eröffnet sich ein fantastischer Blick auf das nächtliche Zürich.

Die gelben, weissen und blauen Lichter scheinen in der frühherbstlichen Luft zu schwingen. Die Geräusche der Stadt dringen nicht bis zu uns heran, viel präsenter sind die sanften Gesänge des Waldes. Die Blätter rauschen im Wind, Insekten tschirpen und die Bäume ächzen leise.

„Wow, das ist so ein schöner Ausblick", hauche ich.

Patrick zieht mich näher zu sich heran und führt einen Finger an seine Lippen.

„Pssst. Wir müssen für ein paar Minuten mucksmäuschenstill sein. Dann beginnt das wahre Spektakel", flüstert er.

Ich gehorche und verstumme wieder. Wir stehen nebeneinander da, inmitten dieser Lichtung. Das Gras ist kniehoch und kitzelt an meinen Unterschenkeln. Fasziniert lasse ich den Blick über die schöne Stadt schweifen.

Sie leuchtet hell der dunklen Nacht entgegen. Die Sterne sind trotz Lichtverschmutzung am klaren Himmel zu erkennen. Es ist wirklich schön hier.

Plötzlich, als erschienen sie wie mystische Feen aus dem Nichts, tanzen kleine grüne Punkte vor uns durch die Luft, wirbeln umher und umkreisen uns. Ich vergesse zu atmen, denn der Zauber dieses Augenblicks hat mich meines Verstandes geraubt.

Glühwürmchen.

Unzählige kleine Glühwürmchen vollführen in einer magischen Eleganz ihre Kür. Die Luft ist erfüllt von dem Surren der Flügel dieser fragilen Insekten, wie sie im Rausch ihres Liebestanzes im Wind schweben.

„Wow!", flüstere ich.

Ich drücke Patricks Hand, um ihm meine Überraschung und tiefe Anerkennung zu zeigen. Das hier ist überwältigend!

Er dreht den Kopf zu mir und durch die grünen Lichtpunkte, die überall zu sein scheinen, kann ich seine Augen sehen. Sie spiegeln das helle Licht der Glühwürmchen wider und mustern mich freundlich.

„Okay", hauche ich so leise, wie es für mich möglich ist. „Du hast gewonnen, Partner. Ich bin sprachlos."

Seine Zähne blitzen im schwachen Licht auf, als er seinen Mund zu einem triumphierenden Grinsen formt.

Patrick hat es doch tatsächlich geschafft, mich zu beeindrucken.


✵✵✵


Hallöchen

Ich hoffe, dieses Kapitel hat euch gefallen.

Das Date ist endlich geschafft! Na, was denkt ihr. Wie hat sich Patrick geschlagen? Wie lautet eure Bewertung (von 1-5 Sterne)? XD

Küsschen an alle!

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