Verflochtene Zeiten

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Kurzgeschichte für "Kampf mit Feder und Tinte" von   BlackShadow_753 (Markierung will nicht)

Wörter: 2333

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Liebe Tara,

manchmal kommt es mir so vor, als würdest du direkt neben mir stehen. Doch im nächsten Moment merke ich, dass das gar nicht sein kann. Denn du bist viele Kilometer von mir entfernt ...

Seufzend lasse ich von der Tastatur ab und spiele mit dem grünen Fidget-Spinner zu, der auf dem Schreibtisch liegt. Mein Blick wandert zu dem Fenster, dass sich direkt über dem Laptop befindet. Durch die Scheibe ist die einsame Straßenlaterne zu sehen, die wie üblich ihr gelbliches Licht auf den Asphalt wirft. Der Rest der Straße und die gegenüberliegenden Häuser sind in Dunkelheit gehüllt.

Wo Tara sich wohl gerade befindet? Sie wollte mir schreiben, wenn sie in Delhi gelandet war. Aber bisher? Nichts. Kopfschüttelnd wende ich mich wieder meinem Bildschirm zu. Die Hände schweben schon über der Tastatur, doch irgendwie wollen die richtigen Worte partout nicht auf das digitale Papier wandern. Immer wieder schreibe ich einen Satz, nur um ihn sofort aus dem Dokument zu bannen.

Erneut schweift mein Blick ab. Und mit ihm auch meine Gedanken. Das leise Ticken der leuchtend gelben Wanduhr neben der Tür kommt mir unnatürlich laut vor, während ich durch den Bildschirm hindurch starre. An Stelle meines Schreibtischs sehe ich Tara vor mir. Die wallenden, langen weißblonden Haare, die sie immer offen trägt und die ihr bis zu den Hüften reichen. Ihre Silhouette, die er so gerne mal umarmen würde, und wenn es nur für einen Moment wäre. Das schmale, fast schon zierliche Gesicht mit den perfekten, rosigen Lippen und den hellblauen Augen, in denen man stundenlang versinken kann, ohne zu merken wie die Zeit vergeht.

Natürlich ist es unmöglich, sich zu berühren. In einer Fernbeziehung ist das nun einmal schwierig. Aber das hindert mich nicht daran davon zu träumen. Doch ein Traum ist nicht dasselbe, wie die Wirklichkeit. Denn irgendwann muss man aufwachen. Nur um festzustellen, dass man doch wieder nur geträumt hat. Dass das Bett immer noch halb leer ist. Dass etwas fehlt.

Einige bekannte Töne reißen mich aus den Gedanken und lassen meinen Blick auf den braunen Holztisch vor mir wandern. Rasch nehme ich das klingelnde Handy hoch und schaue auf das Display. „Engel" erscheint auf dem Bildschirm. Zusammen mit dem Bild von Tara, mir dem ich sie eingespeichert habe. Endlich! Ihr Flug ist gelandet. Das Kind in mir springt aufgeregt im Kreis, während ich auf den grünen Hörer tippe und das Handy an mein Ohr halte.

Nach meinen Berechnungen sollte ich wohl besser Daniel anrufen. Sonst wird der Arme noch ganz krank vor Sorge. Ich hole das Handy aus der Tasche, dass er mir geschenkt hat. Es ist weiß mit einem silbernen Rand. „So wie deine Haare" hat er mir gesagt. Es gefällt mir, auch wenn es etwas einfach ist. Ich sehe mich um und bemerke die Blicke, die mir die umstehenden Menschen zuwerfen. Habe ich etwa etwas vergessen? Ich sehe mich um und bemerke die vielen von Ochsen gezogenen Wagen und stopfe das Handy sofort verärgert wieder in die Tasche. Das kann doch wohl nicht wahr sein! Wie konnte mir nur so ein Fehler passieren ...

„Hallo, mein Engel, wie geht es dir? Hast du den Flug gut überstanden?", meine Stimme klingt selbst nach dem hundertsten, nein, tausendsten Mal Telefonieren immer noch, wie ein nervöser 14-Jähriger, der zum ersten Mal mit einem Mädchen spricht. Aber das ist mir in diesem Moment völlig egal. Was zählt ist, dass Tara endlich wieder erreichbar ist. „Es geht mir super. Der Flug war etwas anstrengend. Aber jetzt bin ich ja in Delhi angekommen und kann mich erholen", ich kann das Lachen hinter Taras Worten förmlich hören. Sie ist wohl wie immer der Meinung, ich würde mir zu viele Gedanken um sie machen. „Ich wünschte, ich könnte dir nach Delhi hinterher fliegen. Aber die Arbeit hält mich hier", seufzend schaue ich aus dem Fenster in die Dunkelheit der Nacht – selbst die Straßenlaterne ist inzwischen verloschen. Taras lachende Antwort zaubert auch mir für einen Moment ein wehmütiges Lächeln auf die Lippen: „Du weißt, dass das nicht geht. Aber ich verspreche dir, dass ich dich bald besuchen komme. Ich muss nur noch ein paar Dinge erledigen. Und jetzt geh schlafen. Denk dran, dass du morgen rechtzeitig los musst."

Ich nicke abwesend. Dann fällt mir auf, dass sie das ja nicht hören kann und werfe ihr ein „Gute Nacht, Schatz" und einen Luftkuss – den sie ebenfalls nicht hören kann, durch den Hörer zu und beende das Telefonat. Sie hat ja recht. Morgen um 6:00 klingelt mein Wecker, um mich zur Arbeit zu jagen. Mit langsamen Bewegungen schalte ich den Laptop aus und lege mein Handy wieder weg, ehe ich mich ins Bett schleppe und die Augen schließe.

Das ist ja gerade noch einmal gut gegangen. Um ein Haar hätte ich eine riesige Katastrophe ausgelöst. Wer weiß, was mit Daniel passiert wäre, wenn ich geblieben wäre! Jede Aktion hat eine Konsequenz. Das sollte ich inzwischen begriffen haben. Und doch. Er ist so anders als die übrigen Menschen. Ich habe zu ihm eine Verbindung, wie zu niemandem sonst. Doch was geschieht mit uns, wenn das rauskommt? Dann würde mir der Weg auf die Erde versperrt. Es wäre hier, als hätte es mich nie gegeben. Nein. Ich muss dem zuvorkommen!

Ein lautes Klingeln durchschlägt die Wände meiner Fantasie und veranlasst mich dazu, mühsam die Augen zu öffnen. Mit einer leicht unkoordinierten Bewegung schlage ich nach der Taste des nervigen, kleinen Geräts. Beim dritten Versuch hört das Gepiepe endlich auf und ich schließe noch einmal meine Lider, ehe ein zweiter Ton die Stille durchbricht. Diesmal ist es eine leise dudelnde Melodie, die immer lauter wird. Mein Handy? Um diese Uhrzeit? Ich zwinge meine Augen auf und reiche auf meinen Nachttisch, wo das Smartphone an seinem üblichen Platz liegt. Ein kurzer Blick aufs Display verrät: „Engel" ruft an.

Sofort ist jede Müdigkeit vergessen. Fast schon enthusiastisch – zumindest für die Uhrzeit – tippe ich auf den grünen Hörer und halte mir das Handy ans Ohr: „Guten Morgen mein Schatz", säuselt mir die Stimme meiner geliebten Tara ins Ohr, „Ich habe großartige Neuigkeiten für dich. Der Auftrag in Indien hat sich erledigt. Ich komme heute noch zurück. Wir sehen uns nachher. Aber jetzt muss ich los. Mein Flieger geht gleich."

Mit einer kurzen Tonabfolge trennt sich das Gespräch, bevor ich auch nur ein Wort sagen oder das Gesagte auch nur verstehen kann. Was bedeutet „wir sehen uns nachher"? Etwa hier? Bei mir? Augenblicklich tanzt ein Schwarm rosa-roter Schmetterlinge in meinem Bauch umher. Ist der Augenblick, auf den ich so lange gewartet habe, wirklich gekommen?

Rasch stecke ich das Handy wieder in meine Tasche und setze mich erstmal auf eine Bank in der Nähe. Was hatte mich nur geritten diesen Anruf zu machen? Ich kann Daniel nicht treffen! Es geht einfach nicht! Und doch. Der ehemals so leise Zweifel an den starren Regeln der Erden-Besuche wandert rastlos durch meinen Geist. Lässt mir keine Ruhe. Genauso wie der Gedanke an Daniel. Er lässt mich einfach nicht mehr los. Ich muss es versuchen! Die Chancen, dass es funktioniert, liegen ja ohnehin nur bei so ungefähr 30%. Und wenn es nicht klappt, kann ich immer noch behaupten, dass es ein Unfall war. Ja genau!

Die Sonne senkt sich bereits am Horizont – gut, im Spätherbst tut sie das ja recht früh – und flutet meine Wohnung mit rotem Abendlicht. Auch wenn das warme Licht der untergehenden Sonne schon bald von dem matten Leuchten der Straßenlaternen abgelöst würde – oder vielleicht auch gerade deswegen – genieße ich die wenigen letzten Minuten natürlicher Helligkeit des Tages. Meine Wohnung ist ordentlicher, als ich sie je gesehen habe. Auch wenn ich das kurze Telefonat heute Morgen falsch verstanden haben könnte. Die Schmetterlinge in meinem Bauch sagen mir unaufhörlich, dass ich Besuch bekomme. Und ich glaube ihnen. Sie müssen einfach recht haben. Das Klingeln der Gegensprechanlage dringt zu mir durch und ich merke, wie meine Hände leicht zu zittern beginnen.

Unsicher nehme ich den Hörer ab. Noch bevor ich etwas sagen kann, durchströmt mich die Gewissheit, dass es Tara sein muss. Die melodische Stimme, die durch die Anlage leicht blechern klingt, bestätigt mich nur. „Lässt du mich herein?" Ohne lange zu zögern, betätige ich die Taste, die die Tür unten mit einem leisen Summen entriegelt. Zögernd öffne ich die Tür zum Hausflur und warte auf eine Bewegung im dämmrigen Flur.

Wie der Engel, der sie ist, schwebt Tara die Treppen hoch, mir entgegen und lächelt mich liebevoll an. Direkt vor ihr stehend fällt mir als Erstes auf, wie groß sie eigentlich ist. Auch wenn ich an den 1.90 kratze. Tara überragt mich um mehr als einen Kopf. Etwas überrascht über diese Tatsache winke ich meine Freundin herein und schließe die Tür hinter ihr. Ich beobachte, wie sie sich kurz umsieht und dann wie selbstverständlich auf dem grauen Sofa Platz nimmt, dass am Rand des Wohnzimmers steht. Mit der linken Hand klopft sie neben sich. Unsicher folge ich ihrer Aufforderung und setze mich zu ihr. Jedoch mit etwas Abstand. Irgendetwas an ihr ist merkwürdig, schießt es durch meinen Kopf. Doch so sehr ich auch darüber nachgrübele. Ich komme einfach nicht darauf, was es ist.

Lange kann ich nicht darüber nachdenken. Denn Taras Stimme durchbricht die Gedankenblase, die sich über meinem Kopf zu bilden droht. „Bevor ich dir erkläre, was ich so spontan hier mache, musst du mir etwas versprechen", sie schaut mich erwartungsvoll an, was mich dazu veranlasst ihr zuzunicken. Bevor ich aber etwas sagen kann, spricht sie schnell weiter: „Egal, was in den nächsten Minuten passiert, versprich mir, dass du nicht ausflippst oder wegläufst. Versprochen?" Taras Stimme klingt fast schon verzweifelt. Sofort versichere ich ihr, dass mich nichts aus der Ruhe bringen kann, jetzt, wo sie da ist.

Mit mehr Unsicherheit, als ich in der zweijährigen Beziehung je bei ihr gesehen habe, knöpft Tara mit langsamen Bewegungen ihren absurd weiten Mantel auf und ich halte den Atem an. Was sie mir wohl zeigen möchte? Doch keinen Augenblick später bewegt sich etwas unter ihrem Mantel und taucht aus dem Dunkel des Kleidungsstücks auf, während Tara es vorsichtig ablegt und mich dabei unsicher anschaut. Ich hingegen springe unwillkürlich auf und trete einen Schritt zurück, während ich noch an einen bösen Traum glaube. Vor mir steht Tara – zumindest bis zu den Schultern genau so, wie ich sie in den Anrufen auch immer gesehen habe. Doch darunter. Direkt unter ihren Armen, wächst ein weiteres Armpaar aus der Seite. Mit einem etwas gezwungen wirkenden Lächeln steht mein Engel, sollte ich sie wirklich so nennen, da und lässt die Musterung schweigend zu. Schließlich öffnet sie ihre wohlgeformten Lippen – Was hätte ich noch vor einer Stunde dafür gegeben, sie einmal küssen zu dürfen?

„Bitte lass mich erklären", die flehende Stimme von Tara holt mich zurück aus meinen Gedanken zurück, „Ich bin eine Etera. Bewohner einer Welt, die der Erde ähnlich ist und doch völlig anders. Es... Es ist schwer zu erklären..." Sie seufzt einmal tief, ehe sie sich wieder fängt und rasch weiterspricht: „Eterno ist eine Welt wie die Erde. Irgendwie zumindest. Sie liegt außerhalb der menschlichen Wahrnehmung und ist doch immer um euch herum. Der größte Unterschied ist wohl die Zeit. Sie läuft in beiden Welten unabhängig voneinander. So können wir zu jeder beliebigen Zeit auf der Erde sein. Jedes Zeitalter, jede Epoche bereisen."

Ich merke, dass mir der Mund offen steht und klappe ihn schnell zu, während mein Gehirn krampfhaft versucht, das Gesagte zu verarbeiten und zu verstehen. Schließlich komme ich zu dem Schluss, dass das hier kein schlechter Traum sein kann. Denn auf so etwas verrücktes, wäre nicht einmal mein bekloppter Verstand gekommen. Auch die zweite Option, dass Tara den Verstand verloren hat, ist schlecht möglich. Denn ein verlorener Verstand lässt einem keine vier Arme wachsen. Also gibt es nur eine Möglichkeit: Es muss stimmen, was sie da erzählt.

„Also bist du... eine Zeitreisende?" Meine Frage schwebt im Raum zwischen uns, bis Tara sie leise, aber bestimmt, beantwortet: „Ja... und Nein. Ich reise in meiner eigenen Zeit. Aber kann in der deinen vor und zurück springen." Sie wirft einen merkwürdigen Blick aus dem Fenster, dass sich als schwarzes Loch von der Wand abhebt. Draußen brennen bereits die Laternen. Doch in der schmalen Seitengasse, zu der das Fenster zeigt, gibt es keine Straßenlampen. Unruhig rutscht Tara auf dem Sofa hin und her. „Wir müssen uns beeilen. Jetzt wo du Bescheid weißt, gibt es nur noch einen Weg. Du musst einer der meinen werden, ehe sie dich entdecken. Früher... sowohl für dich als auch für uns, gab es ein Missgeschick. Eine Gruppe wurde entsandt. Um Informationen über die Menschen zu sammeln. Doch sie tarnten sich nicht und wurden verehrt wie Götter und werden bis ins Erden-heute als Götter verehrt."

Mein Gehirn beginnt zu arbeiten und die Gedanken rasen auf meinen inneren Autobahnen nur so dahin. Gäbe es in mir Blitzer, die Polizei hätte einen reichen Fang. Was würden die Eteros mit mir anstellen, wenn sie mich zu fassen bekämen? Mich studieren? Gefangen nehmen? Oder Schlimmeres? Eine Frage, die ich mir lieber gar nicht stellen möchte. Der Einzige mir offene Weg ist die Flucht nach vorn.

Zögernd trete ich näher an Tara heran. Meine Lippen bewegen sich wie von selbst und ich bin überrascht über die Stärke, die in meiner Stimme mitschwingt: „Ich komme mit dir. Egal was kommt. Wir gehören zusammen." Mein Engel lächelt mich an. Mit dem Lächeln, dass ich so an ihr liebe. Zuversichtlich und mit so viel Zärtlichkeit, die sich in ihren himmelblauen Augen widerspiegelt. Sie streckt eine Hand nach mir aus, die ich sogleich ergreife. In einer anderen Hand hält sie mit einem Mal ein futuristisch anmutendes, metallen-silbernes Gerät, dass leise zu surren beginnt, als sie auf einen Knopf drückt.

Während wir in ein sanftes Leuchten gehüllt werden, sehe ich mich ein letztes Mal in meiner Wohnung um. Es mag nicht viel sein. Doch es ist ... war mein Zuhause. Dann richte ich meinen Blick fest auf Tara und versinke in ihren wunderschönen Augen, die so viel mehr sagen, als Worte es könnten. Mit einem Lächeln auf den Lippen lasse ich mich vom Licht gänzlich einhüllen und spüre, wie die Welt um mich sich zu verändern beginnt.


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