Geständnis

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Er schluckt bei jedem Schritt, den er den Gang entlang geht. Die Beleuchtung strahlt in einem weiß, wie der Schnee bei Sonnenschein. Sie versucht über den Fakt hinweg zu täuschen, wie alt dieser Gang ist. Die neumodischen Röhren sind in die alten Fassungen gesteckt worden und erschaffen ein unpassendes Bild, das in den Augen fast genau so weh tut, wie das viel zu helle Licht. Die weiße Farbe bröckelt von den Wänden ab, wie die Träume und Wünsche eines Menschen in der Midlife-Crisis. Die Energie weicht aus einer der Leuchtstoffröhren, wie auch Elias all seine Energie verlassen hat. Jetzt geht es nur noch ums Protokoll. Es kann nichts mehr entschieden oder geändert werden. Ein Gutachten ist eigentlich auch hinfällig. Genauso wie es wäre zu versuchen, die alte Farbe durch neue zu ersetzten. Am Ende wird sie auf die eine oder andere Weise abbröckeln.

Es ist kalt und riecht nach dem alten Gebäude, dass es ist. Die Isolierung der Wände macht es beinahe zu einem Sarg. Kein Sonnenlicht dringt in den Komplex, wodurch auch die Temperatur stetig abfällt, desto tiefer man hineingeht. Das beklemmende Gefühl von Tod macht sich in der Luft breit. Die Räume verwesen in der Einsamkeit. Schon seit Jahren hat niemand mehr ein schwarzes Brett benutzt und die wenigen Tische auch nur einen Millimeter verrückt. Alles Menschengemachte, von den Türen, über die Fensterscheiben oder die Jalousien davor, verkommt stetig. Nur selten sieht man eine Spinnenwebe an der Seite der dicken Staubschicht, die das gesamte Gebäude benetzt. Selbst diese kleinen Tiere können nur schwer in diese Einrichtung eindringen und noch schwieriger darin überleben.

Es muss damals wie ein Gefängnis gewirkt haben, aus dem es kein Entkommen gibt. Schlimmer noch. Kein Freigang, keine Chance auf eine Entlassung und dazu noch eine unerträgliche Form der Folter. Keine Körper waren hier gebrochen worden. Das Essen hatte definitiv bessere Standards als im Knast, das Personal war freundlicher und die meisten Mitinsassen waren auch nicht kriminell, doch über allem lag ein Schleier von Lügen. Das Lächeln der Doktoren war falsch, ihre Notizblöcke streng und jeder Hinweis auf eine Schwäche beim Patienten führte noch tiefer in die Spirale. Wie soll man jemandem auch beweisen, dass man geistig gesund ist?

Natürlich ist es menschlich nicht eingesperrt werden zu wollen, aber wenn man schnell gehen wollte, durfte man das nicht zeigen. Man musste sich bewusst sein, dass man krank war. Leugnung der eigenen Psychose war ein schlechtes Zeichen. Aber wenn man sich bewusst war, dass man krank war, war das auch ein Hinweis dafür, dass man krank war. Und Kranke entkamen hier nicht. Wer versuchte zu fliehen bekam einfach nur mehr Medikamente und noch weniger Kontakt mit anderen Menschen. All diese unterschiedlich farbigen Pillen, brachten aber auch nur etwas mehr als man sich auf deren Wirkung einbildete. Die meisten bekämpften auch nur die Symptome und machten so schnell wieder rückfällig. Andere machten süchtig. Wenige halfen. Kurzzeitig. Ein Teufelskreis verschleppte so manchen in die Untiefen des Wahnsinns und die Wahnsinnigen waren den anderen Patienten auch keine Hilfe um wieder ein funktionierender Teil der Gesellschaft zu werden. Denn bei all der Güte der Menschen, die diesem Knochenjob nachgingen, ging es im Endeffekt nur darum. Das weiß Elias wie kein Zweiter. Seine Ansätze sind – wie andere Männer und Frauen vom Fach sie nennen – experimentell.

Seiner Ansicht nach solle man Patienten nicht wie kaputte Zahnräder betrachten oder nur stur Protokollen und Anweisungen folgen. Seine Methoden sind aufwändig, aber dafür wirksam. Daher hat er sich auch so sehr auf die Arbeit im Zentrum gefreut. Experten vom Fach, eine künstliche Intelligenz und eine große Auswahl an Materialien und Mitteln zur Behandlung. Eine verlockende Herausforderung, haben die, als unheilbar erklärten, Patienten hergegeben. Aber es ist alles anders gekommen.

Wie dieses alte Gebäude versagt hat, hat auch Elias versagt. Die hallenden, Staub aufwirbelnden Schritte auf dem Steinboden sind das Klagelied seiner Seele. Die Last der Schuld knickt seinen Körper und das Laufen wird noch schwieriger. Selbst obwohl seine Kollegen nur wenige Schritte vor ihm stehen, fühlt er sich so allein wie noch nie in seinem Leben. Sein Herz verrottet mit jedem Schritt noch mehr, wie der Gang um ihn. Einzig sein Gehirn lässt ihn weitermarschieren. Ein Automatismus, gegen den er nichts tun kann. Er hört nicht die Worte, welche ihm entgegen hallen, auch sieht er nicht das Flackern der Lichter oder die Tür am Ende des Gangs. Er sieht nicht, hört nicht, fühlt nicht die Kälte um ihn, sondern nur die in ihm. Er muss es tun und doch hat er keine Ahnung wie. Die ganze Fahrt hat er sich bereits den Kopf darüber zerbrochen, wie er es nur ausdrücken soll. Fast hat er Zuhause vergessen sich umzuziehen. Jetzt hat er die Worte vergessen, die er sich zurückgelegt hat. Für den Moment vergisst er aufmerksam zu laufen. Ein Stolpern bringt ihn zurück in die Gegenwart.

„Geht's dir gut?"

Er besitzt nicht einmal die Energie ein verlogenes „Ja" aus seiner Kehle zu pressen. Der Frosch in seinem Hals wächst an und schnappt mit seiner Zunge nach jedem möglichen Wort, dass ihn verlassen könnte. Irgendwie öffnet er die Türe und schließt sie wieder. Den Blick zu senken, wagt er zuerst nicht.

Hall. Das war ihr Nachname. Keine Nummer. Ein Name. Ein Mensch.

„Ms. Hall, ich bin gekommen, um mit ihnen über den Vorfall zu sprechen", unterwirft Elias die tonnenschweren Worte seiner schwächlichen Stimme.

„Zuerst aber", beginnt er und seine Augen treffen auf ihre.

Stille. Sein Herz hört auf zu schlagen. Das ist nichts. Er hatte sich auf so viele mögliche Reaktionen vorbereitet. Trauer, Wut, Angst, Verzweiflung, aber da war einfach nichts. Sie sieht ihn mit einer Leere im Gesicht an, als gibt es nichts in der Welt, auf das sie noch wartet. Als hätte sie abgeschlossen mit ihrem Leben und den Schlüssel in die Kanalisation gespült. Die Professionalität in Elias fängt ihn wieder.

„Zuerst muss ich dir von den Ermittlungen der Polizei erzählen. Nachdem ein Mitarbeiter des Untersuchungsteams wegen eines anonymen Tipps befragt wurde, gab er in einem Verhör einige wichtige Informationen für einen anderen Fall preis. Deinen."

Das Mädchen guckte so, als hätte sie das alles schon einmal gehört. Aber das konnte unmöglich so sein.

„Das ist, wie du dir sicher denken kannst, schon etwas länger her. Seitdem wurde so einiges aufgedeckt. Papiere wurden gefälscht, Falschaussagen gemacht und ein angeblicher Experte hatte vor Gericht gelogen."

Elias kann bei aller Konzentration nicht anders als das Wort „Experte" mit einer Abscheu auszusprechen, die das Mädchen vermutlich vor ihm empfindet.

„Es gibt schon einen Verdächtigen für die Morde, die du angeblich begangen haben sollst, aber das tut nichts zur Sache. Du warst es nicht. Du bist unschuldig. Es ist noch nicht alles geklärt. Eine Menge Papierkram muss noch erledigt werden, aber ich denke es sind sich alle Parteien einig."

Immer noch schweigt die junge Frau, aber Elias erträgt es nicht länger die Fassung zu wahren, nach all dem was passiert ist und dieser Ungerechtigkeit, die ihr wiederfahren ist. Er kann nicht anders als den Tränen freien Lauf zu lassen. Sein Körper gehorcht ihm nicht mehr.

„Ich bin eine Mörderin"

Es braucht einige Momente, damit die Worte bei Elias ankommen. Das eine Bein knickt ab und dann das andere. Der Rücken schleift über die Türe und das Gesäß kommt unsanft auf dem Boden auf. Die Grenze der Erträglichkeit liegt so weit hinter ihm, dass es sich anfühlt wie ertrinken. Alles wird unklar und die Augen brennen vor Salz. Langsam wird alles Schwarz.

„Ich bin eine Mörderin", sagt das zerbrochene Mädchen.

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