2. Türchen

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Die Tüten auf meinem Arm wurde langsam schwer und je länger ich warten musste, desto stärker weichte die Papiertüte von den fallenden Flocken auf und meine Angst, dass sie bald reißen könnte wuchs.

Nachdem ich heute schon länger in der Arbeit bleiben musste und mich Michael den Tag hinweg auch noch unzählige Male gefragte hatte, ob ich zu seiner Zusammenkunft wirklich nicht kommen wollte, hatte ich die Nase schon gestrichen voll, als ich das Bürogebäude verlassen hatte.

Der Supermarkt, den ich am Heimweg besuchte, platzte fast aus allen Nähten, weil wohl die gesamte Stadtbevölkerung genau jetzt genau in diesem einen Laden Lebensmittel kaufen musste. Daher stand ich gute zwanzig Minuten vor dem Eingang im Schnee, bis sich die Schlange langsam aufgelöst hatte und ich die wenigen Sachen, die ich brauchte in meinen Korb legen konnte. Als Kirsche oben drauf, waren auch noch meine Lieblingscornflakes und die Hafermilch ausverkauft, sodass ich auf eine Noname-Cornflake-Marke und Sojamilch zurückgreifen musste. Als ich dann auch noch an der Kasse ewig warten musste, weil ein Rentner seinen Einkauf ausschließlich mit Centmünzen bezahlte, hätte ich den scheiß Tag einfach aus dem Kalender streichen können.

Aber eigentlich hätte ich wissen müssen, dass es nur noch schlimmer kommen würde, denn kaum war ich bei meinem Wohnhaus angekommen, hatten Möbelpacker angefangen einen großen Schrank aus der obersten Etage über das Treppenhaus hinunter zu tragen. Zur Sicherheit durfte bis der Schrank das Erdgeschoss erreicht hatte, keiner das Haus betreten.

Da stand ich nun also.
Nur wenige Treppenstufen von meiner warmen, trockenen Wohnung entfernt und fror mir hier draußen den Arsch ab, während ich von Sekunde zu Sekunde mehr Angst hatte, dass meine Papiertüte aufgrund der Feuchtigkeit gleich reißen würde.

Zumindest war ich heute, im Gegensatz zu gestern, weder auf dem Hin- noch auf dem Rückweg ausgerutscht, sodass wenigstens mein Hintern die ganzen Tag über trocken war. Dennoch wollte ich so schnell wie möglich nach Hause, denn meine Socken waren von ‚trocken' sehr weit entfernt.

Meine Fuß begannen genervt zu tippeln, wodurch der Schnee auf dem ungeräumten Gehweg leise unter meiner Sohle knirschte.

Wer zog bei diesem Wetter überhaupt um? Da kam doch nichts trocken an.

Seufzend ließ ich meinen Blick abwartend durch die Gegend wandern und beobachtete ein paar Menschen, die genauso unerfreut wie ich wirkten und den Schnee wahrscheinlich genauso verabscheuten.

Mein Kopf sackte in den Nacken, wodurch ich die Schneeflocken auf meinem Gesicht bitzeln spürte. Meine Haut war vom Fußweg kalt, wodurch die Flocken kaum ein Kontrast waren, jedoch trotzdem schmolzen und kleine Wasserperlen auf meinem Gesicht hinterließen.

Ich öffnete die Augen starrte für einen Moment in den dunklen Himmel hinauf, der von weißen Flocken durchbrochen wurde, ehe ich den Kopf wieder in eine normale Position brachte. Dabei fiel mein Blick auf gebastelte Schneeflocken, die in zahlreicher Stückzahl in den Fenstern der Wohnung unter meiner klebten.
Wer wohnte da nochmal?

Angestrengt versuchte ich mich an meine Nachbarn zu erinnern, aber ich konnte mich beim besten Willen nicht einmal sagen, wer da auszog, geschweige denn wer sonst noch in meinem Wohnhaus wohnte.

Kinder gab es auf jeden Fall nicht, das wusste ich sicher.

Aber welcher erwachsene, kinderlose Mensch klebte bitte Papierflocken in seine Fenster?

Verständnislos schüttelte ich den Kopf und nahm meinen Einkauf auf den anderen Arm. Wenn das noch länger dauerte, dann würde sich meine Papiertüte bald aufgelöst haben. Warum hatte ich auch keine Plastiktüte genommen?

Der Umweltaspekt, den ich an der Kasse berücksichtig hatte, wäre gleich Schuld daran, wenn ich meine Einkäufe vom Boden aufsammeln durfte...

Entnervt drückte ich die Augen zu und tippte unterdessen weiterhin mit dem Fuß auf den Boden.

Wie lang kann es schon dauern einen Schrank die Treppe hinunter zu tragen? Warum haben sie ihn nicht einfach auseinander gebaut?

Irgendwo in der Ferne lief lautstark ein Weihnachtslied, das durch die Gassen schallte und wahrscheinlich fünf Blocks weiter noch zu hören war.
„Baby, it's cold outside", erinnerte mich der Interpret an die kalten Temperaturen, die meine nassen Socken langsam gefühlter maßen zu Eis gefrieren ließen, während ich hier stehen musste. Hoffentlich waren meine Zehen noch nicht blau, wenn ich dann irgendwann mal in meine Wohnung gehen konnte.

„Oh, Baby, it's cold outside", wiederholte der Sänger und entlockte mir damit ein genervtes Schnauben. Wie einfallslos waren diese Weihnachtslieder bitte? Sie handelten alle von den selben Themen mit dem gleichen Glockenbimmeln im Hintergrund und sowieso der selben Melodie. Kannte man eines, kannte man alle.

Ein Postbote lockte meine Aufmerksamkeit auf sich, der in den Hausflur zu den Postkästen treten wollte. Als der Möbelpacker, der am Hauseingang Schmiere stand, damit auch ja niemand Unbefugtes hineinging, ihn wie mich zum warten vertröstete, drehte sich der Postbote kopfschüttelnd weg und wollte sich schon auf sein Fahrrad schwingen, als ich ihn aufhielt.

Er murmelte etwas unverständliches und kurz dachte ich, er würde mir meine Post nicht geben wollen, ehe er doch begann zu wühlen und mir ein Packet und drei Briefe in die Hand drückte und mit weiteren genuschelten Worten an mir vorbei rauschte.

Im Gegensatz zu ihm konnte ich um meinen Job wirklich froh sein. Angenehme Temperaturen im Büro sowohl im Sommer als auch im Winter, jederzeit gekühlte oder heißen Getränke und eine saubere Toilette in greifbarer Nähe.
Das lockte mir dann doch wieder ein kleines Lächeln auf die Lippen.

Mit einer Hand inspizierte ich schwerfällig die Absender und rollte automatisch mit den Augen als ich den Namen meiner Schwester auf dem Paket las.
Auf die Rückseite hatte sie noch eine kraklige Botschaft geschrieben.

Ich weiß, du mag keine Geschenke, aber was wäre ich für eine Schwester, wenn ich Rücksicht darauf nehmen würde, was du magst und was nicht. ;)
Nicht vor dem 23. öffnen!

Kopfschüttelnd klemmte ich das Packet unter meinen Arm.

Maeve hatte wirklich noch nie Rücksicht darauf genommen, was ich wollte und was nicht. Während sie in unserer Kindheit eine richtige Draufgängerin und Rebellin war, war ich eher die introvertierte Leseratte, die nicht einmal daran gedacht hat, etwas gefährliches zu tun. Gott, ich hatte nicht einmal gefährliche Bücher gelesen, weil ich das Adrenalin in meinem Körper nicht verarbeiten konnte, wodurch ich überwiegend auf Sachbücher und Liebesromane zurückgegriffen hatte.

Maeve dagegen ließ sämtliche Gefahr und Konsequenzen außer Acht. Die Hauptsache war, dass sie ihren Spaß hatte.

Mich als ihren kleinen Bruder musste sie dabei natürlich immer mit schleppen, sodass ich schlussendlich mit beschuldigt und bestraft wurde.

Mittlerweile war sie aus diesem rebellischen Alter heraus, aber selbst mit Anfang Dreißig und zwei Kindern, war die stürmische Maeve noch immer vorhanden.
Darüber war ich auch sehr froh.

Maeve war der wichtigste Mensch für mich und obwohl sie mir meine Kindheit manchmal echt schwer gemacht hatte, liebte ich sie über alles.

Trotzdem könnte sie sich die Geschenke sparen.

Ich atmete erleichtert auf. Die Möbelpacker samt Schrank waren mittlerweile im Hausflur zusehen. Somit war ich meinem Ziel noch näher und das Warten hatte bald ein Ende.

Vorfreudig nahm ich zwei Stufen auf einmal, als ich das Ok eines Möbelpackers bekam, und grinste von einem Ohr zum anderen als ich endlich meine Wohnung betreten konnte. Mit einen zufriedenen Seufzen stellte ich meine Einkäufe beiseite, schlüpfte aus meinen Schuhen, hing meinen Mantel und meinen Schal weg, ehe ich meine Mütze und die Handschuhe auf die Heizung legte und schnell meine Einkäufe verräumte.

Während eine Tiefkühlpizza im Ofen warm wurde, gönnte ich mir eine schnelle, heiße Dusche, ehe ich es mir mit meinem Abendessen, dicken Socken und Kuschelpullover vor dem Fernseher bequem machte und genüsslich in meine Pizza biss.

Hach. Das Leben konnte so schön sein.

Mit ausgestreckten Beinen wanderte mein Blick bei der Werbepause aus dem Fenster. Der Schneefall hatte sich noch einmal deutlich verstärkt, sodass ich nur die dämlichen Weihnachtslichter noch blicken sehen konnte. Sonst war alles weiß.

Hoffentlich war der Postbote mittlerweile im Trockenen angekommen. Bei dem Hundewetter mit den eisigen Temperaturen wünscht man niemanden draußen zu sein.

Ich schüttelte verständnislos den Kopf, während ich meine Kuscheldecke etwas höher zog und die wohlige Wärme genoss. Ich wollte gar nicht daran denken, dass ich morgen wieder da raus musste, um zur Arbeit zu kommen.
Wie konnte man nur den Winter mögen und freiwillig draußen seine Zeit verbringen?

Ich hatte gerade mein letztes Pizzastück verdrückt als der schrille Ton der Klingel mich von dem Sofa lockte. Ich brummte unbegeistert und rief ein „Komme ja schon" als der Störenfried ungeduldig ein zweites Mal klingelte.
Wer klingelte um diese Uhrzeit und vor allem bei diesem Wetter bei mir?

„Hallo?", fragte ich mit hörbar genervter Stimme in die Türsprechanlage und stellte dabei überrascht fest, dass niemand vor der Haustür, sondern, wie ich mit einem Blick durch den Türspion bemerkte, direkt vor meiner Wohnungstür stand.

Eine Gruppe Kinder.
Eine Gruppe verkleideter Kinder.

Ein genervtes Stöhnen entwich mir als die Realisation, was diese Kinder waren und warum sie da waren, langsam durch meine müden Gehirnwindungen sickerte.

Die heilige drei Könige standen mitsamt Schäfern sowie Joseph und Maria und dem Stern vor meiner Tür. Die ganze Bagage grinste breit und holte synchron tief Luft als ich die Tür öffnete und begannen in einer ohrenbetäubenden Lautstärke ein Kirchenlied zu trällern, das im engen Treppenhaus unschön widerhallte.
Eine Erwachsene stand dabei stolz daneben und wippte im Takt des Liedes hin und her.

Ich fühlte mich unter den konzentrierten, starrenden Blicken der Kinder beinahe unwohl. Zudem es mir in den Fingern kribbelte, ihnen die Tür einfach vor der Nase zuzuschlagen.

So viel Anstand das nicht zu tun, hatte ich dann jedoch trotzdem noch.

Die Kinder konnten immerhin auch nichts dafür, wenn sie von übereifrigen Eltern gezwungen werden, fremden Menschen grässliche Ständchen vorzutragen, die wie ich überhaupt keinen Nerv für so etwas hatten.

„Toll", stieß ich hörbar ungebeistert aus, kaum hatte es ein Ende gefunden. Die Kinder, die sicher nicht älter als zwölf Jahre waren, grinsten begeistert zu mir hinauf und selbst die Begleitung sah mich abwartend an.

Als ihre abwartenden Blicke immer durchdringender wurden, zog ich die Augenbrauen zusammen und verlagerte mein Gewicht auf das andere Bein.

„Ganz toll", wiederholte ich, in der Hoffnung, dass sie jetzt gehen würden.

Aber niemand rührte sich, bis das vorderste Kind plötzlich einen Beutel unter seiner Kutte hervorkramte und ihn mir offen hinhielt.
Erst da verstand ich, dass sie warteten, dass ich ihnen Geld gab.

Ein überraschtes „Oh" kam über meine Lippen.

Ich hatte nicht nach diesem Ständchen gefragt und gut war es auch nicht, also warum sollte ich dafür bezahlen?
Spenden kamen sowieso nie bei denen an, die sie benötigten, also sah ich absolut keinen Grund dafür Geld herzugeben.

Der abwartende Blick der Begleitperson wurde langsam aber sicher zu immer härter bis sie mir über die Kinder hinweg einen bösen Blick zu warf, der mir verdeutlichen sollte, Geld in den Sack zu schmeißen.

Ich zog provozierend eine Augenbraue nach oben und wandte mich dann mit einem „Einen Moment" von meinen unwillkommenen Gästen ab. Genervt begann ich in meiner Süßigkeitenschublade zu kramen, bis ich eine ungeöffnete Packung Schokoriegel fand, die ich den Kindern mit einem süffisanten Grinsen in Richtung der Begleitung übergab.

Sofort begannen die Figuren aus der Zeit vor Christus zu strahlen und sich die Riegel untereinander aufzuteilen, noch bevor die Erwachsene etwas sagen konnte.

„Vielen Dank!", rief ein kleines Mädchen, das mit kugelrunden, blauen Augen zu mir hoch lächelte und den Riegel sicher in ihrem umhängenden Beutel verstaute. „Danke Mister", „Vielen Dank" kam auf von den anderen Kindern, während die Begleitung nur angesäuert die Augen zusammen zwickte.

Tja, kein Geld, das du dir unter den Nagel reißen kannst, dachte ich süffisant und schenkte ihr ein breites Lächeln, ehe ich die Tür ins Schloss schmiss und tief durchatmete.

Wie sehr ich solche Organisationen doch hasste. Nach Außen hin nur auf das Kinderwohl bedacht und 'das ganze Geld geht nur an die Kinder'-Gedöns, während es in Wahrheit ganz anders zuging. Die Kinder würden das Geld nur sehen, während der Spender es in ihren Sack warf. Am Ende der Runde würde die Begleitung ihnen den Sack abnehmen und das wars dann mit dem Geld.
„Die Kinder haben ja Spaß an der Sache" sagen sie dann als Rechtfertigung.

Bullshit.
Kein Kind hatte wirklich Spaß daran, den ganzen Tag in schweren Kostümen, die von den herabfallenden Flocken nur noch schwerer wurden, durch den Schnee zu stapfen, um genervten Menschen ein Ständchen zu singen.

Wie sehr ich die Weihnachtszeit doch hasste.

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