15 - Ein einziger Augenblick

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Ein einziger Augenblick

Gestresst läuft sie aus dem großen Gebäude. Die langen Schulflure schwimmen nur so an ihr vorbei und sie schaut immer wieder nervös auf das Handy in ihrer Hand. In wenigen Minuten muss sie ihre Bahn erreichen, die nächste kommt erst in zehn Minuten. Immer wieder rempelt sie einen Mitschüler an und überquert den großen Schulhof. Doch sie ist in diesem Falle nur eine von Vielen, schließlich ist Freitagnachmittag und so gut wie alle haben ab jetzt Wochenende. Immer wieder flucht sie laut auf, wenn sie über einen Fuß stolpert oder ihr eigener schmerzhaft gequetscht wird. Die Masse ist ihr zu lahm, sie will schneller sein. Sie muss. Auf dem Bildschirm des Smartphones blinkt eine Nachricht auf. Er, er schreibt ihr. Er sagt, er freut sich auf ihre Verabredung und dass er bereits am vereinbarten Treffpunkt ist. Sie atmet tief ein und ignoriert die Schimpfworte, die einige ihrer Klassenkameraden ihr entgegenschmettern, als sie sie weniger sanft zur Seite schieben muss. Nur noch wenige Minuten. Die Haltestelle ist genau neben ihrer Schule, sie müsste es genau schaffen. Wenn da nicht diese lästigen Jugendlichen wären, die einfach nicht schneller werden wollen. Und das, obwohl sie doch alle die Straßenbahn schaffen wollen. Sie ganz besonders. Sie muss ja pünktlich sein. Immerhin ist er ja schon viel zu früh da und wenn sie jetzt auch noch zu spät kommt, macht das keinen guten Eindruck von ihr. Endlich hat sie die letzte Hürde, eine kleine und nur wenige Meter breite Straße erreicht, die sie von der schon nahenden Bahn trennen. Sie wird sie auf jeden Fall erwischen und blickt nochmal und nun entspannter auf ihr Display herab. Sie will gerade entsperren und gleichzeitig mit vielleicht zehn weiteren Leuten die letzten Meter zur Bahn überbrücken, als ein viel zu lauter und viel zu später Ruf die Luft durchbricht. Sie fühlt sich nicht rechtzeitig genug angesprochen, sie schaut weiterhin auf die Zeilen, die er ihr geschrieben hat. Sie sieht nicht die anderen Leute, die reflexartig und aufmerksam zurück springen. Sie sieht es einfach nicht. Sie sieht nur seine Worte und dann, dann ist da auch schon der zerreißende Aufprall ihrer Hüfte auf dem Metall und der nur Bruchteile von Sekunden später eintreffende Schlag gegen ihre Schläfe auf barstendes Glas. Die folgenden Schreie um sie herum hört sie gar nicht, denn sie fliegt schon. Benebelt vom gewaltigen Knall gegen ihren Schädel schwebt sie nahezu vier, fünf, sechs Meter. Jeder Hilferuf, jede Warnung hat sie nicht gehört, denn sie hat an ihn gedacht. Wollte ihm gerade sagen, dass sie sich auch freut. Wollte nur bei ihm sein. Als sie auf dem schweren Asphalt aufkommt, fühlt sie schon gar nicht mehr das schwindende Bewusstsein. Sie spürt auch nicht die quietschenden Bremsen, die ein leichtes Vibrieren auslösen. Sie sieht nicht die Hände von hunderten Schülern, die sich auf ihre Münder schlagen. Sie hört nicht das Kreischen. Sie denkt vor ihrem tiefen Schlaf nur noch an ihn, der jetzt wahrscheinlich anfängt zu zweifeln, sich zu wundern. Schließlich hat sie sonst immer sofort geantwortet. Und das weiß er. Sie denkt zum Schluss daran, wie er auf der Bank in dem kleinen Park sitzt und auf sein Mobiltelefon blickt, auf eine Antwort wartend und ein Mädchen ersehnend, das nicht mehr kommen wird.

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