Das Martinelli-Mädchen

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„Du bist eine Hure, Isabella. Eine kleine, dreckige Nutte."

Isabella ist einen Kopf kleiner als das blonde, giftspritzende Flittchen Inga, das noch nicht mal vierzehn Jahre alt ist und sie seit Beginn der Pause anschreit.

„Hast du dazu nichts zu sagen? Du blödes Miststück, hm? Weil ich recht habe, nicht wahr?"

Isabella schweigt. Sie starrt Inga mit vor der Brust verschränkten Armen und einem weichen Blick aus ihren großen, dunklen Augen an. Immer noch kommt kein Ton über ihre Lippen.

„Antworte gefälligst, wenn man mit dir spricht, du Scheißkuh!"

Jetzt wird Isabella das erste Mal von Inga gestoßen. Nicht ernsthaft, nicht mal mit halber Kraft und sie ist selbst noch erstaunter als Isabella über die Tatsache, dass sie gerade handgreiflich geworden ist. Kurz weiten sich ihre blauen, von klumpig geschminkten Wimpern umrahmten Augen, dann verengen sie sich zu einem bösen, gehässigen Blick. Schrill lacht sie auf.

„Weißt du was, Isabella? Das hast du verdient", faucht sie und klopft sich nervös die Hände an ihrem Röckchen ab, als hätte sie gerade eine schwere Arbeit mit ihnen vollbracht.

„Okay", sagt Isabella plötzlich das erste Mal etwas.

Das andere Mädchen ist mindestens so verblüfft wie ich, sieht sich fahrig um und bemerkt die forschenden Blicke der Lehrer, die zwar noch einen guten Abstand haben, aber auf die kleine Szene aufmerksam geworden sind.

„Was soll das heißen, du blöde Gans?", zischt die Giftschlange, sichtlich darum bemüht dabei zu lächeln, damit es aussieht, als würden sie und Isabella sich nur nett unterhalten. Mit ihrer grässlichen Schminke kombiniert, sieht ihr Gesicht nun aber vielmehr wie eine hässliche Fratze aus.

„Das heißt, dass es okay ist, wenn du das so siehst", klingt Isabellas melodische, ruhige Stimme in normaler Lautstärke über den Schulhof.

Sie soll weitersprechen. Sie soll nie wieder aufhören zu sprechen.

„Willst du mich verarschen?"

Isabellas Blick wird noch weicher, ihre Mundwinkel heben sich ein winziges Stück an.

„Ich habe Mitleid mit dir, Inga. Du hast so ein armseliges, verblendetes Leben, dass du gar nicht merkst, wie du dir selbst alles kaputt machst. Ich bin nur das Ventil, dein Weg all die Wut über dich selbst abzulassen, weil du so verdammt unglücklich bist. Du suchst Gründe, andere mehr zu hassen als dich selbst und dieser Grund bin im Moment ich. Weil du es nicht erträgst, dass ich so viel ärmer und doch so viel reicher bin als du. Ich bin glücklich, dass es mir nicht so geht wie dir und ich bin auch nicht wütend auf dich, Inga. Du tust mir leid."

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