Doch alles was man hört ist mein Herzschlag

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Berlin, Neukölln
03. Februar 2016

„Wie, was geht?", fragte ich Lena und gab dann ein erleichtertes Lachen von mir. Wobei ich mir im nächsten Moment auch schon gar nicht mal mehr so sicher darüber war, ob ich einen Grund dazu hatte, erleichtert zu sein. Dieser Überfall war irgendwie schon ziemlich strange. Aber wenn es Maya gewesen wäre, die mich da einfach irgendwo rein gezerrt hätte, dann wäre es wohl eindeutig schlimmer gewesen.

„Na was geht so ab in deinem Leben?", fragte sie und grinste mich noch immer frech an.
Ich sah mich kurz um, um zu realisieren, wo ich hier jetzt so plötzlich gelandet war. In diesem Raum standen viele Regale herum, in denen Lebensmittel und einige Küchengeräte aufbewahrt wurden. Außerdem war es kalt und ziemlich düster.
Ich lächelte vorsichtig und zog meine Jacke enger um mich. „Okay also... heute Abend zum Beispiel wurde ich... entführt."
Lena ging zu einem der Regale hin, nahm eine Tafel Schokolade heraus und biss einfach hinein nachdem sie die Hälfte der Folie entfernt hatte. Genau so, wie es Ina immer tat.
„Lukas, du wurdest nicht entführt, sondern gerettet. Sei froh, dass ich dich mit Klamotten überhaupt erkannt habe", schmunzelte sie.

Dann nahm sie mich am Arm, zog mich zur Tür und öffnete sie. „Da, die beiden Jungs. Die sind dir seitdem du aus dem Supermarkt gegangen bist hinterhergelaufen und haben dich fotografiert."
Ich spitzelte um die Ecke und erblickte etwas weiter weg zwei Jungs mit Plan B-Merch an den dürren Körpern.
„Oh. Ähm, das ist nicht schlimm", sagte ich und ging wieder einen Schritt in den Raum zurück. „Wo sind wir hier eigentlich?"
Lena steckte den Rest der Schokolade in ihre Jackentasche und sah mich mit schief gelegtem Kopf an.
„Wie, das ist nicht schlimm? Warum erschreckt es dich nicht, wenn dich einfach irgendwelche Leute verfolgen und Fotos von dir machen?"
Sie kannte mich offenbar wirklich nicht, was mich sehr freute. „Ach, die haben mich bestimmt gar nicht fotografiert, sondern nur an ihren Handys rumgespielt."
„Doch, haben sie."
„Hörst du Rap, Lena?"
„Nein."
„Gut. Wo sind wir hier?"

Sichtlich verwirrt von dem rasanten Themenwechsel schaute sie mich für einen ganz schön langen Moment einfach nur an. Sie sah heute wirklich schön aus. Ihr langes, dunkelbraunes Haar floss ihr wie Seide über eine Schulter und unter der Jacke konnte ich ihre wohlgeformten Oberschenkel in einer halbdurchsichtigen schwarzen Strumpfhose erkennen. Der Rock, den sie vermutlich trug, war so kurz, dass man ihn unter der Jacke gar nicht sehen konnte.
Auch sie ließ ihren Blick kurz an mir entlang schweifen, dann sah sie mir wieder in die Augen.

„Im Lager der Pizzeria", sagte sie, als sie ihre Sprache wiedergefunden hatte.
„Und was machst du hier so, im Lager der Pizzeria? Und wieso beobachtest du mich?", fragte ich grinsend.
„Ich beobachte dich doch nicht", sagte sie ebenfalls grinsend, schaute dann weg und ordnete ihre langen Haare dabei ein wenig. Erwischt.
„Sondern?"
„Ich war im Supermarkt. Du bist gerade rein, als ich an der Kasse stand. Da die nicht das hatten, was ich wollte, bin ich eben hier rein. Die sperren manchmal nicht ab und ich kenne den Besitzer sowieso, dem macht das nichts aus, wenn ich ab und zu mal was schnorre."
„Erklärt immer noch nicht, warum du mitbekommen hast, dass ich angeblich verfolgt werde", sagte ich und zwinkerte ihr zu.
„Eventuell wollte ich gucken, wo du hingehst", meinte sie, während sie sich einfach mal so ein paar Gewürze in die Tasche steckte.

Bevor ich ihr antworten konnte, wurden wir vom Klingeln ihres Handys unterbrochen. Sie schaute drauf und steckte es wieder in ihre Jacke zurück. Dann griff sie noch nach einer Dose Tomaten und ging Richtung Tür.
„Ich muss los", meinte sie und drückte die Klinke runter.
Sollte ich sie jetzt endlich mal nach einem richtigen, geplanten Treffen fragen?
Würde sie ja sagen?
Ich musste doch irgendwas tun, jetzt wo sie vor mir stand. Wenn sie so gar kein Interesse an mir hatte, dann hätte sie mich ja wohl einfach vorbeilaufen lassen...
„Warte mal", rief ich ihr vielleicht eine Spur zu verzweifelt nach.
„Da draußen sind nackte gefesselte Männer, die ich retten muss. Wir sehen uns. Aller guten Dinge sind drei, Lukas", sagte sie, zwinkerte mir zu und verschwand dann durch den Türrahmen. Etwas verwundert stand ich einfach nur in der Gegend herum und konnte nichts anderes tun, als grinsend mit dem Kopf zu schütteln.
Als ich einen Moment später ebenfalls das Lager verlassen hatte und mich auf der Straße umsah, war von Lena schon nichts mehr zu sehen.

Ich machte mich wieder auf den Weg zu meiner WG und ärgerte mich darüber, dass ich sie nicht einfach gefragt hatte. Aber jetzt wusste ich wenigstens, dass sie mich auf irgendeine Art und Weise interessant fand. Sonst hätte sie mich wohl kaum beobachtet und einfach mal überfallen. Da war ich mir sicher.
Es fing wieder einmal an zu schneien und ich ging etwas schneller. Die Mädels fragten sich sicherlich schon, wo ich so lange blieb. Ich hatte nicht vor, ihnen von meiner kurzen Begegnung zu erzählen. Sie würden mich wahrscheinlich mit allen möglichen Fragen durchlöchern. Mir war kalt, ich war müde und ich wollte einfach nur wieder auf die Couch zurück und in Ruhe chillen.

In unserer Wohnung angekommen, zog ich mich aus und ging zu Ina und Tania ins Wohnzimmer. Mein Plan, ein gutes Stück des Films zu verpassen, war nicht aufgegangen. Die beiden hatten den Film pausiert und auf mich gewartet.
„Kann ja nicht zulassen, dass du was von deinem Lieblingsfilm verpasst", meinte Ina und grinste breit. Dann hob sie die Decke neben sich an und rückte ein Stück rüber.
„Das wäre zu tragisch", antwortete ich und grinste schief.
Tania, die neben Ina auf der anderen Seite saß, beugte sich über diese und sah mich erwartungsvoll an.
„Was ist?", fragte ich und im gleichen Moment fiel mir selbst wieder ein, was sie von mir wollen könnte. Leider hatte ich Lena vorhin im Dunkeln mit der gewünschten Schokolade beworfen und nicht wieder eingesammelt.
„Welche Schokolade haste denn gekauft?"
„Ähm."
„Lukas..."
„Theoretisch Nougat, Marzipan und Nuss. Praktisch habe ich sie... unterwegs verloren."
Ina schnaufte genervt. „Lukas. Du hattest nur diesen einen Auftrag. Wie verloren?"
„Na verloren eben. Ich hab sie gekauft und unterwegs verloren."
„Du willst mich doch verarschen. Hast du deinen faulen Arsch die letzte halbe Stunde in deinem Zimmer geparkt und warst gar nicht draußen?"
„Nein. Ich war weg. Hast mich doch gerade aufschließen hören."
„Komm..."
Ich seufzte und erzählte den beiden gezwungenermaßen doch von meiner kurzen Begegnung mit Lena.

„Okay, nachvollziehbar, warum die Schokolade weg ist. Auch, wenn das nicht gerade die effektivste Waffe ist", meinte Ina und lachte. „Das Mädel hat es dir ja echt schwer angetan. Dank deiner ellenlangen Beschreibung ihres geilen Körpers habe ich ein genaues Bild im Kopf. Und verrückt genug für dich scheint sie mir auch zu sein. Jetzt schreib ihr halt endlich mal was, Alter."
„Meinst du?"
„Ja!", schrien Ina und Tania gleichzeitig.
„Und was?"
Ina rollte mit den Augen. „Stell dich doch nicht so doof dran. Hol dein Handy, wir überlegen uns zusammen was."

Mein Handy konnte ich finden, eine entscheidende Kleinigkeit jedoch nicht. Ich kramte wie verrückt, aber ich konnte sie nicht finden.
„Was ist?", fragte Tania.
„Das kann doch nicht war sein", jammerte ich vor mich hin. „Scheiße..."
„Lukas?"
„Die Karte. Ich hab die verdammte SIM-Karte verloren."
„Das bedeutet, du hast ihre Nummer nicht mehr?", fragte Ina vorsichtig.
„Ja verdammt. Ganz genau das bedeutet es!"
„Wo hast du sie denn hin getan?"
„In die Jackentasche. Da ist sie aber nicht mehr."

Ina nahm meine Jacke und inspizierte ebenfalls alle Taschen. „Hast recht. Da ist nichts."
„Ach nee. Was du nicht sagst."
„Ach Luki", sagte Ina sanft, setzte sich wieder neben mich und legte mir einen Arm um die Schultern. „Jetzt habt ihr euch schon so oft zufällig getroffen, dann passiert das bestimmt auch noch ein weiteres Mal. Und beim nächsten Treffen legst du dann einen Gang zu, okay?"
„Und wann soll das sein? Garantiert treffe ich sie jetzt nie wieder! Außerdem habe ich mich wie der letzte Idiot verhalten. Ich hätte ja mal ein bisschen flirten können, oder sie was gescheites fragen! Ich stand einfach nur blöd in der Gegend herum. Die denkt doch jetzt sowieso, dass ich keinen Bock auf sie habe. Auf einmal musste sie nämlich ganz schnell weg und ich kann es ihr nicht verübeln."
„So schlimm wird's schon nicht gewesen sein, Luki. Du übertreibst. Ich denke schon, dass du sie nochmal siehst. Wäre doch komisch, wenn das jetzt auf einmal nie wieder vorkommt. Und beim nächsten Mal wird es bestimmt besser. Warte einfach ab. Manchmal muss man das Schicksal einfach walten lassen."
„Meinst du, dass mir der Spruch jetzt hilft?", meckerte ich.
„Der Spruch vielleicht nicht. Aber ein guter Film und ein bisschen Schokolade vielleicht. Geh in dein Zimmer und hol die Dominosteine."

„Ich mag diesen Film nicht mal", murmelte ich eine Stunde später deprimiert in die Wolldecke hinein.
„Nee, du magst den Film überhaupt nicht. Und weil du ihn so hasst, schaust du ihn dir so ungefähr einmal im Monat heimlich an."
Ich grinste gequält. „Sei doch leise."
„Tania hat entschieden, dass wir im Anschluss noch Dirty Dancing schauen."
„Du willst mich wohl verarschen."
„Nö."
Ich seufzte und stopfte mir den letzten Dominostein aus der Packung rein. „Meinetwegen."
„Ich verrate auch keinem, dass du heimlich Mädchenfilme magst", flüsterte Ina und pikte mir in die Seite.

Die letzte Szene des Films lief durch und während ich der alten Rose zum geschätzt hundertsten Mal dabei zusah, wie sie ihre Kette im Ozean versenkte, wischte ich mir möglichst unauffällig mit der Decke eine Träne aus dem Augenwinkel.
Ina griff nach meiner Hand und drückte sie fest. „Das wird sich schon alles finden, Luki."

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