20 - Endgegner

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

Endlich Herbstferien. Zwei Wochen ohne frühes Aufstehen, ohne Hausaufgaben und ohne Lernen. Zwei Wochen ohne Schulstress.

Am ersten Tag unserer neugewonnenen Freiheit gingen Syl und ich in den Wald, um ein wenig mit dem Luftgewehr zu schießen. Wie jedes Mal steuerten wir unseren Stammplatz an, Syl holte das, was von den Dosen noch übrig war, unter der Wurzel hervor und bereitete unsere Ziele vor.

Zischend öffnete er eine Energydrink Dose, während ich bereits lud und zielte. Der erste Schuss saß, der zweite auch.

Syl schoss und verfehlte.

„Energydrinks sind eben kein gutes Zielwasser", lachte ich, fokussierte meinen Blick auf die nächste Dose in der Reihe und pustete sie vom Baumstumpf. Dumpf kam sie auf dem Teppich alter Blätter auf.

„Kein gutes. Das Beste!", grinste Syl, legte den Schaft gegen seine Schulter und traf einen Baum, der wirklich sehr viel weiter links stand, als unsere Ziele.

„Das hast du jetzt extra gemacht, oder?", fragte ich mit hochgezogenen Augenbrauen, aber Syls überraschter Gesichtsausdruck und die Art, wie er das Gewehr betrachtete, bestätigten mir das Gegenteil.

Er legte erneut an, zielte und schoss daneben.

„Das Zielwasser ist eben nur so gut wie der Schütze", lachte ich, während Syl seufzte und ein paar Schlucke aus seiner Dose nahm.

„Es kann nur besser werden", prophezeite er und wagte den nächsten Versuch.


„Deine Mutter hat übrigens bei uns angerufen", erzählte er nach einigen weiteren fruchtlosen Schüssen, während wir gerade die Gewehre mit neuen Projektilen beluden.

„Echt? Sie hat gar nichts gesagt, dachte, sie hat's sich anders überlegt", erwiderte ich überrascht.

„Doch, doch, hat sie", bestätigte Syl. „Hatte meine Mutter gar keinen Bock drauf. Hat ihr gesagt, sie soll nicht stören und so. Dass sie nicht mehr anrufen soll."

Er wischte mit konzentrierter Miene ein wenig Dreck vom Lauf des Gewehrs und schnappte sich dann seinen Energydrink. Seine ganze Aufmerksamkeit galt dem Getränk, aber im Grunde wollte er mich einfach nicht ansehen.

Dass seine Mutter ihm peinlich war, wusste ich. Seit Jahren gab er den Elternsprechtagszettel Zuhause nicht mehr ab und fand jedes Mal eine Ausrede, wieso seine Lehrer nicht mit ihr reden konnten.

„Besser so, als wenn sie mich verraten hätte, was?", versuchte ich die Stimmung aufzulockern, aber es klappte nicht. Syl zwang sich zu einem Grinsen, nickte, aber besser fühlte er sich nicht.

Nicht mal darüber aufgeregt hatte sich meine Mutter. Entweder war es nicht so schlimm gewesen, oder es hatte sie tatsächlich schockiert. Womöglich würde sie jetzt auch noch versuchen mir die Freundschaft zu Syl zu verbieten, aber da konnte sie sich auf den Kopf stellen und würde keinen Erfolg haben.

Ich trat an Syl heran und legte ihm meine Hand auf die Schulter.

„Mach dir keinen Kopf." Ich lächelte ihn an, suchte seinen Blick. „Lass deine Mutter doch, ist egal. Du weißt doch, wie meine Mutter ist, der kann man es eh nie Recht machen. Voll egal wie deine Mutter sich da benimmt."

Er zog einen Mundwinkel hoch und schaute auf seine Schuhe, aber das Lächeln blieb.

„Hast ja Recht", erwiderte er leise und schlürfte dann lautstark aus seiner Dose, ehe er das Gewehr wieder hob und zum Zielen anlegte. Ich trat einen Schritt bei Seite und diesmal traf Syl tatsächlich die Dose.

„Was macht ihr denn da?", durchschnitt eine laute, männliche Stimme mit einem Mal die Ruhe des Waldes. Zeitgleich mit dem leisen Aufprall der Dose auf dem Boden erklang sie und Syl ließ das Gewehr sinken, während er sich hektisch umdrehte. Auch ich machte auf dem Absatz kehrt.

Ein großer Mann in Arbeitskleidung mit grüner Jacke kam auf uns zu.

„Was soll das? Hier ist doch kein Schießübungsplatz!", verkündete er drohend. Die riesigen Bäume neben uns wirkten mit einem Mal klein und zerbrechlich, als brauche der Mann sie nur intensiv ansehen, damit sie den Weg freigäben.

Keiner von uns sagte ein Wort, während mein Herz schmerzhaft gegen meinen Brustkorb hämmerte.

Direkt vor uns blieb der Riese stehen und riss Syl das Gewehr aus der Hand. Mein bester Freund zuckte erschrocken zurück und trat einen Schritt näher an mich heran.

„Ein Luftgewehr", stellte der Mann in Grün fest, nachdem er es von allen Seiten betrachtet hatte. „So so. Du weißt, dass du das noch gar nicht haben darfst, Junge?", wandte er sich an Syl.

Im Augenwinkel sah ich Syl langsam den Kopf schütteln.

„T-Tut mir leid ... Wir wollten niemanden stören", brachte er schließlich hervor und ich nickte zustimmend. Die Fähigkeit zu Sprechen schien mir abhandengekommen.

„Das glaub ich dir, aber ich muss trotzdem die Polizei verständigen. Tut mir Leid, Jungs, aber ihr dürft diese Waffen nicht haben, ich darf sie euch nicht wegnehmen und euch mit ihnen wieder gehen lassen kann ich auch nicht."

„Die Polizei?", wiederholte Syl, während meine Kinnlade aufklappte und mir plötzlich viel zu warm war. Die Hitze stieg mir ins Gesicht, ich fing an zu schwitzen und wusste nicht, wohin mit meinen Händen. Das Gewehr ließ ich aus meinen Fingern auf den blätterbedeckten Waldboden gleiten.

„Ja, die Polizei", bestätigte der Mann und holte ein Handy aus einer der unzähligen Taschen seiner Arbeitshose hervor. „Tut mir Leid, Jungs."

Ich glaubte ihm sogar, aber als Syls verzweifelter Blick aus seinen geweiteten Augen mich traf, war das egal. Ich wollte etwas sagen, ihm widersprechen, dafür sorgen, dass er uns einfach in Ruhe ließ, aber kein Wort verließ meine Lippen. Ein verdammter Feigling war ich, nichts weiter.

„Was machen wir jetzt?", flüsterte Syl, während der Förster sich sein Smartphone ans Ohr hielt ohne uns aus den Augen zu lassen.

Mehr als ein verängstigtes Schulterzucken brachte ich nicht zustande.

Was meine Mutter wohl sagen würde, wenn die Polizei mich nach Hause brachte? Ob die das überhaupt machen würden? Oder mussten wir sogar ins Gefängnis?

„Sollen wir abhauen?", zischte Syl so leise, dass ich ihn kaum verstand, obwohl sein Mund fast an meinem Ohr war.

Erneutes Schulterzucken meinerseits.

Wohin sollten wir denn rennen? Die Polizisten würden uns verfolgen und finden und dann würden wir noch mehr Ärger bekommen, als ohnehin schon.


Wir wurden gebeten unsere Sachen zusammenzupacken und dann von dem Förster zum Waldrand geleitet, wo das blaue, mit gelben Reflektorfolien beklebte, Polizeiauto gerade zum Halten kam.

Das Blut rauschte in meinen Ohren und spätestens jetzt wollte ich genauso gerne wegrennen, wie Syl wahrscheinlich vorhin schon. Als würde mir erst jetzt richtig klar werden, dass richtig echter Ärger auf mich zukam. Das hier war das echte Leben, nicht meine Konsole. Ich konnte nicht einfach den letzten Speicherpunkt neu laden, wenn mir der Verlauf der Geschichte nicht gefiel oder irgendwas schief ging. Hier gab es nur den Fortlauf in der immer gleichen Geschwindigkeit.

Die Polizisten sprachen mit dem Förster und in meiner Aufregung bekam ich kaum etwas von ihren Worten mit. Keine Ahnung, ob ich nicht richtig zugehört oder einfach alles direkt wieder vergessen hatte. Sie ließen uns jedenfalls hinten im Auto einsteigen, nachdem sie Syl den Rucksack mit den Gewehren abgenommen hatten. Wir fuhren durch die Straßen der Stadt und kamen erst am Revier wieder zum Halten. Dort mussten wir warten, bis die Polizisten uns die Türen öffneten, denn ganz so, wie es früher als Kind im Auto meiner Eltern gewesen war, konnten wir das selbst nicht tun. War ja auch sinnvoll, denn manchmal saßen echte Verbrecher hier.

Waren wir das jetzt auch? Echte Verbrecher.

„Glaubst du, hier saß mal ein Mörder?", fragte ich Syl in den Sekunden, die wir alleine waren. Vom Zuschlagen der Vordertüren bis zum Öffnen jener rechts und links von uns.

Mein bester Freund hob nicht mal den Blick. Schweigend starrte er auf die Hände in seinem Schoß.

Verdammt. Ich musste ihm helfen. Irgendwie.

Aber es war Syl, der mich aus der Scheiße holte. Der den Polizisten deutlich machte, dass die Waffen ihm gehörten und ich nichts mit der Sache zu tun hatte. Und während meine Mutter ganz außer sich auf dem Revier antanzte, um mich abzuholen, musste er noch bleiben. Solange, bis ein Beamter Zeit hatte, ihn heim zu bringen, denn seine Mutter war natürlich nicht erreichbar. Viel zu oft ging sie nicht ans Telefon und meine Mutter durfte ihn auch nicht mitnehmen.

„Wir sehen uns", flüsterte ich noch und Syl nickte abwesend. Den Blick weiterhin gesenkt

Ich war ein verdammter Feigling. Von wegen Soldat, von wegen Abenteurer. Von wegen Freund. Mein ganzes Leben war eine verdammte Lüge und ich tat nichts, außer in die Rolle mutiger Menschen zu schlüpfen und mit ihnen durch eine imaginäre Welt zu rennen. Eine imaginäre Welt zu retten. Wenn dann in meinem echten Leben mal etwas schief ging, wenn mal ein Held gebraucht wurde, war keiner da. Natürlich nicht.

All diese Gedanken flossen durch meinen Kopf, während ich mit dem Snipergewehr über der Schulter durch die verlassene Stadt rannte. Syl war nicht online, natürlich nicht. Auf meine Nachrichten antwortete er mir auch nicht und wenn meine Mutter sehen würde, dass ich an der Konsole saß, würde sie sie mir wahrscheinlich wegnehmen. Spielverbot war natürlich direkt die erste Konsequenz für mein Fehlverhalten gewesen, aber ich brauchte das jetzt.

Musste mich irgendwie ablenken, irgendwie das verarbeiten, was heute passiert war.

Shivan schickte mir eine Einladung ins Game, aber ich ging nicht darauf ein. Er hätte in der Situation bestimmt besser reagiert, hätte irgendwas getan, um seinem besten Freund zu helfen.

Eine Nachricht von MissMolotov ging ein.

alles in ordnung?

Nein, nichts war in Ordnung, aber Shivan konnte mir da auch nicht helfen. Ich hatte versagt, als Freund versagt, während Syl immer für mich da war.

Ich warf einen Blick auf mein Handy, aber die Nachrichten waren noch ungelesen.

Was passierte jetzt mit Syl?

Er würde definitiv mehr Ärger kriegen als von Frau Blumenau, wenn er wieder zu spät zum Unterricht kam. Ich konnte nichts tun, um ihn daraus zu holen. Selbst wenn es eine Möglichkeit gäbe, ich könnte es sicher nicht.

Mein Handy vibrierte und mein Herzschlag setzte für eine Sekunde aus. Solange, bis ich sah, dass es nicht Syl war, der anrief, sondern Shivan.

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro