2. Kapitel

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Dante Leonardis

Kraftvoll stößt er das große Portal auf und betritt den Speisesaal selbstsicher. Wie immer ist die lange Tafel bis auf zwei Gedecke vollkommen leer, während immer mal wieder ein paar Angestellte sein Blickfeld kreuzen. Würde er hier nicht so gut wie jeden Tag ein und aus gehen, würde er nun wahrscheinlich stehen bleiben, um den Raum genauer zu betrachten, in dem in jeder Ecke der Reichtum seiner Familie deutlich wird.

Am Kopf der langen Tafel sitzt schon eine Frau, deren Blick starr auf das Buch in ihren Händen gerichtet ist. Knapp hinter ihrem Stuhl steht ihr persönlicher Wächter, der ihr in keinem Moment von der Seite weicht. Zumindest hat Dante die beiden noch nie alleine angetroffen. Langsam lässt er sich auf dem Platz zur Rechten seiner Mutter nieder und erregt mit einem Räuspern ihre Aufmerksamkeit.

"Hier bin ich", meint er einfach nur und sieht sie erwartungsvoll an. Es kommt nicht oft vor, dass er hier mit ihr zusammen Abend essen soll, weswegen ihre Einladung ihn nur noch mehr erstaunte.

"Ich bitte um Ruhe", sagt sie mit kräftiger Stimme und lässt somit auf eine Antwort warten. Obwohl sie noch nicht einmal sonderlich laut gesprochen oder gar geschrieen hat, verebt mit einem Mal alle Geräusche um sie herum. Jeder einzelne Angestellte kommt am Rande des Raumes zum Stehen und blickt auf ihre Chefin.

Langsam macht sich in mulmiges Gefühl in Dante breit und seine Spannung, was jetzt gleich kommt, steigt immer weiter.

"Dante, liebster Sohn", beginnt sie und klingt mit einem Mal so, als würde sie gleich anfangen zu weinen. Dante hingegen bleibt stumm sitzen und versucht sich sein Erstaunen, über ihr Verhalten nicht anmerken zu lassen. "Ich muss dir leider mitteilen, dass mein Mann, dein Stiefvater vergangene Woche von uns gegangen ist. Bis jetzt ist noch nicht bekannt, wie er genau gestorben ist. Erst dann kann die Beerdigung allerdings stattfinden", erklärt sie ihm und ein paar Tränen rollen ihre Wange hinunter.

Erstaunt sieht er sie an, als könnte er nicht fassen, was sie gerade gesagt hat. Sein Stiefvater soll tot sein? Nur langsam kann er es glauben. Wortlos senkt er den Blick und starrt auf seine Hände. Mit einem Mal tauchen vor seinem inneren Auge so viele Augenblicke auf, die er mit ihm verbracht hat und er schließt die Augen.

"Ich würde nun bitte mit meinem Sohn alleine sein. Bitte verlasst alle den Raum", richtet sie sich nun wieder an die Angestellten. Eilig stellen diese noch eben das Abendessen vor ihnen ab, ehe sie der Bitte seiner Mutter nachkommen.

Als sich die Tür hinter dem letzten Angestellten schließt, wischt seine Mutter sich die Tränen aus dem Gesicht und blickt ihn teilnahmslos an. Auch Dantes Blick wird wieder gelangweilt und er lehnt sich im Stuhl zurück.

"Du wirst von Mal zu Mal besser", lobt ihn seine Mutter und ein Lächeln taucht auf seinen Lippen auf.

"Vielen Dank." Ehrfürchtig neigt er den Kopf, ehe ihm etwas einfällt. "Ach, Daniel, ich bekomme übrigens noch zweihundert Euro von dir", richtet er sich an den Wächter, der mürrisch das Geld hervorholt und ihm in die Hand drückt.

"Darf man wissen, worum es geht?", erkundigt sich seine Mutter interessiert.

"Ich habe gedacht, dieser Mann würde länger durchhalten", erklärt Daniel und zuckt mit den Schultern.

"Auf keinen Fall. Er ist nicht sonderlich interessant gewesen, hat nur das Geld verschwendet und ist meiner Mutter jetzt schon wie ein braves Schoßhündchen gefolgt, so einer lebt nicht lange", widerspricht Dante.

„Da hast du allerdings Recht. Als ich ihn getroffen habe, hat er eigentlich interessanter gewirkt, aber sonst ist er eine reine Enttäuschung gewesen", stimmt seine Mutter ihm zu.

„Tja, dafür hast du aber auch Recht schnell gesorgt, ihn zu loszuwerden", merkt Dante an.

„Wo wir gerade bei dem Thema sind, Dante. Du solltest dir so langsam eine Freundin anschaffen. Sie muss noch nicht einmal einen hohen Status haben, aber die Leute fangen an zu reden, weil du immer nur mit Mädchen schläfst, statt mal eine mit nach Hause zu bringen", erklärt seine Mutter ihm und erstaunt starrt er sie. Das meint sie doch jetzt nicht wirklich ernst, oder? Doch sowohl ihr ernster Blick, als auch der von Daniel zeigen ihm, dass das nicht nur ein blöder Aprilscherz mit fast zwei Monaten Verspätung ist.

„Und was ist, wenn ich mich weigere?" Trotzig verschränkt er die Arme vor der Brust und sieht seine Mutter erwartend an. Diese tut es ihm gleich und Daniel muss leicht schmunzeln über die Ähnlichkeit von Mutter und Sohn.

„Dann werde ich ein Mädchen für dich aussuchen und bei diesem ist es mir völlig egal, ob du sie magst oder nicht." Entgeistert starrt er seine Mutter an und kann nicht fassen, was sie sagt. "Allerdings würde es mir ja auch schon reichen, wenn du eine Scheinbeziehung mit Eadlyn führen würdest. Schließlich werdet ihr beide sowieso irgendwann heiraten." Bei den Worten seiner Mutter dreht sich ihm fast der Magen. Na ja, auch sonst denkt er nicht gerne darüber nach, dass er und Eadlyn irgendwann heiraten werden.

"Nein, ganz sicher nicht", wehrt er sich vehement.

"Gut, dann such dir irgendein anderes Mädchen", antwortet seine Mutter ihm und beginnt damit, endlich mit dem Abendessen zu beginnen. Irgendein anderes Mädchen. Die Worte seiner Mutter hallen in seinem Kopf und augenblicklich muss er an ein bestimmtes Mädchen denken.

Seine Lippen verziehen sich zu einem Lächeln und ein warmes Gefühl macht sich in seiner Brust breit. Trotz der ganzen Zeit bringt sie sein Herz immer noch dazu, schneller zu schlagen. Er erinnert sich noch ganz genau, dass er ihr schon bei ihrem ersten Treffen verfallen ist, genau so wie sie ihm. Seit diesem Tag scheint seine Liebe zu ihr nur noch gewachsen sein und irgendwann konnte er sich ein Leben ohne sie nicht mehr vorstellen. Und eigentlich hat er gedacht, dass es ihr genauso ergeht. Bis zu dem einen Tag, der sein ganzes Leben verändert hat.

Langsam wird das warme Gefühl in seiner Brust von einem beklemmenden, einengenden verdrängt und seine Mundwinkel sinken nach unten. Mit einem Mal ist es, als sei er wieder an dem einen Ort. Der rauschende Fluss in seinen Ohren, die nassen Tränen auf seinen Lippen und seinen Blick auf ihre Augen gerichtet, die jeglichen Glanz verloren zu haben scheinen. Sein Atem wird schneller, hektischer und seine Gedanken wirbeln umher, wie ein Wirbelsturm.

"Dante?" Erschrocken reißt er die Augen auf und sieht, wie seine Mutter ihn misstrauisch anstarrt. "Geht es dir gut? Du bist ein wenig blass", merkt sie an.

"Nein, alles gut." Seine Stimme zittert leicht und ihm wird bewusst, dass er sich beruhigen muss. Aber wieso muss diese Erinnerung auch unbedingt jetzt wiederkommen?

Ausgerechnet jetzt, wo er sie so lange verdrängt hat. Langsam geht sein Atem immer kontrollierte, während er den Teller vor seiner Nase fixiert. Wieso muss er sie immer noch lieben? Wieso muss es so verdammt schmerzhaft sein?

Ihm entfährt ein Seufzen und er beginnt damit, all diese Gedanken und Fragen wieder sorgsam in der hintersten Ecke seines Kopfes zu verbannen. Er darf nicht damit weitermachen, augenblicklich jedes Mädchen mit ihr zu vergleichen, denn sonst wird er nie jemanden finden. Denn ihm ist klar, dass er niemand anderen als sie akzeptieren wird.

"Ich brauche keine Freundin", meint er mit einem Mal laut und seine Mutter sieht ihn überrascht an. "Ich meine, es würde doch schon reichen, wenn ich das Ganze ein wenig unauffälliger machen würde." Verzweifelt wirft er Daniel einen flehenden Blick zu, da ihm klar ist, dass seine Mutter sich nicht so leicht überzeugen lassen wird. Allerdings weiß er, dass sie auf Daniels Rat vertraut. Dieser scheint einige Sekunden mit sich zu ringen, bis er einen tiefen Seufzer ausstößt.

„Vielleicht könnte das wirklich reichen, um die Medien ein bisschen zu besänftigen. Nebenbei könnte er ja immer wieder ein paar Dates haben. So würde es wirken, als wenn er langsam wirklich damit beginnt, eine Freundin zu suchen", schlägt Daniel sich auf Dantes Seite und dieser pflichtet ihm nickend bei. Gabrielle stößt einen Seufzer aus und in diesem Moment ist Dante klar, dass er gewonnen hat.

„Okay, ein bisschen unauffälliger und ich suche schon ein paar angemessene Mädchen für ein paar Dates heraus. Dann möchte ich aber kein Gemecker haben. Und vielleicht ist die richtige ja dabei", gibt seine Mutter nach und am liebsten würde er nun laut aufjubeln. Selbst, wenn die Dates nicht nach seinem Geschmack sind, so sind sie doch eindeutig das kleinere Übel.

„Vielen Dank, Mutter", bedankt er sich überschwänglich bei ihr.

„Und nun würde ich das Abendessen gerne in Ruhe fortsetzen", merkt sie an und die beiden wenden sich schweigend dem Essen zu.


Verschlafen dreht er sich um und wundert sich mal wieder darüber, wie hart sein Bett sein kann. Doch erst als er die Augen öffnet, fällt ihm auf, dass er gar nicht in seinem Bett liegt oder gar in seinem Zimmer. Als sein Blick auf dem Mädchen neben ihm liegt, taucht ein Lächeln auf seinen Lippen auf, als er an die letzte Nacht zurückdenkt.

Mit einem Seufzen steht er vorsichtig auf, um das Mädchen nicht zu wecken, und sucht seine Kleidung zusammen. Schließlich verlässt er angezogen den Raum, wobei er doch recht froh ist, schon so frühwachgeworden zu sein, da ihn so niemand sieht, da die meisten noch schlafen. In seinem Zimmer angekommen sucht er sich sofort eine Schuluniform heraus und macht sich fertig, ehe er sich auf den Weg zum Frühstück macht, da er so langsam Hunger verspürt und vor allem gestern Abend kein Essen gehabt hat.

Da seine Kochkünste allerdings sehr zu wünschen übrig lassen, schlägt er den Weg zum öffentlichen Speisesaal ein. Dieser ist zwar gut gefüllt, allerdings noch nicht völlig überfüllt. Auf der Suche nach einem freien Sitzplatz lässt er seinen Blick durch den Raum schweifen, bis sein Blick an einer jungen Frau hängen bleibt. Immer wieder streicht sie sich ihre dunkelblonden Haare hinters Ohr, die ihr knapp unter die Schultern reichen.

Erweiß nicht, wie lange er dort gestanden hat und sie nur angestarrt hat, ehe sie den Blick hebt. Als sie ihn bemerkt, verziehen sich ihre Lippen zu einem Lächeln und seine tun es ihren gleich. Erst in diesem Moment wird ihm bewusst, wie sehr sie sich in den letzten drei Jahren verändert hat, nicht nur vom Aussehen, sondern auch von ihrer Ausstrahlung her.

Vor drei Jahren hat sie wie die pure Sonne gestrahlt und in ihrer Gegenwart musste man einfach lächeln. Doch nun ist ihre Ausstrahlung anders. Sie wirkt verloren, zerbrochen und doch gleichzeitig erhaben und würdevoll. Eilig holt er sich sein Frühstück und durchquert den Saal, um zu ihr zu kommen.

Doch auf der Hälfte seines Weges krallt sich plötzlich eine Hand in seinen Oberarm und er wird herum gewirbelt. Das Gesicht, in das er nun blickt, ist garantiert keins, das er gerne sieht.

„Alexandra, was für eine schöne Überraschung, dich zu sehen", begrüßter sie und zwingt sich zu einem Lächeln. Sie quittiert seine Begrüßung mit einem Schnauben, was er als Anlass nimmt, seine Maskerade fallen zu lassen und sie mit dem gleichen, ausdruckslosen Gesicht anzusehen, wie sie es bei ihm tut.

„Komm mit", sind die einzigen Wörter, die ihr über die Lippenkommen, ehe sie ihn mit sich zieht und ihm nur ein kurzer Blick über die Schulter zu seiner alten Freundin übrig bleibt. Schließlich erreichen sie einen Tisch in der Mitte des Raumes, wobei er sich augenblicklich fragt, wieso ihm dieser nicht schon früher aufgefallen ist.

Insgesamt sitzen noch vier weitere Personen an dem Tisch, zwei junge Männer und zwei Frauen in ungefähr demselben Alter. Entspannt lässt er sich auf einem der freien Stühle nieder und schiebt Nikolais Füße vom Tisch, um an der Stelle sein Tablett abzustellen. Wortlos legt dieser seine Füße wieder auf den Tisch, nur jetzt knapp daneben.

„Also, womit kann ich dienen?", fragt er in die Runde und sieht dabei jeden Einzelnen an.

„Wir müssen mit dir reden", eröffnet ihm die Schwarzhaarige, die auf dem Tisch Platz genommen hat.

„Ach wirklich, Avaline? Auf diese Idee wäre ich nie im Leben bekommen", antwortet er ihr mit einem charmanten Lächeln. Sie verdreht nur die Augen, wobei eigentlich immer sie die Rolle der Sarkastischen einnimmt.

„Konzentriert euch!", zischt Alexandra sie beide an und zum ersten Mal in seinem Leben kann er einen Hauch von Angst in ihrer Stimme vernehmen. Erwartungsvoll blickt er sie an und wortlos legt sie einen kleinen Gegenstand vor ihm auf den Tisch. Die Münze fühlt sich kühl an in seiner Haut und als er sie umdreht, blickt er auf die Rose, die abgebildet ist.

„Wow, eine Cherleton-Münze! Wo habt ihr die denn her?" Fragend blickt er in die Runde, auch wenn ihm die Antwort eigentlich schon klar ist.

„Alexandra hat sie gestern bekommen und nun vermuten wir, dass Eadlyn hier ist." Nun schweift sein Blick zu der letzten der jungen Frauen in der Runde, während Charlotte nur auf ihr Buch blickt.

„Na und? Dann ist sie halt wieder hier. Oder zwingt sie euch, mit ihr befreundet zu sein?" Spöttisch blickt er die Runde, doch stößt nur auf ernste Gesichter.

„Und was ist, wenn sie uns auffliegen lassen will? Was tun wohl deine ganzen Gespielinnen, wenn sie erfahren, mit wem sie das Bettteilen?", ergreift nun wieder Alexandra das Wort und verschränkt die Arme vor der Brust. Diesmal antwortet er nicht, sondern lässt seinen Blick erst einmal schweifen.

„Tja, ich schätze, sie werden meinem Charme trotzdem nicht widerstehen können", meint er nur und schenkt ihr ein Lächeln. Darauf ist sie nicht die Einzige, die die Augen verdreht, bleibt aber still.„ Wenn ihr mich nun entschuldigt, bevor ihr mich zu diesem äußerst unnötigen Gespräch gezwungen habt, hatte ich gerade meinen Blick auf ein bisschen Frischfleisch geworfen. Ich hoffe für euch, dass sie sich immer noch an der gleichen Stelle, wie gerade ebenbefinden", beendet er das Gespräch und verzieht seine Lippen zu einem Lächeln.

Ohne die Antwort der anderen abzuwarten, steht er auf und setzt seinen Weg durch den Saal nun endlich fort. Schließlich lässt er sich gegenüber von dem Mädchen nieder, das ihm schon eben aufgefallen ist. Er schenkt ihr eins der Lächeln, mit dem er jedes Mädchen bisher um den Finger wickeln konnte, doch ihm ist schon klar, dass es bei ihr nicht funktionieren wird.

„Mia fidanzata, meine Freundin", begrüßt er sie, wie er es schon immer getan hat.

„Dante! Ich freue mich, dich wieder zu sehen", erwidert diese nicht allzu laut. Doch auf einmal gleitet ihr Blick zur Seite und ihre Miene verfinstert sich. „Was haben sie von dir gewollt?", erkundigt sie sich und ihm ist sofort klar, wovon sie redet.

„Sie haben mich vor dir gewarnt", antwortet er ihr und wendet sich nun endlich seinem Frühstück zu.

„Ich habe gestern ein Gespräch belauscht", beginnt sie zögernd und ihm ist eigentlich schon klar, was nun kommen wird. „Sie scheinen nicht sonderlich erfreut über meine Wiederkehr. Es hat so gewirkt, als hätten sie Angst vor mir. Doch ich will doch einfach nur wieder mit ihnen befreundet sein." In diesem Moment taucht in Eadlyns Blick eine Sehnsucht auf, die er nur selten von ihr kennt. Doch genau diese Reaktion hat er von Seiten seiner alten Freunde erwartet.

Schonkurz nach Eadlyns Verschwinden vor drei Jahren ihm das klar geworden, allerdings hat er es nie über sich gebracht, Eadlyn aus ihren Wünschen zu reißen.

„Du kennst sie. Du kennst ihre Familien. Vor allem aber müsstest du den Druck schon fast am besten kennen, den wir alle standhalten müssen." Während er diese Worte sagt, blickt er ihr fest in die Augen.

„Fressen oder gefressen werden", murmelt sie einen Satz, der ihnen allen schon von klein auf eingetrichtert worden ist. Obwohl sie betrübt zu Boden schaut, nickt er. Als Eadlyn zum nächsten Mal ihren Kopf hebt, weiten sich ihre Augen ein Stück weit und erst jetzt nimmt er die Schritte wahr, die sich langsam ihrem Tisch nähren.

„Willst du mir deine neue Freundin nicht vorstellen, Dante?" Raffaello lässt sich neben ihm nieder und schenkt Eadlyn ein kurzes Lächeln. Allerdings ist ihm scheinbar nicht klar, wem er gegenüber sitzt, während er sich über Dantes Essen hermacht.

„Seit wann interessiert es dich, mit wem ich meine Zeit verbringe?" Dabei hebt Dante eine Augenbraue und muss einen kurzen Moment auf eine Antwort warten, da Raffaello erst einmal sein Essenhinunterschlucken muss.

„Naja, weil du nicht mehr lange Zeit mit ihr verbringen wirst, wenn du so weiter machst, weil Alexandra nicht sauer ist. Ich denke mal, sie hielt das Gespräch über ..., na ja, du weißt schon was, noch nicht für beendet." Bei seinen Worten deutet er auf den Tisch, wo die anderen vier immer noch zusammensitzen und ganz eindeutig zu ihnen hinüberstarren.

„Vielleicht kann ich euch bei dem Lösen eures Problemes behilflich sein. Ich gehe mal rüber und sage kurz, Hallo", schlägt Eadlyn mit einem Lächeln vor und erregt damit ganz eindeutig Raffaellos Aufmerksamkeit, der sie erschrocken anstarrt. Langsam steht sie auf, doch bevor sie sich ganz von ihrem Tisch abwendet, dreht sie sich noch einmal um. „Im Übrigen kannst du auch die Reste meines Frühstücks haben, Raffi, mir ist der Appetit vergangen." Beider Anspielung auf seinen so verhassten Spitznamen starrt er sie an, als würde er sie nun gleich umbringen, ehe ihm scheinbar endlich ein Licht aufgeht, mit wem er redet. Dante kann hingegen ein Schmunzeln nicht verkneifen, als er daran denkt, wie sie ihn früher mit diesem Spitznamen immer aufgezogen haben.

Mitdiesen Worten dreht Eadlyn sich nun schlussendlich um und bahnt sich sicher ihren Weg durch den Speisesaal. Mit jedem Schritt, dem sie den Tisch mit den anderen näher kommt, richten sich immer mehr Augen auf sie und im Saal wird es immer stiller. Als sie den Tisch erreicht und stehen bleibt, ist es so still, dass man fast das Atmen seines Nachbarn hören kann.

Als wäre es vollkommen selbstverständlich, zieht sie einen Stuhl zu sich und lässt sich auf diesem nieder und auf Alexandras Gesicht ist purer Langeweile abgebildet. Auf sie wirkt Eadlyn in diesem Moment wie eine unbedeutende Ameise, bei der es niemanden interessieren würde, wenn man sie platt treten würde.

„Hallo Alex." Eadlyn erhöht dabei keinesfalls ihre Stimme und trotzdem hört man sie in jeder Ecke des Raumes so deutlich, als würde sie neben einem stehen. Langsam zeichnet sich Erkenntnis auf Alexandras Gesicht ab, die sich langsam in puren Hass verwandelt. Den anderen am Tisch geht es nicht anders und erst jetzt folgt Dante seiner alten Freundin.

"Lass mich dir einen Tipp geben. Du solltest ganz schleunigst von hierverschwinden", gibt Alexandra von sich, als Dante und Raffaello zu ihnen stoßen und auch nur so laut, dass man es nur im Umkreis von wenigen Metern verstehen kann.

Die meisten würden diese Stimmlage als normal für Alexandra bezeichnen, doch ihm fällt sofort die kleine Spur von Angst auf, die sich darunter befindet. Scheinbar hat Eadlyn wirklich Recht gehabt, auch wenn er ihr nicht ganz geglaubt hat, dass es so schlecht um seine alten Freunde steht.

„Und was ist, wenn ich das nicht tue?" Provokant zieht Eadlyn eine Augenbraue hoch und senkt auch diesmal die Stimme.

„Dann wirst du erleben, was es heißt, sich mit einer de Lacy angelegt zuhaben", erwidert Alexandra und lässt für nur wenige Sekundeneinen Feuerball in ihrer Hand entstehen, um ihre Worte zu unterstreichen. Die anderen sowie Dante beobachten das Geschehen nur stumm, allerdings sind sie es auch nicht wirklich anders gewohnt.

Schonfrüher haben Eadlyn und Alexandra sich am meisten in die Haare gekriegt, doch nie ist es irgendwas Ernstes gewesen. Nun scheint sich in den drei Jahren nicht wirklich viel daran geändert zu haben. Zumindest wirkt es in diesem Moment so. Doch Dante ist mehr als klar, dass die Gesamtsituation nun eine vollkommen neue ist, wobei von ihnen keiner eine Ahnung hat, wie er damit umgehen soll.

Selbst, wenn sein Leben nicht so interessant gewesen ist in den letzten drei Jahren, so ist es doch bedeutend ruhiger geworden, was Dante selber nicht wirklich verabscheut hat. Doch dafür musste er den Preis auf sich nehmen, von seiner besten Freundin getrennt zu sein. Statt mal eben zu ihr hinüber zu gehen, um sie um Rat zu fragen, musste er erst auf die richtige Uhrzeit warten, damit sie auch wach ist, und selbst dann haben die beiden nur miteinander telefoniert. Das wird nun garantiert anders sein.

Doch will er wirklich dafür seine Ruhe aufgeben? Schon früher sind ihm die Streitereien in ihrer Gruppe mehr als einmal auf die Nervengegangen. Immer wieder hat es Themen gegeben, die man auf gar keinen Fall ansprechen sollte und ein gemeinsames Treffen endete meistens damit, dass einer beleidigt abrauschte, zum Großteil Alexandra oder Avaline.

Ihm entfährt ein Seufzen, als er an diese Zeit zurückdenkt, denn eigentlich immer ist das Streitschlichten an ihm hängen geblieben, egal, was er gewollt hat. Im Hintergrund sind Eadlyn und Alexandra immer noch dabei, sich irgendwelche Drohungen an den Kopf zu werfen, ohne das jemand es wirklich mitbekommt.

Früher wäre er sofort eingeschritten, um diesen Streit so schnell wie möglich zu schlichten. Doch in diesem Moment findet er einfach nicht die Kraft dazu, aufzustehen und dazwischen zu gehen, schließlich könnte diese Aufgabe ja auch einer der anderen übernehmen. Doch die scheinen alle anderweitig beschäftigt und nehmen die kleine Diskussion noch nicht einmal wahr.

Wortlos steht Dante auf, wirft den anderen nur noch einen kurzen Blick zu, ehe er mit schweren Schritten den Saal verlässt, auch wenn er sich alles andere als sicher ist, ob er nun gerade richtig gehandelt hat.


Nach seinem Abgang aus dem Speisesaal versucht er so wenig, wie möglich an die anderen zu denken. Das ist allerdings alles andere als leicht, da er die erste Stunde mit Avaline hat und die zweite sogar mit Eadlyn. Dabei vermeidet er es durchgehend, ihr in die Augen zu sehen.

Somit stürmt er schon fast aus dem Raum, als der Lehrer endlich den Unterricht beendet. In der Hoffnung, dort niemanden zu begegnen oder den anderen zumindest erfolgreich aus dem Weg zu gehen, macht er sich auf den Weg in den Speisesaal. Dort schnappt er sich eine Kleinigkeit zu essen, nachdem sein Frühstück von Raffaello aufgegessen worden ist, und verzieht sich in eine der hinteren Ecken.

Allerdings scheint Ruhe ein Fremdwort in dieser Schule zu sein, denn schon nachwenigen Sekunden lässt sich ein Mädchen neben ihm nieder, die er sofort wiedererkennt. Sie ist diejenige, neben der er heute Morgenwach geworden ist, auch wenn ihr Name ihm partout nicht einfallen will.

„Hallöchen Dante", begrüßt sie ihn und scheint seinen genervten Gesichtsausdruck einfach zu übersehen oder sie ignoriert ihn absichtlich. Im ersten Moment überlegt er sich noch, sie einfachanzuschweigen oder sogar sitzen zu lassen und sich einen neuen Platz zu suchen. Doch diesen Gedanken verwirft er sofort, als sein Blick zur Eingangstür wandert, die just in diesem Augenblick von Charlotte durchquert wird. Auch wenn es nicht sonderlich nett ist, so ist ihm doch klar, dass kaum einer der anderen ihn bei seinen kleinen Flirts unterbrechen würde, da es ihnen schlicht und einfach zu anstrengend ist.

Also wendet er sich wieder der jungen Frau neben sich zu und schenkt ihr ein Lächeln.

„Hallo meine Süße", erwidert er ihre Begrüßung und mit einem Mal fängt sie an, von einem zum anderen Ohr zu strahlen. Ob sie wohl mehr in seine Worte hineininterpretiert, als sie es eigentlich sollte? Doch in diesem Moment ist Dante diese Frage völlig egal. Hemmungslos beginnt er mit ihr zu flirten und blendet seine Umgebung dabei völlig aus.

Ihm wird erst wieder bewusst, wo er sich genau befindet, als eine zweite junge Frau sich an seinem Tisch niederlässt und mit dem anderen Mädchen beginnt, sich zu unterhalten. Scheinbar sind die beiden beste Freundinnen oder so etwas in der Art. Zwar kann er es eigentlich nicht leiden, nicht die völlige Aufmerksamkeit der Mädchen zu bekommen, mit denen er flirtet, doch in diesem Momentscheint er jegliche Vorsätze über Bord geworfen haben. Erst, als beim Gespräch der Mädchen ein bestimmter Name fällt, haben sie seine volle Aufmerksamkeit.

„Ich finde, Eadlyn ist so eine Schlampe. Sie soll wohl heute schon mit allen möglichen Jungen herumgemacht haben, wobei jeder ihr einen Korb gegeben hat. Aber wenn wundert das, bei der Tatsache, was sie ist. Ich würde ganz sicher nicht gerne mit ihr befreundet seien", erzählt das Mädchen neben ihm und sein Blick fliegt zu einem Tisch am anderen Ende des Raumes, wo Eadlyn ganz alleine sitzt.

Die Blicke, die ihr von allen anderen zugeworfen werden, sind alles andere als freundlich gemeint und in diesem Moment kann er nicht anders, als Mitleid für seine Freundin zu empfinden. Zum einen kann Eadlyn rein gar nichts für all das, was passiert ist, und zum anderen hat sie so etwas rein gar nicht verdient.

Schon immer ist sie diejenige von ihnen sieben gewesen, deren Leben man am ehesten als normal bezeichnen konnte. Anders als Avaline oder Alexandra hat sie sich noch nie all zu sehr von ihren Eltern lenken gelassen und ihm Gegensatz zu ihm zeigte sich ihre Todsünde bei weitem nicht so öffentlich wie seine eigene.

„Ich frage mich sowieso schon die ganze Zeit, wieso sie wieder hier ist. Sie hätte doch einfach in Amerika bleiben können. Dort hat sie schließlich niemanden gestört", erwidert das zweite Mädchen. Als langsam spürt er die Wut in sich hochkommen. Selbst, wenn es für ihn völlig überraschend kam, als er sie heute Morgen hier sitzen gesehen hat, so ist er doch wieder froh, sie hier in London zu haben und nicht am anderen Ende der Welt.

„Ganzehrlich, was muss das denn überhaupt noch für ein Leben sein. Keine Freunde, keine Familie und die ganze Welt hasst sie", erwidert nun wieder das erste Mädchen. Dantes Gesichtsausdruck verhärtet sich, während er sich zu ruhigem Atmen zwingt. Wie können sie es nur wagen, so über Eadlyn zu reden?

„Stimmt, ich hätte mich wahrscheinlich schon längst selbst umgebracht", bekommt sie Zustimmung von ihrer Freundin, die dabei so klingt, als wäre es das normalste und natürlichste der Welt. Gleichzeitig bringt sie damit alles zum Überlaufen bei ihm und in seinem Kopfscheint eine Sicherung durchzubrennen.

„Ihr solltet nun ganz schnell aufhören, so über Eadlyn zu reden", presst er hervor, während er die Zähne aufeinanderbeißt, um jegliche Beschimpfungen zu vermeiden.

„Stellst du dich jetzt wirklich auf ihre Seite?" Überrascht dreht sich das Mädchen neben ihm zu ihm um. „Natürlich seid ihr Malbefreundet gewesen, aber sie ist doch vor drei Jahren abgehauen. Willst du wirklich noch mit so etwas etwas zu tun haben?" Dabei wirft sie einen missbilligenden Blick in Eadlyns Richtung und Dantedreht sich dabei fast der Magen um. Wie konnte es bloß passieren, dass die Leute so über Eadlyn reden?

„Auch, wenn es jetzt gerade nicht so scheint, Eadlyn ist einer der besten und wundervollsten Menschen, die ich je kennengelernt habe. Nichts von alldem, was passiert ist, ist ihre Schuld, und ihr solltet euch schämen so über sie zu reden." Diesmal spricht er um einiges lauter, allerdings ist es ihm in diesem Moment völlig egal, was die anderen Leute über ihn denken. Eadlyn ist seine beste Freundin, seine Verlobte, und nie im Leben würde er es zulassen, dass irgendjemand so über sie redet.

„Oh mein Gott, du nimmst sie wirklich in Schutz. Bist du etwa in sie verliebt?", schreit jetzt auch die zweite junge Frau auf und sieht in entgeistert an. Bist du in sie verliebt? Er weiß gar nicht mehr, wie oft er diese Frage im Bezug auf sich und Eadlyn gehört hat. Wahrscheinlich schon viel zu oft. Eigentlich immer, wenn die Leute erfahren haben, dass Eadlyn und er irgendwann heiraten werden.

Allerdings scheint es für die meisten Leute ziemlich abwegig zu sein, nicht aus Liebe zu heiraten. Doch er hat auch nie wirklich eine Wahl gehabt. Als Eadlyn und er verlobt worden sind, ist er gerade mal ein Jahr altgewesen. Immer wieder hat seine Mutter ihm vorgeschwärmt, dass niemand sich ihnen in den Weg stellen wird, wenn die beiden verheiratet sind. Die Firmen ihrer beiden Familien wären vereint und es gäbe niemanden, mit einem größeren Reichtum, mit einer größeren Macht als sie. Werte, die eine viel größere Rolle spielen, als sie eigentlich sollten.

Er konnte dem Ganzen noch nie viel abgewinnen. Doch immer, wenn er daran gedacht hat, dass seinen ganzes Leben ihm eigentlich schon vorherbestimmt ist, hat er sich immer wieder vor Augen gehalten, dass es schlimmer hätte sein können. Zum Beispiel hätte auch Alexandra seine Verlobte sein können und das wäre ganz sicher schrecklich geworden.

In diesem Moment fällt sein Blick auf Eadlyn, die versucht, so unsichtbar wie möglich zu sein. Wieder denkt er an die Frage, die ihm gestellt worden ist. Schon immer ist ihm klar gewesen, dass zwischen ihm und Eadlyn nie mehr als Freundschaft sein wird, egal, was andere denken oder möchten.

Doch was würde wohl passieren, wenn er nun sagt, dass er mit Eadlyn befreundet ist? Würde seine Familie das gleiche Schicksal ereilen, wie ihre? Denn das wollte er auf gar keinen Fall. Aber dafür seine beste Freundin verleugnen, den einzigen Menschen, der ihm in all den Jahren Halt gegeben hat und ihm Mut gegeben hat. In diesem Moment wird ihm klar, dass das für ihn keine Option ist. Sich aus all den Streitereien, die nun wieder beginnen, herauszuhalten, ist wahrscheinlich die richtige Entscheidung gewesen, doch anders als ein paar gewisse Personen, würde er nie im Leben lügen, um seinen Status zu behalten.

„Sollte einer von euch noch einmal so über Eadlyn reden, könnt ihr euch sicher sein, dass ihr es mit mir bekommen zu tut. Egal, was das für Konsequenzen hat." Er wirft den beiden Mädchen neben sich einen giftigen Blick zu, ehe er aufsteht, seinen Rucksack nimmt und zum zweiten Mal an diesem Tag lässt er sein Essen nicht aufgegessen stehen. Während er den Speisesaal verlässt, ist ihm mehr als deutlich klar, dass alle Blicke ihm folgen.

Scheinbar hat er den letzten Satz lauter gesprochen, als eigentlich gewollt. Für einen Moment schweift sein Blick zu Eadlyn, die ihm ein dankbares Lächeln zuwirft. Scheinbar hat selbst sie verstanden, was er gesagt hat. Seltsamerweise macht sich ein warmes Gefühl in ihm breit, als ihm bewusst wird, dass er sich gerade wirklich für Eadlyn ausgesprochen haben. Dieses Gefühl lässt ihn sogar vergessen, dass seine Mutter wahrscheinlich alles andere als erfreut über dieses Geschehen sein wird.


Statt, wie geplant in sein Zimmer zu gehen, landet er nur wenige Minutenspäter in der kleinen privaten Küche im Ostflügel. Dies schuldet er seinem Hunger zu, der ihn so langsam auffrisst. Doch auch dort findet er keine Ruhe, vor allem, als kurz nach ihm, Nikolai den Raumbetritt.

Schweigend sitzen die beiden nebeneinander und essen etwas, wobei Danteaugenblicklich an früher denken muss. Nikolai ist schon immer einer seiner besten Freunde gewesen und nun wechseln sie kaum ein Wort mehr miteinander. In seinem Herz macht sich ein schmerzliches Gefühlbreit. Doch schon einige Augenblicke wieder verdrängt er es wieder, ebenso wie die Gedanken an eine Zeit, die nun vorbei ist.

„Hey, Dante", spricht Nikolai ihn auf einmal an und überrascht blickt Dante zur Seite. Schon früher ist es eher selten vorgekommen, dass Nikolai einen von sich aus angesprochen hat. Meistens sind er und Raffaello diejenige gewesen, die ihn zu irgendwas zwingen mussten. Seit Eadlyns Verschwinden hat sich das Ganze nur noch verschlimmert.

„Du redest?", scherzt Dante herum und schenkt seinem alten Freund ein Lächeln.

„Haha ha", erwidert Nikolai und wirft ihm nur einen grimmigen Blick zu. Schon immer hat er es gehasst, wenn man auch nur einen kleinen Scherz über seine Schüchternheit gemacht hat.

„Na gut, was ist?" Diesmal setzt Dante eine ernstere Miene auf und sieht ihn erwartungsvoll an.

„Die Geographiehausaufgaben. Hast du die schon gemacht oder könntest mir helfen?" Bei der Unsicherheit, die Dante aus Nikolais Stimme heraushören kann, muss er einfach schmunzeln.

„Natürlich. Du musst mir nur erklären, was genau du nicht verstehst", gibt er ihm eine Antwort und es scheint fast so, als würde Nikolaierleichtert aufatmet. Schon länger ist Dante aufgefallen, dass Nikolai alles andere als gut in Geographie ist und fragt sich augenblicklich, wieso er nicht schon früher auf ihn zugekommen ist. Allerdings hat er ihn ja auch nicht selber gefragt, ob er Hilfebraucht.

Die nächste halbe Stunde verbringen die beiden damit, gemeinsam die Geographiehausaufgaben zu erledigen, und fast wirkt es schon, als wären die letzten drei Jahre nie vergangen, als wären sie immer noch beste Freunde. Doch leider endet diese halbe Stunde viel zu schnell und als Dante seine Sachen wieder zusammen packt, wird ihm klar, dass sie sich im Laufe des Tages wahrscheinlich wieder genauso verhalten werden, wie die letzten paar Jahre. Wenigstens ist Englischentfallen, sonst wäre die halbe Stunde noch kürzer gewesen.

„Dante, kann ich dir eine Frage stellen?", kommt Nikolai auf einmal an und wirft ihm einen fragenden Blick zu. Unsicher, was nun genau kommt, nickt er einfach nur leicht verwirrt. „Ich bin am Anfang der Pause im Speisesaal gewesen", beginnt Nikolai und langsam bekommt Dante eine Vermutung, worum sich dieses Gespräch drehen wird. „Und zum Schluss habe ich auch deine Worte gehört, dass du Eadlyn immer beschützen wirst und so. Wieso?"

Verwirrt blickt Dante seinen alten Freund an, wobei ihm nicht ganz klar ist, wie die Frage gemeint ist.

„Also, wieso beschützt du sie noch?", korrigiert Nikolai seine Frage. Überrascht blickt Dante an, da er irgendwie nicht mit dieser konkreten Frage gerechnet hat.

„Wieso nicht?", erwidert er schlicht und einfach. „Eadlyn ist meine beste Freundin schon immer gewesen und wird es wahrscheinlich auch immer sein. Sie kennt mich besser als jeder anderer Mensch und ich verbinde unglaublich viele schöne und wundervolle Erinnerungen mit ihr. Ich wüsste nicht, was ich mit meinem Leben tun sollte, wenn ich sie verlieren würde. Ich weiß nicht, wie gut du dich erinnerst, aber früher ist uns unser Ansehen und die Meinung unserer Eltern auch nicht wichtiger gewesen als unsere Freundschaft.

Jeder von uns ist zehntausend Mal zu spät zum Abendessen gekommen und hat eine Bestrafung unserer Eltern auf sich genommen, nur weil wir noch etwas zu ende spielen wollten oder einfach noch ein bisschen Zeit miteinander verbringen wollten. Damals ist unser Leben so unbeschwert gewesen, dass es mir mittlerweile wie ein ferner Traum erscheint." In Dantes Augen taucht ein Funkeln auf, während er an seine Kindheit denkt. Seine Kindheit, die er mit den besten Freunden, die man haben kann, verbracht hat. Langsam bildet sich auch auf Nikolais Lippen ein Lächeln.

„Icherinnere mich. Wir haben so viel Chaos angerichtet und ich frage mich wirklich, wie die Leute es mit uns ausgehalten haben. Erinnerst du dich an die Zeit, wo Raffaello, du und ich uns die Haare und die Kleidung mit Schlamm eingeschmiert haben, immer und immer wieder, nur um genau gleich auszusehen? Wir dachten, die Leuten könnten uns somit nicht auseinanderhalten." Nun muss auch Dante daran denken und kann ein Lachen nicht mehr zurückhalten. Wie jung und unwissend sind sie damals doch gewesen.

„Oder erinnerst dudich, ich glaube, wir sind elf oder zwölf gewesen, als wir abhauen wollten? Wir hatten alle zuhause Streit und sind dann zusammen abgehauen", erzählt Nikolai, wobei Dante sofort klar ist, wovoner redet. Diese Erinnerung zählt zu einer seiner schönsten und um nichts in der Welt würde er diese hergeben.

„Wir haben bei mir im Baumhaus übernachtet und Raffaello hat uns Beeren zum Essen wachsen lassen. Am nächsten Tag sind wir wieder nach Hause, weil uns allen schlecht gewesen ist, weil die Beeren leichtgiftig gewesen sind", führt Dante die Geschichte weiter.

„Oh ja. Seit dem habe ich nie mehr etwas zu Essen von Raffaello angenommen, was er selbst hat wachsen lassen", meint Nikolai und entlockt ihm damit ein Lachen. In diesem Moment fühlt es sich genauso wie früher an.

Er und Nikolai machen Späße über Raffaello, der aber nicht sonderlich lange beleidigt sein kann, weil er schon eine Stunde später wieder nach Essen bettelt. Dante ist nicht klar, wie viel Zeit er mit ihnen schon verbracht hat und wie sein Leben verlaufen wäre, hätte er sie nicht getroffen.

„Glaubst du, es wäre schlimm, wenn die Wahrheit herauskommt?" Nikolaiwirft ihm einen fragenden Blick zu und reißt Dante mit einem Mal aus der Vergangenheit. Dabei fühlt es sich so an, als hätte ihm jemand in den Magen geschlagen und mit einem Mal ist jede Spur von Fröhlichkeit verschwunden.

Stattdessen befinden sie sich wieder in der kleinen Küche, zwei alte Freunde, die seit drei Jahren eigentlich nur noch über das nötigste reden. Zwei Fremde, die vor langer Zeit mal beste Freunde und unzertrennlich gewesen sind. Dante weiß nicht mehr, was er fühlt. Soll er diese Frage einfach übergehen oder sie ehrlich beantworten? Oder doch lieber lügen, aus Angst, Nikolai könne es gegen ihn verwenden?

In den letzten Jahren ist ihm mehr als einmal bewusst gemacht geworden, dass ein paar seiner alten Freunde mittlerweile über Leichen gehen, um zu bekommen, was sie wollen. Selbst, wenn es seine Leiche wäre. In solchen Momenten ist er immer wieder froh gewesen, nur Eadlyn sein größtes Geheimnis erzählt zu haben. Ein Geheimnis, das ihn für immer zerstören würde. Wieder tauchen ihre Augen in seinem Kopf auf, doch er schüttelt diesen Gedanken so schnell es geht ab. Nichthier, nicht jetzt. Seine Gedanken schweifen wieder zu Nikolais Frage und er denkt an die Veränderungen in Eadlyns Leben.

Wie sie während Nacht und Nebel von ihrem eigenen Zuhause fliehen mussten, weil die Menschen dabei gewesen sind, es zu stürmen. Wie sie nun von allen verachtet und gehasst wird, als wäre sie der Teufel höchstpersönlich. Könnte er das? Ihm ist klar, dass Eadlyn immer noch auf seiner Seite wäre und er somit nicht alle seine Freunde verlieren würde.

Mit einem bitteren Beigeschmack im Mund denkt er an seine Sünde, die es ihm nicht möglich macht, sich von jeglichen Menschen abzuschotten. Das hat sie ihm schon oft genug bewiesen. Auch ein bisschen schmerzhaft wird ihm bewusst, dass es nicht geht. Zumindest nicht für ihn und auch nicht jetzt. Aber was wäre, wenn es für ihn möglichwäre? Würde er die Chance nutzen, sich von allem zu befreien?

„Du bist ein Feigling, schließlich stehst du ja nicht einmal zu dir selbst", hallt eine Stimme in seinem Kopf nach und er verscheucht sie aber sofort wieder.

„Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass das für mich momentan keine Option spielt. Du weißt, was passiert, wenn ich mich wehre.", wendet er sich endlich Nikolai zu. Dieser scheint schon leichtunruhig geworden zu sein, denn er verlagert sein Gewicht immer vom einen auf den anderen Fuß und wieder zurück.

„Aber, was ist, wenn du die Möglichkeit hättest?", hakt Nikolaiweiter nach und sieht seinen alten Freund dabei weiter an.

„Nein, es geht nicht", bringt Dante hervor und ihm ist nicht klar, woher auf einmal diese unbändige Wut in ihm kommt. Nikolai hat ihn doch nur etwas gefragt. Dante registriert sofort, wie dieser bei dem plötzlichen Stimmungswechsel in seiner Stimme zusammengezuckt und sogar ein bisschen zurückgewichen ist. „Es tut mir Leid, ich glaube, ich brauche ein bisschen Ruhe", bringt Dante eine schwache Entschuldigung auf, denn er möchte auf keinen Fall, dass Nikolai sich vor ihm fürchtet oder ähnliches.

Wortlosdreht Dante sich um und geht wieder in den Unterricht. Mit einem Mal wird ihm bewusst, was gerade genau passiert ist und sein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen. Genau dieses Gespräch hat er schon einmalgeführt, allerdings nicht mit Nikolai und vor zwei Jahren. Und infolge dieses Gespräches ist seine Welt zusammen gebrochen.

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