Die Verwandlung

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Olivia p.o.v.

Ich saß mal wieder auf meinem Fensterbrett mit meinem Zeichenblock auf dem Schoß. Denn mir war aufgefallen, dass eine Woche vergangen war. Vorletzte Woche am Mittwoch war ich zu Alessandro umgezogen. Also hatte ich mein Versprechen eingehalten. Eine Woche war ich bei ihm gewesen, sogar mehr als eine Woche.
Und deshalb war ich heute wieder bei mir zu Hause.

Von meinem Zeichenblock blickte mir Alessandros Ebenbild entgegen. Gedankenverloren strich ich darüber.

Es fühlte sich an, als hätte ich Liebeskummer. Nur noch tausend Mal schlimmer. Und das Schlimmste daran war, dass ich mir das selbst eingebrockt hatte.
Ich konnte nicht einmal meine Wut gegen jemand Fremdes richten, da allein ich schuld an diesem Schmerz in mir war.

Ich hatte mein Herz in kleine Teile zerschnitten und dann mit einem Mörser zerquetscht. Zumindest fühlte es sich so an.
Es tat so weh. Und heute war Vollmond. Ich würde mich verwandeln. In meinen Wolf, der die Matebindung noch verstärkt spürte. Und damit auch den Schmerz.

Ich freute mich schon darauf. Sarkasmus lässt grüßen.
Wenigstens hatte ich Glück im Unglück. Mama hatte mit Alessandros Rudel gesprochen. Hatte ausgehandelt, dass ich mich im Kreis meiner eigenen Familie verwandeln durfte.
Dass Alessandro und ich uns getrennt voneinander verwandeln würden.

Zu meiner großen Erleichterung hatte sich niemand gegen diese Bitte gestellt. So würde Alessandro nichts von meiner Krankheit erfahren.
Es würde ihn nur umso mehr Schmerz zufügen.
Und ich konnte ihn nicht noch mehr verletzen als ich es ohnehin schon getan hatte.

Eine Träne löste sich von meiner Wange und fiel auf Alessandros Portrait. Mist.
Behutsam schloss ich den Zeichenblock, damit nicht noch mehr Tränen sein Bild verwischen konnten.

Warum musste mein Leben nur so scheiße sein? Warum konnte ich kein verdammtes normales Mädchen sein?
Warum musste ich diese seltene Krankheit haben?
Warum?

Ich wäre so gerne mit Alessandro zusammen. Wäre so gerne glücklich. Stattdessen saß ich hier und heulte. Doch auch das brachte nichts. Der Schmerz blieb. Als hätte er mein Herz ersetzt.

Ich sah einfach keine Lösung. Alessandro würde so oder so leiden müssen.
Ich konnte ihm das nicht antun. Ich dachte, es wäre besser, wenn er weniger litt, anstatt dann später durch den ganzen Schmerz beinahe umzukommen.
Aber was, wenn das nicht stimmte? Am besten wäre es doch, wenn er gar nicht erst leiden musste.

Nur, wie konnte ich das schaffen? Sollte ich abhauen? Aber wohin?
Ich wusste es einfach nicht. Ich wusste einfach nicht mehr, was ich tun sollte.

Plötzlich wurde die Tür geöffnet. Ruckartig drehte ich den Kopf. Mein Bruder Stefan sah mich an.
"Liv."
Unsicherheit huschte über sein Gesicht. Kein Wunder. Was musste ich schon für ein Bild abgeben? So verheult wie ich war.

"Es ist bald so weit. Du solltest kommen.", sagte er schließlich.

"Gib mir noch eine Minute. Dann bin ich da.", flüsterte ich kraftlos.

Er nickte und verschwand.
Bei Vollmond verwandelten wir uns immer gemeinsam. Im Wald, auf einer Lichtung konnten wir denjenigen aus unserem Rudel, die noch nicht ihre erste Verwandlung hinter sich hatten, zugucken.
Das war auch ein Treffpunkt. Denn wir wohnten nicht alle in der selben Straße. Das wäre zu auffällig.
Allerdings  wohnte jeder von uns in der Nähe des Waldes.

Den Zeichenblock legte ich sanft auf meinen Schreibtisch, dann ging ich ins Bad, um mein Gesicht zu waschen. Ich wollte nicht, dass jemand wusste, dass ich geweint hatte.

Nachdem das erledigt war, ging ich nach unten in den Garten. Der zum Glück durch einen sichtundurchlässigen Zaun vom Nachbarsgarten abgetrennt war. Ich wollte nicht, dass mich jemand von denen sah. Vor allem nicht Alessandro.

Meine Eltern und mein Bruder warteten bereits auf mich. Ich lächelte leicht.
Als ich hoch blickte, konnte ich den Vollmond sehen. Ich könnte ihn stundenlang betrachten. Er war so wunderschön und so hell.
Und doch so todbringend. Zumindest für mich.

Der Drang, sich zu verwandeln, wurde mit jeder Minute stärker. Also atmete ich tief ein und ließ es beginnen.
Ich konzentrierte mich auf meine Wolfsgestalt. Rief mir das Gefühl, ein Wolf zu sein, in Erinnerung.
Und damit begann es.

Meine Knochen verschoben sich. Sandten Schmerz durch meinen Körper. Ich keuchte auf. Doch ich ließ keinen anderen Ton über meine Lippen kommen. Ich wollte nicht, dass mich jemand hörte. Oder dass meine Familie sich Sorgen machte. Das taten sie so schon genug.

Auch als meine Knochen brachen und sich neu zurechtrückten und zusammenschmolzen, ließ ich dies stumm über mich ergehen.
Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an. Jeder Bruch, jede kleinste Bewegung schmerzte.
Selbst, als mir Fell aus den Poren spross, verspürte ich ein leichtes Kratzen.

Doch dann war es endlich vorbei. Endlich. Erschöpft ließ ich mich erst einmal auf den Boden sinken. Jede Verwandlung kostete mich unglaubliche Energie.
Sodass ich mich danach nicht mehr aufrecht halten konnte.

Alessandro p.o.v.

Ich konnte es nicht fassen. Als ich nach Hause kam, hatte mir mein Vater davon erzählt. Olivias Mutter hatte sie darum gebeten, dass Olivia sich von mir getrennt verwandeln durfte.
Und mein Vater hatte eingewilligt!

Aber ich verstand es nicht. War Olivias Mutter denn wirklich auf der Seite ihrer Tochter? Was hatte denn die ganze Welt gegen mich?
Sie kannten mich doch gar nicht! Warum mochten sie mich nicht?

Ich war so frustriert, so enttäuscht und traurig. Und so verdammt wütend. Ich hatte meine Mate gefunden! Und sie wollte mich nicht akzeptieren!

Scheiße, sie wollte sich von mir fernhalten. Weil sie Angst hatte, dass ich sie markieren würde.
Trotz meiner hilflosen Wut konnte ich es ihr nicht verdenken. Wer wollte schon in der Nähe von einem Mate sein, der sich nicht unter Kontrolle hatte?

Trotzdem war es, als hätte sie ein Messer in der Wunde gedreht. Ein Messer, das sie in mein Herz getrieben hatte, als sie sich von mir losgesagt hatte.
Der Schmerz brachte mich fast um. Und das Schlimme war, ich konnte nichts dagegen tun.

Ich war hilflos, machtlos. Es lag an ihr, die Matebindung zu akzeptieren. Und wenn ich mich bei ihr aufhielt, sie markierte, würde das nicht dazu beitragen. Eher das Gegenteil. Sie würde mich hassen.

Und heute war Vollmond. Ich liebte es zwar, in meiner Wolfsgestalt zu sein, aber jetzt? Heute? Nachdem sie gesagt hatte, Abstand wäre das beste?
Das würde verdammt wehtun.
In meiner Wolfsgestalt würde ich den Schmerz nur noch umso mehr spüren. Ich hatte keine Ahnung, wie ich das aushalten sollte.

Und jetzt gleich war es auch schon so weit. Der Vollmond hatte fast den Zenit erreicht, der Drang, sich zu verwandeln, war so unglaublich stark.
Ich war der Einzige aus meinem Rudel, der noch in seiner Menschengestalt steckte. Was daran lag, dass ich Alpha sein würde. Ich war stark genug, um die Verwandlung so lange hinauszuzögern.

Doch lange würde ich es nicht mehr aushalten. Also ab in die Hölle.

Seufzend ging ich die Treppe nach unten und nach draußen. Alle aus meinem Rudel waren schon im Wald. Genossen die schöne klare Vollmondnacht.

Ich würde ihnen gleich folgen. Resigniert verwandelte ich mich. Ich hatte mich in meinem Leben schon so oft verwandelt, dass es sich nicht anders anfühlte als Luft zu holen.
Eine Sekunde später blickte ich auf dunkelbraune Pfoten.

Und schon überrollte mich der Schmerz. Keuchend krümmte ich mich zusammen.
Sie will mich nicht. Hasst mich. Kann mich nicht leiden. Hat Angst vor mir. Will sich von mir lossagen. Kann meine Nähe nicht ertragen.

All diese Gedanken und noch mehr schossen mir in den Kopf. Und jeder Gedanke begleitete dieser unfassbare Schmerz. Wie ein Messer, das immer wieder in die selbe Wunde in meinem Herzen hackte.

Sie wird mich nie lieben. Wird einen anderen haben.

Merda. Ich hielt das nicht aus. Dieser Schmerz war übermächtig. Drohte, mich in die Knie zu zwingen.
Also tat ich das einzige, was mir immer half, wenn ich Probleme hatte:
Ich rannte. Rannte weg vor diesem Schmerz. Vor der Matebindung. Vor Olivia.
Bäume zischten in atemberaubender Geschwindigkeit an mir vorbei, Erde stob in die Luft und Tiere flüchteten angstvoll vor mir.
Ich rannte, bis meine Lungen brannten und alles waren, worauf ich mich konzentrieren konnte.
Bis meine Muskeln darum bettelten, eine Rast zu machen. Bis mein ganzer Körper schmerzte.

Und doch schaffte es dieser körperliche Schmerz nicht, den seelischen zu übertünchen.
Dieser seelische Schmerz war in mir. In meinem Herz.
Und ich bekam ihn einfach nicht daraus vertrieben. Konnte ihn einfach nicht vergessen. Egal, was ich tat.

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