20. Türchen

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Dass ein gebrochenes Herz mich so fertig machte, hätte ich nie gedacht.

Ich war im wahrsten Sinne des Wortes ein Wrack. Es waren zwei Tage seit dem Morgen bei Asher vergangen. Zwei Tage, in denen ich nichts von ihm gehört hatte. Zwei Tage, an denen ich nicht in der Arbeit war.
Ich konnte mich nicht aus dem Bett hieven.

Ich vegetierte unter meiner Bettdecke vor mich hin und hatte nicht einmal die Motivation dazu, mir etwas zu essen zu machen. Meine letzte richtige Speise war das Frühstück mit Sean.

Bei dem Gedanken an den Knirps quollen gleich neue Tränen heraus, welche mein Kopfkissen sofort gierig aufsog. Ich fühlte mich elendig. Ich wollte Asher einfach nur noch vergessen und so weiter machen, wie bisher, aber das war einfach unmöglich.

Ich konnte ihn nicht vergessen. Ich spürte noch immer seine zarten Lippen auf meinen und das angenehme Kribbeln, das sie ausgelöst hatten.
Er hatte sich in meine Gehirnwindungen gebrannt und es gab keinen Radiergummi, der seine Abdrücke löschen konnte.
Ich musste einfach damit leben, dass ich ihn verloren hatte.

Ein Klopfen an meiner Wohnungstür ließ mich aufhorchen, jedoch nicht aufstehen. Wer auch immer dort draußen war, konnte auch wann anders wieder kommen. Ich erwartete niemanden und wollte auch einfach nur in Ruhe gelassen werden.

Als es ein zweites und ein drittes Mal klopfte und derjenige dann noch dazu überging zu klingeln, keimte plötzlich die Hoffnung in mir auf, dass es Asher sein könnte, der zu mir zurück kam.

Ich klammerte mich an diese Hoffnung und krabbelte augenblicklich aus dem Bett, nur um demjenigen nur in Boxershorts die Tür zu öffnen.

„Nanu?", entkam es Harvey, dessen Lächeln abrupt starb, als er meine höchst wahrscheinlich aufgequollenen Augen sah. Ich wollte gar nicht wissen, wie ich aussah.

„Ist alles in Ordnung?", fragte er hörbar besorgt und machte einen Schritt in meine Richtung.

„Ja, alles bestens", krächzte ich und schluckte angestrengt. Ich hatte meine Stimme die letzten zwei Tage kein einziges Mal verwendet, kein Wunder, dass kein normaler Ton rauskam.

Harvey sah mir entgegen, als würde er mir nicht wirklich glauben. Er zog eine Augenbraue nach oben und verlagerte sein Gewicht auf das andere Bein, während er mich musterte.

„Ich habe dir Eierpunsch mitgebracht." Er hob seine Hände, die jeweils eine Flasche hielten, die mir bis jetzt noch nicht aufgefallen waren.

„Danke. Ich verzichte", kam es viel zu unfreundlich von mir.
Harvey zuckte überrascht zurück. Natürlich würde er verwirrt reagieren, immerhin hatte ich den Punsch sogar bei ihm bestellt. Dass ich ihn jetzt nicht mehr wollte, konnte ihm nur komisch vorkommen.

Mein Nachbar sah mir noch einen Moment abschätzig entgegen, ehe er sich ungeniert an mir vorbei in meine Wohnung schob, seine Schlappen von den Füßen kickte und sich einfach auf meine Couch fallen ließ.

„Was auch immer du hast, es ist nichts, das ein bisschen Eierpunsch nicht lösen kann", grinste Harvey und klopfte abwarten neben sich auf das Polster.

„Harvey, bitte", murrte ich unbegeistert. Ich wollte alleine sein und mich nicht in Gesellschaft betrinken.

Wobei betrinken sich wirklich verlockend anhörte.

Mein Blick fiel auf die zwei vollen Eierpunschflaschen. Wie viel Prozent hatte Eierpunsch? Würde ich davon schnell betrunken werden?
Hoffentlich.

„Ich zieh mir noch was an", ließ ich Harvey wissen und als ich voll angezogen wenige Minuten später zurück ins Wohnzimmer kam, hatte Harvey bereits zwei Shotgläser gefunden und randvoll gefüllt.
Dass er noch dazu eine Schokoladentafel geöffnet und bereitgelegt hatte, ließ mich beinahe lächeln.

„Auf... Eierpunsch", grinste Harvey und hielt mir sein Glas auffordernd entgegen, damit ich anstieß.
Ich seufzte schwer, stieß jedoch mein Glas trotzdem mit einem leisen Pling gegen seines.

„Auf Alkohol", murrte ich, ehe ich den Punsch auf ex trank, ohne überhaupt darauf zu achten, wie so etwas schmeckte. „Noch einen", orderte ich kaum hatte ich geschluckt und stellte mein Glas auffordernd neben die Flasche.

„Kommt sofort", schmunzelte Harvey und füllte auch das zweite Glas bis zum Rand.

Ich musste zugeben, dass Eierpunsch mir wirklich schmeckte. Es war pampig und süß und traf somit genau meinen Geschmack. Das würde ich Harvey gegenüber zwar nie zugeben, aber das wir zu zwei bereits eine Flasche geleert hatten, sprach sowieso für sich.

Harvey erzählte dumme Geschichten aus dem Kindergarten. Irgendwas von seinem Wichtelkostüm und Geschenken und wie sehr sich die Kinder darüber gefreut hatten. Keines der Kinder hatte ihn erkannt, was ihn stolz grinsen ließ.

Ich konnte ihm nicht die Begeisterung entgegen bringen, die er an den Tag legte, aber das nahm er mir nicht übel. Er füllte während seinem Geplapper fleißig mein Glas auf und trank jeden Shot artig mit.

Der Alkohol hatte längst seine Wirkung entfaltet und ich war mir sicher, dass ich heute nicht mehr von diesem Sofa wegkommen würde. Ich würde wohl aber übel die Nacht hier verbringen, da ich ziemlich sicher nicht einmal mehr in die Senkrecht kommen würde, ohne dass der Eierpunsch sich noch einmal zeigte.
Das süße Zeug sollte drinnen bleiben, deswegen rutschte ich nur tiefer in die Polster und hielt Harvey auffordernd mein Glas entgegen.

Mein Nachbar zögerte ein wenig, als er die zweite Flasche anriss und diesmal mein Glas nur zur Hälfte füllte.

„Dengst du nich, dass es bescher wäre, darüber zu reden, anschtatt dich zu besaufen?", fragte er vorsichtig nach, als er sein Glas ebenso spärlich füllte wie meins.

Ich schnaubte nur.
Ich wollte mich nicht unterhalten. Ich wollte nur den köstlichen Eierpunsch trinken und Asher vergessen.
„Ich will mich nicht underhalen. Isch will nur Ei-hick-erpunsch und Asher vergeschen."

Whups. Das war wohl mehr Alkohol als gedacht. Plötzlich war ich froh, dass Harvey das Glas nur zur Hälfte gefüllt hatte.
Meine Gedanken waren noch klar, aber meine Zunge hatte vergessen, was ihre Aufgabe war.

„Du willsch Asher vergessen?", fragte Harvey vorsichtig und reichte mir ein Stück Schokolade, das ich sofort in meinen Mund stopfte.

Harvey hatte mindestens genauso viel getrunken, wie ich, aber er konnte sich noch bei weitem besser artikulieren.
Darauf war ich irgendwie neidisch.

„Ja", antwortete ich energisch und griff nach einem weiteren Stück Schokolade.

„Wieso? Was isch passiert? Zwischen euch war doch allesch gut?"

Ich brummte nur zustimmend.
Es war alles gut, bis Sean etwas beobachtet hatte, was er nicht richtig einschätzen konnte, und es seinem Vater gepetzt hatte, der es dann auch noch in den falschen Hals bekommen hatte.
Ich kam mir vor wie im falschen Film.

Ich verstand nicht, wieso Asher nicht das Gespräch mit mir gesucht hatte. Warum er mich nicht direkt gefragt hatte, anstatt sich so aufzuführen und damit uns beide zu verletzen?
Es hätte alles so schön sein können. Ich hätte ihm erklärt, wie es wirklich war und dann hätten wir uns geküsst und auf dem Sofa gekuschelt oder mit Sean einen Spaziergang gemacht.

Aber nein. Er musste ja ein sturer Bock sein und nicht nur sich selber weh tun, sondern mich gleich dazu.

Und Sean verstand die gesamte Sache wahrscheinlich auch überhaupt nicht.

„Sean hat geschehen, dasch wi-hick-r uns umarmd hawen und had es Asher erzähld."

„Und anstatt nachzufraschen ischt er sauer geworden?", fragte Harvey und ich nickte.

Sauer war noch untertrieben, der hätte fast seine Wohnung auseinander genommen. Die Tür tat mir im Nachhinein immer noch leid, dass sie so zwischen die Fronten geraten musste.
Oh Gott. Sean hatte im Badezimmer wahrscheinlich auch noch unseren Streit mitbekommen.
Das schlechte Gewissen drehte mir augenblicklich den Magen um, sodass ich kurzzeitig dachte, dass ich mich hier und jetzt übergeben musste, aber er beruhigte sich zum Glück recht schnell.
Kinder sollten nie Zeuge von streitenden Erwachsenen werden. Das wirkte sich auf sie nicht gut aus.

„Er beruhigt sisch wieder", versicherte Harvey mir. „Isch kenn ihn und er wird sischer bald auf disch zukommen."

Ich nickte nur.
Irgendwie konnte ich Harvey Worten nicht Glauben schenken. Ashers Worte waren so final, dass ich mir sicher war, dass er niemals zu mir kommen würde. Das zwischen uns war vorbei und obwohl es mir das Herz brach musste ich damit klar kommen.

„Er had mir dasch Herz gebrochen", murmelte ich und spürte erneut Tränen in meinen Augen brennen.

Seit Harvey hier war hatte nicht eine einzige Träne meine Augen verlassen, aber das war gerade einfach zu viel für mich.

„Isch hawe noch nie so empfunden wie für Asher", beichtete ich Harvey, ließ meinen Kopf auf die Rückenlehne fallen und schluchzte leise auf.

„Isch hätte mir so gewü-hick-scht, dasch das mit ihm funkschioniert."

„Isch mag ihn und isch mag Sean. Wir hawen schogar einen Weihnachts-hick-baum geschmückt. Zuschammen."

„Du magscht keine Weihnachtsbäume", erinnerte mich Harvey und ich nickte.

„Mag ich auch nisch, aber diesen Baum mag isch. Dasch isch unser Baum. Wir hawen ihn zuschammen geschmückt."

Harvey nickte verständnisvoll, aber er konnte nicht einmal ansatzweise nachvollziehen, was das für mich bedeutet.
Was dieser Baum bedeutete.

Asher und Sean hatten es irgendwie geschafft, dass ich Weihnachten nicht mehr so sehr verabscheute. Ich hatte Gefallen an dem Baum, der Dekoration, den blinkenden Lichtern, der Musik gefunden.

Ich hatte sogar den Weihnachtsmarkt mit Asher genossen und ich war zum ersten Mal in meinem Leben Schlittschuh gefahren.

Ich verdankte Asher und dieser kurzen Zeit, die wir zusammen verbracht hatten, so viel.

„Isch wollte Weihnachten mid ihnen zuschammen feiern. Isch hawe noch nie Weihnachten gefeiert, aber mid ihnen wollte isch es."

Weitere Tränen fanden ihren Weg aus meinen geschlossenen Augen und rannten heiß über meine Wange. Ich fühlte mich elendig. Mein Augen schmerzten, mein Magen rumorte, mein Herz klopfte kläglich und mein Kopf drehte sich.

Die Wirkung des Alkohols war nur von kurzer Dauer. Der gesamte Schmerz, den ich dadurch vergessen wollte, kam schlagartig wieder zurück und vermieste mir das letzte Bisschen meiner guten Laune.

Harvey hatte es für einen kurzen Moment tatsächlich geschafft meine Laune ein wenig anzuheben.

„Danke, Harv, dasch du für misch da bisch."
Ich war wirklich froh, einen so guten Freund in meinem Nachbarn gefunden zu haben und nur dank ihm hatte ich Asher getroffen und konnte diese kurze, aber unglaublich schöne Zeit genießen.

Dafür war ich ihm wirklich dankbar.
Und für den Eierpunsch. Für den Eierpunsch war ich ihm auch dankbar.

„Wofür schin denn beschte Freunde da?", schmunzelte er und stieß mir mit der Faust spielerisch gegen die Schulter.

„Du bisch mein beschter Freund?", fragte ich und konnte das Lächeln, das sich auf meinen Lippen bildete, nicht verhindern.

„Sí", antwortete Harvey und ließ mein Herz damit etwas höher schlagen.

Ich hatte noch nie einen besten Freund.

„Beschte Freunde", lächelte ich und hielt ihm meine Faust entgegen, die er erst auf den zweiten Versuch mit seiner traf.

„Beschte Freunde", wiederholte er grinsend und deutete dann fragend auf den Eierpunsch.  Ich konnte nur nicken und nahm das halb volle Glas grinsend entgegen. Wir stießen miteinander an, konnten noch gerade so verhindern, dass etwas auf mein Sofa tropfte und exten die Gläser dann gekonnt.

Zumindest wusste ich, dass es mir morgen nicht ausschließlich wegen meinem gebrochenen Herzen schlecht gehen würde.

Ich hoffte innig, dass ich den morgigen Tag nicht auf der Toilettenschüssel verbringen musste, und obwohl ich wusste, dass es besser wäre aufzuhören, orderte ich ein weiteres Glas von Harvey.

„Isch will Pischa", murrte mein Nachbar und hob mit zusammengezogenen Augenbrauen das Glas.

„Dann beschtell zwei", antwortete ich nur und kippte den süßen Nektar in meinen Rachen.

An Eierpunsch konnte ich mich wirklich gewöhnen.
Ob Harvey mir noch ein paar Flaschen machte?

Meine Schwester würde sich über so etwas sicherlich auch freuen. Sie war immerhin genauso eine große, wenn nicht sogar eine noch größere Naschkatze als ich.

„Kannsch du mir noch mehr Ei-hick-erpunsch maschen? Isch will meiner Schwester eine Flasche schengen."

Harvey nickte sofort und tippte gleichzeitig auf seinem Handy herum.

„Pischa ist in zwanschig Minuten da und Punsch in tschwei Tagen."

Ich nickte zufrieden, lehnte meinen Kopf zurück und wischte mir die langsam trocknenden Tränen von den Wangen.

Ob Asher ein Eierpunschfan war? Er mochte Karamellkaffee, der war immerhin auch süß, dann mochte er sicherlich auch Eierpunsch.
Ich musste ihn nächstes Mal unbedingt–. Ich stockte. Es würde kein nächstes Mal geben.

Die erneute Erkenntnis traf mich schwerer als erwartet, sodass abermals neue Tränen hervorquollen.

Wann kommt endlich die Pizza?

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