Kapitel 06

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„Sie können nun eintreten", informiert mich die Sekretärin. Meine Schuhe klicken laut auf dem polierten Boden, der ins Büro der Abbots führt. Ich mache nur selten Dinge, die ich mir nicht genau überlege, und dass ich heute hier stehe, versetzt mich in so viel Panik, dass ich kaum atmen kann. Es fühlt sich falsch und richtig zugleich an, weil ich weiß, dass ich nur eine Reaktion provozieren möchte. Ich möchte hören, dass der Selbstmord eine Lüge ist, ein Vorwand und dass man sich keine Sorgen machen muss.

„Miss Birkshire", begrüßt mich Mrs. Abbot, welche nur wenige Stunden zuvor ihrem Ehemann jedes Wort überlassen hat, damit sie selbst nichts aussprechen muss, was auch nur annähernd emotional ist. „Ihre Mutter hat vor Kurzem angerufen." Ich setze mich, ohne auf ihre Worte zu achten. Ich habe schon seit langer Zeit gelernt, dass Mrs. Abbot eine Direktorin ist, die weiß, wie sie ihre Studenten kontrollieren kann, während Mr. Abbot nur gut darin ist, Dinge von einem Papier abzulesen und sein Beileid zu bezeugen, wenn es angebracht ist. Ich nehme an, dass er eher für die Buchhaltung statt für die Leitung dieser Schule zuständig ist.

„Sie hat die Einladung für das Weihnachtsessen persönlich aussprechen wollen", fährt Mrs. Abbot weiter. Ihr Ton ist höflich, aber auch forschend. Schließlich weiß sie, was ich von den Weihnachtsfesten meiner Mutter halte. „Sie sind eingeladen?", frage ich gespielt überrascht. Natürlich würde meine Mutter Mrs. Abbot niemals einladen, denn das würde für noch mehr Gerede sorgen, als es ohnehin schon tut. Der Ruf meiner Mutter hat immer seine Wirkung. Bei meinem Bruder sorgt er in der Kombination von Wesleys Charme und Offenheit dazu, dass ihn alle lieben – mit meiner Zurückgezogenheit sorgt er dafür, dass ich in Ruhe gelassen werde.

Sie wurden eingeladen, Helena", korrigiert sie mit einem strengen Gesichtsausdruck, denn mir ist bewusst, wie gerne sie Weihnachten bei uns zuhause verbringen würde. Mrs. Abbot glaubt nämlich, dass sie mit meiner Mutter ihre Spielchen treiben kann. Dabei sollte sie sich glücklich schätzen, wenn sie nicht in die Nähe meiner Mutter kommt, wo ihre Lügen jede einzelne Person in ihren Bann ziehen. „Vielleicht haben wir andere Definitionen von persönlich", bemerke ich und verziehe meine Lippen zu einem schmalen Lächeln. Mrs. Abbot faltet ihre Hände auf dem Mahagoni-Tisch und schürzt ihre Lippen.

„Wobei kann ich Ihnen behilflich sein?", fragt sie, statt auf meine Aussage einzugehen. Ich schlucke schwer und hole dann tief Luft, während ich meine Augen auf die Bücherregale hinter ihr fixiere. Mir ist bewusst, dass sie mich mit meiner Mutter aus dem Konzept bringen wollte, aber sie kann noch gar nicht wissen, was ich mit ihr vorhabe. Und das ist mein Vorteil bei diesem Gespräch. Ich muss sie nur in die richtige Richtung bringen. „Die Lektion heute früh war sehr erfrischend", beginne ich schließlich. Meine Augen liegen auf dem Gesicht der älteren Frau. Ich bin mir sicher, dass sie herausfinden möchte, wieso ich ihr das erzähle, aber ich lasse die Worte etwas in der Luft hängen. Manchmal muss man die Leute eben nervös machen, um sie dort zu haben, wo man sie brauchen kann.

„Wie ich hörte, sind Sie zu spät gekommen?" Die Frage hängt in der Luft und ich ringe mir ein unschuldiges Lächeln ab, während ich eine Fingersträhne zwischen den Fingern zwirble. „Nun, das ist der Änderung meiner Routine zu verdanken", kommentiere ich. „Aber das ist ohnehin nicht der Punkt. Ich finde es gut, dass die mentale Gesundheit der Schülerschaft hier an erster Stelle steht. Ich bin mir sicher, dass Blaire Ihnen dasselbe gesagt haben wird. Ihre Tante für diese äußerst wichtige Angelegenheit zu organisieren, hat bestimmt kein kurzes Telefonat verlangt." Ich lege so viel Verständnis und Aufrichtigkeit in meine Worte, wie nur möglich ist. Das sind nämlich die entscheidenden Schritte meines Vorhabens. Mrs. Abbot seufzt und starrt für einen kurzen Moment auf ihre French Nails. „In der Tat", gibt sie zu. Es ist so amüsant, dass sie mir damit indirekt Informationen über Blaire gibt, die mir etwas bringen könnten. Blaire ist vielleicht eine meiner besten Freundinnen, aber sie würde mir niemals etwas über ihre Stelle als Schulsprecherin verraten, weil sie dafür zu pflichtbewusst ist. Wenn ich allerdings schon herausfinde, worüber man sie in Kenntnis gesetzt hat, wird die Sache für mich um einiges leichter.

„Aber die Rede Ihres Ehemannes gestern war ohnehin sehr bewegend für mich. Ich hätte niemals geglaubt, dass Mathilda sich das Leben genommen hat." Ich warte darauf, dass Mrs. Abbot mir widerspricht oder zustimmt, aber sie tut nichts davon, sondern presst nur die Lippen zusammen. Das bestätigt meine Vermutung, dass das eine Lüge war, zwar nicht direkt, aber es fühlt sich dennoch gut an. Menschen reden nämlich gerne und wenn sie es nicht tun, dann haben sie meistens Angst davor, etwas zu verraten oder sie sind verärgert.

„Jedenfalls wollte ich Ihnen mitteilen, dass ich hier bin, um Mathildas Sachen abzuholen. Violet – ich meine, Mathildas Mutter – hat mir gesagt, dass ich dies tun soll, und dann die Sachen bei ihr zuhause abladen kann. In meinem Auto hat es schließlich mehr Platz als in einem der Autos ihrer Eltern." Wieder breitet sich Stille zwischen uns aus. Von meiner Seite, weil ich froh bin, dass ich so gut heucheln kann und von Mrs. Abbots Seite, weil sie nach Antworten sucht, die sie mir geben darf. Es ist witzig, dass ihr die Worte fehlen, während ich nur nach einer winzigen Bestätigung gesucht habe, einem Schimmer von Panik oder Unwohlsein in ihren Augen. Er bestätigt mir nämlich, dass Mathildas Fall nicht abgeschlossen ist. Er bestätigt mir, dass ich den Selbstmord zurecht bezweifelt habe, dass die Untersuchungen noch immer laufen und die beschlagnahmten Sachen daher noch eine legale Relevanz haben, was wiederum bedeutet, dass sie mir diese nicht einfach aushändigen kann. Jegliche Ruhe ist aus Mrs. Abbots Haltung gewichen. Ihre Atmung geht ein wenig schneller und sie presst ihre Lippen zu einer feinen Linie, während ihre Hände die Lehnen ihres Bürostuhls umklammern.

„Natürlich. Ich werde dafür sorgen, dass morgen alles bereitsteht", teilt sie mir in einem aufrichtigen Ton mit. Ein trauriges Lächeln breitet sich auf meinen Lippen aus und ich blinzle einige Male, als müsste ich die Tränen zurückhalten. „Vielen Dank", sage ich. Ich warte nicht darauf, dass sie mich entschuldigt, sondern erhebe mich und gehe. Sie wird ohnehin genug zu telefonieren haben, um etwas für diesen Tansport zu organisieren. Dabei war die Wahrheit so offensichtlich, dass sie es mein Angebot auch einfach hätte ausschlagen klnnen. Manchmal frage ich mich schon, wieso Menschen glauben, dass sie Dinge nur glaubwürdig sagen müssen, um so zu wirken. Sie vergessen, dass die Lüge ein Schauspiel ist. Sie besteht nicht aus zittrigen Finger, geröteten Wangen und einer angespannte Haltung. Es sind vor allem die Augen, die immer eine eigene Geschichte erzählen, wenn sie nervös vom einen zum anderen Ort zucken. Wer seinen Körper nicht kontrollieren kann, wird niemals gut lügen können.

Aber für mich gibt es keinen Grund, sich darüber zu beklagen. Denn dank ihrer Unehrlichkeit habe ich nun meine Vermutungen bestätigt und die Chance erhalten, in Mathildas Sachen herumzuwühlen.

Und das war nur Schritt #1 in Helenas Masterplan 😎

Wie hat euch das Kapitel gefallen?

Wird bei der „Lieferung" alles glattlaufen?

Ich hoffe, dass euch die Geschichte bisher gefällt und dann lesen wir uns bald wieder 🥰

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