46 - Feiern wie ein Verkäufer

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22:00 Uhr

„Die nächste Runde Tequila geht auf mich!", brüllt Patrick über die Köpfe seiner Arbeitskollegen hinweg.

Moha, der arabisch anmutende Verkäufer, der hinter mir steht, wirft jubelnd die Arme in die Luft und springt auf. Dabei prallt seine Brust an meinen Rücken und ich werde in Patrick geschubst, der mich gerade noch auffangen kann. Er hält mich in seinen Armen und stellt sicher, dass ich nicht auf den Boden knalle.

Die Vertriebsparty im King's ist im vollen Gange.

Eigentlich wollte ich nicht hierherkommen, aber Patrick hat mich überredet, als er mich nach dem Glühwürmchen-Spektakel nach Hause gefahren hatte. Wie immer konnte er mein Nein nicht akzeptieren, weil er meinte, so ein Vertriebsfest müsse man einmal in seinem Leben erlebt haben. Nachgiebig, wie ich bin, habe ich eingewilligt.

Eine Woche später sind wir nun hier und ich muss gestehen, ich amüsiere mich tatsächlich.

„Oh, entschuldige", lalle ich und stütze mich an seiner Brust ab.

„Kannst du noch stehen, Emma?", lacht mich Patrick aus. „Dabei war das gerade mal der Anfang!"

Nickend löse ich mich von seinen Armen und streiche mir mein Röhrenrock glatt. Die weisse, elegante Bluse zupfe ich mir wieder zurecht.

„Alles im grünen Bereich."

Eigentlich vertrage ich viel. Wirklich. Aber das hier, was diese Verkäufer im King's gerade anstellen, ist ein Gelage von anderer Welt.

Es wäre eine Lüge, wenn ich behaupten würde, dass ich durstig war, als ich mitgetrunken habe. Eine Wahl blieb mir allerdings keine, denn die Regeln des Vertriebes sind streng, wenn es um ausufernde Parties geht.

Diese Verkäufer sind keine normalen Menschen. Das sind höchst ambitionierte Leute, die nur darauf aus sind, so viel Kohle wie möglich über Provisionen zu verdienen, nur damit sie diese wiederum bei exzessiven Parties aus dem Fenster werfen, oder wie verdurstende Elefanten in der Wüste in einem Club versaufen können.

Unsere Tischgesellschaft, bestehend aus Patrick und sechs weiteren Verkäufern, zwei Sekretärinnen und mir, hat die erste Tequila-Flasche innert kürzester Zeit leer gefegt, kaum als wir die Bar betreten haben.

Jeder muss eine Runde spendieren und wer nicht mitmachen möchte, wird bestraft, indem man gewaltvoll eine Ladung Ouzo die Kehle runterspült bekommt. Da ich Anis nicht ausstehen kann, trinke ich lieber eifrig Tequila, obwohl das genauso einen Würgereflex auslöst wie das griechische Gesöff.

Das King's ist zum Bersten voll. Da es an unserem Tisch nicht genügend Sitzplätze gibt, stehen wir neben den Chesterfieldsofas. Die halbe Assekura ist hier vertreten. Verkäufer und diverse Mitarbeitende vom Vertrieb tummeln sich in allen Ecken der Bar.

Geschlossene Gesellschaft steht vor der Eingangstür. Das ganze Lokal wurde für dieses Saufgelage von Herrn Kamp gemietet, sodass wir nicht gestört werden. Diesen Verkäufern ist das Trinken genauso wichtig, wie das Klingeln ihrer eigenen Kassen.

Ich blinzle zur Bar. Teo arbeitet fleissig, schenkt Getränke aus, nimmt Bestellungen für die Küche auf und kommandiert seine Mitarbeitenden herum. Noch hat er mich nicht gesehen und ich werde alles daran setzen, dass es so bleibt.

Ich will ihm nicht vor die Augen treten, denn er ist schliesslich der beste Freund meines Verderbens. Mein Herz zieht sich noch immer beim Gedanken an Chris schmerzhaft zusammen.

Ausgiebig geweint habe ich die letzten Tage zur Genüge. Jetzt gilt es, die Krone zu richten und wieder aufzustehen. Das ist einer der Gründe, weshalb ich trotz allem hierhergekommen bin.

Ich will meinen Sieg feiern. Dieses Fest habe ich mir persönlich verdient, denn schliesslich habe ich mich während meiner Zeit im Vertrieb mehrfach selbst überwunden und diese schier unmögliche Aufgabe professionell gemeistert. Ich habe also guten Grund, zu feiern und meine Probleme und meinen Kummer für einen kurzen Augenblick einfach mal zu vergessen.

Die Musik wird von den lauten Stimmen und dem männlichen Gejohle verschluckt.

„Emma! Hol uns mal zehn Tequila-Shots. Zeig dem Barkeeper deine Titten, dann bedient der dich schneller", grölt Moha neben mir und winkt mich weg, als ob das etwas nützen würde. Sein Atem stinkt fürchterlich nach mexikanischem Schnaps.

„Kann das nicht Susi machen?", frage ich und deute auf die blonde Sekretärin, die hinter Moha einen Platz auf dem Chesterfieldsofa ergattert hat und sich darauf räkelt. Ihre Brüste fallen ihr fast aus dem Shirt.

Moha blickt über die Schulter und dann wieder zu mir.

„Du bist geiler!" Er zwinkert mir zu. Bei der Antwort kann ich nur abschätzig mit den Augen rollen. Typischer Sexist.

Gerade als ich mit einem Gegenargument kontern möchte, schlingt Patrick seinen Arm um meine Taille und zieht mich zu sich heran. Der Geruch von Pfefferminze steigt mir – wie schon oft an diesem Abend – in die Nase.

„Wo er recht hat", murmelt er in mein Ohr. „Schöne Ladies werden schneller bedient als Männer. Das ist wissenschaftlich bewiesen."

Der Schauer, der mir über den Rücken jagen will, unterdrücke ich mit dem Anspannen meiner Muskeln. So schnell, wie sein Arm sich um meinen Körper gewickelt hat, zieht er ihn wieder zu sich, sodass ich gar keine Zeit habe, zu meckern. Ich schnaube genervt durch die Nase und drehe mich zum Schweinchen um.

„Karte?" Provokativ strecke ich ihm meine Handfläche hin.

Wenn die schon wollen, dass ich die nächste Bestellung aufnehme, dann soll Patrick mit seinem Geld rausrücken, so wie er es eben versprochen hatte.

Er zögert keine Sekunde und legt mir seine goldene Kreditkarte in die Hand. Dabei führt er beide seiner Hände an meine. Perplex blinzle ich ihn an, denn mit dieser Berührung habe ich nicht gerechnet. Er schliesst meine Finger langsam um seine Kreditkarte, dann zieht er meine Hand an seine Lippen und küsst meine Knöchel.

„Danke, Prinzessin", murmelt er an meine Finger.

Schnell ziehe ich meine Hand zurück. Patrick ist schon ziemlich angetrunken und klebt an mir wie eine Motte am Licht. Ein bisschen Abstand wird mir guttun, denn ab seiner Nähe wird mir langsam schwindlig.

Ich drücke mich an ihm vorbei und steuere zielstrebig auf die Bar zu – allerdings nicht auf Teo, sondern auf den anderen Barkeeper, den ich hinter dem Tresen erblicke. Ein unscheinbarer Typ im schwarzen Hemd. Wenn ich schnell genug bin, werde ich die Bestellung aufgeben können und vom Tresen wieder verschwinden, bevor mich Teo überhaupt sehen konnte.

An meinem Ziel angekommen, stelle ich mich auf die Zehenspitzen, damit ich zwischen den breiten Männern grösser wirke und vom Getränkemeister gesehen werde. Allerdings sieht mich der Barkeeper nicht und dreht sich genau in dem Moment, als ich mit der Kreditkarte wedeln will, um.

Verflucht!

Jetzt wünschte ich tatsächlich, ich hätte ein paar vorzeigbare Plastikbrüste, die ich ihm ins Gesicht strecken könnte. Meine sind leider anständig in einer weissen Bluse verpackt. Ich knurre frustriert und warte, bis er sich wieder umdreht.

Er scheint jedoch irgendeinen komplizierten Drink mischen zu müssen. Seine ganze Aufmerksamkeit gilt den farbigen Flaschen, die wild durcheinander vor ihm stehen. Mit einem Wink holt er sich Teo dazu. Ich will mich ducken, aber da ist es schon zu spät.

Teo hat mich gesehen.

Sein Ausdruck ist erstaunt, verwandelt sich dann aber schnell in ein freundliches Lächeln. Er schenkt seinem Kollegen, der ihn um Hilfe gebeten hat, absolut keine Aufmerksamkeit, sondern kommt in meine Richtung und lehnt sich zu mir vor.

„Emma! Du? Hier? Am Fest dieser Verrückten?", ruft er durch den Lärm.

Man muss sich hier anschreien, selbst wenn man direkt voreinander steht. Teos weisse Zähne blitzen im Licht hervor. Ich nicke stumm und strecke ihm die Kreditkarte hin.

„Zehn Tequila-Shots bitte", gebe ich meine Bestellung gefühlskalt auf.

Mir ist nicht nach Reden zumute. Selbst wenn Teo nichts für Chris' Taten kann, bin ich dennoch wütend auf ihn. Er steht mit Sicherheit auf der Seite dieses Mistkerls und das missbillige ich sehr.

Teos Lächeln erstirbt augenblicklich, als er merkt, dass ich alles andere als freundschaftlich mit ihm umgehe. Seine türkisen Augen bohren sich in mich und versuchen hinter meinem düsteren Gesichtsausdruck zu blicken. Er wird meine Mauer aber nicht durchbrechen können.

Seine Augen ruhen einen Moment auf mir, dann zuckt er mit den Schultern.

„Das macht 80 Franken", sagt er nun genauso kühl wie ich und zupft die goldene Kreditkarte, die ich ihm hinstrecke, aus meinen Fingern.

Während er die Shotgläser einschenkt, warte ich am Tresen. Meine Finger klopfen ungeduldig auf das Holz, denn ich fühle mich in Teos Gegenwart nicht wohl. Als befürchte ich, dass Chris gleich auftauchen könnte, oder er mit mir ein Gespräch anfangen wollen würde. Es dauert eine Ewigkeit, bis die zehn Gläser gefüllt sind.

Plötzlich spüre ich zwei warme Hände an meiner Hüfte.

„Ich muss hier mein Revier markieren", flüstert Patrick in meinen Nacken und zieht mich rückwärts an seine Brust. Da ich so klein bin, wirkt er wie ein Hüne hinter mir. Ich blicke seitlich zu ihm hoch.

„Äh, Patrick. Was machst du?"

Meine Stimme bricht. Ich bin vom lauten Sprechen heiser geworden. Teo tut so, als ginge ihn das hier überhaupt nichts an. Am Zucken seiner Augenbrauen merke ich jedoch, dass ihn diese Szene gehörig irritiert.

„Du bist meine Partnerin", haucht Patrick an meinen Hals und schiebt mir meine Haare vom Nacken. Es fühlt sich beinahe so an, als wolle er seine Lippen auf mein heisse Haut an der Halsbeuge ablegen, denn er hält seinen Kopf gesenkt, damit er mir ins Ohr flüstern kann.

„Keiner darf dich heute angraben. Auch dieser attraktive Barkeeper nicht."

Seine Stimme klingt beinahe wie ein Schnurren. Mir wird ganz komisch dabei und ich verstehe nicht, warum. Ich entferne seine Hände von meinen Hüften, drehe mich zu ihm um und schiebe ihn von mir.

„Niemand hat mich angegraben. Ausser du gerade", gebe ich zurück.

„Oh, habe ich das?", sagt er grinsend.

„Ja, hast du."

Das Grinsen verschwindet nicht von seiner Fratze, es wird sogar noch breiter. Der Kerl fordert mich hier gerade auf ein Duell heraus.

„Beim Vertriebsfest ist alles erlaubt", meint er frech.

Meine Augenbraue jagt in die Höhe und ich mustere ihn skeptisch. Dann blicke ich um mich und deute mit der Hand auf die wilde Meute, die um uns herum feiert.

„Was ist denn das für eine behinderte Regel? Wenn am Vertriebsfest alles erlaubt ist, dann kann und darf mich ja jeder Idiot anmachen."

„Nein", kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen.

Ich lege den Kopf noch schiefer. „Du widersprichst dir, Kollege. Warum nicht?"

„Weil ich das nicht möchte."

Er macht einen Schritt auf mich zu und verringert den Abstand zwischen unseren schwankenden Körper.

„Warum?", möchte ich wissen.

„Weil du meine Partnerin bist und mir dein Wohlergehen am Herzen liegt." Das sagt er und reckt seinen Kopf in die Höhe.

„Aha. Du hast also Besitzansprüche auf deine "Partnerin". Das wusste ich gar nicht. Wann haben wir das denn ausgehandelt?", frage ich und verschränke die Arme vor der Brust.

Patrick will was sagen und öffnet den Mund, aber dann entscheidet er sich dafür, zu schweigen und presst die Lippen aufeinander.

„Eure Shots", höre ich Teo hinter mir sagen.

Ohne ein Wort noch zu verlieren, wende ich mich der Bar zu und nehme das Tablett mit den zehn Tequila Shots entgegen. So gut es geht, drücke ich mich durch die feiernde Menge und begebe mich zurück an den Tisch.

Glücklicherweise sind einige Personen unseres Tisches nach draussen gegangen um zu rauchen und so habe ich endlich die Gelegenheit, mich hinzusetzen. Meine Füsse schmerzen nämlich in diesen Pumps, die ich für den Abend angezogen habe.

Ich rutsche über das rote Leder der Chesterfieldsofas und platziere das Tablett mit den Getränken in der Mitte des Holztisches. Patrick setzt sich neben mich hin und rutscht näher heran.

„Na endlich!", mault Moha und schnappt sich zwei Shotgläser.

Die restlichen Shots werden an alle Anwesenden verteilt. Die Gläser klirren, als wir über den Tisch die Arme ausstrecken, um anzustossen.

„Zur Mitte, zur Titte, zum Sack, zack zack!", grölt Moha und stürzt sich synchron mit uns allen den Schnaps in den Rachen.

Ich kneife die Augen zusammen, als es in meinem Hals brennt. Dieses widerliche Getränk ätzt sich meine Speiseröhre runter. Mein Magen fühlt sich heiss an und ich muss den Rülpser unterdrücken, der mir die Kehle hochkriechen möchte.

Das hier wird ein langer, anstrengender Abend.

00:15 Uhr

Eine Sache habe ich gelernt. Nämlich, dass Alkohol bei Liebeskummer alles nur verschlimmert.

Ich sitze mit schmerzendem Herzen auf der Chesterfieldcouch und bin den Tränen nahe. Das ist dasselbe Sofa, auf welchem ich mit Chris sass, an unserem ersten Date im King's, als er mir das Dartspielen und Tanzen beibrachte und sich unsere Seelen hier so verbunden fühlten.

Diese Pein, die man verspürt, wenn das Herz blutet, lässt Einen dumme Dinge tun.

Sehr dumme Dinge.

Ich weiss nicht, wie das passieren konnte, aber nach zwei Stunden Dauersaufen, bin ich auf Patricks Schoss gelandet. Alles, woran ich mich erinnere, ist, dass wir über irgendetwas Belangloses diskutiert haben. Die Meinungsverschiedenheit führte dann dazu, dass er mich auskitzeln wollte. Da ich mich mit Händen und Füssen dagegen gewehrt habe und er immer näher zu mir herangerutscht ist, lagen auf einmal meine Beine über seinen. Mit einem Ruck hat mich Patrick dann zu sich auf die Oberschenkel gezogen.

Nun sitze ich da und wir atmen beide viel zu aufgeregt ab dieser neu entdeckten Nähe. Es scheint uns beiden zu gefallen. Leider.

Ohne darüber nachzudenken, lege ich einen Arm um seine Schultern und verlagere mein Gewicht, sodass ich mittig auf seinem Schoss sitze. Die grünen Augen schauen mich forschend und gleichzeitig gierig an. Eine Ewigkeit scheint zu vergehen, in welcher wir uns einfach nur in die Augen blicken.

Seine Hand liegt auf meinem Oberschenkel, bewegt sich nicht, bleibt anständig an Ort und Stelle, als hätte er Angst, sich weiter vorzutasten. Ich merke, wie mir das jedoch nicht mehr genügt, wie ich mich plötzlich nach Zuneigung sehne. Egal von wem.

Mein Herz brüllt buchstäblich nach Liebe in irgendeiner Form, denn es will die Lücke, die Chris hinterlassen hat, füllen.

„Patrick?" Meine Stimme ist nur noch ein Krächzen, so heiser bin ich mittlerweile geworden.

„Emma?" Sein Adamsapfel vibriert, als er meinen Namen sagt und leer schlucken muss.

„Küss mich."

Seine Augen weiten sich, als ich das sage, aber ich meine das so. Ich brauche das jetzt.

„Was? Wirklich?"

Mit einer langsamen Bewegung, die Patrick mit seinen schönen Augen ganz genau verfolgt, lege ich meine Hand an seine Wange. Und dann ziehe ich seinen Kopf zu mir.

„Küss mich, Patrick. Bitte", hauche ich.

Patricks Augen wandern zu meinem Mund, den ich leicht geöffnet habe, um seine Lippen zu empfangen. Er lehnt sich zu mir vor und schliesst die Lider, als er seine Lippen auf meine presst und wir uns küssen. Erst übe ich nur sachte Druck auf seinen Mund aus. Ein harmloser, kleiner Kuss gebe ich ihm.

Aber Patrick will augenblicklich mehr.

Er packt mich am Hinterkopf und intensiviert den Kuss sofort. Seine Zunge verschafft sich Zugang, erforscht mich mit einer Heftigkeit, die ich einmal schon von ihm gespürt hatte. An dem Abend, als er zu weit ging.

In diesem Kerl steckt eine Gier, die explosionsartig zum Vorschein kommt. Das muss er lernen zu kontrollieren. Allerdings lasse ich es zu, dass ihn die Welle der Lust übermannt. Er stöhnt in den Kuss und sobald sich meine Lippen von seinen lösen, lehnt er sich nach vorne, um mehr zu bekommen. Dieser Mann will mich so sehr.

„Patrick", flüstere ich abermals. Seine Hand gleitet unter meine Bluse. Ich lasse es zu.

„Soll ich aufhören?", fragt er und hält in der Bewegung inne.

Sein Blick ruht auf mir. Unsicher. Verunsichert durch das, was einst zwischen uns vorgefallen ist. Ich schüttle als Antwort sanft meinen Kopf. Nein. Ich will nicht, dass er aufhört, denn ich brauche Ablenkung.

Ich muss die schmerzenden Gedanken abschalten. Muss meinen Kopf betäuben, mich mit anderen Sinneseindrücken ersticken, sodass mein Herz nicht mehr blutet. Das klaffende Loch in meiner Brust muss ich mit Watte füllen, denn sonst drohe ich in die Knie zu gehen und nie wieder aufstehen zu wollen. Patrick ist meine Watte. Heute soll er sie sein.

Mein Blick streift über die wildgewordenen Verkäufer, die neben uns und um uns herum feiern. Einige stehen, andere sitzen, aber sie scheinen alle abgelenkt zu sein. Durch die laute Musik und das feiernde Gegröle betäubt. Es hat keiner wirklich Notiz davon genommen, dass wir so eng aneinander geschmiegt sind und uns abknutschen.

„Nein, schon in Ordnung", sage ich und presse meine Lippen wieder auf seine.

Der Schmerz in meinem Herzen ist noch immer da, brennt sich durch meinen Brustkorb und schleicht sich in meine Kehle, will in ein Schluchzen übergehen, aber ich unterdrücke das. Es ist nicht die Zeit, um zu weinen.

Patricks Hand wandert unter dem Stoff meinen Bauch hoch bis zu meinem BH. Sachte umschliesst seine Hand meine Brust. Die Berührung seiner Fingerspitzen auf meiner Haut jagt mir einen Schauer über den Rücken.

Tränen bilden sich in meinen Augenwinkeln, denn seine Berührungen erinnern mich an den Mann, den ich eigentlich will. Den Mann, dem ich alles gegeben habe.

Chris.

Er müsste jetzt eigentlich an Patricks Stelle sitzen. Aber er ist nicht hier. Er wird nie wieder hier sein.

Ich weiss, dass es nicht richtig ist, Patrick an mich ranzulassen, aber ich hoffe so, dass er mir den Schmerz nehmen kann. Er ist das Trostpflaster, das ich so verzweifelt auf meine Fleischwunde kleben möchte.

Er küsst mich abermals und schiebt dann meinen BH zur Seite, sodass seine Hand meine nackte Brust hält. An seinem Keuchen merke ich, wie ich ihn heiss mache. Wie sehr er sich wohl danach gesehnt haben muss, mich so berühren zu dürfen. Ein Traum geht für ihn in Erfüllung.

Seine Zunge leckt mir über die Oberlippe. Mit seinem Daumen streicht er sanft über die weiche Haut meiner Brust. Seine Hand ist angenehm warm. Gänsehaut jagt mir dennoch über den Körper, als er über meinen Nippel streichelt, der sich hart und fest nach oben reckt, bereit dazu, die zärtliche Zuneigung zu empfangen.

Patrick wird steif. Das spüre ich an meinem Bein, welches seiner Mitte am nächsten ist. Seine Küsse werden leidenschaftlicher und ich merke, wie er mich jetzt am liebsten auf dem Chesterfieldsofa ablegen und einfach ficken würde.

Jetzt bin ich diejenige, die aufstöhnen muss, denn es fühlt sich nicht mal so schlecht an, was er da tut. Das Kribbeln in meiner Mitte wird stärker.

Aber genauso das Brennen unter meinen Rippen. Eine Träne löst sich von meinen Augenwinkeln und kullert mir die Wange runter. Vor Schreck, Patrick könnte das sehen, weiche ich zurück, sodass seine Hand aus meinem Shirt rutscht. Ich streiche mir mit dem Handrücken übers Gesicht, um die Beweise zu vernichten.

Ich kann Chris nicht vergessen und selbst Patrick ist nicht imstande, mich von den quälenden Gedanken abzulenken. Der Alkohol macht zudem alles noch schlimmer. Anstatt meine Gefühle zu betäuben, sind diese nur intensiviert worden.

Der Schmerz ist unerträglich.

„Ich muss kurz aufs Klo", entschuldige ich mich und stehe auf.

Patrick setzt sich auf dem Sofa wieder gerade hin und fummelt an seinem Hosenbund. Da ist es unbequem eng geworden.

Ich zwänge mich durch die feiernden Verkäufer und richte mein Outfit wieder her. Während die Welt glücklich ist, versinke ich in meinem schwarzen Loch. Ein schwerer Seufzer entkommt aus meiner Brust, als ich mich zwischen zwei grossen Herren durchdrücke.

Da sehe ich ihn plötzlich.

Mein Herz steht für einen Moment still, ehe es wieder zu schlagen beginnt. Es pocht schmerzhaft gegen meine Rippen, in bodenloser Verzweiflung. Chris steht mit dem Rücken zur Bar, seine Finger krallen sich in den Tresen. Hinter ihm steht Teo, der ein Glas abtrocknet. Sie blicken mich beide mit finsterer Miene an.

Wann und vor allem wie ist der hierhergekommen?

Chris' Gesichtsausdruck ist todernst, seine Augen glänzen schmerzerfüllt. Warum sieht er mich so vorwurfsvoll an? Hat er mich etwa mit Patrick gesehen?

Ich senke sofort meinen Blick, denn ich ertrage das nicht, drohe zu kollabieren, wenn ich diesen brennenden Augen standhalten muss. Mehr Tränen steigen mir in die Augen und verglasen mir die Sicht.

Ich muss hier dringend weg!

Torkelnd bewege ich mich in die einzige Fluchtrichtung, die mir in meinem Zustand einfällt: Das Damenklo. Ich werfe einen unsicheren Blick zurück und stelle mit Entsetzen fest, dass Chris sich von der Bar löst und mir folgt.


✵✵✵


Tolle Party, was? :-)

Startet gut in die Woche!

Hab euch lieb ❤️

Eure Fleur

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