3: Snap und swop

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„Ratata."

„Ratata."

Dieses Geräusch. Was zur Hölle war das?

„Ratata"

Moment. Jetzt war es verstummt.

Zögerlich öffnete ich meine Augen und blickte plötzlich in das Gesicht eines blondhaarigen Mädchens. Ein angsterfüllter Schrei entwich meinen Lippen, und ich rollte mich im Liegen zur Seite, bevor ich wie von der Tarantel gebissen aufsprang. Woher sollte ich denn wissen, dass mir dieses Kind nicht weh tun wollte?

Rasch versuchte ich mich wieder zu fangen und blickte mich verzweifelt um. Es war definitiv nicht mein Zimmer, in dem ich mich gerade befand! Unter meinen Füßen befand sich ein schwarzer Boden, der so aussah, als wäre er mit sechseckigen Fliesen gelegt worden, nur dass es sich nicht um Fliesen handeln könnte, so wie sie sich unter meinen Füßen anfühlten. In den Ritzen zog sich immer wieder ein buntes Licht hindurch und ich blinzelte dreimal, um sicherzugehen, dass ich mich auch wirklich nicht täuschte.

Das musste ein Traum sein! Das musste ein Traum sein! Eine andere Erklärung gab es für diese abnormale Erfahrung nicht, die ich gerade machte!

Ich tat also das Einzige, was mir Gewissheit verschaffen würde: Ich holte mit meiner rechten Hand aus und verpasste mir selbst eine Backpfeife. Das ist nicht echt, das ist nicht echt!

„AAHH, Verdammte Scheiße, wo bin ich denn hier!!!", brüllte ich in die Luft, als der Schmerz meines Schlages meine Backe durchfuhr.

„Alles okay bei dir?", fragte mich nun plötzlich das Mädchen und ich sah sie mit weit aufgerissenen Augen an. „Was glaubst du denn?", schnaubte ich und sie zuckte ein wenig zurück. „Hm. Eher nein", stellte sie fest, nachdem sie mich für ein paar Sekunden mit zusammengekniffenen Augen gemustert hatte.

Erst jetzt bemerkte ich den hell brauen Bollerwagen, welcher neben ihr stand, von dem das nervige „Ratata" Geräusch gestammt haben musste. Die Räder sahen abgenutzt aus. Generell, der gesamte Wagen erschien mir sehr in die Jahre gekommen. Er war beinahe genauso groß wie sie selbst und ich fragte mich, warum sie diesen überhaupt mit sich herumschleppte.

„Da liegst du goldrichtig!", grummelte ich, bevor sie sich plötzlich ohne ein Wort zu sagen von mir abwandte. Wollte sie jetzt ernsthaft einfach gehen?

„Hey! Du! Bleib hier! Du kannst mich doch nicht einfach hier zurücklassen! Ich hab doch nicht einmal einen Plan, wo ich hier bin!", rief ich ihr nach und sie drehte sich wieder zu mir.

„Du bist in Snapchat", behauptete sie und legte ihren Kopf schief, so als wollte sie mir signalisieren, dass sie mich absolut komisch fand. Zugegebenermaßen konnte ich sie verstehen, schließlich stand ich vor ihr, wie eine aufgelöste Irre, die den Bezug zur Realität verloren hat.

In Snapchat, was soll das denn bedeuten?"

„Na in Snapchat halt", antwortete sie und ich schnaubte empört. Das half mir nun wirklich kein Stückchen weiter!

Fieberhaft versuchte ich, eine Erklärung für meine Situation zu finden. In meinem Kopf spielte sich immer wieder dasselbe Szenario ab: Ich, wie ich vor meinem Handy sitze und mein Finger sich auf einmal nicht mehr bewegen lässt. Das blaue Licht und diese unheimliche Kraft, die plötzlich auf mich wirkte... Was war da bloß passiert, dass ich mich in einem solchen Schlamassel wiederfand?

Konnte es sein, dass ... Nein, ausgeschlossen, das wäre zu absurd. Aber was, wenn es doch wahr war und ich wirklich in mein Handy gezogen wurde?

„Und wie komme ich hier wieder weg?", wagte ich einen Versuch herauszufinden, ob ich jemals wieder aus dieser Hölle herauskommen würde.

Das Mädchen zuckte mit den Schultern und nahm den Griff ihres Bollerwagens fester in die Hand. „Das weiß ich nicht. Tut mir leid, aber ich muss jetzt weiter", meinte sie und drehte sich erneut von mir weg.

„Moment!" Schnell lief ich ihr hinterher. „Egal wo du hingehst, ich komme mit", entschied ich aus Angst, ganz allein in dieser mir fremden Welt herumzuirren. „Vielleicht gar keine schlechte Idee", stimmte sie mir zu. „Ich gehe nachher in die Stadt. Da findest du bestimmt jemanden, der dir weiterhelfen kann."

„Weiterhelfen" klang schon einmal sehr gut. Gerade als ich meinen Mund öffnete und mich bei ihm bedanken wollte, blieb das Mädchen stehen. Es ging in die Knie und ich beobachtete, wie es nach einem Haufen Staub, welcher auf dem Boden lag, griff. Ein wenig angeekelt verzog ich das Gesicht, als ihre kleinen Finger darin verschwanden. Was machte es denn da?

Ich erwartete, dass der Staub, sobald es ihn hochgehoben hatte, wie Sand durch seine Finger rieseln würde, doch ich täuschte mich: Die einzelnen Körnchen begannen bei seiner Berührung leicht bläulich zu glühen und hafteten aneinander wie ein Klumpen Schleim. Anschließend warf es ihn in seinen Bollerwagen und spazierte weiter, so als wäre nichts passiert. Ich tat es ihm gleich, bloß erschien mir diese Aktion nicht als das normalste der Welt.

Verwundert musterte ich das Mädchen ein genauer. Wo es wohl herkam? Wo waren seine Eltern? Es konnte nicht älter als acht Jahre alt sein, und meiner Meinung nach sollte man in diesem Alter nicht allein durch egal welche Welt laufen. Mir fiel auf, dass ich es noch gar nicht nach seinem Namen gefragt hatte.

„Sag mal, wie heißt du eigentlich?", wollte ich deswegen wissen und sie sah mich mit ihren großen blauen Augen an, während wir gemeinsam weitergingen.

„Ich heiße Dust. Und du?", stellte sich das Mädchen vor. Einen Namen dieser Art hatte ich noch nie gehört, und ehrlich gesagt hörte er sich für mich auch nicht wirklich nach einem Namen an, der zu einem kleinen niedlichen Mädchen passte, wie Dust es war.

„Didi", antwortete ich. „Das ist aber ein komischer Name!", kommentierte sie und kicherte. Dabei hatte sie doch von uns beiden den komischen Namen.

„Es ist mein Spitzname. Also eine kurze Version von Elodie. Meine Freunde und meine Familie nennen mich so", erklärte ich ihr und ich schenkte ihr ein gequältes Lächeln. Ich hatte entschieden, dieses kleine unschuldige Mädchen, nicht länger anzuschnauzen. Schließlich konnte es nichts dafür, dass ich auf magische Art und Weise in diesem Fiebertraum gelandet war.

„Hm. Elodie klingt schöner.", meinte sie und fuhr dann fort. „Du bist nicht von hier, oder?" Wieso zeigte sie auf einmal Interesse an meiner Herkunft? Vor ein paar Minuten hatte sie mich noch allein mitten im Nirgendwo sitzen lassen wollen!

„Du hast recht, ich bin nicht von hier. Ich komme aus einer Welt, da ist Snapchat eine App, keine Welt", versuchte ich ihr zu erklären und hoffte darauf, dass man in dieser Dimension wusste, was eine App ist.

„Das glaube ich nicht. Snapchat ist keine App", lachte sie. „Sag das bloß nicht zu laut, sobald wir in der Stadt sind. Das Wort verwenden wir hier nämlich größtenteils als Beleidigung. Meistens für Instagram, weil sie Filter von uns klauen! Verwende lieber das Wort Plattform", riet sie mir.

Keine App? Beleidigung? Instagram? Filter klauen? Mit so vielen neuen Informationen musste mein Gehirn erst einmal verarbeiten.

„Ist Instagram etwa auch hier irgendwo?", wollte ich wissen und sah mich um. In dieser Welt gab es kaum etwas, zumindest sah ich bis jetzt kaum etwas davon. Zwar war es hell und ich konnte Dust ganz klar vor mir erkennen, doch der Himmel, wenn man es überhaupt so nennen könnte, war von einer tintenblauen Farbe durchzogen und ich hatte das Gefühl, dass ich etwas darin reflektieren sehen konnte.

„Naja, grundsätzlich schon, aber du müsstest hinüber hüpfen. Aber glaube mir, das willst du nicht. Snapchat ist viel besser als diese App!"

Rüber hüpfen? Absurd. Wie sollte das denn funktionieren? Waren die „Apps" etwa auf eine Art und Weise miteinander verbunden.

„Sag mal, was machst du da eigentlich die ganze Zeit?", fragte ich das Mädchen schließlich, als ich nun schon zum mindestens fünften Mal beobachtete, wie sie diesen komischen Staub vom Boden aufhob und in ihren Bollerwagen schmiss.

„Ich swope", sagte sie, als ob mir das alles erklären sollte. „Du was? Was soll das denn bitte sein? swopen?" hakte ich nach und sie begann zu lachen.

„Du hast ja wirklich keine Ahnung von irgendwas hier, oder?" Wie sollte ich denn auch? Ich war gerade erst einmal ein paar Minuten hier und musste mich erst einmal mit dem abstrusen Fakt abfinden, dass ich hier vermutlich für die nächsten paar Tage gefangen war!

„Nein", seufzte ich schließlich und sie klopfte mir mit ihrer kleinen Hand aufmunternd auf die Schulter. „Kopf hoch, das wird schon. Ich bin für dich da und werde dir jede Frage beantworten, die du hast. Zumindest so gut ich kann... Swopen bedeutet so viel wie aufräumen... Ja, aufräumen beschreibt es ganz gut", begann sie zu erklären und ich hörte ihr gespannt zu. „Wenn ein Snap verschickt wird, dauert es meistens eine kurze Zeit, bis er wieder entsorgt wird. Dann wird er an das Stadtzentrum geschickt und dort verstaubt er so lange, bis er selbst zu Staub wird. Ich weiß, das hört sich jetzt so an, als würde das total lange dauern, aber in Wahrheit braucht es etwa eine Minute. Wenn es irgendwann zu viel Staub wird, dann wird er aus dem Zentrum geschossen, mit dem Ziel, in den Abgrund zu treffen. Nur leider klappt das nicht immer. Und dann..." Sie bückte sich erneut und griff nach einem weiteren Staubhäufchen.

„...landet er hier. So wie dieses Häufchen. Und ich muss ihn aufsammeln. Das ist meine Abgabe."

Bedeutete das etwa, dass jedes Mal, wenn in meiner Welt einen Chatverlauf gelöscht oder ein Snap geöffnet wurde, Teile der Überreste hier landeten und ein kleines Mädchen ihn aufsammeln musste? Bei der Anzahl der Snaps, die ich bisher verschickt hatte, hatte sie bestimmt auch schon oft Staub aufsammeln müssen, der meinetwegen entstanden war!

„Ich mache das schon ziemlich lange. Die fantastischen Drei denken, dass ich zu dumm bin, um genauso wie die anderen im Zentrum zu arbeiten. Aber naja. Irgendwer muss schließlich auch diese Aufgabe erledigen, sonst verdreckt unsere Plattform irgendwann und Snapchat kann nicht mehr so gut funktionieren. Deswegen ist es eigentlich eine sehr wichtige Arbeit, man braucht nur nicht viel Grips dafür", fuhr sie fort, und ich spürte förmlich, wie mir das Herz brach. Auf mich hatte Dust auf keinen Fall dumm gewirkt, ganz im Gegenteil. Sie schien sich hier sehr gut auszukennen und auch wie sie sprach. Sie kam mir vor, wie ein ganz normales Mädchen. Vielleicht waren die Erwartungen an Kinder in dieser Welt höher?

„Wer sind diese fantastischen Drei?", fragte ich, während ich in meinem Kopf russisch Roulette mit ihnen spielte. Wie konnten die nur so unverschämt sein und einem so kleinen Mädchen einreden, dass es zu dumm für etwas war?

„Das sind unsere Erschaffer. Stefan Mirror, Robert Yellow und Bob Murray. Sie sorgen dafür, dass hier alles in bester Ordnung bleibt", erzählte sie und anhand ihrer Stimme konnte ich hören, dass sie diese drei sehr bewunderte.

Hieß das etwa, dass die Gründer von Snapchat regelmäßig in diese Dimension hier reisten? Wenn ja, bedeutete das doch, dass ich möglicherweise bei ihrem nächsten Besuch gleich mit ihnen in die reale Welt zurückkehren konnte, oder? Es war bestimmt ein ungewollter, technischer Fehler, dass ich hier gelandet war.

„Wohnen die hier?", fragte ich nach und Dust schüttelte ihren Kopf. „Nein", lachte sie. „Sie können uns sehen, wir sie aber nicht. Deswegen kommunizieren sie durch die verschiedensten Zahlencodes mit uns."

Alles hier schien so organisiert zu sein. Schon als ich die Stadt von der Weite sah, erkannte ich sofort, dass sie sich um einiges von den Städten unterschied, die ich von zu Hause kannte. Überall standen quietschgelbe Hochhäuser und rundherum befanden sich jeweils kleinere Häuser. Es war ein amüsanter Anblick, besonders, weil es so aussah, als würden sie aus Wackelpudding bestehen, in den kleine Fenster eingebaut waren.

Dust lief zielstrebig auf eines der kleinen Häuser zu und stellte ihren Bollerwagen so nah wie möglich neben der Wand ab. Anschließend klatschte sie in die Hände und ein Grinsen huschte über ihre Lippen.

„So, für heute bin ich fertig. Wenn du möchtest, dann kann ich dir ein wenig die Stadt zeigen. Den gesammelten Staub entsorge ich immer erst am nächsten Tag. So erspare ich mir den erneuten Weg zum Abgrund", meinte sie.

Und auch, wenn ich die Hälfte von dem, was sie mir erzählte, nicht verstand, beschloss ich nicht weiter nachzufragen und mich von ihr durch diese Stadt führen zu lassen. Es würde bestimmt nicht schaden, wenn ich besser darüber Bescheid wusste, wie die Dinge hier so abliefen.

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