◆5| G u e r n i c a ◆

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Ich habe nicht alles gesagt, aber ich habe alles gemalt.

|Pablo Picasso|

«Und die Blumen stellen wir rechts daneben ab, genau hinter den beiden Tischen. Was meinst du ?», fragte Clara nachdenklich, den beigefarbigen Kugelschreiber indes zwischen ihre Lippen klemmend, anschließend sie sich mit einem fragenden Ausdruck im Gesicht zu mich wandte.

Ich, die völlig in ihre eigenen Gedanken versunken war, schnappte erleichtert nach Luft, als ich realisierte, dass ich ihrer letzten Frage doch noch im Hintergrund aufzufassen bekommen hatte, weshalb ich zustimmend und mir über ihre Frage im Klaren sein, nickte.

Clara hingegen schien mir bereits gar nicht mehr zuzuhören, als der nächste Song aus den Boxen der kleinen Recorders vor uns auf dem Tisch ertönte. Sich erschwinglich im Takt hin und her bewegend, erhöhte sie mit einem nachahmenden Murmeln die Lautstärke der Boxen erheblich, ehe sie, trotz, dass sich in diesem großen Saal Mitarbeiter verteilten hatten um beim Aufbau für das Fest einiges beizusteuern, keine Scheu vorzuweisend mitsang.

«...mi alma en la ruleta russa
mi rival que es tan astuta asi se aprovecho.»

Ich musste mir die Hand vor den Mund halten, um nicht laut loszulachen aufgrund der lustigen Bewegungen die Clara just in dem Moment in meiner Gegenwart vollführte. Sie blickte mich, die Augenbrauen provokant hoch und herunterziehend an, ehe sie ihre Arbeitsmaterialien in der Hand auf den Tisch vor uns legte und auf mich tanzend angeschlendert kam.

«Und jetzt du ?», sagte sie lachend und tat so, als würde sie mir ein Mikrofon vor den Mund halten, doch ehe ich der Stimme Romeo Santos zu La Diabla einsteigen konnte, schritt auch schon Raúl mürrisch dreinblickend durch die Saaltür, heute ausnahmsweise Mal einen Casual look bevorzugend, der seinem jungen Alter ganz gerecht wirkte, bis er wenige Meter vor uns zum Stillstand kam.

«Díos...Ich betrete gerade den Saal und könnte jetzt schon wieder direkt umkehren, wenn ich mir diesen scheiß Sänger reinziehen muss.»

Ich verdrehte die Augen, da dies wieder dem typischen Verhalten Raúl entsprach. Wenn ein Mann mehr begehrt wurde, als seine Wenigkeit dann mochte er ihn automatisch nicht und darüber ließ sich auch nicht diskutieren. Seine Eitelkeit ließ dies gänzlich nicht zu.

Auf eine Antwort ausholend, öffnete ich einen Spalt den Mund, doch als Elias, der wie immer in einer seiner grauen Anzüge gekleidet und Delilah im Schlepptau, deren Hand er hielt, sich zu uns gesellten, da verstummte ich augenblicklich. Erstaunt über die Musik blickte sich nun der 29-Jährige im Saal um und inspizierte die bereits angefertigten Einzelheiten für den besonderen Abend in einigen Tagen, wo fast die ganze High Society Englands anwesend sein würde.

«Es findet eine Feier statt und Delilah und ich sind nicht eingeladen ?», fragte er gespielt empört, indem er mit der Hand auf den Recorder deutete, im Anschluss Delilah erschrocken aufschrie.

«Hermano, die haben uns vegessen !»

«Cariña das haben wir nicht nötig. Dann machen wir unsere eigene Fiesta. Na, was hältst du davon ?», fragte Elias fürsorglich auf die kleine Delila niederblickend, deren Augen sich bei seinem Gesagten urplötzlich weiteten und sie erfreut auzukreischen begann.

«Sí sí sí.» Begeistert klatschte sie sich in die Hände, sodass ihre beiden dunklen zu zwei Zöpfen geflochtenen Haare, Einklang in dieser Bewegung fanden.
Ehe Clara und ich daraufhin einen amüsierten Blick austauschen und Clara mit ihrem Gesang und den Vorbereitungen fortsezten konnte, durchbrach ein tiefes Brummen am anderen Ende des Saales erneut die Stille. Raúl hatte sich zu den hohen Eichenholztüren des Saaleingangs zurückbegeben und sich, die Hände an der Brust verschränkend, dagegen gelehnt. Die Augen fest zusammengekniffen, brummte er übertrieben genervt auf.

«Mir Bluten fast schon die Ohren von diesem Kerl. Schaltet diese Piep-stimme aus, den kann ich mir echt nicht mehr reinziehen.»

Ich unterdrückte mir ein Lachen, als ich sah, dass Clara der schlechten Laune Raúls nicht entgegenkam, sondern absichtlich die Musik etwas lauter drehte und sich am Tisch abstützend sagte:

«Nichts gegen Romeo, Raúl. Seine Musik ist wundervoll, poetisch, romantisch und so voller Leidenschaft.»

Raúl verdrehte die Augen und trat nun zu Delilah und Elias vor.

«Wohl eher kaum. Seine dünne Stimme nervt nach einer Zeit und außerdem verstehe ich nicht, was ihr Mädels so toll an ihn findet.»

Ich verschränkte die Arme vor der Brust, ehe ich bissig von mir gab.

«Na ? Bist du etwa eifersüchtig auf ihn Raùl, da er all die hübschen Frauen abbekommt, nach denen zu dich so sehr sehnst ?»

Er schnaubte auf.

«Ganz sicher nicht, ich bekomme alle, die ich will. Eine gute Sache haben seine Songs hingegen. Da sind mega heiße Chicas dabei und da sowieso fast in jedem seiner Musikvideos mindestens eine Bettszene vorkommt die Pornos regelrecht Konkurrenz macht und...»

Raúl konnte seinen Satz nicht beenden, denn in dem Moment gab ihm Elias einen leichten Schlag mit der Hand auf den Hinterkopf.

«Spinnst du ? So spricht man nicht neben kleinen Kindern und generell auch nicht auf diese herabwürdigende über Frauen, Raúl.»

Und wie als hätte Elias das geahnt, zog er scharf die Luft ein, als Delilah zwischen ihnen eingenommen, sich in das Gespräch einmischte:

«Ehm was ist denn ein Porno ?»

Erwartungsvoll wanderten ihre neugierig aufleuchtenden Augen zwischen unseren beiden älteren Brüdern neben ihr hin und her, die hingegen darauf fokussiert waren ihren Blickkampf weiter fortzuführen. Raúl kratzte sich am Hinterkopf, während Elias ihm einen tadelnden Blick zuwarf, der so viel wie: «Da hast du es nun den Ärger», zu bedeuten hatte.

Auch Clara und ich enthielten uns, da wir nun allzu gerne mitansehen wollten, was Raúl für eine Ausrede parat hatte. Wer so vorlaut und eilig den Mund aufmachen konnte, war auch gleichermaßen dazu verpflichtet die Unordnung, die diese zustande gebracht hatte wieder aufzuräumen. Seit Tagen nicht Mal annähernd so erheitert wie jetzt, lehnte ich mich zurück und blickte gespannt abwartend zu ihm rüber.

«Also... es ist so, dass... wenn sich zwei Personen lieben dann haben sie...»

Er hielt kurz inne, da er selbst wusste, dass es nicht angemessen war sowas in der Gegenwart eines Kindes zu erwähnen.

«Dann...», unschlüssig wie er den Satz weiter fortsetzten sollte, kratzte er sich am Hinterkopf, aber auch das entlockte ihm keine einfallsreiche Ausrede, wie zu erwarten war.

«Also dann drehen sie halt sowas...»

«Einen Porno, meinst du ?», sprach Delilah konzentriert dreinblickend aus, wie als wäre die wirklich gespannt darauf zu erfahren, was hinter diesem Wort steckte. Ich schüttelte ungläubig den Kopf und Elias warf Raúl einen kritischen Blick zu.

«¡Ahora sí que basta! Ich ziehe dir sonst gleich noch die Ohren lang Raúl», ermahnte er ihn in einem bissigen Ton und gab deutlich zu verstehen, dass Raúl sich nicht noch mehr in dieses Schlamassel stecken sollte. Dieser gehorchte ausnahmsweise augenblicklich, ließ aber durch seinen Gesichtsausdruck nicht unbemerkt, dass es ihm nicht gefiel, dass auf diese Weise mit ihm gesprochen wurde.

Clara lachte amüsiert auf.

«Na na na die Herren, nun kommt beide Mal wieder auf den Teppich und erst recht du Elias. Du bist doch nur neidisch, dass deine Frau einen Sänger so unglaublich attraktiv findet», sagte sie und wackelte mit den Augenbrauen, um die angespannte Stimmung, die unmittelbar eingetreten war aufzulockern. Auch ich musste kurz aufgrinsen und warf ihr dankbar einen flüchtigen Blick zu. Elias und Raúl waren völlig unterschiedliche und entgegengesetzte Persönlichkeiten, die sich immerzu voneinander abstoßen und nie im Einklang fungieren würden. Während Raúl immerzu rebellisch war und jeden Ärger, wie ein Magnet an sich zog, hatte Elias die typische Rolle des Vorzeigejungen und den des ältesten Bruders angenommen. Hinter seinem charismatischen Aussehen verbarg sich ein disziplinierter vornehmer und bescheidener junger Geschäftsführer, der Raúl immerzu aus den Schwierigkeiten rausgeholt und nie als Gegenleistung dafür etwas verlangt hatte. Auch wenn das heißen musste, dass Elias die meisten Predigten von unserem Familienoberhaupt auf sich nehmen musste. Elias war unser Beschützer und neben Blanca, die unser Moralmonopol war, hatte auch Elias viel zu unserer Erziehung beigetragen, da Papá oft auf Geschäftsreisen war. Dementsprechend machte Elias schon gerne den Mund auf, wenn ihm das Verhalten von Raùls missfiel. Insbesondere konnte er es nicht ausstehen, wenn er sich auf diese vorbildhafte Weise in Delilahs Gegenwart benahm.

Clara wusste genau, wie auch jetzt, wann sie einzugreifen hatte, um ihren Ehemann zu besänftigen. Denn seine steinharten Haltung fiel und er fuhr sich schelmisch grinsend durch die dichten Haare, anschließend er mit anmutigen Schritten auf sie zutrat, sich hinter sie stellte und die Arme um ihre Taille schlang, damit er sein Gesicht daraufhin in ihre Halsbeuge schmiegen konnte, was die hübsche fast 30 Jahre alte Blondine ein kindliches Kichern entlockte.

«Ihhhh warum küsst er ihren Hals», kreischte Delilah und presste sich peinlich berührt von diesem Szenario die Hände vor die Augen, was uns allen ein erheitertes Lachen entnahm.

«Warum machen die das, hermano ?», fragte sie nun wieder an Raúl gewandt, dem eine bissige Antwort auf der Zunge lag, wie ich von seinem Zögern erraten konnte. Doch einen kurzen Blick zu Elias werfend, schluckte er diesen runter und nahm Delilah hoch in seine Arme, anschließend er ihr einige Strähnen hinter die kleinen Ohren schob.

«Ich gebe dir doch auch immer einen Kuss, cariña.»

«Ja... aber doch nicht so», sagte sie flüsternd, was Raúl herzhaft auflachen ließ. Er nickte und steuerte den Weg mit ihr zum Saalausgang an.

«Komm wir machen uns langsam auf dem Weg zum Esssaal gleich ist Zeit für das Abendmahl.» Er warf mir nur noch einen letzten flüchtigen Blick zu, der darauf hinwies, dass er was mit mir zu besprechen hatte, ohne das die anderen Wind davon bekamen, ehe er hinter der Tür verschwand.

Ich legte mein Federmäppchen in der die Do-To Liste bezüglich der ganzen Organisation lag, zur Seite auf den Tisch und blickte mich ebenfalls im Saal rum, um nicht Aufsehen zu erregend, dass mich Raúls Abgang hibbelig gestimmt hatte. Es war fast alles erledigt und gut durchdacht dekoriert, dachte ich mir. Schade, dass die Leute auf der Charity Veranstaltung so wenig wert auf solche Feinheiten gaben.

Ich wandte mich erneut meinem Bruder und seiner Gemahlin zu, die sich nun dezent voneinander gelöst hatten. Clara war die Röte ins Gesicht gemalt.

«Mhh ok dann schalte ich Romeo doch aus, du hast mich durch deine ganz besonderen Künste doch noch überzeugen können.» Sie zwinkerte ihrem Mann zu. Dieser hatte sich aber mit dem Blick bereits zu mir gewendet und lächelte mich an.

«Und wie läuft die Uni?»

«Abgesehen von all dem Lernen und den Hausarbeiten ? Stressig ? Und dann habe ich auch noch einen Chauffeur, der mich über all hin begleiten muss und mich keinen Moment aus den Augen lässt.»

Die Gesichtszüge Elias und seine lockere Haltung verhärteten sich urplötzlich.

«Stimmt, das Problem gab es ja auch noch», sagte Clara, die Dritte im Bunde, die das Gespräch zwischen uns mitangehört hatte und ihre Hände nun um die von Elias geschlungen, sich seitlich zu ihm wandte.

«Hat Vater eigentlich mehr darüber herausfinden können ?», stellte sie die Frage, die mir ebenfalls auf der Zunge lag.

Gepresst aufseufzend schüttelte dieser verneinend den Kopf, sodass seine dunklen Strähnen einen Schatten über seine markanten Gesichtszüge legten.

«Nein... rein gar nichts haben wir bis jetzt. Vater ist noch immer sehr gereizt, wenn man dieses Thema anspricht. Selbst bei uns Zuhause hätte sowas niemals auftreten dürfen.»

Ich lauschte gebannt den Worten meines Bruders zu, fügte aber dann doch hinzu:

«Na ja wenigstens hat Papá heute keine Einwende erhoben, als ich ihn gefragt habe, ob ich nach dem Abendessen zum Küchendienst gehen kann. Auch hat er nichts gesagt, als ich verlangte, dass der Chauffeur mich etwas Abseits vom Stand ablässt.»

«Es liegt womöglich daran, dass seit dem Vorfall nichts Ungewöhnliches mehr aufgetreten ist», spekulierte Clara vor sich hin, was mir ein etwas zögerliches Nicken entlockte. Da rumorte noch ein mir unbekanntes ungutes Gefühl in meinen Inneren herum, sodass ich trotz, dass ich es mir ersehnlichst wünschte, sich jede Faser meines Körpers gegen jegliche Annahme solcher Aussagen sträubte.

«Mag sein», antwortete ich stattdessen also, wurde aber dennoch das flaue Gefühl in der Magengrube nicht los, als mir nicht entging, dass Elias immer wieder den Blickkontakt zwischen uns vermied. Befürchtete er womöglich, dass ich sah, dass er vor mir etwas zu verbergen hatte ?

Ich schüttelte unmerklich den Kopf. Nur weil Raúl und ich, Elias wegen der kleinen Angelegenheit des Rechners angelogen hatten, konnte ich ihn nicht in dieselbe Schublade befördern. Elias war nicht so ein Mensch. Trotz seines hohen Ansehens, was er nicht nur unserem Familiennamen zu verdanken hatte, war er immer bodenständig und höflich geblieben - eine Eigenschaft, die viele Menschen eigentlich nach der gewünschten Anerkennung achtlos fallen ließen.

In dem Augenblick, wo ich ihn ein letztes Mal diesbezüglich ausfragen wollte, hatte er seinen Blick hingegen auf Clara gerichtet und fragte:

«Wo ist unser Kleiner eigentlich abgeblieben ?»

Wie auf Stichwort platzte die Kinderstimme von Carlos in den Saal hinein und mit einem entzückten Lächeln drehten sich beide Elternteile immer noch fest umschlungen in Richtung Tür um aus der sie das verwirrte Stimmgewirr des Jünglings ausmachen konnten. Claras Blick änderte sich nicht, wohingegen Elias regelrecht einen Wandel durch die Jahreszeiten erlitt. Das Strahlen, welches der Wärme der Sonne glich, fror augenblicklich ein, die den Eiszapfen der Winterjahreszeit mächtig Konkurrenz machten. Er ließ mit einem Mal abrupt von Clara ab, stellte einen Abstand zu ihr her und seine Gesichtszüge verkrampften sich im Nu, als er zur Tür blickte. Verblüfft über solch einem Wandel folgte ich seinem Blick, nur um den kleinen blonden Carlos in den Armen von Eva zu sehen, die mit ihm, welcher auf ihrer Hüfte abgestürzt, hereingetreten war.

«Warum passt sie auf Carlos auf ?», hallte urplötzlich Elias Stimme im Raum wider, was Clara und mich irritiert zu ihm blicken ließ. Auch einige Angestellte im Hintergrund hatten den strengen Tonfall Elias mitbekommen und hielten einen Augenblick lang in ihren Beschäftigungen inne, anschließend sie sich wieder an die Arbeit machten. Clara währenddessen hatte sich seitlich zu ihm gedreht und paar Mal mit den Wimpern geklimpert, um sich auch wirklich zu verinnerlichen, dass sie sich seine Worte nicht eingebildet hatte.

«Perdona ? Was ist das denn für ein Tonfall, Schatz. Eva gehört zum Hauspersonal und da ich gerade mit der Organisation der Veranstaltung beschäftigt war, hat sie sich solange um Carlos gekümmert.»

«Du hättest auch ruhig mich anrufen können. Das Personal hat bereits genug zu tun.» Mit ebenso festen Schritten, wie seine erklungenen Worte, marschierte er gezielt auf Eva zu, die völlig unbeholfen den Kleinen in den Armen hielt. Trotz, dessen, dass gerade über sie auf solch eine, fast schon herabwürdigende Weise gesprochen hatte, hatte sie keinen Ton herausgebracht, sondern lediglich auf den Laminatboden gestarrt. Bei ihr angekommen und sie fast eineinhalb Köpfe überragend, stellte Elias sich vor sie, woraufhin sie ihre hellen stechend grünen Augen unsicher hoch hob und diese auf ihn richtete.

Ohne überhaupt jegliche Worte auszutauschen, reichte Eva ihm Carlos, der sabbernd seine kleine Hand, die zur Faust geballt hatte, in den Mund zu stecken versuchte. Einen kurzen Moment erweichte der harte Blick Elias, als er einen letzten Blick zu Eva warf, der es sichtlich unangenehm war, dass es meinem Bruder missfallen hatte, dass sie auf seinen Sohn aufpassen musste, ehe er sich räuspernd brummte:

«Danke trotzdem.» Auch Clara mischte sich von hinten mit einem Dank ein. Eva richtete erneut ihren Blick zu Boden, ehe sie diesen auf meine Seite schweifen ließ.

«Mutter sagt, dass das Abendessen gleich bereitsteht. Ich soll ihnen schon Mal Bescheid geben pünklich zu erscheinen, um Konflikte mit ihrem Vater Don Sebastian zu vermeiden.»

Ich lächelte ihr zu und versuchte dabei meinen Ärger über Elias Verhalten zu verbergen.

«Ich danke dir Eva, wir kommen gleich. Du kannst dich zurückziehen.»

Gesagt getan. Wie als hätte ich sie von schweren Ketten befreit, eilte sie mit zügigen Schritten aus dem Saal und war in wenigen Sekunden hinter dem Türrahmen verschwunden.

Ich trat einige Schritte nach vorne.

«Sag Mal was ist denn in dich gefahren, hermano ? Das war sehr unhöflich gegenüber Eva. Sie lebt seit Jahren hier, ist praktisch hier aufgewachsen, hat mit uns immer im Garten gespielt und du weißt genauso wie ich, wie vertrauenswürdig sie ist. So hast du mit ihr nicht zu sprechen, sie ist immerhin auch ein Mensch.»

Doch Elias antwortete nicht, sondern spielte mit Carlos, was mich die Augen verdrehend zu Clara blicken ließ.

«Keine Ahnung was mit deinem Mann los ist. Ich schaue mich nach Raúl und Delilah um, damit wir und schon Mal zum Esssaal begeben können, beeilt euch bitte ebenfalls.»

Einen vielsagenden Blick zu Clara werfend, um ihr zu verdeutlichen, dass sie mit Elias sprechen sollte, machte ich kehrt und begab mich ebenfalls nach nur Sekunden aus dem Saal.

«Und da soll mir jemand sagen Frauen haben Stimmungsschwankungen», murmelte ich mürrisch vor mich hin, als ich den Kopf schüttelnd in den Flur trat, der bereits durch die verschiedenen, in immer demselben Abstand stehenden Kronleuchten den schmalen langen Flur mit Leben hüllten. Die großen lang erstreckten Fensterscheiben, die mit den samtigen Damastvorhängen umrahmt waren, zeigten bereits die heran brechende Dunkelheit zu dieser Jahreszeit an.

Gerade aus den Fenstern blickend, während ich den Orientteppisch, welcher farblich zu den verschiedenen Gemälden an der Wand abgestimmt war, in Richtung des Esssaals entlang lief, hörte ich bereits leises kaum hörbares Stimmgewirr in der Nähe, um diese dann bei jedem weiteren Schritt Raúl und Delilah zuordnen, die beide vor einem meiner Lieblingsgemälde auf der großen Wand, welcher genau in der Mitte des Flures und gegenüber des Treppengeländes hing, zum Stehen gekommen waren. In fast jedem der großen Räume waren Kunststücke der berühmtesten Künstler aufgestellt worden. Manche waren Duplikate, manche hingegen Originalwerke, die sich Papá für Unmengen von Geld erworben hatte. Die größten Gemälde waren hingegen, die hier im Flur und die im großen Saal, wo die Veranstaltungen stattfanden. Jeder, der daran vorbeilief, konnte nicht umhin, als davor urplötzlich einen Halt einzulegen und diese fasziniert mit ihren kleinsten Feinheiten und Symbolen in sich aufzunehmen. Wie denn auch nicht, wenn fast jede dieser genauso hoch war wie die ganze Wand und diese fast komplett einnahm.

Mit leisen Schritten bewegte ich mich auf sie zu, um unbemerkt zu lauschen, was sie da besprachen. Denn obwohl beide den Rücken zu mir gedreht hatten und das Gemälde vor ihnen betrachteten, drehte sich Delilah mit einem Mal von der Seite zu Raúl um und verschränkte ihre Finger mit seiner, ehe sie mit dem Zeigefinger auf einen Bereich des Gemäldes explizit hindeutete.

«Ist das ein Kind ? Hält die Frau dieses Kind in den Armen ?», fragte Delilah interessiert und ich musste grinsen. Delilah war immer schon ein wissensbegieriges Mädchen gewesen, fragte und hinterfragte in diesem Alter sehr viel, ohne Scheu vorzuweisen. Insbesondere in den letzten Monaten trat dies verstärkt immer wieder in den Vordergrund.

Raúl lachte, da ihm dies ebenfalls genauso erheiterte, wie mich, ehe er mit einem schlichten 'Ja' antwortete:

«Sehr gut, du hast diesen Teil des Gemäldes entschlüsselt.»

Doch Delilah sprang nicht wie gewöhnlich auf oder klatschte sich in die Hände, da sie etwas erraten hatte, sondern ganz im Gegenteil. Sie legte den Kopf von der einen Seite zur anderen, ehe sie skeptisch nachhakte:

«Aber warum schaut dieses Kind so ? Ist es krank ?»

Ich verkrampfte mich, richtete mich auf und auch Raúl stutzte einen Moment bei der Frage, ehe er zu sprechen begann.

«Nein. Das Kind ist t...»

«Das Kind schläft. Es schläft», mischte sich meine Stimme plötzlich wie aus dem nichts ein und ich schloss die vorhandenen paar Meter zwischen uns, sodass ich nun neben Delilah stand, aber meinen kalten Blick auf Raúl haften ließ.

«Stimmt's Raúl ? Das Kind schläft.»

Sekunden lang blieb er still, erwiderte meinen Blick standhaft, wie als wollte er mir die Stirn damit bieten. Doch dann antwortete er recht tonlos:

«Ja. Das Kind schläft.»

Mit einem aufgesetzten Lächeln bückte ich mich zu Delilah runter.

«Nun aber hop hop setzt dich schon Mal an den Esstisch, cariña. Raúl und ich kommen gleich nach.»

Ohne Widerspruch nickte sie und hüpfte fröhlich summenden in den Esssaal, dessen massiven Türen laut zuknallte.

Die Arme vor der Brust verschränkt, stellte ich mich nun unmittelbar neben Raúl. Unsere Augen waren nach vorne auf das Gemälde gerichtet, derweilen uns die Stille umkapselte.

«Ernsthaft, Raúl ? Du wolltest einem 10 - jährigen Kind, die Intention Picassos hinter dem Gemälde 'Guernica' übermitteln ?», fragte ich meine Stimme nicht mehr von der darauf erklingenden Schärfe entziehen können.

«Warum nicht ? Sie ist alt genug. Das Kind auf dem Gemälde war tot. Denkst du, eine Lüge würde sie in ihrem Leben weiter bringen ?»

Empört schnaubte ich auf, ehe ich mich entzürnt zu ihm wandte. Er tat das bewusst. Bewusst um seine angestaute Wut und Frust aus mir herauszulassen.

«Ein Kind, das dem Krieg zum Opfer fiel, Raúl und in den Armen der Mutter starb ! Dann kannst du gleich Francos Diktatur, den spanischen Bürgerkrieg, den Kampf mit den Republikanern niederlegen und ach bevor ich es vergesse... nebenbei kannst du auch noch erwähnen, dass der Luftangriff durch die Unterstützung Hitlers in die Realität umgesetzt wurde. Und wo wir doch schon bei Hitler sind, nur zur, dann erkläre einem kleinen Kind, was es unter dem 'Holocaust' zu verstehen hat. Na los... mach schon !»

Meinen Zorn freien Lauf lassen, spürte Raúl, dass er mich zum Kochen gebracht hatte, aber er rührte sich kein bisschen vom seiner eingelegten Position. Unverschämter Kerl, dachte ich mir, als ich mich wieder nach vorne drehte und das Gemälde Guernica vor Augen hatte. Ein Gemälde was so viel Schmerz und Zerstörung, so viel Leid und so viel Böses der Menschheit repräsentierte.

«Je eher sie mit der Wahrheit konfrontiert wird desto besser. Sie sollte wissen, welche Fehler Menschen aus unserer Kultur gemacht haben. Nicht zu vergessen von vielen anderen Namen Augusto Pinochet und...»

«Sie ist noch ein Kind. Ein Kind. Hör auf so unsensibel zu sein. Sie ist noch zu jung, um sich mit solchen Angelegenheiten zu befassen. Klar, sie sollte irgendwann wissen, dass nicht nur Gutes auf dieser Welt herrscht, aber jetzt noch nicht. Willst du ihr wirklich das Scheinbild ihrer Kindheit rauben ?»

Während ich das sagte, blickte ich weiterhin das Gemälde an vor dem ich so viel Achtung und Respekt hatte. Als kleines Kind hatte ich dieses Gemälde auch als sehr komisch, gar regelrecht abschreckend empfunden. Die deformierten Körperteile, die komischen Symbole und geometrischen Spiele hatten mich verwirrt und ich hatte nie verstanden, weshalb Besucher meiner Eltern, hoch angesehene Menschen, immerzu vor diesem Gemälde stehen geblieben und sich angeregt darüber unterhalten hatten.

Im Laufe der Jahre hatte Papá gesagt, dass es wichtig sei die Geschichte des Landes zu kennen aus dem unsere Wurzeln stammen, anschließend die Erklärungen zu diesem Gemälde erfolgte. Ab da hatte ich begriffen, dass hinter der Abstrahierung dieser Stadt viel mehr steckte, als auf den ersten Blick den Anschein machte und dieses Durcheinander, mehr symbolisierte, als ein kleines Mädchen, wie ich es damals war, hätte verstehen können.

Raúl erwiderte auf meine Worte nichts, verschränkte lediglich die Arme hinter dem Rücken und baute sich auf, sodass seine volle Körpergröße zur Geltung kam.

Ich seufzte auf.

«Du bist immer noch wütend darauf, dass du seit unserem Gespräch an der Uni keine genaueren Informationen herausfinden konntest, oder ?», fragte ich und erinnerte ihn an das Gespräch von vor zwei Tagen zurück.

Als auch hierauf keine Antwort folgte, war ich mir sicher einen wunden Punkt getroffen zu haben, was mich wiederum erneut aufseufzen ließ.

Seit dem Gespräch vor zwei Tagen mit Raúl und der Information, dass das Signal von der Uni gekommen war, uns also der Zugriff wissentlich gewährt wurde, hatte Raúl keine Ruhe gefunden. Es ging ihm nicht darum, ob man ihn erwischte, viel eher war er davon besessen immer noch herauszufinden um wen es sich handelte, der sein System gehackt hatte. Ich hatte das Gefühl, als hätte es Raúls Ego mächtig angegriffen, wenn er schon wie verrückt auf der Suche nach dem Täter war anstatt sich seiner Lieblingsbeschäftigung, den Frauen zu widmen. Weshalb ich im Gegensatz zu ihm hingegen ruhig blieb, lag ganz einfach daran, dass ich seinen Worten keinen Glauben schenken konnte. Er hatte da bestimmt etwas falsches herausgefunden, denn wer bitte schön würde uns freiwillig erlauben in das Datennetzwerk der Oxford Universität herreinzuspazieren? Das war doch schwachsinnig.

Während ich mich damit abgefunden hatte, dass womöglich ein Systemfehler dahinter steckte, hatte Raúl seine Unruhe nicht stillen könnend sich auf die Suche gemacht. Erfolglos, wie sich nun herausstellte, denn nun ließ der Miesepeter seine schlechte Laune bei uns raus. Am liebsten würde ich ihn einsperren, bis er sich wieder beruhigt hatte.

Den Arm um seine Schulter legend blickte ich zu ihm.

«Komm schon, jetzt sei nicht so verkrampft. Seit Tagen bist du schlecht gelaunt.»

«Wohl zurecht, oder nicht ?», schnaubte er auf.

«Ich meine ich bin der...»

«Ja ja du bist der Beste, du Neunmalkluger und jetzt komm. Wenn wir zu spät zum Essen auftauchen, dann sind wir erst recht dran.»

Mit diesen Worten entlockte ich in dem letzten Augenblick Raúl doch noch ein zaghaftes winziges Lächeln, anschließend wir uns in den Esssaal begaben, wo sich bereits an dem großen Tisch, Elias, Clara und Delilah gesetzt hatten. Nachdem auch Raúl und ich Platz genommen hatten, erschien in nur wenigen Sekunden darauf Papá durch die Tür und setzte sich ganz vorne, wie immer, auf den Hauptsitz. Er wirkte unglaublich zufrieden, selbst ein kleines Lächeln auf seinem Gesicht lag vor.

«Vater Sie sehen ja heute sehr gut aus», sagte Clara freundlich und Papá schenkte auch ihr ein Lächeln. Anscheinend war heute wirklich sein Tag.

«Ja, so könnte man es sagen.» Mit diesen Worten wandte er sich Elias zu, der in erwartungsvoll anblickte.

«Mit den Howard wurde ein neuer Vertrag abgeschlossen.»

Nun wurde auch ich hellhörig, denn er sprach von Jons Vater.

«Das sind fantastische Neuigkeiten», stimmte Elias einen Schluck aus seinem Glas nehmend erstaunt zu, derweilen Eva und Blanca das Essen servierten. Als dann sie den Raum verlassen hatten und wir uns nun dem Essen gewidmet hatten, mischte sich urplötzlich Delilahs kindliche Stimme ein.

«Papá ?»

«Ja ?», fragte dieser und richtete auffordernd seinen Blick auf sie.

«Ich habe eine Frage.»

«Dann stelle diese.»

«Haben du und Mama früher auch Pornos gedreht. Hermano meinte, wenn sich zwei Menschen lieben, dann machen sie sowas.»

Totenstille kehrte für einen kurzen Moment ein, ehe ich mitbekam, wie dies durch Claras lautes Husten unterbrochen wurde, die sich bei Delilahs Worten an ihrem Getränk verschluckt hatte.

Mir das Lachen verkneifend, indem ich mir fest auf die Unterlippe biss, legte ich mir unauffällig die Hand vor den Mund. Elias warf Raúl einen Blick zu der besagte: Da hättest du eher drüber nachdenken müssen, wann du deinen Mund aufzumachen und wann du ihn zu halten hast. Doch Papás Blick sprach im Gegensatz zu Elias Bände.

Den Blick nun in Raúls Richtung wendend, erklang seine feste Stimme recht schneidend.

«Ach hat er das gesagt ?«

Raúl blickte kreidebleich auf seinen Teller nieder und als Delilah auch noch unschuldig bejahte, da dachte ich, dass er sich jeden Moment übergeben würde, so weiß war er im Gesicht.

Papá fletschte die Zähne, atmete durch die Nase tief die Luft ein und stieß sie wieder aus. Raúl war ihm schon immer ein Dorn im Auge gewesen. Schon von klein auf. Denn seit er sich voller Elan in die Jugend hineingestürzt hatte, war er immerzu auf den aktuellsten Klatschblättern abgebildet worden, was Papá nach einer Zeit einfach nicht mehr erduldet. Deshalb hatte er auch angeordnet gehabt, dass dieser seine letzten Semester nicht mehr in Harvard, sondern hier bei uns zu machen hatte, damit er ihn immer vor Augen hatte und ihm damit klar zu machen versuchte, dass er härtere Maßnahmen ergreifen würde, wenn sich sein Verhalten langsam nicht änderte. Raúl hatte daraufhin gelernt diskreter mit dieser Sachen umzugehen. Baute er immer noch Ärger ? Ja, das tat er, aber er hatte gelernt dies sl geheim wie möglich zu halten, weil Papa sein ein weiteres unschickliches Benehmen nicht mehr dulden würde. Nun hatte ihn aber Delilah unbewusst ins offene Messer laufen lassen.

«Nun wenn das so ist... Princesa, das Wort wirst du sofort vergessen, versprochen ?»

Delilah nickte unwissend, gehorchte aber Papá augenblicklich.

«Und du Raúl... da du so viel Zeit fürs unnötige Geschwätz führen hast und anscheinend zu unterfordert bist mit deinem Studium, da kannst du ab sofort gerne für einige Wochentage bei uns zu arbeiten anfangen, nur damit du in das Geschäft langsam reinkommst. Schließlich hast du in naher Zukunft dein Studium hinter dir.» Oh Gott, das hat ihm ja gerade noch gefehlt. Nun war seine Laune komplett im Keller. Wie schon zu erraten war, war Raúl keineswegs erfreut über diese Idee und als er die Kiefer nach vorne regte, wusste ich erheben würde. Schnell ergriff ich das Wort, um diesem Spektakel zu entkommen.

«Ehm Vater, wir haben gleich 19 Uhr ich müsste dann langsam zum Küchendienst.»

Er nickte mir zu und ich stand, noch einen letzten mitleidigen Blick zu Raúl werfend und gleichzeitig froh darüber, dass Papá mir nun endlich wieder Freiraum gewährte, von meinem Platz auf. Ich kehrte dem Tisch den Rücken zu und verließ den Saal.

Was sollte schließlich dabei passieren, wenn ich beim Küchendienst aushelfen würde ? Als würde mir da jemand etwas zuleide tun können, dachte ich darüber den Kopf schüttelnd, ehe ich in das nächtliche Stadtleben von London aufbrach.

Guten Abend ihr Lieben 🤗

hier bin ich Mal wieder mit einem langweiligen Kapitel 🤦🏽‍♀️ Wie dem auch sei, ab dem nächsten Kapitel gewinnt das Ganze wieder etwas Schwung. Ich wollte euch nur darüber informieren, dass im nächsten Kapitel ein Einschub vorhanden sein wird. Also nach dem 4 Kapitel, dem 14 Kapitel, dem 24 Kapitel etc. wird das immer der Fall sein. Diese Kapitel sind Sonderfälle und werden nicht aus der Sicht von Amalia dargelegt. Erkennen könnt ihr solche Kapitel daran, dass beim Titel des Kapitels keine Kapitelanzahl angegeben wird.

Bis zum nächsten Mal.

Einen schönen Abend wünsche ich euch 😙

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