40 - Ein schützender Wall

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Lycan

Es fühlte sich unfassbar gut an, Faye zu umarmen.

So oft hatte ich mir als junger Bursche gewünscht, das Mädchen mit dem Haar aus Weizengold berühren zu dürfen, über ihre seidig weiche Haut zu streichen und dem klang ihrer Atemzüge zu lauschen. Nun hatte Sola mir meinen allergrössten Wunsch erfüllt und in meine Arme gelegt.

Für einen Augenblick hatte es mir die Angst durch meine Venen gejagt, Faye in meiner Hütte vor dem Altar ihrer Weizenelben zu finden. Eigentlich hätte sie mich mit scharfen, verurteilenden Worten traktieren können, hätte mir schlimme Vorwürfe über meine Geheimniskrämerei machen können, aber nein. Sie hatte sich einfach nur gefreut, gefreut, als wäre für sie ein langer Traum endlich in Erfüllung gegangen.

Es brach mir das Herz, zu denken, wie lange Faye sich danach gesehnt hatte, zu wissen, wer ihr diese Wölfe geschnitzt hatte und ich bereute es zutiefst, nie aus den Schatten der Bäume getreten zu sein, immer dann, wenn sie auf die Mauer geklettert war, um meine Wölfe zu holen.

Faye rührte sich und streckte einen Arm aus. Ihre Hand deutete zur Wand, an welcher die Weizenelben an kleinen Nägeln hingen.

„Du hast wirklich jeden Einzelnen behalten", stellte sie fest.

Ich liess den Blick über die kleinen Puppen schweifen und nickte.

„Einer ist leider kaputt gegangen, aber ja, ich wollte sie nicht zerstören. Als ich jünger war, musste ich sie Thorne aus den Fingern reissen, weil er viel zu grob damit gespielt hat. Und wegen Farkas habe ich sie dann gänzlich weggeräumt. Der hat die Halme mit seinen Wurstfingern geknickt und sie Kobolde genannt." Ich schnaubte. „Er war ihrer einfach nicht würdig."

Faye lachte leise in sich hinein. „Wir weben Solas Segen in die Elben und normalerweise opfern wir sie nach der Ernte dem Feuer, um die Göttin für die nächste Saat zu besänftigen. Ich wollte sie davor retten, denn ich fand sie zu schön, um in den Flammen zu enden."

Sie bekam den obersten Knopf meines Hemdes zwischen die Finger und begann, damit zu spielen. Ein Lächeln umschlich ihre Lippen. „Darum habe ich sie dir geschenkt, weil ich wusste, dass sie auf der Mondseite sicher wären."

Während unzähliger Ernten hatten wir unseren Austausch getätigt. So viele Male hatte sie mir ein Geschenk gemacht und so oft hatte sie für Herzklopfen und schlaflose Nächte gesorgt — bis ich achtzehn wurde und das Luftschloss meiner Wünsche brutal zugrunde gerichtet wurde. Eine Nacht im Fieberwahn hatte gereicht, um mir mein Leben zu zerstören.

Der Gedanke liess meine Mundwinkel in die Tiefe fallen.

„Eines Tages warst du plötzlich weg", sagte ich, meine Stimme belegt. „Das war vor fünf Wintern. Zur selben Zeit, als meine Mutter tot aufgefunden wurde."

Ein Druck baute sich unter meinen Rippen auf. Diese dunkle Zeit wollte ich am liebsten rückgängig machen. Als meine Mutter starb, Faye vom Erdboden verschluckt wurde, ich in einen finsteren Ort fiel, weil mich ihre Abwesenheit so sehr zerriss, dass ich nicht mehr Meister meines eigenen Geistes war. Ich wäre wahrlich verrückt geworden, wenn meine Schwester, Thorne und Farkas nicht gewesen wären und an meiner Zurechnungsfähigkeit geglaubt hätten.

Unter meinen Fingerspitzen fühlte ich, wie sich Fayes Rücken verspannte.

„Wohin bist du verschwunden?", fragte ich sanft, aber bestimmt, denn ich musste die Antwort darauf hören. Nach all der Zeit wollte ich wissen, warum mir mein letztes Licht auf der Welt genommen worden war.

Faye schwieg, was mich überaus beunruhigte.

„Du bist ein ganzes Jahr nicht aufgetaucht. Ich dachte, ich hätte dich auch verloren."

Endlich kam Bewegung in die schöne Frau in meinen Armen. Sie löste sich von mir, damit sie mir in die Augen blicken konnte. Kummer war ihr über das ganze Gesicht geschrieben und grub sich in die Falten auf ihrer Stirn.

„Oh, Lycan." Sie strich mir eine Strähne aus dem Gesicht. „Es tut mir so leid um deine Mutter."

Sie wollte ihre Hand zurückziehen, doch ich war schneller und hielt sie am Handgelenk fest, damit sie nicht wegrücken konnte. Faye verstand, was ich brauchte, und so legte sie ihre Handfläche an meine Wange. Ihre Haut war unendlich weich und ihr Geruch bändigte die Unruhe, die sich in meinem Herzen erheben wollte.

„Sie war für mich auf Mauerrundgang, weil ich wegen meines Mondfiebers nicht aus dem Bett kam", sagte ich. „Sie zog ohne mich los und kam nie zurück."

Ich schluckte die Schnur, die sich zusammen mit den Selbstvorwürfen um meine Kehle wickeln wollte, mit Gewalt herunter.

„In den ersten Tagen glaubte ich, in meiner Trauer zu ertrinken. Ich habe verzweifelt nach etwas gesucht, das mich an der Oberfläche halten würde und ich wusste, dass dein Anblick das könnte. Dein Lächeln hätte meinen Schmerz lindern können, aber du warst nicht mehr da." Ich schüttelte den Kopf, als ob mir das dabei helfen könnte, die düsteren Erinnerungsfetzen abzuschütteln. „Wo warst du?"

Faye wich meinem Blick aus und starrte auf meine Brust, auf den Knopf, den sie zwischen den Fingern drehte. Ich konnte sehen, wie ihre Gedanken ratterten und wie sie die richtigen Worte suchte.

„Ich ...", begann sie zögernd. „Ich bin nicht verschwunden. Ich war da, nur nicht wirklich."

Die Stille, die daraufhin folgte, war beklemmend.

Einmal mehr gab sie mir so wenig, aber auch nur, weil sie nicht mehr schaffte. Das wusste ich mittlerweile. Ich würde die Teile selber zusammenfügen müssen.

In meinem Kopf überschlugen sich alle Möglichkeiten und als mich die finstere Erkenntnis traf, verkrampften sich meine Eingeweide.

„Weggesperrt", erriet ich. „Du wurdest weggesperrt."

Ihre Lippen waren nur eine schmale Linie, als sie meine Befürchtung mit einem Nicken bestätigte.

„Ein ganzes Jahr lang?"

Noch ein Nicken, das meinen Magen in einen Block aus Eis verwandelte.

„Dein Vater hat dich ein ganzes Jahr lang eingeschlossen?"

Faye sah mich an, als wollte sie sich entschuldigen und am liebsten hätte ich ihr diesen Ausdruck von der Stirn gewischt. Bei Luna, das war das Letzte, was sie musste!

„Es war während der Erntezeit und er hat mich auf der Mauer erwischt, wo ich dir den nächsten Elben hinterlassen wollte. Als er mich sah, hat er mich..."

Faye wurde bleich. Der scharfe Geruch ihrer Angst stieg mir in die Nase und stahl mir jeglichen klaren Gedanken. Die Erinnerungen schienen sich wie scheussliche Plagegeister über sie herzumachen. Der Schrecken und die Unmenschlichkeit, die ihr angetan worden waren, beförderten sie zurück in ihren Angstzustand. Instinktiv schloss ich meine Arme um sie.

„Ich hab dich."

Sie lehnte sich an mich. „Ich weiss."

„Du musst nichts weiter sagen, wenn du nicht kannst."

„Doch." Sie atmete tief ein und stiess die Luft durch den Mund aus. „Doch, das muss ich. Nur so kann ich ihn wirklich besiegen."

Ich streichelte ihr besänftigend über den Rücken und wartete, bis sie bereit war, mir mehr zu verraten. Mein Versprechen galt nach wie vor. Ich würde die Splitter stückweise aus ihrer Wunde pulen und ihr dabei helfen, zu heilen. Egal, wie lange es dauerte.

Als sie zu sprechen begann, hielt ich den Atem an.

„Ich erinnere mich nicht mehr an alles, aber ich weiss, dass er mich von der Mauer zerrte und ins Haus schleppte. Er war blind vor Zorn und nahm mein ganzes Zimmer auseinander. Ich hatte ihn noch nie so ausser sich gesehen. Mein Vater war sonst immer ein sehr beherrschter Mann, aber an dem Tag hat er sich vollkommen vergessen. Seine Hände und sein Hemd waren voller Blut. Ich glaube, er hat sich wirklich nicht mehr gespürt."

Meine Hand an ihrem Kreuz schloss sich zu einer Faust. Sie schluckte leer und sah mich an. Ich mühte mich ab, nicht wütend auszusehen und den Hass, den ich verspürte, im Keim zu ersticken. Es fiel mir jedoch unfassbar schwer.

Fayes Schultern sanken ab. „Er zerschlug meine Möbel und da entdeckte er die Wölfe, die ich unter einer Diele versteckt hatte."

Ein glühendes Messer bohrte sich in meine Brust. Meine Wölfe, mein Geschenk an sie, die Spielzeuge, die ihr eine Freude hätten bereiten sollen, waren ihr zum Verhängnis geworden?

„Er wollte wissen, woher ich sie habe, und weil ich ihm nicht antwortete, warf er sie vor meinen Augen ins Feuer."

Tiefe Trauer zog über Fayes Gesicht. Ein aufgebrachtes, dunkles Knurren löste sich bei dem Anblick aus meinem Brustkorb.

„Hat er dir weh getan? Hat er dich geschlagen?"

Sie schüttelte den Kopf. „Damals noch nicht. Aber ich weiss, dass er mich angeschrien hat, ich solle mich von der Mondseite fernhalten." Ein Seufzen entwich ihr. „Ich hätte mich an seine Regeln gehalten, wenn ich gekonnt hätte, aber während meines Hausarrestes begann das Mondfieber. Ich bin geschlafwandelt und wurde dann von ihm für den Rest des Jahres an mein Bett gekettet."

Langsam legte sie ihre Wange zurück auf meine Brust. Ich war so verkrampft, dass mein ganzer Körper zu bersten drohte. Meine Muskeln zitterten merklich.

„Er verbot es mir, Fleisch zu essen, weil er glaubte, dass es meine verdorbene Seite hervorbringen würde", fuhr Faye leise fort. „Er liess die Heilerin rufen, die mir bittere Trunke aus Kräutern braute, die alle nichts halfen. Kurz darauf erhielt ich meine erste Lektion."

Lektionen, die schmerzhafte Eisbäder und Schläge mit dem Gurt beinhalteten. Diesen Teil hatte sie mir bereits verraten und es hatte mich damals schon rasend vor Wut gemacht. Mein Herz hämmerte so stark gegen meine Rippen, als wollte es ausbrechen.

Faye legte ihre zierliche Hand darüber, schloss die Augen und lauschte dem empörten Rhythmus meines Zornes.

„Es tut mir leid, dass ich so lange fort war, Lycan. Wenn ich gewusst hätte, dass mein Mondgeist mich braucht, hätte ich versucht, aus meinem Zimmer auszubrechen."

Mir wurde fast schlecht. Eine Entschuldigung für ihre Abwesenheit war das Letzte, was ich von ihr hören wollte. Ich löste meine Faust aus ihrer Verkrampfung.

„Nein", erwiderte ich. „Mir tut es leid, dass ich deine Qual nicht erkannt habe."

Meine Stimme war so tief, dass es eine Gänsehaut auf Fayes Haut auslöste. Ich sah es und presste sie fester an mich.

In ihrer grössten Not war ich nicht für sie da gewesen. Ich hatte mich in meinem eigenen Schmerz und Selbstmitleid gesuhlt, während sie diejenige gewesen war, die jemanden gebraucht hätte. So frustrierend es war, es gab nichts, was ich an meinem vergangenen Versäumnis ändern konnte, aber jetzt konnte ich etwas tun und bei Luna, ich würde dafür sorgen, dass ihr so etwas nie mehr widerfahren würde!

„Ich schwöre dir, ich werde ihn vernichten", sagte ich.

Fayes Hand krallte sich in mein Hemd, als wollte sie sich an mir und an meinem Versprechen festhalten.

⋆☽˚。⋆

Ich traute meinen Augen nicht.

Faye lag in meinem Bett und schlief.

Ihr sonnengoldenes Haar ergoss sich über meine Matratze, während sie ihr Gesicht tief in mein Kissen vergraben und sich so fest in die Decke eingerollt hatte, dass man sie ihr gewiss nicht wegnehmen konnte.

Sie sah aus wie eine Göttin, welche sich dazu entschieden hatte, ausgerechnet mein Hemd als Schlafgewand zu tragen.

Der Anblick war beinahe schmerzhaft.

Tausend Nadeln stachen mir in die Haut und wollten mich dazu überreden, mich vom Sitzsack zu erheben und mich neben sie zu legen.

Allerdings hielt ich mich zurück.

Ich musste warten, bis das zornige Feuer in meiner Brust nur noch zu einer unruhigen Glut verkommen war, ehe ich auch nur einen Schritt in ihre Richtung wagen durfte. Noch war ich zu aufgebracht, zu wütend, zu hasserfüllt. Wenn ich mich zu dieser Frau legen würde, dann ohne Mordgedanken im Hinterkopf. Mit meinen Dämonen sollte sie nicht schlafen.

Meine Fäuste knacksten, als meine Fingernägel kleine Sicheln in meine Handflächen schnitten.

Wenn ich bloss gewusst hätte, was ihr all die Zeit lang in ihrem Heim widerfahren war, dann hätte ich ihr geholfen! Ich hätte sie irgendwie zu mir geholt, hätte sie nicht bloss von Weitem betrachtet! Aber blind, wie ich gewesen war, hatte ich diese Möglichkeit für einen unerreichbaren Traum gehalten.

Ich werde ihn vernichten.

Meine Worte rangen in meinem Kopf. Ich hatte sie voller Ernsthaftigkeit gemeint. Ich würde Thomas Gleamridge vernichten. Dafür, dass er meine Mutter getötet und Faye diese Abscheulichkeiten angetan hatte. Dieser Mann verdiente keinen einzigen Atemzug mehr auf dieser Erde und solange ich lebte, würde ich einen Weg finden, um diesem Bastard das zu geben, was er verdiente: Ein qualvolles und äusserst blutiges Ende.

Wie genau ich das hinbekommen würde, wusste ich noch nicht, aber ich würde es mir zu meiner Lebensaufgabe machen und erst ruhen, wenn ich mein Ziel erreicht hatte.

Faye seufzte im Schlaf.

Das leise Geräusch aus ihrem Mund riss mich aus meinen blutrünstigen Fantasien. Sie schien zu träumen und der Anblick ihres friedlichen Gesichtes machte Dinge mit mir, die ich nicht in Worte fassen konnte.

Es hatte mich eiskalt erwischt, als sie mich gefragt hatte, ob sie bei mir bleiben könne. Ohne meine Antwort zu überdenken, hatte ich einfach eingewilligt, und nun lag sie da und schlummerte überaus zufrieden in meinen Laken.

Am liebsten wollte ich sie nie wieder gehen lassen. Der Wolf in mir, der befahl, all jene zu umsorgen, die zu meiner Bande gehörten, wurde überlaut in meinem Kopf.

In Lunas Namen, ich wollte Faye beschützen, als wäre sie meine! Meine Wölfin, meine Partnerin, meine Frau.

Knurrend fuhr ich mir durch die Haare. Die possessive Seite meiner Wesensart drang an die Oberfläche und es war nichts, was ich der attraktiven Frau in meinem Bett zumuten wollte. Es könnte sie vertreiben, wenn sie sah, wie verrückt ich nach ihr war. Ich würde mich verdammt nochmal zusammenreissen müssen, aber je mehr ich von ihrem Leid erfuhr, desto schwieriger wurde es, zu verbergen, wie rasend es mich machte.

Die Nacht war schon weit fortgeschritten, aber ich durfte nicht aus diesem Sitzsack.

Fayes Gestalt in meinem Bett war wie ein Nagel in meiner Brust. Ich musste hier warten und sie hüten, dafür sorgen, dass ihr keiner ein Haar krümmte und alles tun, damit dieses wundervolle Gesicht heller strahlte als die Sonne.

Dafür würde ich im wahrsten Sinne des Wortes zu ihrem Rachekrieger werden oder — wenn es erforderlich war — zu ihrem schützenden Wall.

Und ich würde niemanden durchlassen. Niemanden.

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Hallo ihr Hübschen

Faye ist in Lycans Bett gelandet - ich hoffe, ihr seid happy ;-)

Keine Sorge: Die intime Zweisamkeit der beiden geht noch ein bisschen weiter. Faye scheint den Wolf in Lycan zu wecken und es fällt ihm immer schwerer, diese Seite vor ihr zu verbergen. 

Ob er sein Versprechen halten kann? Das wird sich noch zeigen. 

Ich wünsche euch eine super Woche! Wir sehen uns am Samstag.



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