Das fremde Rudel

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"Hallo!", rief ich ins Haus hinein. Es war Mittag und ich war gerade von der Schule nach Hause gekommen.
Mama war immer zu Hause seit...dem Vorfall. So nannte ich zumindest den Tag, an dem wir erfahren hatten, dass ich die Krankheit hatte.

Von da an hatte sich vieles geändert.

Schnell schmiss ich meinen Rucksack in die Diele und zog meine Weste aus. Für März war es immer noch ziemlich frisch. Zwar könnte ich als Werwolf auch ohne Weste gehen, aber unser Motto lautete: Keine Aufmerksamkeit erregen.

Und ja, das fing sogar bei solchen kleinlichen Dingen an. Na ja, ich wollte mich nicht beschweren. Wie sagt man so schön? Lieber Vorsicht als Nachsicht.

"Mama?", Sie hatte noch immer nicht auf mein Hallo geantwortet. Das war merkwürdig. Sonst kam sie immer sofort her und begrüßte mich mit einem sorgenvollen Blick. Einem Blick, den sie vor meiner Verwandlung nur sehr selten aufgesetzt hatte. Nun sah ich sie kaum ohne.

Direkt neben dem Flur gab es eine Tür zur Küche. Dort lugte ich herein, konnte jedoch niemanden erkennen. Komischerweise war auch kein Essen angerichtet.
Mama machte immer Essen für mich. Merkwürdig.

Ich ging weiter in den hinteren Teil des Hauses, in Richtung Ess-und Wohnzimmer. Auch dort war niemand.
Hmm. Wir hatten einen Garten hinter dem Haus samt Terrasse. Ich konnte mir gut vorstellen, dass sich Mama dort versteckt hatte.
Und ich sollte Recht behalten.

Durch die hintere Glastür konnte ich sie auf der Terrasse erkennen, wie sie auf der Holzbank saß und stirnrunzelnd auf ihr Handy starrte.
Was war wohl jetzt wieder los?

In wenigen Schritten war ich bei der Glastür und hatte diese auch schon geöffnet.
Von dem Geräusch aufgeschreckt, blickte Mama auf.
"Oh, du bist es. Tut mir leid, Olivia, ich war wohl zu sehr in Gedanken vertieft, um dich zu bemerken."

Das wunderte mich nicht. Sie schien immer noch recht abwesend. Und normalerweise hätte sie mich als Werwolf längst bemerkt haben müssen. Sie war wohl wirklich ziemlich von der Rolle.
Fragte sich nur, warum.

"Mama, was ist los?", fragte ich sie ganz direkt. Ich hatte sie nur selten so erlebt. So völlig von der Spur.

Nun hatte ich ihre Aufmerksamkeit. Doch leider nicht so, wie ich gern wollte. Denn sie kleisterte sich ein beruhigendes Lächeln ins Gesicht und antwortete sanft:

"Ach nichts, Liebes, alles ist in Ordnung. Ich habe nur gerade einen Artikel über einen schweren Autounfall gelesen. Das hat mich ein wenig aus der Rolle gebracht. Aber es geht mir gut."

Für einen langen Moment starrte ich sie mit skeptisch hochgezogener Augenbraue an. Gab ihr die Chance, doch noch die Wahrheit zu sagen. Denn dieser Quatsch wegen diesem Artikel... vielleicht kaufte ihr das jemand ab, der sie nicht gut kannte.
Aber ich, ihre eigene Tochter? Mir konnte sie sowas nicht erzählen und auch noch erwarten, dass ich es glaubte.
Doch Mama tat so als bemerke sie meinen Blick nicht.
Stattdessen wechselte sie das Thema:
"Entschuldige, ich hab die Zeit vergessen. Ich werde dir schnell eine Pizza machen."

Und schon stand sie auf und verschwand im Haus. Ließ mich verwirrt zurück.
Sie verhielt sich wirklich ganz untypisch.
Was mich nur umso neugieriger machte. Wenn sie so gar nicht darüber sprach, musste es etwas Schlimmes sein.

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Den ganzen restlichen Tag schaffte ich es nicht, die Wahrheit aus ihr herauszukitzeln. Und die Mondgöttin Luna wusste, wie sehr ich es versuchte.
Auch am Samstag und Sonntag ließ ich das Thema nicht los.
Versuchte, sie damit zu überraschen. Es beiläufig zu sagen. Damit sie es versehentlich aussprach.
Aber kein Erfolg.

Und heute war Montag. Schultag. Mal wieder. Ich war jetzt in der Kursstufe, auf dem Weg zum Abi. Manch einer könnte nun fragen, ob das die richtige Entscheidung war.

Denn was brachte mir das Abi letztendlich? Ich hatte sowieso nicht mehr viel Zeit. Ich könnte sie für wichtigere Dinge nutzen.
Doch was würde ich tun, wenn ich nicht in der Schule wäre? Reisen?
Zeichnen? Filme oder Serien gucken?

Nein, ich musste irgendetwas tun. Mich ablenken. Und außerdem wollte ich normal sein. So weit normal wie es nunmal ging.
Wenn ich nicht zur Schule ging, würde sich jeder fragen, warum. Und was sollte ich antworten?

Ach, weißt du, ich bin ein Werwolf. Und damit nicht genug, nein, ich hab auch noch so 'ne beschissene Werwolfskrankheit, wegen der ich bald sterben werde. Deswegen kann ich meine Zeit ja für besseres nutzen als Schule.

Jaja, das würde mir vermutlich jeder glauben....

Na ja, wie auch immer, jetzt war ich auch schon an der Schule angekommen. Wir wohnten nicht gerade weit entfernt, deswegen konnte ich laufen.

Der Wind trug wie immer all die verschiedenen Gerüche von den Schülern und auch Lehrern zu mir.

Unauffällig versuchte ich Lisas Geruch herauszufiltern. War nicht gerade einfach bei so vielen Gerüchen. Aber nach einer Weile, während ich den Schulhof auch mit den Augen absuchte, hatte ich sie erspäht.
Direkt vor dem Schuleingang stand sie und redete mit unseren Freunden.

Zielstrebig lief ich auf sie zu. Sie war auch ein Teil unseres Rudels. Vielleicht wusste sie ja, was mit Mama los war.

Nur noch wenige Meter trennten uns, als ich plötzlich in einen Typen reinlief.
"Uff.", machte ich überrascht. Aus Reflex hielt ich mich an seiner Schulter fest, um nicht umzufallen. Wo war der denn so schnell aufgetaucht?

Überrumpelt schaute ich hoch und blickte in dunkelblaue Augen, die amüsiert funkelten. Der machte sich wohl lustig über mich.

Schnell ließ ich ihn los und schnauzte angepisst:
"Pass doch auf, wo du hinläufst."

Dann wollte ich an ihm vorbei gehen, wurde jedoch von einem Mädchen aufgehalten. Sie war eine blonde Schönheit und würde wohl umwerfend aussehen, wenn sie nicht diesen aggressiv wütenden Blick aufgesetzt hätte.

"Finger weg von meinem M... Freund!", knurrte sie mich an.
Verdutzt hielt ich inne. Sie hatte tatsächlich geknurrt.
Und dieses kleine, kaum wahrnehmbare Stottern...sie hatte zuerst etwas anderes sagen wollen.
Das konnte kein Zufall sein, oder?

Aber soweit ich wusste, waren wir das einzige Rudel hier in der Gegend.
Außer...außer ein neues Rudel war hergezogen...
Unauffällig schnupperte ich. Sie war nahe genug, so dass ich ihren Geruch von den anderen gefiltert wahrnehmen konnte.
Und tatsächlich. Sie war ein Werwolf.
Ein Werwolf aus einem fremden Rudel.

"Was glotzt du so komisch?!", knurrte sie weiter.
Oh je. Da hatte ich es wohl mit zwei Mates zu tun. "Mates" war nur ein anderer, kürzerer Begriff für zwei Seelenverwandte, zwei Personen, die füreinander bestimmt waren. Auch Seelengefährten genannt. Und diese beiden hier vor mir gehörten wohl zu der besonders besitzergreifenden Sorte.
Ich sollte mir schnell was überlegen, wie ich diese Situation entschärfen konnte. Denn auch wenn bei uns Werwölfen Wunden schnell heilten, hatte ich keine Lust, mir von diesem blonden Püppchen das Gesicht zerkratzen zu lassen.

"Tut mir leid. Wird nicht mehr vorkommen. Hab nur nicht auf meinen Weg geachtet."

"Das will ich dir auch geraten haben.", erwiderte sie zitternd vor Wut. Oder vielleicht zitternd, weil sie kurz vor einer Verwandlung stand?
Scheiße. Schnell wandte ich mich dem Jungen, ihrem Mate, zu.
"Tu was.", zischte ich ihn an und unterbrach nun dieses liebevolle und irgendwie traurige Starren, mit dem er seine Mate bis dato bedacht hatte.

Zum Glück holten meine Worte ihn aus dieser Trance zurück in die Wirklichkeit und es brauchte keine Sekunde, da hatte er schon verstanden. Schnell löste er das Problem, indem er seine Mate einfach küsste. Und wie er sie küsste.
Na ja, wenn er sie so beruhigen konnte, sollte es mir recht sein.

Schnell haute ich ab und ging zu Lisa, die mich noch nicht bemerkt hatte. Wie auch bei diesem Lärmpegel und dem Gerüchecocktail.

"Lisa.", sprach ich sie an. Den anderen schenkte ich ein kurzes Lächeln zusammen mit einem "Hey", das sie freundlich erwiderten.
Dann wandte ich mich wieder Lisa zu.
"Können wir kurz reden?"

"Klar.", antwortete sie ein wenig verwirrt. Sie fragte sich bestimmt, was los war.

Zusammen gingen wir hinein und auf die erstbeste Toilette zu. Dort drinnen prüfte ich zuerst, ob wir allein waren, und erst dann fing ich an zu sprechen.

"Auf dem Schulhof hab ich zwei Werwölfe entdeckt. Aus einem anderen Rudel.", flüsterte ich leise. Man konnte nie wissen, wer einem gerade zuhörte.

Lisa riss überrascht die Augen auf.
"Aus einem fremden Rudel?! Warum wissen wir nichts davon? Die müssen doch gerochen haben, dass das hier unser Revier ist. Und den Regeln zufolge..."

Schnell schnitt ich ihr das Wort ab.
"Ich kenne die Regeln, Lisa. Aber wahrscheinlich haben sie sich sogar beim Alpha gemeldet. Nur uns wurde nichts gesagt."

Stirnrunzelnd fragte Lisa:
"Aber wieso sollten sie das tun? Uns betrifft das schließlich auch."

Schnell erzählte ich ihr von Mamas Verhalten in den letzten Tagen.

"Irgendwas ist da im Busch.", schloss ich meine kurze Erzählung.

Genau in dem Moment ertönte der erste Gong.
"Wir müssen herausfinden, was die hier wollen. Hilfst du mir?"

"Klar, Liv. Zumindest werde ich es versuchen. Aber...wir können sie nicht einfach darauf ansprechen, oder?"

"Na ja,", überlegte ich laut, "wieso eigentlich nicht? Ich glaube kaum, dass sie einfach so darüber reden werden. Und dass Mama endlich mit der Sprache rausrückt, ist wohl auch nicht sehr wahrscheinlich."

Lisa sah aus, als wäre ihr unbehaglich zumute.
Aber letztendlich willigte sie doch ein.

"Dann bis später."

Die erste Stunde hatten wir nicht gemeinsam, deshalb trennten sich unsere Wege, als wir schnell zu unserem jeweiligen Klassenzimmer gingen.

Auf dem Weg dorthin dachte ich an Mamas besorgten Gesichtsausdruck.
Ein fremdes Rudel in unserem Revier... Da konnte es schonmal zu Schwierigkeiten kommen.
Aber warum sollte sie es mir verschweigen?
Sie musste doch gewusst haben, dass ich es sowieso erfahren würde.

Plötzlich wurde ich von einem Geruch aus meinen Gedanken gerissen. Mmmmh. Genießerisch schloss ich die Augen. Dieser Geruch war .... unbeschreiblich. Himmlisch. So etwas hatte ich noch nie zuvor gerochen.
Fast schon unbewusst folgte ich diesem Duft.
Am liebsten würde ich mich in ihn hineinlegen. Ihn jeden Tag bei mir tragen. Ihn....

Plötzlich prallte ich gegen eine Wand. Au. Doch bevor ich zurückstolpern konnte, wurde ich aufgefangen von....zwei Armen?!
Seit wann hatte eine Wand Arme?!

Verwirrt riss ich die Augen auf und blickte geradewegs auf eine Brust. Eine männliche Brust.
Die zudem noch herrlich duftete ...nach diesem unglaublichen Geruch.

Erschrocken blickte ich hoch. Und sah geradewegs in zwei wunderschöne braune Augen...

"Mate...", hauchte mein Gegenüber.

Das riss mich aus meiner Trance. Und ich konnte nur eins denken:

Scheiße.

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