3. Juli 3091

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Irgendwann An Hope,

Ich weiß nicht, wie du über mich denkst. Vielleicht weißt du auch noch gar nichts von dem, was alles passiert ist. Dann wirst du es hier erst lesen bevor du dir ein Urteil bildest. Es ist eigentlich egal, wie du es erfährst, du musst mir nur eine Sache glauben: Ich habe Amalie nicht umgebracht. Bitte glaub mir das. Das könnte ich nicht. Es gab Momente in denen ich sie am liebsten erwürgt hätte, aber du kennst mich. Ich könnte keinem Menschen etwas antun. Amalie war für mich ein Vorbild. Ich habe sie bewundert. Warum sollte ich sie dann töten? Hope. Ich vertraue dir. Bitte, wenigstens du sollst mich nicht verurteilen. Bitte. Jeden Tag kommen Jäger an meine Zelle, Menschen, die mich nicht kennen, mich niemals gekannt haben und trotzdem werfen sie mir schlimme Dinge an den Kopf. In ihren Augen bin ich eine kaltblütige Mörderin und sie wollen mich am liebsten hinrichten. Noch können sie es nicht. Vorher brauchen sie einen Anführer. Es wird Wahlen geben. Ich fürchte mich nicht vor dem Tod, denn ich bin unschuldig. Ich fürchte mich vor dem, der das Urteil spricht. Wenn El die Wahl gewinnt, was ich für durchaus wahrscheinlich halte, wird er dann meinen Tod einfordern? Glaubt er allen anderen? Kannst du dir vorstellen, wie schrecklich dieser Gedanke für mich ist? Ich will nicht daran denken, dass mein eigener Bruder vergessen könnte, wer ich wirklich bin und zu was ich tatsächlich in der Lage sein könnte. Wir sind zusammen aufgewachsen. Mein Todesurteil zu sprechen, wäre Verrat an allem, was wir jemals erlebt und gemeinsam überstanden haben. Als wäre ich nicht seine Schwester. Schlimmer jedoch ist, dass er wirklich glauben könnte, dass ich es war. Bin ich wirklich so ein Mensch Hope? Kann man mir das zutrauen? Sehe ich aus wie eine kaltblütige Mörderin und eine Spionin? Ich weiß nicht mehr, was ich noch sagen oder machen soll. Die Tage in der Zelle ziehen sich schier ins Unendliche. Mit den Gedanken bin ich immer bei dir und will wissen wie es dir geht, weil es das einzige ist, woran ich denken kann ohne am Rande eines Nervenzusammenbruches zu stehen. Ich wünsche dir, dass du niemals diese Schwärze am Rand deines Sichtfeldes siehst, die dir ankündigt, dass gleich alles egal ist. Alles ist wie in einem Tunnel und doch kann man sich an nichts mehr erinnern, was kurz davor oder während des Zusammenbruches geschehen ist. Man weiß nicht einmal wie viel Zeit vergangen ist und hier ist es zu jeder Tageszeit so dunkel, wie kurz vor Sonnenaufgang. Ich habe komplett die Orientierung verloren, wie spät es sein könnte. Das einzige, was ich weiß, ist das Datum, weil Hannah mir jeden Tag einen Zettel zukommen lässt, auf dem es steht. Ich habe sie nach der Uhrzeit gefragt, aber sie hat geantwortet, dass der Zettel lange braucht, um zu mir zu gelangen und die Zeit daher verfälscht wäre. Man mag nicht glauben, dass dieses kleine Mädchen erst fünf Jahre alt sein soll. Sie verhält sich, als hätte sie schon hundert Jahre Lebenserfahrung. Manchmal habe ich das Gefühl, sie weiß sogar mehr als ich. Es ist faszinierend, aber auch traurig. Ein Kind sollte spielen können und nicht zwischen die Fronten von Erwachsenen geraten, die sich aufführen als wären sie in der Kindergartengruppe. Hannah ist erwachsener als alle anderen hier. Um ehrlich zu sein, habe ich sie noch nie wirklich lachen sehen. Immer hat sie diesen ernsten, besorgten Ausdruck in den Augen. Ihr Blick ist so kalt, wenn sie dich ansieht, dass man unwillkürlich anfängt zu zittern, als wäre um einen herum eine neue Eiszeit ausgebrochen. Hast du in der Schule auch darüber gelesen? Über die Eiszeiten, die die Menschheit überlebt hat, obwohl sie den Planeten zerstört hat. Jedes Mal nach so einer Katastrophe war alles wieder gut. Die Umwelt war wieder hergestellt, das Ungleichgewicht ausgeglichen. Immer wieder gab es Tote, manchmal wurde mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausgelöscht und doch hat niemand daraus gelernt. In den ersten zehn Jahren hieß es immer, so etwas dürfte nie wieder passieren. Irgendwann wurden alle guten Vorsätze über Bord geworfen und es wurde genauso weitergemacht wie zuvor. Es wurde sogar schlimmer. Jetzt sind die größten Teile der Erde verseucht. Krankheiten töten alles, was lebt und Strahlung sorgt dafür, dass selbst die, die es überleben sollten, ihr Leben lang leiden müssen. Meistens sogar noch deren Kinder. Wie lange wird es dauern, bis etwas passiert, was sich nicht mehr durch das Wohnen in Städten umgehen lässt? Der Krieg hat alles zerstört. Die Natur ist schon seit Jahren im Ungleichgewicht. Es ist nur eine Frage der Zeit, wann das gesamte Ökosystem zusammenbricht. Vielleicht wird es wieder eine Eiszeit. Das könnten wir überleben. Allerdings war es noch nie zuvor so schlimm. Noch nie wurde die Umwelt so sehr zerstört. Ich glaube nicht an eine Eiszeit. Es wird etwas anderes. Etwas schlimmeres. Vielleicht etwas, das nicht nur die Hälfte der Menschheit auslöscht. Irgendwie frage ich mich, ob wir es aufhalten könnten. Einfach alles rückgängig machen. Die Zeit noch einmal zurückdrehen und von Vorne anfangen. Auch Amalies Tod ungeschehen machen. All das hier vergessen und ein neues, ein anderes Leben leben. Ich weiß, das klingt lächerlich. Wie ein Traum, den Kinder haben, wenn sie etwas falsch gemacht haben. So gerne  wäre ich jetzt ein Kind. Die kleine Lui, die jeder mochte und die immer Kuchen von der Bäckerin geschenkt bekommen hat, weil sie so niedlich gelächelt hat. Honigkuchen. So süß und matschig, dass einem alles zwischen den Zähnen und am Gaumen geklebt hat, wenn man ihn gegessen hat. Um den Mund herum hatte man immer so viel Zuckerguss, das es ausgesehen hat, als wäre man einmal mit dem Gesicht zuerst in ein Zuckersack gesprungen. Manchmal fiel es einem sogar schwer, den Mund zu öffnen, weil die Glasur die Lippen aneinander geklebt hatte. Es war eine Tortur, sich das Gesicht zu waschen und trotzdem habe ich jeden Tag wieder die Tür zur Bäckerei mit leeren Händen geöffnet und mit klebrigen Händen verlassen. Für diese Kuchen war es mir Wert. Ich hätte jetzt gerne genau so einen Honigkuchen, aber vor mir ist nichts als Stein und Gitter. Ich hoffe für dich, dass du nicht so zeitlos lebst wie ich. Ich hoffe es wirklich.

Luisa

23.59 Uhr
Der Verräter muss sterben.

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