Unter dem Haselstrauch

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

Diesen Oneshot hab ich schon vor Jahren für das Projekt Silvesteroneshots mit bitter_sweet_love52 Arya0055 und Seraphina_Black geschrieben und auch in dem entsprechenden Buch hochgeladen. Da diese Oneshotsammlung aber bisher so leer ist und ich zur Zeit keine neuen Oneshots habe, wollte ich es einfach auch hier nochmal hochladen. \(•.•)/

》♤《

Knirsch, knirsch, knirsch.

Meine Füße stapften über den schneebedeckten Boden, während ich mir meinen Weg durch den Wald bahnte. Mit jedem Atemzug verließ eine weiße Wolke meinen Mund.

Der kalte Atem stach in meinem Rachen und trieb mir die Tränen in die Augen.
An einer alten, ehrwürdig aussehenden Eiche machte ich halt.
Meine Hände rieben aneinander im verzweifelten Versuch, etwas Wärme zu schaffen.

Mein Blick glitt umher und blieb an dem kleinen Haselstrauch hängen, der unweit von mir seine blattlosen Zweige gen Himmel streckte. Langsam trat ich näher.

Irgendwie kam mir dieser blöde Strauch bekannt vor.
Als ich neben ihm in die Hocke ging, streiften meine bloßen Hände zwei kleine Äste, die ich überkreuzt in den Schnee gelegt hatte.

Verfluchter Bockmist, ich war schon wieder im Kreis gelaufen.

Mit einem Seufzer der Verzweiflung wischte ich etwas Schnee weg und ließ mich auf den Waldboden plumpsen. Rinde piekste mir in den Rücken, als ich mich an den Haselstrauch lehnte.

Ich irrte nun seit Stunden in diesem Wald herum und langsam verließ mich die Kraft. Die Kraft, weiter herumzulaufen, aber auch die Kraft zu hoffen, dass mich irgendjemand finden würde.

Was hatte mich auch geritten, ganz allein einen Spaziergang durch den Harz zu unternehmen?

Zum vermutlich vierhundertsten Mal in einer Stunde holte ich mein Handy aus der Tasche und prüfte, ob ich Empfang hatte.
Meine steifgefrorenen Finger wischen über das Display, kaum noch in der Lage, sich zu krümmen.
Ich brauchte drei Anläufe, um mit meinen zitternden Fingern den 4- stelligen Code einzugeben.

Nichts.
Keinerlei Empfang.
Ich legte meinen Kopf in den Nacken und stöhnte. Eine kleine Schneeflocke setzte sich auf meine Nasenspitze und ich schloss die Augen. Wenn es jetzt noch anfing, zu schneien, würde ich endgültig aufgeben.

Eine Statistik, die ich letztens irgendwo gelesen hatte, kam mir wieder in den Sinn.

Mehr als 7% der Todesfälle sind kältebedingt.

Ich würde wohl auch Teil dieser Statistik werden.
Das Vibrieren meines Handys holte mich zurück in die Wirklichkeit.
5% Akku.

Hätte ich noch Kraft gehabt, hätte ich geflucht.
So zog ich nur meine Hand wieder aus der Tasche und öffnete meine Galerie. Ich wollte Mom noch ein letztes Mal sehen.

Auf dem Bild waren wir beide zu sehen. Meine Mom stand hinter mir - etwas auf Zehenspitzen, um mich überragen zu können - in beiden Händen eine Tasse mit dampfendem Kakao. Ich hatte das Bild gestern erst geschossen, weil wir lange nicht mehr so glücklich gewesen waren wie in diesem Moment. Wir hatten gelacht und gequatscht bis in die Nacht.

Eine Träne kullert mir über die Wange doch ich wischte sie nicht weg, zu gefesselt von diesem Anblick. Er schien eine Wärme auszustrahlen, an die ich mich verzweifelt klammerte.

Noch nie hatte ich mich so sehr in die Arme meiner Mutter gewünscht wie in diesem Moment.

Mit einem letzten Vibrieren wurde das Display schwarz.
Nein, das durfte nicht wahr sein! Ich brauchte mein Handy - ich brauchte meine Mutter.
Verzweifelt hämmerte ich auf meinem Bildschirm herum und brüllte es heiser vor Kälte an. Ich flehte, dass es doch noch einmal angehen solle, doch mein Handy blieb stumm und schwarz, als verspotte es meine Hilflosigkeit. Kraftlos sank ich zurück an den Stamm des Haselstrauchs.

Das Telefon glitt mir aus den Fingern, doch ich hob es nicht wieder auf. Weitere Tränen benetzen meine Wange und hinterließen heiße, salzige Spuren auf meiner kalten Haut. Ein kehliges Schluchzen drang aus meinem Mund und ich zog meine Beine zu mir.

Es war, als hätte mein Handy all meine Lebenskraft aus mir gezogen und mir die Klinge in die Brust gerammt, die schon über mir schwebte, seit ich den Wald betreten hatte.
Ein kleiner rationaler Teil in meinem Hirn schrie mich an, dass ich aufstehen müsse und weiterlaufen, doch ich wollte, konnte nicht.
Sie wurde eh immer leiser und leiser.

Ich vergrub meine Hände im rauen Stoff meiner Jacke. Meine Finger waren schon blau und ich spürte sie kaum noch doch auch diesmal unternahm ich nichts dagegen.
Ich drehte mich soweit, dass ich meinen Kopf gegen den Haselstrauch lehnen konnte und nun fast gänzlich lag.
Langsam fielen meine Augen zu und hinter meinen Lidern beschwor ich das Bild meiner Mutter herauf. Es war ähnlich dem von gestern, nur saß sie jetzt nicht mehr im Zimmer unseres Hotels sondern zu Hause vor unserem Kamin.

Ein Lächeln zierte ihr Gesicht und sie winkte mir fröhlich mit der Hand. Ich hätte gern zurück gewunken, doch der kleine Teil meines Verstandes bäumte sich ein letztes Mal verzweifelt auf. Öffne die Augen, Marlow. Du darfst nicht einschlafen!

Mit letzter Kraft zwang ich meine Lider auf. Der Schneefall war stärker geworden und hüllte die Welt um mich in einen verzauberten Winterwald. Es war wunderschön. Genau Marlow, es ist wunderschön. Beobachte die Flocken weiter!
sprach die Stimme mir zu, doch meine Augenlider wurden wieder schwerer und eine zweite Stimme drängte sich in meinen müden Geist. Gib auf, Marlow. Du hast dich tapfer geschlagen und nun verdienst du es, dich auszuruhen. Lass los, meine Süße.

Mom. Es war nur ein Hauch auf meinen Lippen, kaum mehr ein Wort, aber ich wusste das es meine Mom war, die mich da rief.
Sie verdrängte die andere Stimme und füllte mich mit ihrer Wärme und Liebe bis ich weder die Kälte noch den harten Boden mehr spürte.

Ich schloss meine Augen wieder, nicht gewillt, diesen Kampf weiter fortzuführen. Es war so viel leichter jetzt einfach loszulassen, wie Mom gesagt hatte.

Der Raum mit dem Kamin in seiner Mitte tauchte wieder auf und ich sah meine Mutter nun ganz deutlich, ihre Hand nach mir ausstreckend. Ihre filigranen Finger mit dem silbernen Ring daran, den sie seit Dads Tod nicht mehr getragen hatte, wirkten so verlockend auf mich, wie ein Zimmer voller Süßigkeiten auf einen Fünfjährigen. Ich runzelte meine Stirn, doch sie lächelte nur und blickte hinter sich.

In seinem grünen Lieblingssessel saß Dad und las Zeitung, wie er es früher zu tun gepflegt hatte.
Eine Träne rollte mir über die Wange und endlich griff ich nach der Hand meiner Mutter.

Die Wärme, die mich schon umgeben hatte, seit ich den Raum das erste Mal erblickte, durchdrang mich nun vollkommen. Ein strahlendes Licht blendete mich kurzzeitig, doch die Stimmen meiner Eltern flüsterten mir beruhigende Worte entgegen, sodass ich mich nicht fürchtete. Wir waren wieder vereint.

Eine Schneeflocke legte sich lautlos auf das braune Haar des jungen Mädchens. Ihre Wangen waren nass von ihren Tränen, doch sie trug ein leichtes Lächeln auf den Lippen.
Weitere Schneeflocken bedeckten sie, doch das Mädchen merkte weder die Kälte noch hörte sie die entfernten Rufe, während sie davonglitt.

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro