Ich wärme dich, wenn du an dir erfrierst

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Berlin, Charlottenburg - Bennis Wohnung
02. Februar 2016

Da Zara und ich am Abend wieder zurück nach Bielefeld fahren wollten, kam Lukas am späten Nachmittag nochmal in Begleitung seiner beiden Mädels vorbei, um uns zu verabschieden.
Benni hatte Essen für mindestens weitere zwanzig Leute bestellt und wir redeten entspannt über alles mögliche.
Zara schien nach unserem Gespräch viel lockerer zu sein, auch wenn ich nicht wirklich verstand warum. Garantiert würde es dieser Scheißkerl mitkriegen, wenn sie wieder Zuhause war.
Wie sollte sie ihm ihr tagelanges Wegbleiben dann erklären?
Sie war schon immer eine ziemlich miserable Lügnerin gewesen. Die Geschichte, die sie ihm auftischte, hatte so viele Lücken. Es war absolut unlogisch. Sie sagte ihm, dass sie mit einer Freundin zum Shoppen fuhr, und Stunden später war sie plötzlich bei einer anderen Freundin in Berlin. Wirklich Sinn machte das ja nicht und ich hatte große Zweifel daran, dass Valentin ihr die Sache abkaufen würde, wenn sie vor ihm stand.

Ich wurde von lautem Gelächter aus meinen Gedanken gerissen. Lukas erzählte auf Tanias Bitte hin noch einmal von seinem Katastrophendate. Wahrscheinlich wäre es auch dann noch lustig, wenn er es noch weitere dreißig Mal erzählen würde.
„Ja, aber wie gesagt, ich lass das jetzt alles mal ein bisschen lockerer angehen. Wenn man es so zwanghaft versucht, kommt ja wirklich nichts dabei rum, das weiß ich jetzt auch", meinte er und seufzte grinsend.
„Genau, mach dich locker", sagte ich und klopfte ihm auf die Schulter. „Wir fahren dann jetzt mal so langsam."

Benni schlug mir auf die Schulter und nickte mir aufmunternd zu, Lukas zerquetschte mich fast und forderte mich zig mal dazu auf, ihn anzurufen, wenn irgendwas sein sollte, und bald darauf befanden wir uns auch schon wieder auf der Autobahn Richtung Bielefeld.
„Du hast echt Glück mit deinen Freunden", sagte Zara und schaute auf die schneebedeckte Landschaft.
„Ja, schon."
„Was machst du denn so, wenn du wieder daheim bist?"
„Übermorgen ist mein Großvater seit zehn Jahren tot. Da steht der jährliche Erinnerungsabend von Elsa und mir an. Außerdem wollt ich mich wieder öfter mit meiner Mutter treffen, das lief in letzter Zeit eigentlich ganz gut. Naja und Musik machen halt, wenn ich den Arsch dazu hoch krieg."
„Na das klingt doch ganz gut. Wir können ja auch mal was mit Elias unternehmen. Also... wenn du willst."
„Klar."
„Okay, schön."

Je näher wir unserem Ziel kamen, desto ruhiger wurde ich äußerlich. Innerlich wurde ich gleichzeitig immer nervöser.
„Wann kommen deine Eltern wieder?"
„Morgen Vormittag irgendwann. Die wollen ziemlich früh losfahren, damit sie nicht in den Stau kommen."
„Du musst ja jetzt nicht unbedingt nach Hause, wenn die erst morgen kommen. Es sei denn, du willst unbedingt. Aber du könntest auch bis morgen bei mir bleiben", sagte ich nach langem Überlegen.
„Das ist lieb von dir, aber ich muss heim. Valentin fragt schon die ganze Zeit, wann ich wieder da bin. Bis ich weiß, was ich machen will, muss ich ja irgendwie versuchen so zu tun, als wäre alles in Ordnung. Und falls mir das nicht gelingen sollte... dann soll unser Sohn nicht in der Nähe sein."

Ich verschluckte mich an meiner eigenen Spucke und bekam einen Hustenanfall.
„Bitte was?, fragte ich, als ich mich einigermaßen davon erholt hatte. „Du rechnest damit, dass was Schlimmes passieren könnte und willst trotzdem mit ihm alleine sein? Warte doch, bis deine Eltern wieder da sind. Dann bist du nicht ganz alleine mit ihm."
„Ich will nicht, dass die das mitbekommen."
Ich schlug frustriert aufs Lenkrad. „Genau das ist doch das verdammte Problem. Niemand soll was mitbekommen und du willst dir einfach nicht helfen lassen!"
„Timi. Du fährst ein bisschen schnell."
Ich schaute auf den Tacho, der über hundertachtzig Stundenkilometer anzeigte, und trat ein wenig auf die Bremse. „Sorry."

„Er wird mir schon nichts tun", sagte sie. Ihrer Stimme nach zu urteilen glaubte sie das aber selbst nicht so wirklich.
„Oh Zara. Das ist wirklich ein dummer Plan."
„Timi. Vielleicht besprechen wir das lieber, wenn du nicht mehr am Fahren bist", antwortete sie und hielt sich am Türgriff fest. Nach einem weiteren Blick auf den Tacho drosselte ich das Tempo erneut.
„Ist gut."
Den Rest der Fahrt schwiegen wir. Die ganze Sache war wirklich kein Thema, über das ich mich beim Fahren aufregen sollte und um ein anderes Thema anzufangen, war die Situation einfach zu ernst.

Gütersloh
02. Februar 2016

„Lass mich ein paar Straßen vorher raus", sagte Zara als wir ihr Zuhause fast erreicht hatten.
Ich seufzte. „Meinetwegen. Aber... willst du nicht doch mit zu mir?"
„Es tut mir Leid, Timi. Ich melde mich bei dir, okay?", sagte sie und öffnete die Tür.
Ich stieg ebenfalls aus dem Auto und drückte sie nochmal fest und lange an mich heran. Ich wollte sie auch küssen, doch sie drehte ihren Kopf ein wenig zur Seite, sodass meine Lippen nur auf ihre Wange trafen. Das war es dann also. Vielleicht waren wir uns nur in Berlin näher gekommen und es galt jetzt das Motto: Was in Berlin passiert ist, bleibt in Berlin.
Etwas unbeholfen stand ich da und starrte sie einfach nur an. Wir hatten diese Blockade, die zwischen uns gestanden hatte, nicht mit nach Berlin genommen. Aber jetzt, hier in unserer Heimat, wo so viel passiert war, fühlte sich nichts mehr leicht an.
„Machs gut, Timi. Ich meld mich", sagte Zara und drückte mich nochmal.
„Ich liebe dich", sagte ich vollkommen unüberlegt. Zara schaute mich an und schluckte.
„Es... es tut mir leid. Sag einfach nichts. Ich... lass uns so tun, als ob ich das nicht gesagt hätte, okay? Geh einfach."
Zara nickte, dann sah ich ihr zu, wie sie von mir weg lief und in einer dunklen Gasse verschwand, die zu ihrem Elternhaus führte.

Ich setzte mich ins Auto und brach sofort in Tränen aus, jetzt wo kein Grund mehr da war, wegen dem ich mich zusammenreißen musste. Ich hatte ein ganz schlechtes Gefühl, aber ich konnte sie ja nicht in den Kofferraum sperren und sie dazu zwingen, mit mir zu fahren.
Ich hatte furchtbare Angst um sie und meinen Sohn. Dazu kamen noch die Vorwürfe, die ich mir selbst machte. Ohne mein Versagen wäre sie niemals in diese Situation gekommen. Egal, was auch passieren würde, es wäre meine Schuld. Da ließ ich mir von keinem was anderes einreden.
Und warum hatte ich ihr jetzt sagen müssen, dass ich sie liebe? Das war so bescheuert.

Nachdem ich noch eine gute halbe Stunde vor mich hin geweint hatte, fuhr ich noch an Zaras Wohnung vorbei, bevor ich mich dann eben alleine wieder auf den Heimweg machen würde.
Ich hatte mir mein neues Auto ja erst vor Kurzem gekauft und Valentin kannte es noch nicht. Da würde er mich nicht sofort erkennen, wenn er mittlerweile bei ihr war und ausgerechnet in diesem Moment aus dem Fenster schauen sollte.

Obwohl es bereits stockdunkel war, erkannte ich sein hässliches Bonzenauto schon von Weitem. Ich parkte ein ganzes Stück weiter weg und lief näher zum Haus hin.
Es war ein wirklich schönes, großes Haus mit einem schicken Vorgarten. Aber das war auch kein Wunder bei ihren Eltern. Zaras Mutter war noch immer als Richterin tätig und ihr Vater war ein Dozent an der Uni, kurz vor der Pensionierung.
Ich ließ meinen Blick über die perfekt geschnittenen Hecken schweifen und blickte an der schneeweißen, makellosen Fassade von dem Haus auf und ab, in das ich noch nie so wirklich reingepasst hatte.

Da Zaras Wohnung im Erdgeschoss lag, konnte man von außen ziemlich gut hineinschauen. Da sie vor Kurzem erst zuhause angekommen war, war sie offenbar noch nicht dazu gekommen, die Jalousien zu schließen.
Ich setzte mich auf eine Mauer und quetschte mich halb in den Busch daneben hinein, damit mich das Licht der Straßenlaterne nicht direkt anstrahlte.
Zu gerne wäre ich jetzt bei ihr da drin. Ich beobachtete sie dabei, wie sie ein paar Klamotten in den Schrank zurück räumte und kam mir dabei vor, wie ein perverser Stalker.

Gerade als ich mich fragte wo Valentin blieb, kam dieser auch schon zu ihr ins Schlafzimmer gelaufen. Er sah gar nicht wütend aus, sondern grinste sie blöd an. Vermutlich hatte sie es geschafft, ihm ihre dünne Story zu verkaufen.
Als er seine ekelhaften Hände an ihre Hüften legte, hätte ich am liebsten einen Stein durchs Fenster geschmissen, der ihm seinen beschissenen Schädel zertrümmerte. Zaras Gesichtsausdruck nach war ihr das Ganze nicht gerade angenehm. Als sie sich jedoch zu ihm umdrehte, änderte sich ihre Miene.
Eigentlich war ich der Meinung gewesen, dass sie sehr schlecht lügen und überhaupt nicht schauspielern konnte, wurde jetzt jedoch eines besseren belehrt. Dieser Wechsel war wirklich filmreif.

Als er sie küsste, schlug mir das Herz bis zum Hals und mir wurde schlecht vor lauter Eifersucht, auch wenn ich wusste, dass sie das nur noch tat, um ihre Show aufrecht zu erhalten.
Ich sah zu, wie er ihr den Pullover über den Kopf zog und wusste, dass ich jetzt besser gehen sollte, um mir selbst nicht unnötig wehzutun.
Als sie ihm den Gürtel öffnete, übergab ich mich auf den Gehweg unter mir.
Als ich mich mit tränenverschleierten Augen und brennender Kehle wieder aufrichtete, waren die Jalousien geschlossen worden.

Wie ich letztendlich den Weg nach Hause geschafft hatte, wusste ich selbst nicht so genau. Das alles war einfach zu viel für mich. Während Zara noch da war, war es mir gelungen, einigermaßen die Kontrolle zu behalten. Aber allmählich begann ich, diese zu verlieren. Mir wurde immer bewusster, was dieser Valentin uns alles antun konnte, sollte er seine Drohungen tatsächlich wahr machen.
Und dass Zara sich vermutlich in diesem Moment von diesem Wichser bumsen ließ, obwohl sie das gar nicht mehr wollte, setzte dem ganzen noch die Krone auf.

Ich stellte den Audi vor meinem Haus ab und lief direkt zu Elsa rüber, statt zu mir rein zu gehen. Jetzt sofort alleine zu sein würde mir garantiert nicht gut tun. Außerdem musste ich ja sowieso noch Heisenberg und Gustavo, die ohnehin schon wieder viel zu lange auf ihr Herrchen hatten verzichten müssen, bei ihr abholen.
Es war schon nach Mitternacht und normalerweise störte ich Elsa um diese Uhrzeit nicht mehr, aber jetzt war ich viel zu aufgekratzt, um darauf Rücksicht nehmen zu können.
Nachdem ich mich halb erfrierend durch den hohen Schnee über das Feld gekämpft hatte, drückte ich zaghaft auf die Klingel. Alle Fenster waren dunkel und im Inneren des Hauses tat sich nichts. Als ich eine Weile gewartet hatte, klingelte ich nochmal. Da sich noch immer nichts tat, klingelte ich mehrmals hintereinander.

Ich bekam schon leichte Panik, dass ihr irgendwas passiert sein könnte, doch dann hörte ich endlich Schritte und kurz darauf wurde die Haustür geöffnet. Sofort strömte mir angenehm warme Luft und der Geruch nach einem freundlichen Zuhause entgegen.
„Du bist wieder da", sagte Elsa und gähnte herzhaft, während sie ihren Bademantel enger um ihren Körper zog, um sich vor dem eiskalten Wind zu schützen.
„Ja. Tut mir leid, dass ich mitten in der Nacht klingele."
Elsa packte mich am Arm und zog mich lächelnd hinter sich her. „Du kannst klingeln, wann immer du mich brauchst. Das habe ich dir doch schon so oft gesagt."

Fünf Minuten später saß ich mit einem Stück Kuchen und einer heißen Tasse Kakao vor mir auf ihrer gemütlichen Couch. Wie sie das in so kurzer Zeit fertiggebracht hatte, war mir ein Rätsel und eigentlich war mir so gar nicht danach. Aber ich tat ihr den Gefallen trotzdem, wenn sie sich schon mitten in der Nacht die Mühe für mich gemacht hatte.
Mittlerweile hatten auch meine Tiere mitbekommen, dass ich zurück war. Heisenberg sprang neben mich auf die Couch und schlabberte wild meinen Arm ab und Gustavo legte sich auf die Sofalehne und schaute mich einfach nur desinteressiert an.

„Na, wie war es denn in Berlin?", fragte Elsa und nahm auf dem Sessel gegenüber der Couch platz.
„Erst ganz gut und dann furchtbar", fasste ich die letzten Tage zusammen.
Elsa legte den Kopf schief. „Na das musst du jetzt schon ein bisschen ausführlicher erzählen."

Ich begann zu erzählen und Elsa hörte sich bis um vier Uhr morgens meine ganzen Gedanken, Sorgen und Befürchtungen an, und schaffte es dabei tatsächlich, mich ein bisschen runter zu bringen, auch wenn sie nicht wirklich einen Lösungsvorschlag parat hatte. Den hatte ich auch nicht unbedingt von ihr erwartet, so verfahren wie die ganze Situation war. Aber es half mir schon sehr, mit ihr über alles reden zu können.

„Elsa, geh ruhig schlafen. Dir fallen ja schon die ganze Zeit die Augen zu", sagte ich irgendwann.
„Ich kann mir auch einen Kaffee kochen, wenn du noch weiter reden willst."
„Nein, schon gut, wirklich."
Als ich mir meine Jacke zum Gehen anziehen wollte, sah Elsa mich empört an. „Junge, du glaubst doch jetzt nicht wirklich, dass ich dich so heim gehen lasse, oder?"
„Ich mach schon nix..."
„Wir kennen uns schon ziemlich lange und ich sage dir, dass du hier bleibst", sagte sie bestimmt und kramte aus einem Schrank Kissen und Decke heraus, um mir beides in die Hände zu drücken.

Elsa verpasste mir noch einen Kuss auf die Stirn, dann ging sie in ihr Schlafzimmer. „Wehe, du bist morgen früh nicht mehr hier", rief sie noch, bevor ihre Tür ins Schloss fiel.
„Okay", murmelte ich ertappt, da ich gerade wirklich darüber nachgedacht hatte, einfach zu gehen, sobald sie eingeschlafen war.
Ich schaltete den Fernseher ein und ließ mich noch ein wenig von sinnlosem Quatsch berieseln, bis ich mit Heisenberg im Arm und Gustavo auf dem Bauch wegdämmerte.

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