1- "Das war schon davor so."

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„Magie ist als ein Netzwerk zu verstehen. Ähnlich wie eine Verstrickung tausender und mehr Fäden, die jeden, der ihrer mächtig ist, mit den anderen verbindet. Sucher bedienen sich dieser Vernetzung, um andere magisch begabte Kinder zu finden. Ihre erhöhte Sensibilität erlaubt ihnen, Erschütterungen im Netzwerk zu erspüren und zu lokalisieren, ähnlich einer Spinne. Aber in der Theorie ist jedes Wesen zu so einer Tat in der Lage. Dies ist abhängig von ihrer Begabung und natürlich der Stärke des magischen Vorfalls."

(Professor Samun Hunt, Über Magische Lebewesen. S. 342)

✥✥✥

          Es waren die berühmten letzten Worte vieler Leute in ähnlichen Situationen, die den Ausklang meines Bewusstseins begleiteten:

Oh Mist.

Die Luft um mich herum bewegte sich, zog sich zusammen, bis der Druck auf meinen Ohren unerträglich wurde. Der Lärm, laut wie ein Gewitter, vibrierte durch meinen Körper und ließ meine Zähne aufeinanderschlagen.

Atemlos drehte ich mich auf der Stelle im Kreis-...und sah gerade noch einen Holzbalken auf mich niederstürzen. Meinen eigenen Fall zu Boden bekam ich nicht mehr mit.

Als ich eine unbestimmte Zeit später wieder die Augen öffnete, war zumindest der Lärm vorbei.

Zuerst erblickte ich den schuldigen Balken neben mir in einem Krater aus Schutt liegend. Zu meiner Zufriedenheit hatte es ihn ebenfalls in seine Einzelteile zerlegt. Dahinter lag der Schatten eines Waldes, den ich eigentlich nicht sehen sollte.
Nicht weil ich kurzsichtig war oder mein unbrauchbares Auge mich in der Hinsicht beeinträchtigte. Es war vielmehr, dass ich mich entschieden daran erinnerte in einem Haus gestanden zu haben. Mit Wänden.

Blickdichten Wänden.

Was bei der Gnade der Göttinnen war passiert?

Vorsichtig, aus Angst mich zu bewegen, schielte ich in jede Himmelsrichtung, in der Hoffnung mehr Hinweise über das leere Chaos in meinem Kopf zu erlangen. Ich sah eine größere Menge an Schutt und Dreck, einen Stofffetzen, der mich vage an Kopfkissenbezüge erinnerte, eine verbogene Gabel und eine Hand.

Eine Hand?

Mit einem Ruck fuhr ich nach oben, schrie auf, als sich die Hand ebenfalls bewegte und klappte dann vor Schmerzen einfach wieder zusammen.

Es war meine eigene - taube- Hand gewesen. Das wurde mir geraume Zeit später bewusst, als ich zu mir kam. Außerdem hatte ich meinen eigenen Schrei nicht gehört. Genau genommen hörte ich auch jetzt nichts. Nicht einmal die Schritte, die das Paar verdreckter Stiefel vor meiner Nase angekündigt hätten.

Männerstiefel.

Ein blonder Schopf beugte sich zu mir herunter und ich hätte am liebsten aufgestöhnt. Nyam sagte etwas, kickte mich an die Schulter und nahm mein gequältes Zusammenkauern mit einem zufriedenen Nicken zur Kenntnis. Heruntergebeugt tastete er meinen Körper ab. Zumindest glaubte ich das, denn er lehnte sich dazu aus meinem Blickfeld heraus und ich schaffte es nicht mich zu bewegen.

Ich spürte nicht, ob er mich berührte. Meine Haut pulsierte, meine Muskeln vibrierten und mein Kopf war voller Rauch. Gerade, als ich glaubte, wieder ohnmächtig zu werden, lehnte Nyam sich zurück und stopfte einen silbrigen Gegenstand in seine Jackentasche. Ich konnte nicht einmal erkennen, was es war oder ob er es aus meinem Bein gezogen hatte.

Mit einem Kopfschütteln betrachtete er mich einen Moment länger, sagte etwas, das ich natürlich nicht hörte und legte mir ganz unzeremoniell die Hand auf die Stirn. Und anstatt, dass dieses Mal meine Sicht schwarz wurde, wurde sie weiß.

Feuer fraß sich durch meine Muskeln, doch ich konnte mich nicht bewegen. Schmerzen, wie ich sie zuvor nie empfunden hatte, flammten durch meinen Körper, doch ich schrie nicht auf, gab keinen Laut von mir, als wäre ich in der Qual erstarrt. Und genauso schnell wie sie gekommen war, ging sie auch wieder.

„Besser?"

Ich brauchte einen Moment, um in die Wirklichkeit zurückzufinden. Besser? Ich hatte mich bisher nie gefreut seine Stimme zu hören. Aber ab heute würde sich das ändern. Blut klebte an meinen Ohren, warm und flüssig.
Zaghaft bewegte ich meine Finger, streckte sie bis ich nach meinem Kopf tastete.

Keine Schmerzen.

„Alles sollte wieder da sein, wo es hingehört. Bis auf dein Auge- wie bei den Todessängerinnen hast du das so ruiniert?" Es interessierte ihn nicht wirklich. Er schlenderte fort und hievte sich auf einen Steinbrocken nur wenige Schritte entfernt.

Mühsam rappelte ich mich auf und antwortete trotzdem. Nur, um sicher zu gehen, dass das noch ging.
„Das war schon davor so." Die Worte raspelten durch meine trockene Kehle. Nyam beobachtete meine Bewegungen wie ein Kanabi-Fuchs: Aus sicherer Distanz und mit eher... sagen wir mildem Interesse. Als ich endlich aufrecht stand, griff er neben sich und warf mir seinen Wasserschlauch zu.

Wir beide überschätzten meine Reflexe massiv. Am Kopf getroffen ging ich erst zu Boden und rappelte mich genauso schnell wieder auf.
„Nichts passiert."

Ohne seine Antwort abzuwarten, fischte ich nach dem Schlauch und leerte ihn in einem Zug, bis mir die kühle Flüssigkeit das Kinn herunter rann. Die Sonne stand hoch am Himmel, doch die Wipfel der Bäume waren mit frostigen Hauben überzogen. Es brauchte einen kurzen Moment, bis das Wasser meine Gehirnwindungen wieder in Bewegung brachten und ich die Umgebung genauer in Augenschein nahm.

Das, was vorher ein größeres Haus gewesen war, hatte keine einzige stehende Wand mehr. Stattdessen türmten sich Berge aus Holz und Stein übereinander, gefüllt mit allerlei Gerümpel und dem merkwürdigen Gefühl, dass ich schon einmal hier gewesen war.
Eine unebene Treppe vor den Resten eines Torbogens war alles, was von dem Gebäude stehengeblieben war.

Ohne ein Ergebnis drehte ich mich wieder dem Halbelfen neben mir zu. Ich wusste, dass wir uns zuletzt nicht als Freunde getrennt hatten, aber er hatte mir vermutlich das Leben gerettet. Also waren wir in meinen Augen zumindest keine Feinde. Und außerdem war niemand sonst da, den ich fragen konnte.
„Was ist hier passiert?"

Nyam runzelte die Stirn.
„Was passiert ist? Hast du einen Schlag auf den Kopf be-..."

„Ja." Ich linste zu dem Balken hinüber.

Wortlos starrte er mich einige Sekunden länger an, dann sprang er mit einem Schulterzucken von seinem Stein.
„Ich weiß es nicht. In einem Augenblick putze ich mir gemütlich die Zähne, als plötzlich eine Welle von Magie mein halbes Haus erschüttert. Glaub mir, selbst normale Menschen haben es bemerkt. Irgendein magischer Kleinkrieg und als ich der Fährte folge, finde ich dich in einem Haufen Schrott wieder, wo früher Primwood Hall gestanden hat."

Primwood... halt warte...

Ich drehte mich langsam um mich selbst. Das hier war Primwood Hall? Ich sah zu den unebenen Stufen vor dem Torbogen. Der Haupteingang. Ein Gewicht fiel in meinen Magen und hätte mich beinahe zurück auf die Knie gezogen. Die Schule... meine Schule... Garcy...

„Sie ist nicht hier." Nyam hatte die Hände wieder in seine Hosentasche gestopft. „Niemand ist hier. Nicht einmal der Schuldirektor."

Gut. Das war gut. Oder?
Angst um die Anderen lähmte mich. Die Schule war unkenntlich. Wer sie in die Luft gejagt hatte- er hatte ganze Arbeit geleistet. In meiner Vorstellung versuchte ich, sie aus den Ruinen wieder zu rekonstruieren. Doch eine Frage überlagerte alle anderen: Was war hier passiert?

Es war möglich, dass der Balken die Erinnerungen in meinem Verstand zertrümmert hatte. Ich hatte von solchen Fällen gehört. Nervös ging ich meinen Namen, den meiner Schwester und meiner Eltern durch. Alles noch da. Ich erinnerte mich auch an Nacat und-...

Ein kleinerer Stein löste sich aus meinen rußigen Haaren und fiel mit einem Klicken zu Boden. Versonnen fuhr ich durch die schwarzen Locken. Wo war Garcy? Der Gedanke machte mich mit jedem Herzschlag unruhiger.

„Also wenn ich du wäre, würde ich von hier verschwinden", erklärte Nyam in seiner typisch gelangweilten Sing-Sang-Stimme, „Ich werde es so machen. Jetzt. Nett dich wieder gesehen zu haben."

Schnee begann um uns herum zu fallen. Ich war hierher zurückgekehrt, weil ich meine Schwester holen wollte. Aber sie war nicht hier. Der Gedanke fiel wie ein Schwarm Bienen über mich her und ich hatte Mühe nicht auf der Stelle loszulaufen.
„Wo sind alle?"

„Ich habe sie evakuiert."

Ich fuhr mit einem Ruck herum.

Maze lehnte in dem Torbogen, als wäre er aus der Luft gefallen. Er sah insgesamt deutlich... mitgenommener aus. Ich hatte kein Spiegelbild, um mich selbst einzuschätzen, aber der Sucher erinnerte mich an Minenarbeiter und Bettler auf kalten Straßen. Seine Kleidung hing in Fetzen und die schwarzen Haare waren von Staub ergraut.

Aber es war Maze.

Nyam zuckte nicht einmal zusammen. Er hatte ihn vermutlich schon seit einer halben Stunde näherkommen gehört. Ich dagegen tarnte meinen kleinen Schreckschrei, als freudigen Ausruf und versuchte, auf ihn zu zu rennen, was deutlich von den umherliegenden Überresten der Schule erschwert wurde. „Maze! Bei allen Göttinnen, Maze!"

Langsam breitete er die Arme aus, um mich an sich zu drücken. Ich ließ ihm kaum Zeit ein weiteres Wort zu äußern. Er war hier. Und ich machte mir alle Mühe, mich seiner Echtheit zu überzeugen.
Sein Gesicht zwischen meinen Händen, liefen mir die ersten Tränen über die Wangen.
„Was machst du hier?"

Wie bist du hierher gekommen? Was ist mit Nacat und... Calean?

Behutsam machte er sich von mir los, tastete mich ebenfalls suchend ab und erwiderte schließlich mir gerunzelter Stirn:
„Dich aufhalten? Du hast ganze Arbeit an diesem Ort geleistet."

Mit einem Ruck ließ ich die Hände fallen.
„Wa- was meinst du?" Suchend drehte ich mich zu dem Halbelfen um, doch der Stein, auf dem er gelümmelt hatte, war leer. Nyam war fort.

„Du hast Primwood Hall zerstört." Er sagte es langsam, als wisse er nicht sicher, worauf ich hinauswollte. Als erwarte er, dass ich mich erinnerte. Und gleichzeitig kam es mir so unwirklich vor, weil nichts in seiner Mimik betrog, dass ich sein Heim dem Erdboden gleich gemacht hatte.

„Hab ich nicht", sagte ich genauso langsam. Vielleicht war das ein Scherz. Ich warf ein unsicheres Auge um mich herum. Ich würde niemals-... Eine Erinnerung an Caleans zerschundenen Körper beantwortete eigentlich alles.

„Doch. Du bist hier angekommen und hast nach Garcy gefragt. Aber als Sir Kenrik dir sagte, dass er sie und Sidra aus der Schule geworfen hat, bist du ausgerastet. Ich musste dich zwei Mal ausknocken, um die Leute rechtzeitig aus dem Haus zu bekommen."

Aber das machte keinen Sinn. Obwohl die Vorstellung von Sidra und Garcy alleine dort draußen mich vibrieren ließen vor Angst und ein paar Steine um mich herum sich wieder vom Boden hoben, hätte ich niemals... ich könnte niemals...

Ich schüttelte den Kopf, als würden sich so meine Gedanken klären. Stets fixiert auf meine eigenen Sorgen, hatte ich Maze noch gar nicht nach seinen Problemen gefragt.
„Ich dachte, du wärst bei Mr. Nacat."

„Calean und ich... durften gehen. Calean hat kaum Ausdauer in seiner Magie. Er nutzt sie einmal und bleibt dann für Wochen trocken. Und ich-... wir waren für ihn nutzlos..."

Allein die Erwähnung seines Namens ließ mich hoffnungsvoll den Kopf drehen, doch bittere Enttäuschung folgte, noch bevor Maze den Mund wieder aufmachte. Ich durfte ihn nicht wiedersehen. Nicht, wenn er leben sollte. Doch dann fiel mir erst auf, was das bedeuten musste, wenn Maze und Calean frei waren.
„Er hat die Waffe erschaffen, nicht wahr?"

Maze nickte und meine Welt sackte ein Stückchen weiter ab.
„Du solltest sehen, welche Kraft sie abstrahlt. Es ist, als ... als lebe sie. ‚Reine alte Magie' hat Mr. Nacat gesagt."
Sein Gesicht hellte sich auf und das erste Mal glaubte ich, wieder einen Splitter seines alten Ichs zu erkennen.

Dann brach die Erkenntnis um mich herum ein. Wenn Nacat die Waffe hatte, würden bald Katastrophen folgen. Leute würden sich für diese Waffe bekriegen. Rebellen gegen die Männer des Königs. Jede kleinere Gruppe hatte das Potential an Macht zu kommen. Und wenn die Waffe erst eingesetzt werden würde...

Und plötzlich hatte ich es eiliger als jemals zuvor.
„Wir müssen Garcy finden und alle in Sicherheit bringen." Irgendwo weit fort von diesem Ort, wo niemand uns finden würde.

Maze zögerte.
„Sicher, dass wir nicht Calean zuerst-..."

„Ich kann nicht in Caleans Nähe", widersprach ich hastig, jedes Wort wie bitterer Saft auf meiner Zunge. Mein winziges Herz verlor eine Scherbe.

Der Sucher zog die Augenbrauen zusammen, sagte jedoch nichts.

Bitte Maze, Garcy und die anderen finden. Sie ist-..."

„Schon gut, schon gut."

„Kannst du sie aufspüren?"

Maze nickte, doch die Zweifel standen ihm in die Augen geschrieben. Mit einem Seufzen schob er seine schwarzen Haare aus der Stirn und konzentrierte sich. Er machte einen Schritt auf mich zu, die Augen ins Leere gerichtet, doch dann hielt er wieder inne. Seine Stirn warf Falten und er ballte die Hände zu Fäusten. Er schloss die Augen - kniff sie zusammen, als blende ihn irgendetwas.

Schließlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, entspannte er sich wieder. Doch sein Ausdruck war Grabesdunkel.
„Es tut mir leid, Gwinn. Ich kann sie nicht orten."

✥✥✥

"Die Apokalypse kann warten. Ich muss meine Schwester retten." - Gwinn. Freut sich, dass ihre Geschichte eeeeeeeendlich ein Ende bekommt. Freut sich weniger, dass ihre Schwester fort ist. 

An alle, die es am 7.1.2020 hierher geschafft haben: Wow. Nicht nur, dass ihr ein Jahr gewartet habt. Dass ihr die Geschichte bis hierher zwei Mal lesen musstet und vermutlich ultra verwirrt seid...Ihr seid einfach wieder gekommen. 

Ihr seid meine Helden und nur für euch schreibe ich diese Geschichte zu Ende. 
(und natürlich für alle, die später dazu kommen und sich fragen, warum zur Hölle alle so rührselig sind). 

Vielen Dank für eure vielen Votes, Kommentare und eure Unterstützung :D 

xoxo

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