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„Was hältst du von Camping?"

Ich beiße herzhaft in meine Zimtschnecke und zucke mit den Schultern. „Hab ich noch nie gemacht." Schockiert sieht David mich an. „Augen auf die Straße", lache ich, mittlerweile ist es kein erzwungenes Lachen mehr. Es fühlt sich ein bisschen freier an. Eine Stunde oder vielleicht etwas mehr haben wir schweigend Musik gehört, David ist gefahren und ich brauchte Zeit, damit sich der Knoten in meiner Brust löst. Jetzt ist es besser, ich kann schon wieder essen. Vorhin ging das nicht und das will was heißen. Wenn ich nichts runterbringe, ist die Kacke wirklich am dampfen.

„Du warst noch nie campen?", hakt David nach.

„Ja", bestätige ich. „Wir sind meistens nach Italien zu meiner Familie gefahren, wenn wir Urlaub hatten. Und die haben da ja Häuser. So feste Zelte, mit 'nem Klo und 'ner Dusche, weißt du?", ziehe ich ihn auf.

Er lächelt. „Wir waren früher oft campen. Mama, Papa und ich. Manchmal am Strand, manchmal auf riesigen Campingplätzen, aber am schönsten war es eigentlich, wenn wir irgendwo im Wald angehalten und dort unsere Zelte aufgebaut haben."

Kurz wird mir wieder schwer ums Herz, aber dann ermahne ich mich innerlich selbst und muss auch lächeln. „Das klingt schön."

David nickt. „War es auch. Ich hab gedacht...also...ich würde das gerne nochmal machen. Im Auto ist es halt auf Dauer schon ganz schön eng und ein Zelt habe ich dabei." Er schenkt mir einen fragenden Blick. „Was meinst du?"

Meine Füße auf das Amaturenbrett legend sinke ich etwas tiefer in meinen Sitz und trinke den letzten Rest kalten Kaffee aus. „Ich bin dabei, egal was du vorhast."


Siebzehn verpasste Anrufe. Acht von Mama, drei von Papa, drei von Gianna und drei von meiner Chefin.

Unzählige Nachrichten von den gleichen Personen plus meinen anderen Schwestern.

Wo bist du?

Warum bist du nicht auf der Arbeit?

Deine Chefin ist stinksauer!!!

Wo zur Hölle bist du, Bella?

Wo bist du?

„Willst du sie anrufen und Bescheid sagen?"

„Nein. Das...sie würden' s nicht verstehen."


Ich habe keine Ahnung, wo wir sind und ich glaube, David auch nicht, als wir irgendwann am späten Nachmittag von der Autobahn abfahren, uns Landstraße um Landstraße durch die Umgebung kämpfen und schließlich auf gar keine Häuser oder so etwas wie Zivilisation treffen.

„Ich hab Hunger", jammere ich, als David anhält und Maps auf seinem Handy öffnet.

„Ist noch was von heute früh da?", fragt er.

Theatralisch drücke ich die leere Tüte vom Frühstück knisternd mit einer Hand zusammen.

„Jaaah...das habe ich irgendwie nicht bedacht."

„Hast du nichts zu essen mit?", frage ich enttäuscht.

Er schüttelt entschuldigend mit dem Kopf. „Nur Kaugummis und Wasser. Ich dachte, wir holen uns da was, wo wir gerade sind."

Skeptisch sehe ich aus dem Fenster. „Also Gras und Tannenzapfen schmecken mir jetzt nicht so."

„Mir auch nicht", gibt David zu. „Und ich müsste demnächst auch mal tanken." Er tippt auf seinem Handy rum. „Und ich hab kein Internet."

Stöhnend greife ich nach meinem Handy, das ich vorhin auf die Rückbank gelegt habe, damit ich es nicht die ganze Zeit vor Augen haben muss. „Ich sch...", setze ich an, verstumme aber augenblicklich, als mein Display hell wird.

Aurora ruft mich an.

Vorhin habe ich nicht mitbekommen, als ich angerufen wurde, weil ich mein Handy meist lautlos eingestellt habe. Aber jetzt sehe ich es direkt vor mir. Sie versucht mich genau in diesem Augenblick zu erreichen.

„Geh schon ran", meint David sanft. „Sag ihr einfach, dass es dir gut geht."

Und noch ehe ich reagieren kann, zieht David den grünen Hörer mit dem Daumen nach oben und nimmt den Anruf damit an. Mit weit aufgerissenen Augen sehe ich ihn an.

„Bist du irre?", flüstere ich.

„Bella?", höre ich die Stimme meiner großen Schwester, die mir immer am nächsten stand, weil sie nur ein Jahr älter ist als ich. „Bella, bist du da?"

David tippt auf den Lautsprecher und nickt mir aufmunternd zu. Nur fühle ich mich dadurch kein bisschen aufgemuntert.

„Rori", sage ich ihren Spitznamen, weil ich nicht weiß, was ich sonst sagen soll.

„Geht es dir gut?" Sie macht sich Sorgen, natürlich macht sie sich Sorgen. Ich höre es an ihrer Stimme.

„Ja", antworte ich taub. Irgendwie ist das viel schwerer, als meine Sachen zu packen und zu David ins Auto zu steigen.

„Verrätst du mir, wo zur Hölle du bist?", fragt sie, jetzt klingt sie eine Spur wütend.

Verzweifelt sehe ich David an. Darauf bin ich nicht vorbereitet. Was sage ich denn jetzt? Er hat gemeint, ich soll ihr einfach sagen, dass es mir gut geht. Aber ich kann doch jetzt nicht einfach auflegen.

„Ich...bin im Urlaub", sage ich und ich weiß nicht mal, ob das gelogen ist.

„Im Urlaub", wiederholt Aurora. „Einfach so. Ohne auf der Arbeit oder uns Bescheid zu sagen."

„Ja", bestätige ich kleinlaut.

Ich höre sie seufzen. „Bist du allein?"

Ich schüttele den Kopf, vergesse kurz, dass sie das nicht sehen kann. „Nein."

„Bella, hat dich irgendwer gegen deinen Willen irgendwohin mitgenommen?", fragt sie.

Nervös lache ich auf. „Wenn' s so wäre, könnte ich dir das jetzt schlecht sagen, oder? So mit 'ner Pistole am Kopf", versuche ich witzig zu sein.

„Das ist nicht lustig, Bella. Mit wem bist du unterwegs?"

Wieder suche ich Davids Blick. Soll ich Rori sagen, dass ich mit ihm weg gefahren bin? Davids klarer, undeutbarer Ausdruck in den Augen hilft mir auch nicht weiter.

„Ich bin alt genug, Rori. Ich bin erwachsen. Und ich kann wegfahren, wann, wohin und mit wem ich will", wechsele ich die Strategie, indem ich mich zickig aufführe.

„Du bist eine schlechte Schauspielerin, Schwesterchen", ertappt sie mich am anderen Ende der Leitung. Dann ist es kurz still. „Sagst du mir wenigstens, wann du wieder kommst?"

„Kann ich nicht", antworte ich.

„Wieso nicht?"

„Weil ich' s selbst nicht weiß."


Es ist schon wieder dunkel, als wir endlich eine kleine Stadt erreicht haben, in der David zuallererst mit den letzten Tropfen Treibstoff zur Tanke fährt.

„Ich sterbe vor Hunger", jammere ich wieder und mein Jammern befindet sich mittlerweile auf einem ganz anderem Niveau. „Wenn wir jetzt nicht gleich was essen, werde ich den Tag heute nicht mehr überleben." Theatralisch halte ich mir einen Handrücken an die Stirn, schließe die Augen und tue so, als würde ich neben der Zapfsäule zusammenbrechen. Erst dann fällt mir auf, wie unfassbar dumm das ist, was ich gerade gesagt habe.

„Entschuldige, das war unsensibel", sage ich und richte mich schnell wieder auf.

David lacht. „Alles gut. Ist mir tausend Mal lieber, als wenn du mich den ganzen Tag so ansiehst, als würde ich morgen unter der Erde liegen."

Er stupst mich in die Seite und geht schnell bezahlen. Als er wieder kommt, hat er Sandwiches, Chips und Cola dabei.

„Jetzt bin ich zwar pleite, aber sterbe immerhin hoffentlich doch noch vor dir", grinst er und drückt mir mein Abendessen in die Hand.


„Wie bezahlst du das eigentlich alles?", frage ich, während ich jetzt schon meinem Salamisandwich hinterher trauere, von dem ich gerade das letzte Stück verschlinge. „Das Auto, den Sprit, das Essen, den ganzen Kram halt", zähle ich auf.

„Mit Geld", antwortet er und trinkt einen Schluck Cola.

Ich verdrehe die Augen. „Achso. Danke für die Information."

Er grinst. „Ich habe bis vor kurzem Waisenrente bekommen. Und meine Großeltern haben seit meiner Geburt monatlich ein bisschen auf mein Sparbuch eingezahlt."

„Oh, also bist du jetzt reich?", frage ich.

Er lacht. „Nicht wirklich. Klingt lukrativer als es ist."

„Na ja, wenn sie monatlich - sagen wir - zehn Euro abgedrückt haben. Dann sind das einhundertzwanzig Euro im Jahr. Und nach einundzwanzig Jahren sind das...oh, du hast recht. Das ist echt nicht so viel. Und wie viel bekommt man so als Waise?" Einen Moment lang könnte ich mir gegen die Stirn schlagen, weil diese Frage schon wieder furchtbar von mir gestellt war. Aber David lacht, er scheint das tatsächlich lustig zu wissen.

„Ist auch nicht sooo viel. In meinem Fall ungefähr fünfhundert Euro. Aber die bekomme ich jetzt auch nicht mehr."

„Wieso nicht?"

Einen Augenblick schweigt er. „Weil ich mein Studium abgebrochen habe und damit über achtzehn und nicht in einem Ausbildungsverhältnis bin."

Er hat sein Studium abgebrochen. Weil er weiß, dass er es nicht mehr zu Ende führen wird? Oder weil er die Zeit, die er noch hat, nicht mit Unikram verbringen will? Zu gerne würde ich ihn das fragen.

„Was hast du studiert?", frage ich stattdessen.

Wieder windet er sich unter meinem Blick.

„Sag schon", fordere ich grinsend, obwohl ich schon so eine Ahnung habe.

„Wirtschaft", gibt er zu.

Lachend lehne ich mich an die Scheibe der Beifahrertür und ziehe meine Füße zum Schneidersitz nach oben. „Ach, das, was Spaß macht."

„Das ist was anderes bei mir", verteidigt er sich und ich glaube, er wird sogar ein bisschen rot. „Ich mach das gerne. Also ich hab das gerne gemacht."

Kopfschüttelnd verschränke ich die Arme vor der Brust. „Ja, genau."

Resignierend stöhnt er auf. „Na gut, du hast mich erwischt. Bei mir ist es ähnlich wie bei dir. Meine Großeltern wollten, dass ich irgendwann ihre Firma übernehme. Und na ja, sie haben sich um mich gekümmert, als meine Eltern gestorben sind. Ich hatte das Gefühl, dass ich ihnen das schuldig bin."

Sofort schießt mir durch den Kopf, was er zu mir gesagt hat, als wir uns über meine Ausbildung unterhalten haben. „Du bist nicht deswegen in der Welt, um den Erwartungen anderer zu entsprechen", erinnere ich ihn mit seinen eigenen Worten.

Überrascht sieht er auf. Vermutlich hat er nicht damit gerechnet, dass ich mir den genauen Laut gemerkt habe. Die Wahrheit ist, dass sie mich tief beeindruckt haben, obwohl ich das eigentlich auch schon vorher wusste. Aber als er das zu mir gesagt hat, hat er etwas in mir bewegt.

„Ist ja auch egal, jetzt ist es eh vorbei", versucht er das Thema zu beenden, wischt sich die Hände an der Hose ab und startet den Motor.

Aber ich lasse noch nicht locker. „Was hättest du studiert, wenn es nur nach dir gegangen wäre?"

Wieder scheint er mit sich zu ringen. Er sucht meinen Blick, diesmal lächele ich ihn aufmunternd an. „Literatur, denke ich."

„Literatur?", rutscht es mir etwas zu überrascht heraus.

Er nickt, während er vom Parkplatz der Tankstelle runter fährst. „Ich lese gerne. Und ich schreibe. Eigentlich die ganze Zeit, vor allem seit ich in Behandlung bin."

Sofort kommen tausend Fragen in mir auf, die ich erstmal sortieren muss. „Was ist dein Lieblingsbuch?", fange ich klein an und kreuze innerlich die Finger.

„Was schätzt du denn?", fragt er stattdessen.

After all this time?", zitiere ich das Buch, von dem ich hoffe, dass es genau so sein Favorit wie meiner ist.

Er schenkt mir ein triumphierendes Lächeln. „Always."

Jubelnd reiße ich die Hände in die Höhe, stoße dabei gegen Davids Auto und freue mich trotzdem wie ein Schneekönig.

„Lieblingsteil?", hake ich weiter nach, sobald ich mich wieder eingekriegt habe.

„Der dritte. Wegen Sirius."

Nickend schließe ich dramatisch die Augen und applaudiere.

„Wusstest du, dass Joanne im fünften Teil überlegt hat, ob sie Arthur anstelle von Sirius umbringt?", fragt er mich.

Ich nicke, weil ich alles über Harry Potter weiß und doch will ich, dass er nie wieder aufhört darüber zu sprechen. „Und wusstest du, dass sie eigentlich Harry und Hermine zusammenbringen wollte?"

„Oh ja, ich bin so froh, dass sie das nicht gebracht hat."

„Jaaah, das wäre furchtbar gewesen. Harry gehört zu Ginny und überhaupt – was wäre dann aus Ron geworden?"

Wir müssen lachen und für diesen einen Moment vergesse ich, dass David Krebs hat und dass ich todtraurig sein müsste. Für diesen Moment bin ich einfach glücklich, dass ich mit David in diesem Auto sitze, irgendwo im Nirgendwo und über den prägendsten Teil meiner Kindheit sprechen kann, ohne darüber nachdenken zu müssen, was morgen ist.

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