7 - Versicherungs-ception

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„Ah, Frau Schmidt! Da sind Sie ja. In mein Büro, sofort!", kommandiert das Arschgesicht, mein Chef, kaum als ich das Grossraumbüro betrete.

Ich spüre die Blicke meiner Kolleginnen und Kollegen im Nacken. Gespannt verfolgen sie mit, wie ich jetzt gleich den Schuh in den Hintern gekickt bekomme. In meinem Kopf gehe ich alle Möglichkeiten durch, die mich hinter den milchigen Glasscheiben des Büros meines unbeliebten Chefs erwarten könnten.

Einen Zusammenschiss, eine Verwarnung oder vielleicht die Kündigung?

Nach meiner kleinen Rauchvergiftung musste ich nämlich auf Anweisung der Ärzte zwei Arbeitstage aussetzen. Habe sogar ein Arztzeugnis vorzuweisen. Mein Chef hat also eigentlich nichts gegen mich in der Hand, aber bei diesem Hammerhai weiss man ja nie. Der findet immer einen Grund, mich zu zerreissen.

Ich befeuchte meinen viel zu trockenen Mund mit einem Schluck aus der Wasserflasche, die ich für meine tägliche Hydrierung immer mit mir rumtrage. Wenn ich will, kann ich ganz gesundheitsbewusst tun.

Als die Tür hinter mir zufällt und ich auf den grauen Bürotisch meines Vorgesetzten starre, klammere ich mich so fest an meine Flasche, dass das Plastik quietscht. Notfalls könnte ich den Gegenstand auch als Mordwaffe benutzen, wenn es hart auf hart kommt.

Arschgesicht setzt sich auf seinen grossen, ledernen Bürostuhl und zeigt dann mit seiner Hand auf den Platz auf der anderen Seite des Tisches. Ich setze mich schweigend und umgreife meine Wasserflasche fester.

Jedes Mal, wenn ich in dieses Zimmer zitiert werde, erwartet mich etwas Schlechtes. Noch nie wurde ich hier reingebeten, damit er mir eine Lobeshymne vorsingen konnte. Eigentlich schade. Würde ich gerne mal hören.

Er platziert seine Ellbogen auf der Tischkante und faltet die Hände vor sich. Seine Lippen liegen auf den verkeilten Fingern. Eine Körperhaltung die "ich habe keine guten Neuigkeiten für dich" nur so ausstrahlt.

„Frau Schmidt", beginnt er und ich halte unbewusst den Atem an. „Sie waren zwei Tage krankgeschrieben."

„Ja, das ist korrekt. Auf Anweisung des Arztes. Ein richtiger Arzt. So einer, der im Krankenhaus arbeitet", bekräftige ich den Sachverhalt.

Das Arschgesicht nickt nur, dann presst er seine Lippen aufeinander. Eine silberne Strähne hängt ihm in die Stirn und irgendwie irritiert mich das. Mein Chef ist normalerweise immer frisch gestriegelt, wie so ein Hengst kurz vor der Zuchtshow. Es fällt mir schwer, den Blick von seiner unordentlichen Strähne abzuwenden.

„Der Vorfall in der Schleuse ...", beginnt er.

„Das war ein Unfall", sage ich schnell.

„... wird teuer", beendet er seinen Satz.

Erst blinzle ich verwirrt. Wie meint er das jetzt? Teuer für wen? Er meint hoffentlich nicht für mich.

„Äh, tut mir leid", entschuldige ich mich sogleich.

Es ist besser, wenn man sich reumütig zeigt. Das mögen rote Krawatten besonders. Wenn man sich unterwürfig verhält. Vor allem als Frau, da sollte man nie zu laut kläffen, sonst wird man nur wieder als zickiger Drache abgestempelt und das will ich nicht. Ich bin schliesslich nicht für den Brand verantwortlich, auch wenn ich Feuer speien kann, wenn ich will. Verbales Feuer, nicht echtes, versteht sich.

„Sie haben sich fahrlässig verhalten", fährt er fort. „Wir haben ganz klare Richtlinien, die besagen, wie sich die Mitarbeitenden im Falle eines Feuers aus dem Gebäude zu bewegen haben."

„Aber –", will ich widersprechen, doch er lässt mich nicht. Wie immer hört er sich selber gerne sprechen und gibt mir keine Sekunde Zeit, ihm dazwischenzureden.

„Sie sind nicht über die gekennzeichneten Fluchtwege aus dem Gebäude gegangen, sondern haben die Schleusen benutzt. Das war ein Fehler."

Ich wurde von einem Creep verfolgt, denke ich mir, aber ich sage nichts, denn das tut absolut nichts zur Sache.

„Wissen Sie, wie hoch die Schadenssumme ist?"

Ich schüttle den Kopf. Nein, von sowas habe ich keine Ahnung, auch wenn ich in der Schadenregulierung arbeite. Wie diese Mathematiker berechnen können, wie viel ein paar verkohlte Büroräume kosten, ist mir schleierhaft.

Da ich ihm nicht antworte, spricht Arschgesicht von alleine weiter:

„100'000 Franken!"

Mir fällt die Wasserflasche aus der Hand und sie rollt meinem Chef vor die Füsse.

„Ups!", murmle ich. Ich bücke mich und krieche kurz unter den Tisch, um die Flasche wieder hervorzuholen, denn ich brauche unbedingt etwas, das ich zwischen meinen zitternden Finger halten kann.

„Frau Schmidt! Was machen Sie da?", ruft mein Chef empört, während ich ihm um die Füsse krieche und nach meiner Flasche greife.

„Mein Wasser!", keuche ich und setze mich wieder auf, dabei schlage ich mir meinen Hinterkopf gegen die Tischkante.

„Aua." Ich reibe mir die schmerzende Stelle.

Mein Chef dampft vor Wut. Erst jetzt realisiere ich, dass das urkomisch ausgesehen haben muss, wie ich dem Arschgesicht um die Füsse gekrochen bin. Auf den Knien. Wenn jemand genau in dem Moment ins Büro gekommen wäre, hätte der sich seinen Teil gedacht und mein Chef wäre seinen Job los gewesen. Schade, dass das nicht passiert ist, denke ich mir kurz, schüttle aber dann den Kopf. Ich muss bei der Sache bleiben!

„Entschuldigen Sie", stottere ich und nehme einen Schluck von meiner Flasche, damit er sieht, dass ich sie ja dringend brauche.

Er reibt sich den Nasenansatz und blickt mich streng an. Ich geh ihm offensichtlich auf die Nerven. Auch gut. Das beruht nur auf Gegenseitigkeit.

„100'000 Franken haben Sie gesagt?" Ich räuspere mich, wohl bewusst, dass er mit seinem Zusammenschiss ja noch nicht fertig war und ich noch nicht weiss, worauf er hinaus will.

„Das ist korrekt."

„Wir sind aber bestimmt gut versichert", sage ich dann.

Er runzelt die Stirn. „Wie bitte?"

„Na, als Versicherung müssen wir doch sicher auch eine Versicherung abgeschlossen haben. Versicherungs-ception quasi."

„Ach, ja natürlich." Er nickt. „Aber wir kommen nicht um die Tatsache herum, dass Sie für einen Teil des Schadens verantwortlich sind."

Mir kippt meine Kinnlade runter und ich kann nicht anders, als laut „WAS?" zu kreischen. Der will mir allen Ernstes weismachen, dass ich bezahlen muss?

„Den Brand habe ich nicht verursacht!", protestiere ich sogleich. „Das war sicher wieder diese Burgerbude im Erdgeschoss! Die lassen ihre Brötchen ständig anbrennen! Warum zum Fick soll ich dafür zahlen, wenn Carlos im Holy Bun wieder mal zu viel gekifft hat!"

Die letzten Sätze brülle ich und ich merke, wie sich der Kopf meines Chefs langsam rot färbt. Ups. Das war wohl das impulsive Biest in mir, das gesprochen hat. Ich kralle meine Finger um die Plastikflasche, damit sie mir nicht schon wieder aus den Händen fällt. Jetzt wäre ich bereit dazu, sie meinem Chef über den Kopf zu dreschen, aber ich unterlasse das vielleicht lieber.

„Frau Schmidt. Bitte reissen Sie sich zusammen!"

„Aber das ist nicht gerecht!", rufe ich noch, da hebt er die Hand und bringt mich damit zum Schweigen. Als er weiter spricht, ist seine Stimme irgendwie unheimlich. So herrisch und autoritär.

„Sie sind nicht für den Brand verantwortlich. Aber Sie sind dafür verantwortlich, dass die Feuerwehr die Panzerscheibe der Schleuse aufbrechen musste, um Sie da rauszuholen. Diese Scheiben sind sauteuer. Das sind die Fakten, Frau Schmidt. Akzeptieren Sie das jetzt bitte einfach."

Dazu kann ich nichts mehr entgegnen, denn wo er recht hat, hat er leider recht.

„Aber so viel Geld habe ich nicht", murmle ich wahrheitsgemäss.

Meine Gedanken rasen und ich überlege mir alle Auswege, die ich in der Situation habe. Es fallen mir allerdings keine ein, ausser, dass ich mich ab sofort prostituieren muss, um so viel Geld aufzutreiben. Oder vielleicht überlege ich es mir doch noch mit der YouTube-Karriere.

„Für solche Fälle hat man eine Haftpflichtversicherung", hilft mir mein Chef auf die Sprünge. Ich blicke ihn hoffnungsvoll an.

„Ahja, stimmt", flüstere ich.

„Nur sind Sie mit dem Problem konfrontiert, dass Sie Ihre Haftpflichtversicherung bei uns abgeschlossen haben."

Ich blinzle ihn an und muss erst einmal verarbeiten, was er mir da gerade wieder sagt. Vage erinnere ich mich, wie ich mich bei der Assekura Versicherung für das Risiko habe versichern lassen, dass ich Gegenstände von anderen Menschen zerstören könnte. Im Normalfall zahlt also eine Versicherung für meine Schusseligkeit, was eigentlich ganz praktisch wäre. Nur habe ich die Panzerglastür ebendieser Versicherung zerstört. Sie haben den Schaden erlitten und müssen sich selbst die Reparatur zahlen. Das mag keiner. Die Assekura hat also wegen mir genau nichts von der ganzen Sache. Jetzt verstehe ich, weshalb mein Chef aufgebracht ist.

„Es tut mir leid?", wiederhole ich mich, denn ich weiss wirklich nicht, was ich sonst noch sagen sollte.

Ihm wäre es wohl lieber gewesen, dass ich die Mitarbeiterkonditionen nicht so attraktiv gefunden hätte und mich durch die Konkurrenz hätte versichern lassen. Tja, leider bin ich opportunistisch.

„Das bedeutet für Sie Folgendes", beginnt er und ich höre wieder auf zu atmen, um seinen Worten zu folgen. „Da wir wegen Ihnen einen immensen Schaden erlitten haben, den wir nicht mehr ausbezahlt bekommen, müssen Sie das kompensieren."

Ich ziehe fest die Luft durch die Nase ein, obwohl ich noch immer nicht ganz verstehe, was der von mir will.

„Das heisst ...?", frage ich dann vorsichtig.

„Das heisst, dass Sie den Betrag, den Sie verursacht haben, der Assekura wieder einbringen müssen."

„Und wie mache ich das?"

„Indem Sie solange im Verkauf arbeiten, bis Sie das geschafft haben."

Mein Gesicht erstarrt zu Stein und die Wasserflasche fällt schon wieder zu Boden. Fassungslos blicke ich das Arschgesicht an, während mein Gehirn versucht, diese schreckliche Neuigkeit zu verarbeiten. Natürlich bin ich froh, dass ich das nicht aus eigener Tasche bezahlen muss, aber ich in den Vertrieb?

ICH? Das geht nicht! Das ist nicht meine Welt. Ich bin die schlechteste Verkäuferin auf Erden.

„W-Was?", stottere ich dann ungläubig.

Mein Chef nickt nur und streicht sich endlich die graue Strähne aus dem Gesicht. Er scheint erleichtert darüber zu sein, mir die Hiobsbotschaft überbracht zu haben.

„Um genau zu sein, Sie müssen unseren Kunden Versicherungen mit einem Wert von insgesamt 30'000 Schweizer Franken verkaufen, denn das ist der Wert der Panzerglasscheibe, die wegen Ihnen aufgebrochen werden musste."

„Aber –", wehre ich mich, doch er fällt mir schon wieder ins Wort.

Männer haben auch wirklich Mühe, Frauen zu Wort kommen zu lassen. Besonders Businessmänner. Oder Chefs.

Ich seufze ergeben und sage nichts mehr.

„Sie beginnen nächste Woche Montag. Der Business Assistent aus dem Vertrieb wird Sie einarbeiten."

Schockiert betrachte ich mein eigenes Spiegelbild im Lift, der mich in den sechsten Stock befördert. Ich sehe blass aus und meine Haare liegen mir strähnig vom Kopf. Mit einer Hand streiche ich mir die schwarze Stoffhose glatt und zupfe an meinem dunkelgrünen Oberteil rum. Die Klimaanlage sorgt regelmässig dafür, dass meine Nippel durch den BH hervorstechen und wenn ich mich schon in die Höhle des Löwen begebe, dann will ich zumindest dafür sorgen, dass ich nicht wie eine Gazelle aussehe. Mit meinen Handflächen wärme ich meine Brustwarzen, bis sie wieder abflachen und nicht mehr auf dem Dunkelgrün meines Shirts sichtbar sind.

Das "Ping" des Aufzugs lässt mich zusammenschrecken. Ich bin im testosteronschwangeren Stock angekommen: Im Vertrieb.

Das ist eine der Etagen in unserem Gebäude, die ich tunlichst meide. Normalerweise bin ich hier nie anzutreffen, denn mir sind die Verkäufertypen, die hier herumlungern, einfach nicht geheuer. Männer, die den ganzen Tag in den teuersten Anzügen rumrennen, nur um unseren Kunden so viel Versicherungsprodukte wie möglich an den Hals zu hängen, damit sie eine fette Provision kassieren können, sind unsympathisch.

Vielleicht liegt es daran, dass ich ein bisschen neidisch auf diese erfolgreichen Männer bin. Dass sie so viel verdienen, ohne viel können zu müssen, dass sie ein Selbstbewusstsein haben, als wären sie alle Adonis höchstpersönlich oder dass sie andere Menschen mit ihren Worten so gut manipulieren können. Alles Dinge, die ich nicht besitze. Ich habe weder einen Penis noch ein überschwappendes Selbstbewusstsein deswegen.

Als ich durch den Gang schlurfe, höre ich von irgendeiner Ecke ein Pfeifen. Ah und sexistisch sind sie auch. Ganz vergessen. Ein wirklich toller Ort, um zu arbeiten, muss ich zugeben. Ich ignoriere die Tatsache, dass ich gerade bei meinem Arbeitgeber angebaggert wurde und ich das eigentlich als sexuelle Belästigung melden könnte, und bahne mir den Weg zu Patricks Arbeitsplatz.

„Suchst du wen?", fragt mich ein arabisch anmutender junger Herr.

Er ist recht attraktiv mit seinem dunklen Teint und dem gestutzten Bart. Nur seine Frisur wirkt so, als hätte ihm eine Kuh über die Haare geleckt, so viel Gel, wie da drin klebt.

„Ja. Patrick. Sollte der nicht hier irgendwo sitzen?", frage ich und setze ein freundliches Lächeln auf.

Lächeln hilft übrigens immer, wenn man etwas braucht. Das funktioniert vor allem bei Männern gut. Die finden es immer so toll, wenn man sie mit dem schönsten Lächeln anstrahlt, das man zu bieten hat. Dann fühlen sie sich so unbesiegbar und merken nicht, dass sie einem voll aus der Hand fressen.

„Der Assi?", fragt der junge Mann.

„Der Business Assistent. Ja."

„Ah, der schreibt gerade Protokoll bei der Vertriebsleitersitzung. Das Opfer", lacht der Typ. „Soll ich ihm ausrichten, dass eine hübsche Dame bei ihm am Tisch war und etwas von ihm möchte?"

Ich presse den Kiefer fest zusammen, um mein Lächeln nicht zu einem mörderischen Zähnefletschen zu verwandeln. Ruhig bleiben, nichts dergleichen tun, flüstert mir mein Engelchen von der linken Schulter zu.

„Nein, ist nicht so wichtig", sage ich dann und mache auf dem Absatz kehrt.

Eigentlich war ich hier, um Patrick darum zu bitten, mir einen Arbeitsplatz für nächsten Montag einzurichten. Aber der schleimige Araber und das zu viele Testosteron auf diesem Stock hier oben hat mir den Rest gegeben. Ich beschliesse, Patrick später darüber in Kenntnis zu setzen, dass wir eine Zeit lang Kollegen sein werden. Lieber kehre ich zu meinem Arbeitsplatz zurück und heule mich bei Viola aus. Die sitzt wahrscheinlich schon auf brennenden Kohlen und in froher Erwartung meiner Rückkehr.

Als ich es zurück an meinen Platz schaffe, sitzt sie schon da und hat ihr Headset abgestellt. Wir machen Kaffeepause und ich erzähle Viola alles, was mir mein Chef soeben offenbart hat. Viola kann es genau wie ich kaum fassen und flucht laut und wütend über das Arschgesicht. Mit ihrer Art heizt sie meine Wut weiter auf.

Dieser Tag kann wirklich nur noch besser werden. Diese ganze Woche eigentlich.


✵✵✵


Hallooo meine Lieben

Ein neues Kapitelchen ist da.

Na, das sind ja mal tolle Neuigkeiten für die liebe Emma. Ob das gut gehen wird...?

Macht's gut!

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